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Herr Tragmichnicht und Herr Sagmirnicht

Angola-Neger

Herr Tragmichnicht und Herr Sagmirnicht gingen mit ihren Trägern nach Loanda, um Handel zu treiben. Als sie ihre Geschäfte erledigt hatten, banden sie ihre Körbe zu und hoben sie auf. Sie kamen bis nach Kifuangondo. Da sagt Herr Sagmirnicht:

»Freund, laß uns gehen.«

Sprach der andere: »Laß mich erst schlafen.«

Sie ruhen; der Abend kommt.

»Nun, Freund, hast du jetzt ausgeschlafen?«

Sagt der andere: »Ich schlief noch nicht.«

Sie schlafen; der Morgen kommt.

»Laß uns gehen, Freund,« sagt der andere.

»Ich kann nicht gehen,« sagt sein Freund.

»So laß uns ruhen. Ihr, Träger, geht jetzt heim. Wenn ihr heimkommt, so sagt den alten Leuten in Ambaca: »Herr Tragmichnicht ist krank; wir haben beide, Herrn Tragmichnicht und Herrn Sagmirnicht, in Kifuangondo zurückgelassen. Herr Tragmichnicht ist krank, der andere blieb bei ihm, um ihn zu pflegen, bis die Krankheit vorüber ist.« Die Träger gingen. Die Zurückbleibenden verbrachten den Tag schlafend.

Am andern Morgen sagt Herr Sagmirnicht:

»Mein Freund, die Krankheit ist schlimm. Laß mich dich tragen, damit wir weiter kommen.«

»Man trägt mich nicht – du lügst.«

Sagt der andere: »Freund, ich sprach die Wahrheit!«

»Man trägt mich nicht,« sagt der andere.

»Ich will dich aber doch tragen, sag ich dir.«

Sagt der andere: »Man trägt mich wirklich nicht; das ist Gesetz in meiner Familie.«

Spricht der erste: »Du lügst, ich werde dich auf alle Fälle tragen.«

Er nimmt ihn auf den Rücken. Sie brechen auf. Kommen bis zum Bengo River bei Palma.

»Freund, steig ab.«

»Ich werde nicht absteigen, ich habe dir gesagt, man trägt mich nicht. Heute an diesem Tag hast du mich getragen, ich kann nicht herunter kommen.«

Da schlafen sie, der eine mit dem andern auf dem Rücken, bis Tagesanbruch. Sie brechen wieder auf.

Auf dem Weg macht Herr Sagmirnicht Halt, um etwas zu verrichten.

Er sagt: »Freund, steig ab, ich muß etwas verrichten.«

»Ich habe dir schon gesagt, man trägt mich nicht. Heut' an diesem Tag hast du mich getragen, ich kann nie mehr herunterkommen.«

Herr Sagmirnicht verrichtet es stehend. Sie gehen weiter. Kommen bis Pulungo.

Spricht Herr Sagmirnicht: »Komm herunter, Freund, damit ich ruhen kann.«

Sagt der andere: »Mein Freund, ich werde nie mehr herunterkommen.«

Herr Sagmirnicht ißt nichts, trinkt kein Wasser. Herr Tragmichnicht trinkt kein Wasser, ißt keine Speise. Sie brechen auf, sie machen Halt. Herr Sagmirnicht fällt zu Boden. Ihre Verwandten schicken eine Hängematte. Man legt sie in die Hängematte und bringt sie nach Haus. So lebten Herr Sagmirnicht und Herr Tragmichnicht acht Tage. Herr Sagmirnicht starb, Herr Tragmichnicht starb. Der eine, Herr Tragmichnicht, starb auf dem Rücken des andern. Man begrub jeden in seinem Grab.

Wenn es auf Erden jemanden gibt, der hört, daß ein anderer sagt, du Freund, tu dies nicht, es wird dir Schwierigkeiten machen, und der dann antwortet, es wird mir nichts schaden, so ist er im Irrtum. Auf Erden muß einer auf den andern hören. Auch du sollst auf deinen Gefährten hören, wenn er spricht; du, der du auf niemand hörst, bist wie ein Tier im Walde, du wirst nur finden, was dich tötet; was dich erhält, wirst du nicht finden.


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