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Der Affe und die Schwalbe

Aus Mauritius

Gevatter Affe und Gevatterin Schwalbe taten sich eines Tages zusammen, um einen kleinen Spezereiladen zu eröffnen. Aber sie mußten zunächst aus einem anderen Lande Waren beschaffen. Was tun? Man suchte, und der Affe fand einen Ausweg. Er geht zum Basar und kauft eine dicke Gurke, schneidet sie der Länge nach in zwei Teile und ißt die eine Hälfte, die andere Hälfte höhlt er aus, säubert sie, macht ein Boot daraus und setzt es aufs Meer.

Sie schiffen sich ein. Die Schwingen der Schwalbe dienen als Segel und der Schwanz des Affen als Ruder. Man segelt ab.

Auf halber Fahrt hat der Affe Hunger. Er nagt mit den Zähnen ein Stück des Bootes ab und ißt es auf. Die Schwalbe sagt:

»He, du Gevatter, du spaßest wohl? Nimm dich in acht, daß unser Boot nicht umschlägt. Ich, die ich Flügel habe, kann ja davonfliegen, du aber wirst ertrinken, hörst du!«

Der Affe lacht nur:

»Hab doch keine Angst, Gevatterin, das Boot hatte rückwärts so einen Buckel, den habe ich ihm weggenommen.«

Sie fahren und fahren. Der Affe hat Hunger. Von neuem beißt er in das Boot, die Gurke legt sich auf die Seite. Der Affe nagt auf der andern Seite, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Gurke schlägt um, der Affe rollt ins Wasser, die Schwalbe fliegt davon.

Während der Affe mit den Armen das Wasser schlägt und zu schwimmen versucht, kommt ein Fisch dahergeschwommen. Der Affe ruft ihn an:

»He, du Gevatter, wenn du mich ans Land setzest, so schenk ich dir einen Sack voll Geld, und der Gouverneur wird dir ein kleines Medaillon an einem Bündchen geben, dafür daß du jemanden aus dem Wasser gezogen hast. Sag, ist dir's recht?«

Der Fisch ist gutmütig; er nimmt den Affen auf den Rücken und trägt ihn ans Land.

Nachdem der Affe sich tüchtig geschüttelt hat, sagt er zum Fisch:

»Dank, Gevatter, mein Kompliment, du schwimmst gut. Doch wart einen Augenblick, ich will deinen Sack voll Geld holen. Die Geschichte mit der Medaille wird sich schon später ordnen.« Dem Fisch läuft vor Gier das Wasser im Munde zusammen; er bleibt ganz nahe am Ufer, und der Affe läuft nach Haus.

Der Affe kommt zurück und trägt einen sehr großen Sack. Auf den Boden des Sackes hat er ein paar große Sous-Stücke hingelegt und eine Menge flache Kiesel. Er schüttelt den Sack tüchtig hin und her, damit die Sous-Stücke gegen die Kiesel klingen. Dann geht er ein Stückchen ins Wasser, öffnet den Sack und sagt zum Fisch:

»Komm, zähle!«

Der Fisch kriecht in den Sack, der Affe schließt ihn schnell, trägt ihn ans Land, nimmt einen Stecken und tötet den Fisch. Und er hält sich den Bauch vor Lachen.

»He, wie dumm ist doch so ein Vieh! Ha, ha, Geld und eine Medaille, ha, ha, wie muß ich lachen!«

Dann nimmt der Affe den Sack auf den Rücken und geht ins Land hinein, indem er ausruft:

»Fisch, schönen, guten Fisch für Pasteten. Schönen, frischen Fisch für Pasteten!«

Er kommt am Hause eines alten Mütterchens vorbei, das auf der Schwelle sitzt.

»Braucht ihr keinen Fisch für Pastete? Ich selbst würde sehr gerne so eine Pastete essen, aber ich habe kein Geld dafür. Hört zu! Wenn ihr guten Reis habt, guten Marsala, gutes Piment, so könnten wir einen Handel machen. Ich liefere das Fleisch, und Ihr gebt das andere; Ihr macht die Pastete, und wir essen sie zusammen.«

Die gute Frau ist einverstanden und setzt die Pastete ans Feuer; der Affe setzt sich und wartet.

Als die Pastete ins Kochen kommt, verbreitet sie einen köstlichen Duft durch das ganze Haus. Der Affe öffnet die Nüstern, und das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Er sagt zur Alten:

»Essen wir jetzt, es hat schon genug gekocht, meine Nase sagt mir das.«

»Nein, Herr Affe, es muß noch etwas auf dem Feuer stehen. Wartet einen Augenblick; mein Junge ist trockenes Holz sammeln gegangen, er wird gleich heimkommen, dann essen wir zusammen.«

Als der Affe vernimmt, daß sie die Pastete zu dritt teilen sollen, wurmt ihn das sehr. Das ist unmöglich. Er läuft hinaus in den Hof und steigt auf einen hohen Tamarindenbaum. Er tut, als blicke er weit in die Ebene hinaus, und plötzlich schreit er:

»Ach, ach, sie werden ihn töten! Gute Frau, gute Frau, es ist Euer Sohn! So lauft doch, man schlägt ihn nieder. He, lauft! Lauft! Sie werden ihn töten.«

Die gute Frau läuft hinaus und jagt davon.

Der Affe steigt vom Tamarindenbaum herunter und geht in die Küche. In einem Augenblick hat er Reis und Pastete verschlungen. Aber seht, welche Bosheit und Niedertracht! Dieser abscheuliche Affe verunreinigt die Kochtöpfe, setzt sie wieder aufs Feuer und lehrt auf den Tamarindenbaum zurück.

Die gute Frau trifft am andern Ende der Ebene mit ihrem Sohne zusammen. Er ist allein und kommt ruhig mit einem Bündel auf dem Kopfe daher. Die gute Frau errät leicht, daß der Affe sie angeführt hat; sie beeilt sich, mit ihrem Sohne heimzukommen.

Die gute Frau betritt die Küche. Die Kochtöpfe stehen noch immer auf dem Feuer. Sie verbreiten einen schrecklichen Geruch.

»Aber dieser Fisch war doch nicht verdorben!«

Sie nimmt einen Topf vom Feuer, hebt den Deckel ab.

»Du mein Gott, mein Kochtopf hat sich in einen Nachttopf verwandelt.«

Sie sind wütend und suchen den Affen, um ihn zu töten. Der sitzt auf dem Tamarindenbaum und lacht aus vollem Halse. Der Junge hört ihn lachen, blickt auf und ruft ihm zu, herunterzukommen. Der Affe lacht noch mehr.

»Lieber sollst du hinauf kommen, dann könnten wir in den Zweigen Versteckens spielen.«

Aber die gute Alte ist auch boshaft. Sie kocht einen großen Kessel voll Schiffsteer, nimmt einen Pinsel und bestreicht den ganzen Stamm des Tamarindenbaumes von oben bis unten mit Teer. Dann machen sie zu Füßen des Baumes ein großes Feuer an; als das Feuer flammt, werfen sie grünes Holz und feuchtes Stroh hinein.

Der Affe droben kann die Hitze und den Rauch, der ihm die Augen verbrennt, nicht mehr ertragen. Er läßt sich hinuntergleiten und erreicht die Teerschicht: seine Hände, seine Füße, sein Bauch, alles klebt am Baum. Die gute Alte nimmt ihren Reisstößer und versetzt ihm nur einen einzigen Schlag damit. Bumm! Sie bricht ihm das Kreuz.

Sie lösen ihn vom Teer los, ziehen ihm die Haut ab und machen ein schönes Ragout aus ihm.

Ich gehe vorbei und bitte den Jungen nur um einen Knochen. Er aber gibt mir einen Fußtritt, und ich fliege hierher, um euch diese Geschichte zu erzählen.


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