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Die Abenteuer des Guru Gimpel

Tamulisch

Erste Geschichte

Die Überquerung des Flusses

Der Guru Gimpel war ein heiliger Mann, dem fünf Schüler untertan waren: Schädelbrett, Taps, Simpel, Dummerjahn und Tölpel. Sie hatten alle sechs auf der Suche nach weiteren Schülern viele Dörfer durchwandert und befanden sich auf dem Heimweg zu ihrem Mattam, Klosterartige Behausung. als sie eines Tages in der dritten Nachtstunde an ein Flußufer kamen.

In der Erwägung, daß dies ein grausamer Strom sei, den man beileibe nicht passieren dürfe, solange er noch wache, beauftragte der Guru den Dummerjahn, festzustellen, ob der Fluß schlafe. Da nahm Dummerjahn einen brennenden Span, näherte sich dem Flusse auf Armeslänge und tauchte die Flamme ins Wasser.

Das Wasser rauchte auf und gab einen zischenden Laut – und Dummerjahn eilte holpernd und stolpernd zurück und schrie schon von weitem: »O Meister, Meister, jetzt ist nicht die rechte Zeit, den Fluß zu überqueren! Er ist wach! Kaum hatte ich ihn berührt, als er in Wut geriet, wie eine Giftschlange aufzischte, Dampf ausstieß und nach mir in die Höhe sprang. Es ist ein wahres Wunder, daß ich mit dem Leben davongekommen bin.«

Da erwiderte der Guru: »Wie sollten wir uns gegen den göttlichen Willen auflehnen? Wir wollen ein Weilchen warten.«

Sie ließen sich also im Schatten eines dichten Buschwerks nieder und erzählten sich, um die Zeit zu verkürzen, allerlei Geschichten über den Fluß. Schädelbrett begann:

»Ich habe meinen Großvater oft von der Wildheit und Verschlagenheit dieses Stromes sagen gehört. Mein Großvater war ein tüchtiger Kaufmann. Eines Tages trieben er und ein Gefährte zwei Esel vor sich her, die mit Salzsäcken beladen waren. Als sie den Fluß bis zur Mitte durchquert hatten, wuschen sie sich im kühlen Wasser, das ihnen bis an die Hüften ging; und auch die Esel hielten sie an und badeten sie ebenfalls.

Als sie dann am andern Ufer ankamen, sahen sie, daß der Fluß nicht nur das ganze Salz verschlungen, sondern es auch auf ganz wundersame Weise aus den Säcken herausgeholt hatte; denn an den gut vernähten Säcken fand sich auch nicht die kleinste Öffnung. Da beglückwünschten sich die beiden Männer und frohlockten: »Ha ha! Dieser Fluß hat das ganze Salz verschlungen; welch ein Segen für uns, daß er sich nicht auch über uns hergemacht hat!«

Da erzählte Simpel ein anderes Abenteuer. »Von den Listen, Tücken und Diebereien des Flusses weiß auch ich ein Stücklein zu erzählen. Hört zu: Ein Hund, der ein gestohlenes Stück Hammelfleisch fest im Maule hielt, schwamm durch den Strom, als der Fluß hinterlistigerweise ein anderes Stück Fleisch im Wasser sichtbar werden ließ. Der Hund stellte fest, daß dies andere Stück größer sei als das seine; er ließ also sein Stück fallen und tauchte unter, um das größere zu packen. Da verschwanden sie alle beide, und der Hund mußte mit leerem Magen abziehen.«

Während sie sich so unterhielten, erspähten sie am anderen Ufer einen Reiter, und da der Fluß kaum eine Spanne tief war, blieb der Mann auf seinem Pferde sitzen und trabte ohne alle Furcht eilig hindurch.

Als sie das sahen, riefen sie: »Ach, ach! Wenn unser Guru ebenfalls ein Pferd hätte, so könnten sowohl er als wir furchtlos den Fluß überschreiten.« Und sie drangen in ihn: »O Meister, du mußt unbedingt ein Pferd kaufen.« Der Guru Gimpel aber antwortete: »Davon wollen wir später reden.«

Als der Tag zu Ende ging und der Abend kam, ließ er wiederum auskundschaften, ob der Fluß schlafe. Da nahm Taps wieder einen brennenden Span, und als er ihn prüfend ins Wasser tauchte, rührte das sich gar nicht, denn die Flamme war schon vorher verlöscht. Er freute sich also sehr und lief eilig zurück: »Jetzt ist die Zeit! Jetzt ist die Zeit! Kommt schnell und macht den Mund nicht auf! Seid ganz leise! Der Fluß liegt im tiefsten Schlummer; wir können ganz unbesorgt sein.«

Bei dieser guten Nachricht sprangen sie auf und stiegen alle sechs vorsichtig und ohne ein Wort zu äußern in den Fluß. Sie taten jeden Schritt so leise, daß das Wasser nicht einen Plätscherlaut von sich gab, und hoben den Fuß jedesmal hoch aus dem Wasser. So schritten sie mit Angst und Herzklopfen durch den Fluß.

Sobald sie das Ufer erreicht und erstiegen hatten, waren sie ebenso ausgelassen fröhlich wie vorher sorgenvoll, und während sie umhersprangen, machte Tölpel, der hinter ihnen stand, sich daran, sie zu zählen – ohne aber sich selbst mit einzuschließen. Als er nun beim Zählen nur fünf Personen sah, rief er entsetzt: »Wehe, wehe! Einer ist im Fluß geblieben! Sieh selbst, Meister, wir sind unser nur fünf!«

Der Guru stellte sie alle in einer Reihe auf und zählte mehrmals nach. Da er aber immer sich selbst nicht mitrechnete, sagte auch er, es seien nur fünf; und so wurde es ihnen zur Gewißheit, daß der Fluß einen verschlungen habe.

Da begannen sie bitterlich zu heulen und riefen: »Weh, o weh!« Sie sanken einander in die Arme und klagten: »O du grausamer Fluß! Du bist hartherziger als Stein, raubgieriger als ein Panther. Hast du es doch gewagt, den Schüler des Guru Gimpel, des geachteten, verehrten, hochgeschätzten und berühmten, dessen Name von einem Ende der Welt zum andern erklingt, zu verschlingen! Du Schurke! hast du eine so böse Seele, du Sohn des schwarzen Bären, du Nachkomme des gierigen Tigers? Sollst du dein Unwesen immer weiter treiben? Soll dein gieriger Strom immer neues Unheil stiften? Nein! Möge deine Quelle versiegen und verdorren; möge deine Glut den Sand deines Bettes verzehren; möge Feuer deine Wogen fressen; mögen deine Wiesen welken und veröden und deine Tiefen sich mit Dornen füllen! Ohne Feuchte, ohne Kühle mögest du vergehen in alle Ewigkeit, und nichts soll mehr von deinem einstigen Dasein zeugen!«

So schleuderten sie ihre Anklagen und Flüche und reckten die Hände aus gegen den Feind. Infolge ihres albernen Übereifers wußte aber keiner, welchen von ihnen der Fluß eigentlich mit hinweggeführt hatte, und keiner fragte, wer es wohl sein könne.

So standen die Dinge, als ein vernünftiger Mann des Weges kam und von Mitleid ergriffen fragte: »Was ist, Herr, was ist? Komm und sage mir den Grund eures Kummers!« Da erzählten sie ihm den ganzen Hergang. Und er, der ihre Dummheit gewahrte, entgegnete: »Was geschehn ist, ist geschehn! Wenn ihr mir eine angemessene Entschädigung geben wollt, so liegt es in meiner Macht, den wieder herbeizuschaffen, den der Fluß entführt hat; denn wißt, ich bin in aller Zauberkunst erfahren.«

Da freute sich der Guru und erwiderte: »Wenn du das tun willst, so wollen wir dir 45 Geldstücke geben, die wir uns auf die Reise mitgenommen haben.«

Der andere erhob nun einen Stock, den er in der Hand trug, und sagte: »Hierin liegt die Kunst verborgen. Wenn ihr euch in einer Reihe aufstellt und jeder, dem ich einen Schlag auf den Rücken gebe, seinen Namen nennt, will ich euch alle sechs zur Stelle schaffen.« Er stellte sie auf und gab zuerst dem Guru einen Schlag auf den Rücken.

»Holla,« rief der, »ich bin's, ich selber, der Guru!«

»Eins,« sagte der Mann.

Auf diese Weise gab er jedem einen Hieb, und jeder nannte daraufhin seinen Namen. Der Mann zählte, und alle hörten nun, daß keiner von den Sechsen fehlte. Sie verwunderten sich sehr, umringten den Zauberer und lobpriesen ihn. Dann zahlten sie ihm die vereinbarte Summe aus und gingen davon.

Zweite Geschichte

Der Einkauf des Pferdeeies

Als der Guru Gimpel und seine fünf Schüler daheim im Mattam angekommen waren, gingen sie umher und erzählten, wie sehr der Fluß ihnen zugesetzt hatte.

Das hörte auch ein altes, einäugiges Weib, das im Mattam Straßenkehrerdienste verrichtete. Nachdem sie sich den Hergang in allen Einzelheiten hatte berichten lassen, sagte sie: »Ich bin der Meinung, daß ihr bei eurer Zählung einen Fehler gemacht habt. Läßt man beim Zusammenzählen sich selbst oder eine andere Person aus, so wird sich eine falsche Summe ergeben. Ich will euch aber ein Verfahren nennen, bei dem ihr ein andermal solchen Irrtum vermeiden könnt. Ihr müßt von der Straße ein wenig Pferdemist aufsammeln und ihn hübsch weich klopfen; dann stellt ihr euch drum herum, bückt euch nieder und taucht die Nasenspitzen in den Dungkuchen. Wenn ihr dann die Vertiefungen nachzählt, die ihr mit euren Nasen hineingegraben habt, so könnt ihr unzweifelhaft feststellen, wieviel ihr seid. Auf eben dieselbe Weise haben wir vor etlichen 50 oder 60 Jahren eine Anzahl Frauen nachgezählt, die beieinander standen.«

Da erwiderten sie alle: »Dies ist in der Tat ein trefflicher Plan und kostet kein Geld; leider ist er uns selbst nicht eingefallen. Immerhin wird es für alle Fälle das beste sein, ein Pferd zu kaufen. Meister, du mußt unbedingt ein Pferd kaufen.«

Der Guru erkundigte sich, wie hoch der Kaufpreis eines Pferdes sei. Als sie auf ihre Nachfrage hörten, daß man dafür nicht weniger als 60 bis 100 Pagodas zahlen müsse, entschied der Guru, daß er nicht in der Lage sei, so viel zu bezahlen.

Die Sache blieb also geraume Zeit auf sich beruhen. Da gewahrten sie eines Tages, daß ihre Milchkuh, die auf die Weide geschickt worden war, zur Abendzeit nicht heimkehrte. Sie suchten sie im ganzen Dorf; da sie aber nicht zu finden war, begab sich Schädelbrett am andern Tag in die umliegenden Ortschaften, um nach ihr zu suchen.

Als er am dritten Tage zum Mattam zurücklehrte, ohne sie gefunden zu haben, rief er begeistert: »Meister, die Kuh kann ich nicht finden; das tut aber nichts, denn dafür habe ich ein Pferd für uns entdeckt, das gar billig zu haben ist.«

»Wie kommt das? Erzähle!« fragte der Guru eifrig.

Darauf berichtete Schädelbrett: »Nachdem ich von Dorf zu Dorf, von Anger zu Anger, von Weidetrift zu Weidetrift nach der Milchkuh gesucht hatte, bemerkte ich vier oder fünf Stuten, die am Ufer eines großen Sees grasten und lagerten. Nicht weit davon kam ich zu einer Stelle, da hingen allenthalben Pferdeeier herab von einer Größe, daß man sie mit beiden Armen nicht umspannen konnte. Ich fragte einen, der des Weges kam, und er bestätigte mir, daß es wirklich Pferdeeier wären, und daß der Preis eines jeden nur vier bis fünf Pagodas sei. Hier ist eine gute Gelegenheit, Meister. Wir kommen so auf bequeme Weise zu einem edlen Pferde, und was seine Gelehrigkeit und Fügsamkeit anlangt, so hängt das allein davon ab, wie wir es aufziehen und zu zähmen wissen.«

Alle stimmten diesem Vorschlag bei. Man gab dem Schädelbrett den Taps als Begleiter, händigte ihnen fünf Pagodas aus und schickte sie auf den Weg.

Als die beiden fort waren, um das Pferdeei zu kaufen, kamen aber dem Tölpel Bedenken. »Selbst wenn wir nun ein Ei von edler Rasse erhandeln, so kann es doch nur dadurch ausgebrütet werden, daß einer sich darüber setzt. Doch wer in aller Welt soll solche Brüterei zuwege bringen? Er sagt, daß es mit beiden Armen nicht zu umspannen sei; selbst wenn wir also zehn Hennen auf einmal darüber setzen wollten, so würden sie es nicht bedecken können. Was meint ihr nun, was in der Sache zu tun sei?«

Als sie diese Worte hörten, sahen alle einander an, und keiner öffnete den Mund zum Sprechen. Nach einer längeren Pause wandte der Guru sich an jeden einzelnen der drei Anwesenden und sagte: »Ich sehe keinen andern Ausweg, als daß einer von uns sich darauf setzt.«

Da hatte jeder eine Entschuldigung. »Mein Amt ist es,« sagt einer, »täglich an den Fluß zu gehen und alles Wasser zu holen, das gebraucht wird, und auch zum Dschungel zu gehen und Brennholz zu sammeln; wie könnte ich es also ausbrüten?« Ein anderer sagt: »Tag und Nacht bin ich ununterbrochen in der Küche, koche Wasser und Reis, bereite Fleisch und Pasteten und allerlei Kuchen, richte das Essen und opfere mich für alle am Herd – wie könnte auch noch das Brüten von mir besorgt werden?« Und wieder ein anderer sagt: »Vor Tagesanbruch gehe ich zum Fluß, und wenn ich mir die Zähne geputzt, den Mund gespült, das Gesicht gewaschen, Hände und Füße gesäubert und die gesamte Reinigung nach Vorschrift beendet habe, so muß ich in die Blumengärten gehen, die jungen Knospen holen, sie mit schuldiger Ehrfurcht hierherbringen, Girlanden winden, den Götterbildern Blumen streuen und ihnen opfern und täglich der Götterweihe beiwohnen. Das ist mein Amt, nicht wahr? Wie könnte ich zu alledem noch brüten?« Darauf erwiderte der Guru: »Das ist alles ganz richtig; und auch die zwei, die fortgegangen sind, können die Sache nicht übernehmen. Der eine von ihnen hat mehr Arbeit, als er vollbringen kann, da er die Ein- und Ausgehenden nach ihren Wünschen fragen und ihre Fragen beantworten und die Streitigkeiten schlichten muß, mit denen sie vor ihn kommen. Und endlich Schädelbrett? Ist er nicht bei allen unsern Geschäftsabschlüssen derjenige, der in die Kaufläden und auf die Fahrmärkte und in die Dörfer geht? Es ist also sehr wahr, daß ihr euren Beschäftigungen nachgehen müßt, die beständig eure ganze Aufmerksamkeit erfordern. Was aber mich betrifft – bin ich nicht hier und tue nichts? Ich will das Ei auf den Schoß nehmen, die Arme darum schlingen, mein Kleid darüber decken, es mit meinem Leibe wärmen und zärtlich hüten – und es so ausbrüten. Wir wollen froh sein, daß wir zu einem Pferde kommen, und nicht der Mühe achten, die es kostet.«

Während diese Besprechung im Mattam stattfand, kamen Schädelbrett und Taps, die in der dritten Nachtstunde beim Aufgang des Mondes fortgegangen waren, nach einem Marsch von mehr als drei und einer halben Meile in die Gegend, die Schädelbrett als die gesuchte erkannte. Bald fanden sie auch den See und an seinen Ufern eine Überfülle reifer Kürbisse.

Dieser Anblick entzückte sie sehr, und sie traten zu dem Landmann, der dort arbeitete, und redeten ihn an: »Herr, wir flehen Euch an: gebt uns eins dieser Eier!«

Der Landmann, der ihre Dummheit erkannte, sagte: »Heda! seid ihr denn fähig, so hochgeborne Pferdeeier wie diese hier zu taufen? Sie sind sehr teuer.«

Darauf erwiderten sie: »Geht nur zu, Herr, wir wissen ja doch, daß sie fünf Pagodas kosten. Seht her, Freund, nehmt diese fünf Pagodas und gebt uns ein gutes Ei!«

Da gab er zur Antwort: »Nun, ihr seid wirklich brave, ehrliche Burschen, und deshalb will ich sie euch für diesen Preis geben. Sucht euch also ein Ei aus und geht eurer Wege, aber erzählt es nicht herum, daß ihr es so leichten Kaufs erhalten habt.«

Da wählten sie beide eine Frucht, die die andern an Größe überragte, und machten sich am andern Morgen bei Tagesgrauen auf den Heimweg.

Schädelbrett hob das Ei vorsichtig auf und trug es auf dem Kopf; der andere ging voran und wies den Weg. Da entspann sich ein Gespräch zwischen den beiden.

Schädelbrett sagte: »Sieh, sieh, unsere Vorfahren sagten: Wer Buße tut, bringt seine Sache vorwärts. Jetzt haben wir den Beweis dafür mit eigenen Augen gesehen. Ist dies nicht der Vorteil, den unser Guru mit seiner beständigen Buße erzielt hat? Ein edles Pferd, das 100 und 160 Pagodas wert ist, haben wir für fünf gekauft!«

Worauf Taps erwiderte: »Braucht man darüber nachzudenken? Kennst du nicht den Ausspruch: Allein aus frommen Handlungen sprießt Freude, alles andere ist gering und nicht des Lobes wert. Tugend bringt nicht nur Vorteil, sondern auch Freude. Wo keine Tugend ist, ist eitel Elend und Ungemach. Übte mein Vater nicht lange Zeit alle Tugenden, und schließlich ward ihm Erfolg und Freude, da ich ihm geboren ward!«

Der andere entgegnete: »Wie wäre daran zu zweifeln? Hast du je aus einem Rizinusbaum einen Ebenholzbaum entstehen sehen? Aus guten Taten erwächst Gutes, aus bösen Taten Böses.« In solchen Gesprächen hatten sie schon eine ansehnliche Strecke zurückgelegt, als der Kürbis einen tief herabhängenden Baumast streifte, den Händen seines Trägers entglitt und so hart auf die Dornenzweige eines Busches aufschlug, daß er zerplatzte und auseinanderbrach.

Ein Hase, der im Busch verborgen gewesen war, sprang auf und lief davon.

Da riefen sie entsetzt: »O weh! das Füllen, das im Ei gewesen, ist davongelaufen!« und eilten hinterher, es einzufangen.

Aber Hügel und Täler, durch Wiesen und Wälder rannten sie, und ihre Kleider wurden so von Dornen zerrissen, daß sie nur noch in Fetzen an ihrem Leibe hingen.

Weiter und weiter ging die Jagd. Ihre Füße bluteten, weil sie auf Steine und Stoppeln traten, die Dornen rissen ihnen blutige Wunden, der Schweiß rann ihnen in Strömen herab, ihre Herzen klopften, die Ohren dröhnten ihnen, sie schnauften vor Erschöpfung, und ihre Bäuche tanzten. Trotz alledem erwischten sie den Hasen nicht – und sanken schließlich ermattet zu Boden.

Inzwischen jagte der Hase weiter, und als er nicht mehr zu sehen war, rettete er sich in weite Ferne. Da erhoben sie sich wieder, ungeachtet ihrer Müdigkeit, und hinkten über Stock und Stein und suchten in allen Richtungen.

In solchem Zustand wanderten sie den ganzen Tag umher, litten Hunger und Durst und kamen nach Sonnenuntergang nach Hause.

Als sie durchs Tor traten, schlugen sie sich auf den Mund, riefen »Ach, ach!« und sanken dann zu Boden.

»Was ist, was ist? Ist euch ein Unglück widerfahren?« fragten die andern, die herbeikamen, sie bei der Hand nahmen und auf die Füße stellten. Nachdem die beiden das, was sich zugetragen, in allen Einzelheiten berichtet hatten, sprach Schädelbrett, wie folgt: »O Meister, nie in meinem Leben sah ich ein so schnelles Pferd wie dies! Es war aschgrau und schwarz, hatte Gestalt und Größe eines Hasen und war eine Elle lang. Obschon es noch ein Füllen war, das eben erst aus dem Ei gekrochen, legte es die Ohren zurück, hob den Schwanz, streckte seine vier Veine aus und rannte, das Herz dicht am Boden, mit einer Schnelligkeit und Ausdauer davon, die gar nicht zu beschreiben ist.«

Da brachen sie alle in Jammern und Wehklagen aus.

Der Guru aber tröstete sie, indem er sagte: »Wahr, die fünf Pagodas sind hin, aber es ist doch gut, daß auch das Füllen hin ist; wenn es schon als Füllen so laufen kann, wer soll dann auf ihm reiten, wenn es ausgewachsen ist? Ich bin ein alter Mann. Ein solches Pferd, meine Freunde, und wenn man es mir als Geschenk anböte, – ich würde es zurückweisen.«

Dritte Geschichte

Die Reise auf dem gemieteten Ochsen

Nach einiger Zeit geschah es, daß sie eine lange Reise machen mußten. Da sie so weit nicht zu Fuß gehen konnten, beschlossen sie, einen Ochsen zu mieten, dem man durch Sengen den Hörnerwuchs entfernt hatte. Als Mietpreis setzten sie pro Tag drei Fanams fest, und nachdem sie den Morgen über noch ihre Angelegenheiten geordnet, machten sie sich auf die Reise.

Da es in der heißen Jahreszeit war, so strahlte die Sonne senkrecht auf sie nieder, während sie eine weite Steppe durchquerten, auf der kein Baum, kein Busch, noch sonst ein Schattenspender war. Müde trotteten sie einher, und der Guru schwankte unter dem Druck der unbarmherzigen Hitze wie ein Halm auf seinem Reittiere hin und her und war in Gefahr, herabzufallen.

Als seine Schüler das gewahrten, stützten sie ihn und hoben ihn herab, und da kein anderer Schatten da war, setzten sie ihn in den Schatten des Ochsen, den sie am Platze festhielten, und fächelten ihm mit ihren Kleidern Kühlung zu.

Nachdem er sich auf diese Weise wieder erholt hatte und eine kühle Briese einsetzte, bestieg er den Ochsen wieder. So wanderten sie langsam weiter und kamen vor Sonnenuntergang zu einem kleinen Dorf, wo Halt gemacht wurde.

Sie kehrten in einer einfachen Herberge ein und händigten dem Ochsentreiber seine drei Fanams aus; doch dieser war es nicht zufrieden.

»Was willst du noch?« fragten sie. »Haben wir nicht diesen täglichen Mietpreis mit dir ausgemacht?«

Der aber entgegnete: »Es ist wahr, daß für Benutzung des Ochsen als Beförderungsmittel dieser Preis vereinbart worden ist; unterwegs aber diente mein Ochse als Schutzmittel gegen die Hitze, als Sonnenschirm; muß ich nicht auch dafür die Miete haben?«

Sie sagten, das sei ein betrügerisches Verlangen, und widersetzten sich seiner Forderung. Daraufhin entspann sich eine leidenschaftliche Auseinandersetzung.

Der Streit wurde immer heftiger, und die vorübergehenden Dorfbewohner, Männer und Weiber, blieben stehen und umringten die Streitenden.

Da trat ein Viehzüchter hinzu, beruhigte die Zankenden und bot sich als Richter an. Er ließ sich den Fall erzählen und fragte, ob sie sich mit seinem Richterspruch zufriedengeben wollten. Dann erzählte er folgende Geschichte:

»Als ich einmal auf Reisen war, kehrte ich in einer großen Karawanserei ein, wo man außer dem Nachtlager auf Verlangen und gegen Geld auch mit aller Wegzehrung versehen wurde. Da ich aber nicht genug Reisegeld besaß, so sagte ich, ich bedürfe nichts. Die Herbergsleute brieten nun für die Neuangekommenen einen mächtigen Hammelschlegel am Spieß. Da dieser mit der Zeit gar liebliche Düfte entsandte, kam ich auf den Gedanken, meinen Vorrat gekochten Reises bei diesem kräftigen Bratengeruch zu verzehren, und bat daher um Erlaubnis, den Bratspieß ein wenig drehen zu dürfen. Ich hielt also den Reis in den Rauch, und während ich mit der einen Hand den Spieß drehte, aß ich mit der andern meinen Reis und stärkte mich an dem kräftigen Duft. Als ich dann später gehen wollte, verlangte der Herbergsvater von mir Bezahlung für den Duft, den ich gerochen. Ich erklärte sein Verlangen für ungerechtfertigt, und wir stritten miteinander und brachten die Sache vor den Dorfvorsteher. Dies war ein großer Schriftgelehrter, ein sehr vernünftiger und kluger Mann, der die Gesetze kannte. Hört, welche Entscheidung er fällte: ›Der Preis für das, was als Speise aufgetragen worden, ist Geld, doch der Preis für den Geruch, der der Speise entstieg, ist daher auch nur der Geruch von Geld; dies ist mein Urteilsspruch.‹ Damit rief er den Besitzer der Karawanserei zu sich, drückte ihm einen Sack voll Geld auf die Nase und ließ das Geld im Säckel kräftig tanzen. Der andere rief entsetzt: ›O weh, o weh! Meine Nase wird zerbrechen! Ich bin genug bezahlt!‹

Hört ihr nun? War das nicht recht und gesetzmäßig? Dieses selbe Urteil ist auf euch anzuwenden. Für die Herreise auf dem Ochsen ist der Mietpreis Geld, und für die Ausnutzung des Schattens dieses Ochsen ist der Schatten des Mietpreises ausreichend.«

Als er nun auf diese Weise den Klang des Geldes als Preis für den Ochsenschatten festgesetzt hatte, ergriff er den Ochsentreiber, lieh ihm den Geldsack kräftig aufs Ohr fallen und rief: »Hörst du es?« Worauf jener erwiderte: »O ja, Herr! Ja, Herr. Ich hab's gehört; wahrhaftig, ich hab's gehört! O weh, mein Ohr! Genug, Väterchen, genug der Miete!«

Nun sagte der Guru: »Was ich bis hierher ausgestanden, genügt mir; ich kann solchen Ärger nicht länger ertragen. Nimm deinen Ochsen weg; die Reise ist nun nicht mehr weit. Morgen gehe ich hübsch zu Fuß weiter.«

Mit diesen Worten lohnte er ihn aus. Dann pries und lobte er den Richter, der seinen Streitfall so gut geschlichtet, und entlieh ihn mit seinem Segen.

Vierte Geschichte

Das Angeln des Pferdes

Am folgenden Tage machten sich der Guru und seine Schüler aus Furcht vor der Hitze schon, beim ersten Hahnenschrei auf den Weg. Da sie sehr gemächlich wanderten, so hatten sie kaum zwei Meilen zurückgelegt, als die Hitze sie schon wieder niederdrückte; sie machten also in einer kühlen Höhle Halt. Während sie sich lagerten und erfrischten, zog sich Dummerjahn zurück und ging zu einem nahen Teich, um sich zu waschen.

Am Ufer dieses Sees stand ein Ayinār-Tempel, in dessen offener Halle ein großes tönernes Pferdestandbild infolge eines Gelübdes errichtet worden war. Der Teich war hoch voll Wasser, und das Wasser war klar, und so erblickte Dummerjahn das Spiegelbild des Tonpferdes im Teich. Da es ihm unwahrscheinlich vorkam, daß das Pferd im Wasser stehen sollte, und da es in Farbe, Form und Größe dem Tonpferd, das am Ufer stand, glich, kam ihm die Vermutung, daß dies hier unten das Spiegelbild des Tonpferdes sei.

Doch eben jetzt wurde das Wasser von einem leichten Wind bewegt, und auch das Pferd darin rührte sich. Dummerjahn, der bei dem Pferd am Ufer auch nicht die kleinste Regung wahrnahm, gewann nun die Überzeugung, daß das Pferd im Wasser ein anderes und lebendiges sei, und um es zu vertreiben, stieß er einen lauten Ruf aus und warf nach ihm mit einem Stein. Dadurch wurde das Wasser heftiger bewegt, und das Pferd darin schien den Kopf zu heben, mit den Füßen auszuschlagen und sich zitternd auf die Hinterbeine zu stellen.

Voll Begeisterung lief er zurück zu den andern und erzählte alles, was er gesehen hatte.

Daraufhin erhoben sich alle und eilten zu der Stelle, wo sie sich durch Augenschein von der Wahrheit dessen, was Dummerjahn gemeldet hatte, überzeugten. Sie beratschlagten nun, wie wohl das Pferd zu fangen sei; da aber keiner von ihnen ins Wasser gehen wollte, um es einzusaugen, so beschlössen sie nach vielem Hin und Her, daß es das beste wäre, es wie einen Fisch mit einer Angel zu fangen und ans Land zu ziehen.

Als Angelhaken nahmen sie eine Sichel, die einer von ihnen bei sich trug, und als Köder hingen sie ein Bündel gekochten Reises daran, während sie als Leine den Turban des Guru verwendeten. Sie steckten also die Sichel durch das Reisbündel, befestigten das Turbantuch daran und warfen die Angel dort ins Wasser, wo das Pferd sichtbar war. Die heftige Wellenbewegung, die der ins Wasser fallende Köder verursachte, teilte sich auch dem Pferde mit; das bäumte sich und schlug aus, und voller Entsetzen lief alles davon.

Doch derjenige von ihnen, der den Turban hielt, ließ diesen nicht aus den Händen. Nachdem sich die Wellen wieder gelegt hatten, kam er langsam näher, und da er das Reisbündel wieder ins Wasser warf, kam ein großer Fisch und biß in den Stoffballen. Als der Angler den Ruck fühlte, winkte er die andern herbei und rief: »Seht her, das Pferd hat angebissen!«

Als sie nach einem Weilchen den Turban langsam einzogen, waren Tuch und Reis verschwunden, die Sichel aber war in dem breiten Blatt irgend« einer Wasserpflanze unter Wasser stecken geblieben. Da riefen sie alle entzückt: »Ha! Der Angelhaken sitzt im Maul des Pferdes fest; jetzt ist es unser.«

Mit vereinten Kräften zogen sie an dem Turban; der war aber schon alt, so daß er zerriß und sie alle auf einmal rücklings zu Boden fielen.

Einer, der in diesem Augenblick des Weges kam, fragte, was ihnen zugestoßen sei, und sie erzählten ihm ihr Abenteuer in allen Einzelheiten. Er erkannte ihre Einfalt, verdeckte das Tonpferd am Ufer mit einem Tuch, zeigte ihnen, wie nun auch das Pferd im Wasser verschwunden war, und ließ sie auf diese Weise ihre Selbsttäuschung erkennen.

Nun wiesen sie auf den Guru und erzählten dem Mann, wie nötig sie ein Pferd hätten, weil ihr Meister zu bejahrt sei, um zu Fuß zu wandern, und wie sie bereits das Ei eines Pferdes gekauft hätten, wie es aber zerbrochen sei, und welchen Ärger sie durch den gemieteten Ochsen auszustehen gehabt. Er sah, daß es harmlose und aufrichtige Leute waren, und sagte, da er Mitleid mit ihnen hatte: »Ich habe ein altes, lahmes Pferd, das aber für solche Reisen, wie ihr sie vorhabt, noch tauglich sein mag. Ich verlange keine Bezahlung, sondern gebe es euch umsonst. Kommt alle mit mir nach Haus.«

So gingen sie mit ihm.

Fünfte Geschichte

Der Heimzug zu Pferd

Der gute Mann führte sie also in das Dorf, in dem er wohnte und das nicht weit entfernt war. Er war kein reicher Mann; er war arm aber mildtätig. So setzte er ihnen ein Mahl vor, bei dem es an Butter und Milch, Nüssen und Betel und Taback und alle dem, woran er Überfluß hatte, nicht mangelte.

Am folgenden Morgen ließ er das Pferd, das auf seinen Wiesen weidete, herbeiholen und brachte es dem Guru und schenkte es ihm.

Das Pferd, das schon alt war, war auf einem Auge blind, hatte nur noch ein Ohr, und von seinen vier Beinen war eines steif, und auf dem andern hinkte es: es bot also ein Bild, das zu der kläglichen Gestalt des Guru gut paßte. Trotz dieses jammervollen Zustandes waren sie aber alle sehr entzückt, ein Pferd – und noch dazu umsonst – erhalten zu haben. Sie umringten es und überschütteten es mit Zärtlichkeiten; dieser streichelte es, jener nahm ein Bein und bewegte es hin und her; einer ergriff den Schwanz und zerrte daran, ein anderer wischte ihm die Augen, und wieder ein anderer fütterte es, indem er ihm Gras ins Maul stopfte.

Da sie nun nach dem Geschirr des Pferdes suchten, gab ihnen der, der ihnen das Pferd zum Geschenk gemacht, einen alten zerrissenen Sattel. Als Schwanzriemen legten sie ihm ein paar Palmhalme an und banden sie fest; und da der Sattel keinen Riemen hatte, verwendeten sie zusammengedrehte Heubündel. Nachdem sie sich lange vergeblich bemüht hatten, Zügel und Bauchriemen herzustellen, begab sich Schädelbrett in die Nachbarschaft und kaufte solche und ein Paar Steigbügel.

Als sie auf diese Weise das Pferd angeschirrt hatten und überdies ein Glückstag angebrochen war, benutzten sie, den Gesetzen der Astrologie folgend, einen günstigen Augenblick und hoben den Guru Gimpel aufs Pferd.

Das ganze Dorf war zusammengeströmt und schrie und rief ihnen Lebewohl zu. Einer der fünf Schüler ergriff die Zügel und zog voran. Einer ging hinten beim Schwanz, rief Hüh und Hott und trieb das Tier vorwärts. Zwei von ihnen gingen zu beiden Seiten, hielten den Guru an den Beinen und stützten ihn; und einer ging vorneher und rief wie ein Herold: »Seht euch vor, seht euch vor, weicht aus, weicht aus!« Und so zogen sie dahin.

Nachdem sie glücklich eine größere Strecke zurückgelegt hatten, kam der Zolleinnehmer der Landstraße auf sie zugelaufen, hielt sie an und verlangte fünf Fanams für das Pferd. Da riefen sie empört: »Was, Zoll für ein Pferd, das ein Guru reitet! Was hat denn das mit dem Handel zu tun? Dies Pferd wurde uns aus Barmherzigkeit von einem geschenkt, der sah, daß der Guru zu alt und schwach ist, um zu Fuß zu gehen. Was sollte darauf für Zoll liegen? Das ist eine Ungerechtigkeit.«

Der Mann wollte sie aber nicht ziehen lassen, und da es inzwischen Mittag geworden war, sahen sie keinen andern Ausweg, als ihm die fünf Fanams zu geben. Der Guru, dem einfiel, daß dieser ärgerliche Vorfall sich nicht ereignet hätte, wenn er kein Pferd gehabt hätte, war sehr betrübt.

Sie gingen in eine nahe Karawanserei, um sich auszuruhen und zu erfrischen; und einem braven Mann, den er da fand, begann der Guru sein Leid zu klagen.

»Seit meiner Geburt,« sagte er, »habe ich noch nie auf einem Pferd gesessen. Und heute nun, bei meinem ersten Ritt, muß mir diese Ungerechtigkeit widerfahren. Soll das Geld, mit dem sie sich so schändlich bereichern, wie Räuber, die unerlaubt den Weg belagern, ihnen etwa zum Guten gedeihen?«

Worauf der andere erwiderte: »Das ist der Zug der Zeit, Herr; heutzutage ist Geld der Guru, ist Geld der Gott. Sagt man doch schon seit grauen Zeiten: ›Wenn du nur das Wort Geld nennst, so öffnet selbst eine Leiche den Mund.‹ Heutzutage, Herr, dreht sich alles Sinnen und Trachten um nichts als Geld.«

Der Guru antwortete: »Es gibt Leute, die, um zu Geld zu kommen, dasselbe sogar aus dem Kote auflecken würden.«

»Daran ist wohl nicht zu zweifeln,« sagte der andere, »und, Herr, es stinkt nicht einmal.«

Als sie den Tag mit solchen Reden hingebracht hatten, bestieg der Guru am Abend wieder sein Pferd, und nachdem sie wieder eine Strecke zurückgelegt, machten sie in einem Weiler Halt. Sie banden das Pferd nicht an, sondern ließen es über Nacht sich selbst sein Futter suchen, und als sie es am Morgen zur Weiterreise holen wollten, war es nicht zu finden.

Indem sie suchend von Haus zu Haus gingen, trafen sie einen, der hatte das Pferd auf seinen Weideplätzen aufgegriffen, und als sie seine Herausgabe verlangten, erwiderte er: »Die ganze Nacht hat es mein Gras gefressen und mir dadurch viel Schaden zugefügt; ich gebe es daher nicht heraus.«

Da ging der Dorfhäuptling selber zu ihm, doch obgleich er ihn durch Zureden wie auch durch Drohungen umzustimmen suchte, sagte er, er gebe das Pferd nur dann heraus, wenn der Schaden wieder gut gemacht werde.

Inzwischen hatten sich Leute eingefunden, die den Schaden geprüft und festgestellt hatten, was an Gras niedergetreten und was abgefressen war; diese sagten, der Schaden betrage 10 Fanams, zumindest aber 8 Fanams. Schließlich aber einigte man sich auf vier Fanams; und als der Mann diese erhalten hatte, gab er das Pferd heraus.

Der Guru war tief unglücklich. »Was soll mir dies Pferd?« sagte er. »Wieviel Ausgaben, wieviel Sorgen, wieviel Entwürdigung hat es uns auferlegt! Solche Dinge, liebe Freunde, passen nicht zu meinem Rang.« Damit faßte er den festen Entschluß, zu Fuß zu gehen.

Da riefen seine Schüler und auch die Dorfbewohner: »Nein, nein! Das ziemt sich nicht für dich! Auch kannst du garnicht zu Fuß gehen.«

Das alles hatte ein Betrüger mit angehört und sagte nun: »Grämt euch nicht, Herr! Gewiß sind alle diese Unannehmlichkeiten auf euch gekommen infolge der Sünde, mit der dieses Pferd behaftet ist. Wenn ihr euch ein für allemal davon befreien wollt, so gebt mir fünf Fanams, und ich werde ihm die Sünde austreiben.«

In der Überzeugung, daß einer, der Ausgaben scheue, auch kein Geschäft machen könne, waren sie bereit, das Geld zu geben, und baten ihn, die Sünde auszutreiben.

Da beschrieb der Betrüger allerlei feierliche Zeremonien, pflückte ein paar grüne Blätter, streute sie über das Pferd und rief: »Moona! Moonat Ah! Oh!« Dann zog er einen Kreis um das Pferd, ging dreimal an seiner rechten Seite entlang, indem er es von Schwanz zu Kopf klopfte und streichelte, und ergriff endlich das einzige Ohr des Tieres. »In dem Ohr hier hat die ganze Sünde ihren Sitz«, sagte er; »aus eben diesem Grunde hat man ihm schon einmal den Sitz der Sünde, das andere Ohr, abgeschnitten. Wenn wir ihm nun auch dieses hier abschneiden, so wird ihm seine jetzige Sündhaftigkeit genommen.«

Da hackten sie ihm mit einem scharfen Beil das Ohr ab und trugen es sogleich weit weg, damit die Sünde sich keinem anhänge. Dann gruben sie ein tiefes Loch, legten das Ohr hinein, bedeckten es mit Erde, richteten darüber ein Merkzeichen auf und kehrten wieder zurück.

Der Tag war mit alledem vergangen.

Am andern Morgen setzten sie ihre Reise fort und kamen nach vieler Mühsal in ihrem Mattam an.

Sechste Geschichte

Die Prophezeiung des Brahmanen

Bald bemächtigte sich des Guru eine tiefe Niedergeschlagenheit. Das geschenkte Pferd hatte so viele Mängel – und demnach war es ein großes Glück für ihn, daß er es umsonst bekommen hatte. Aber trotzdem hing er all den Unglücksfällen nach, die ihm durch den Besitz des Pferdes zugestoßen waren, und er war besorgt und ängstlich. Daher versammelte er seine Schüler und begann ihnen allerlei Ratschläge zu erteilen. »Brüder,« sagte er. »ich sehe täglich mehr und mehr, daß alle Freuden der Welt nichtig sind. Gutes ohne Böses, Süßigkeit ohne Bitternis, Freude ohne Leid sind hier auf Erden unmögliche Dinge. Ach! ach! Waren wir nicht so froh, daß wir durch Güte ein Pferd erlangt hatten, ohne dafür bezahlen zu müssen? Ihr habt die schlimmen Unglücksfälle, die noch am nämlichen Tage dem Glücksfall folgten, mit erlebt. Müssen wir, um einen Tropfen Honig aufzulecken, so viel an Bitternis hinunterschlucken? Ach, selbst das Reiskörnchen ist in seine harte Hülle eingeschlossen, und alle Früchte haben eine Schale und einen Kern.

All dies ist wahr; das Übel aber, das ich an einem einzigen Tag erdulden mußte, war allzuviel. Ich meine, es steht mir nicht an, auf einem Pferderücken einherzuziehen. Soll ich die Keckheit haben, mich der höheren Einsicht zu widersetzen? Nein, nein! Es wird demnach das beste sein, das Pferd zurückzusenden.«

Da riefen alle die Schüler auf einmal: »Das darf nicht sein! Nein, nein, das darf nicht sein! Sprich nicht so, Herr. Ist dies ein Pferd, das du dir kauftest? Ist dies ein Pferd, das wir herbeigesucht? Nein, es ist ein Pferd, das ganz von selber kam, ein Beistand, den die Vorsehung uns schickte! Wenn wir es zurückschicken, so widersetzen wir uns dem göttlichen Willen; wäre das wohl recht? Das wäre eine Sünde, Herr! Und überdies ist nun kein Grund mehr zur Besorgnis, da doch der Zauberer dem Pferd die Sünde ausgetrieben hat, von der es besessen war.«

Während sie diese und viele andere Gründe vorbrachten, war der Guru ein wenig zuversichtlicher geworden und sagte: »So sei es denn, wie ihr gesagt habt. Damit aber das Unglück, das wir neulich hatten, sich nicht in Zukunft wiederhole, ist es nicht angängig, das Pferd des Nachts sein Futter suchen zu lassen, sondern wir müssen es im Hause angebunden halten, und ich weiß keinen Platz für diesen Zweck.«

Da sagte Simpel: »Wozu viel überlegen? Ich gehe sofort und schneide ein paar Bananenäste, und in ganz kurzer Zeit werde ich dort in der Ecke einen hübschen Stall errichtet haben.«

Kaum hatte er das gesagt, so ging er auch schon hinaus, erstieg einen großen Bananenbaum, der am Wegrand stand, und begann mit einer Axt einen wagerecht ausgestreckten Ast abzuhauen. Er stand aber am äußeren Ende eben dieses Astes und hieb mit der Axt auf jenen Teil, der dem Stamm zunächst war.

Das sah ein vorübergehender Brahmane und rief: »Heh, Bruder! Du darfst dich so nicht hinstellen, sonst fällst du mitsamt dem Ast herunter.«

Er aber hatte dafür nur die Antwort: »Was bringst du mir so schlimme Botschaft?« Damit schleuderte er ein Messer nach dem Brahmanen, das er in seinem Rock verborgen trug.

Der andere dachte: »Mag der Narr durch Erfahrung klug werden,« und machte, daß er davon kam.

Simpel aber hackte weiter – genau auf dieselbe Weise wie vorher. Als daher der Ast über die Hälfte durchhauen war, brach er und fiel mit seiner Last zu Boden.

»Au weh, au weh!« rief Simpel, »dieser Brahmane ist ein großer Prophet; es ist ganz so eingetroffen, wie er's gesagt hat.« Mit diesen Worten stand er schnell auf und lief dem Brahmanen nach. Als der ihn so daherlaufen sah, blieb er entsetzt stehen, voller Angst vor diesem verrückt gewordenen Kerl.

Als Simpel bei ihm angekommen war, verneigte er sich und sagte: »Herr, Ihr seid ein großer Weiser; bitte prophezeit mir nun noch einmal. Ich bin ein Schüler des Guru Gimpel, für den ich eine große Zuneigung habe. Da er schon sehr altersschwach ist, fürchte ich, er könne bald sterben. So sagt mir, bitte, zu meiner Beruhigung, wann sein Ende eintreten wird und was für Anzeichen ihm vorangehen werden.«

Der Brahmane, der gern entronnen wäre, machte allerlei Ausflüchte; da ihn der andere aber nicht gehen ließ, sagte er schließlich: »Āsanam shitam jivana nāsham.«

»Was heißt das, Herr? Bitte sagt es mir,« fragte der andere ungeduldig.

Der Brahmane erwiderte: »An jenem Tage, da Eures Guru Hinterteil kalt wird, ist seine Todesstunde nahe; dies ist das Zeichen.«

Simpel verabschiedete sich, holte den abgehauenen Ast und eilte zum Mattam, wo er umständlich erzählte, was sich ereignet hatte.

Der Guru wurde darüber sehr traurig und sagte: »Es ist nicht zu leugnen, daß der Brahmane ein großer Prophet ist, denn alles ist genau so eingetroffen, wie er es dir vorhergesagt hatte. So wird auch die Prophezeiung, die er mir durch dich verkündet, sich erfüllen. Āsanam shitam jivana nāsham – ist ein wahrer Ausspruch. Die größte Vorsicht ist vonnöten: Ich muß also an diesem Körperteil jede Waschung vermeiden, und im übrigen – möge der Wille Gottes geschehen.«

Siebente Geschichte

Der Sturz vom Pferde

Nach einiger Zeit machten sie sich wieder auf die Wanderung von Dorf zu Dorf, denn auf diese Weise konnten die Schüler Geld einsammeln, während in ihrem Wohnort keine Einnahme mehr gemacht werden konnte.

Eines Tages, als sie wieder auf dem Heimweg waren und der Guru auf dem Pferderücken daherzottelte, fiel ihm der Turban rückwärts vom Kopf, weil er damit gegen einen Baumast gestoßen hatte. In der Annahme, die Schüler hätten ihn aufgehoben, fragte er nach geraumer Weile: »Wo ist mein Turban? Gebt ihn mir, bitte.«

Sie erwiderten: »Er liegt dort hinten, wahrscheinlich an der Stelle, wo er niedergefallen ist.«

Da wurde er böse und sagte: »Muß man nicht alles aufheben, was hinfällt?«

Taps lief also sogleich zurück, nahm den Turban auf und legte etwas weichen Dung hinein, den das Pferd infolge frischen Grasfutters soeben verloren hatte. Dann legte er den Turban dem Guru in die Hände.

Der wurde sehr aufgebracht und rief ein über das andere Mal: »Pfui, pfui!«

Da riefen sie alle einstimmig: »Wie, Meister, belehrtest du uns nicht vorhin, daß alles, was hinfällt, aufzuheben sei? Und nun, da Taps dieser Vorschrift folgt, gerätst du in Zorn?«

Der Guru erwiderte: »Ihr habt mich mißverstanden. Es gibt Dinge, die man aufheben soll, und Dinge, die man nicht aufheben soll. Ihr solltet etwas scharfsinniger vorgehn.«

Darauf entgegneten sie: »Wir sind dazu gewiß nicht schlau genug.« Und sie verlangten, er solle ihnen die Dinge aufschreiben, die sie aufheben sollten, und das tat er denn auch.

Im Weiterreisen begab es sich aber, daß das lahme Pferd stolperte und hinfiel, und der Guru mit dem Kopf nach unten und den Füßen in der Luft in eine Grube fiel. Er rief um Hilfe und schrie: »Kommt und holt mich heraus.«

Die Schüler eilten herbei, und einer von ihnen nahm die Liste, die er ihnen vorhin aufgesetzt und ausgehändigt hatte, und begann vorzulesen: »Aufzuheben ist – ein Turban – ein Überkleid – ein Unterkleid – eine Jacke – ein Beinkleid.«

So zogen sie ihm Stück für Stück aus und hoben es auf, bis er nackt in der Grube lag, und trotz seiner Bitten und Drohungen weigerten sie sich, ihn selbst aufzuheben, weil das nicht auf der Liste stand. »Meister,« sagten sie, »wo steht es geschrieben, daß auch du selbst aufzuheben bist? Zeig es uns! Wir wollen alles tun, was geschrieben steht, aber keinesfalls etwas, was nicht geschrieben steht.«

Da er ihre Starrköpfigkeit sah und keinen andern Weg zu seiner Rettung wußte, nahm er ein Palmblatt und einen Stift und schrieb in der unbequemen Lage, in der er sich befand: »Und wenn ich hinfalle, so müßt ihr mich aufheben.«

Als seine Schüler das Geschriebene sahen, griffen sie alle auf einmal zu und hoben ihn auf. Da sein ganzer Leib mit Kot und Schlamm bedeckt war, wuschen sie ihn gründlich ab. Dann zogen sie ihm seine Kleider wieder an, setzten ihn aufs Pferd und führten ihn nach Hause.

Achte Geschichte

Das Begräbnis des Guru

Bei der Unruhe und Aufregung, die dem Sturz des Guru folgte, erinnerte sich niemand der Prophezeiung des Brahmanen. Erst als er wieder auf dem Pferde saß und fühlte, daß sein Hinterteil kalt geworden war, war es der Guru selbst, der jener Worte gedachte, und er wurde traurig. Dennoch wollte er nichts davon sagen, ehe sie wieder im Mattam angekommen wären.

Unter den Folgen des Sturzes konnte der alte Mann in jener Nacht keinen Schlaf finden, sondern warf sich ruhelos umher und dachte voller Angst an die oben erwähnte Prophezeiung. Er wollte es sich selbst nicht zugeben, daß die Schmerzen, die ihn so unruhig machten, von dem schweren Sturz vom Pferderücken in die Grube herrührten; er war vielmehr überzeugt, daß alles nur die Anzeichen des herannahenden Todes wären, der seinen ganzen Rumpf erkalten ließ. Dieser Gedanke entsetzte ihn die ganze Nacht; er konnte kein Auge schließen und ächzte und stöhnte. Und bei Tagesgrauen zwang ihn sein rastloser Geist, seine Schüler rufen zu lassen.

Sie kamen und waren sehr verwundert, ihn so verändert zu sehen: seine Augen waren eingesunken, sein Antlitz welk und runzelig und mit kaltem Schweiß bedeckt, sein Mund war ausgedörrt, seine Rede verwirrt, und sein Blick starrte ins Leere.

Da stieß er einen tiefen Seufzer aus und sagte: »O, meine Brüder! Legt mich in den Sarg und bereitet mir das Leichenbegängnis.«

»Was meinst du, Herr?« fragten sie voll Schrecken.

»Was ich meine?« erwiderte der Guru. »Habt ihr denn die Worte vergessen; »Āsanam shitam jivana nāsham? In der Grube, in die ich gestern fiel, war viel Wasser und Morast, wodurch mein Hinterteil naß wurde; ich beachtete es aber nicht. Später fühlte ich, daß meine Hinterbacken sehr kalt waren, und ich dachte an den heiligen Ausspruch des Brahmanen. Die ganze Nacht hindurch hatte ich Schmerzen und Unruhe und kein bißchen Schlaf, sodaß es mir zur Gewißheit wurde, daß mein Tod herannahe. Da ist nichts mehr zu überlegen; ihr müßt schnell die Vorbereitungen zum Begräbnis treffen.«

Da gedachten auch sie jener Vorhersage und entsetzten sich. Aber trotz ihres Entsetzens ließen sie ihrem Schmerz nicht freien Lauf, sondern unterdrückten ihn und wandten alle Mittel an, den Guru zu beruhigen. Als sie aber sahen, daß alles, was sie sagten, ihm keinen Frieden bringen konnte, schickten sie zu einem, der hieß Asangadan (der Spötter), Sohn von Achedanamoorti (der Unvernünftige), das war der Wahrsager des Dorfes, und trugen ihm auf, den bösen Geist auszutreiben, von dem ihr Guru besessen sei, und seine Seele zu beruhigen.

Als er sich über die vorhergehenden Ereignisse unterrichtet hatte, kam Asangadan; und indem er mit Augen, Mund und Nase fürchterliche Grimassen schnitt, fragte er: »Was ist mit dir, Herr? Sage, welch Leid ist über dich gekommen, welcher Schmerz, welcher Kummer? Mein Guru! Mein Meister! Mein Vater!«

Auf alles dies hatte der Guru leine Antwort als nur den Satz: ›Āsanam shitam jivana nāsham.‹

Darauf erwiderte der andere: »Nun gut! der Brahmane hat versichert, das Kaltwerden deines Hinterteils werde deinen Tod herbeiführen, und ich will ihm so einheizen, daß er an der Hitze dieses betreffenden Körperteils zugrunde geht. Nennt mir den Brahmanen; ich will den Reisklopfer Prügelhannes auf ihm tanzen lassen und damit alles Böse austreiben, das durch seine Schuld geschehen ist. Nennt und zeigt ihn mir nur schnell.«

»Gibt es einen Reisklopfer solchen Namens?« sagte der Guru. »Ich habe nie einen gesehen noch von ihm gehört; erzähle mir davon.«

Darauf erwiderte Asangadan: »Merke gut auf! Es war einmal ein Kaufmann, der war ein großer Shiva-Anbeter, und da er es liebte, täglich die Mönche zu bewirten, so lud er sie zum Essen ein, wann immer er sie traf. Er hatte keine Kinder, und dem Weib, das er sich genommen hatte, war es eine große Plage, tagtäglich den Reis für ein bis zwei Gäste zuzurichten; das Vorgehen ihres Mannes war ihr daher gar nicht angenehm. Da sie aber wußte, daß es zwecklos wäre, wenn sie ihrem Mann darüber Vorstellungen machte, so beschloß sie eine List anzuwenden.

Eines Tages, als der Kaufmann im Basar wieder einem Mönch begegnete, sagte er zu ihm: »Herr, ich werde heute in meinem Hause Almosen austeilen«, und da der andere die Einladung annahm, fügte er hinzu: »Ich habe jetzt noch im Basar zu tun; geh du selbst zu meinem Hause, sage meiner Frau Bescheid und warte bis ich komme.«

Der Mönch ging fröhlich fort und überbrachte der Frau des Kaufmanns die Botschaft. Darauf erwiderte sie, da sie sah, daß es einer war, der zum ersten Male kam:

»Es ist gut, bitte, Herr, nimm hier Platz.«

Mit diesen Worten breitete sie eine Matte auf die Türschwelle. Dann begann sie sogleich, den Hof gründlich reinzufegen, besprengte ihn überall mit Kuhdung, reinigte sich Füße und Hände und nahm dann feierlich den Reisklopfer zur Hand. Sie rieb ihn über und über mit Asche ein, und nachdem sie auch sich selbst ganz mit Asche bestreut hatte, legte sie den Reisklopfer in der Mitte des Hofes nieder, verneigte sich dreimal tief vor ihm und flüsterte dabei Beschwörungsformeln. Dies getan, säuberte sie den Reisklopfer wieder und stellte ihn an seinen Platz zurück.

Der neue Gast, der alles das mit angesehen hatte, war höchst erstaunt und sagte: »Ich habe jetzt so etwas Wundersames gesehen, wie nie in meinem Leben. Bitte, Frau, was für ein Reisklopfer ist das?«

Worauf sie erwiderte: »Das ist ein Klopfer-Prügelhannes, der der Gottheit unserer Kaste zugehört.« Leise, wie im Selbstgespräch, fügte sie hinzu: »Bald wirst du's verstehen; denn wenn du ins Haus gehst, wird es sich auf deinem Haupt erfüllen.«

Trotzdem sie so leise sprach, so trafen die Worte doch, ganz wie sie gewollt, das Ohr des Fremdlings. ›Muß ich nicht von Glück sagen, daß ich mit dem Leben davongekommen bin?‹ dachte er.

Sobald also die Kaufmannsfrau ins Haus gegangen war, machte er sich geräuschlos auf die Flucht.

Kaum war er fort, als der Kaufmann kam. »Weib,« fragte er, »wo ist der gute Mann, den ich hergeschickt?« Sie erwiderte: »Einen schönen guten Mann hast du mir da geschickt. Sowie er kam, verlangte er von mir den Reisklopfer. Ich antwortete ihm, du würdest gleich kommen; ich könne ihn ohne deine Erlaubnis nicht fortgeben; er solle etwas warten. Da siehst du noch die Matte, die ich für ihn hingebreitet habe. Er aber hörte nicht auf mich, sondern machte sich gleich wieder aus dem Staube.«

Der Kaufmann entgegnete: »Nicht doch, Weib; was immer die Mönche von dir verlangen mögen, das sollst du ihnen geben.« Mit diesen Worten nahm er den Reisklopfer und ging auf die Straße, den Mönch zu suchen und ihn ihm auszuhändigen.

Der Mönch hatte sich in einem Winkel an der Straße verborgen, denn er wollte sehen, welchen Fortgang die Sache nehmen würde; und als er den Kaufmann mit dem Reisklopfer daherkommen sah, dachte er bei sich: »Sieh, sieh! Er kommt, um mir den Prügelhannes auf dem Kopf tanzen zu lassen«, und er rannte davon.

Der Kaufmann rannte nun auch, um ihn einzuholen, und rief: »Halt, guter Herr, halt!« während er seinen Lauf immer mehr beschleunigte. Schließlich, als der Kaufmann, der schon in vorgerücktem Alter und ein Dickwanst war, gar nicht mehr konnte, kehrte er um und nach Hause zurück.

Das ist die Geschichte vom Reisklopfer Prügelhannes, und Untergang wird nicht eher über dich kommen, Herr, als bis des Brahmanen Hinterteil heiß geworden ist von den Schlägen, mit denen ich ihn zu traktieren gedenke.«

Da lachte der Guru Gimpel und sagte: »Mit Recht nannte man dich Asangadan (den Spötter), denn du reißest einen Witz nach dem andern.«

Als der andere den Guru lachen sah, ließ er die Scherze und nahm die Rede wieder auf.

»Herr, die Worte, die der Brahmane gesprochen, sind in der Tat nicht unrichtig; man muß ihren Sinn nur recht verstehen. Richtig ist es, daß es ein Anzeichen des herannahenden Todes ist, wenn jener Körperteil erkaltet. Aber es ist, wie er sagte: nur wenn dies ohne jede äußere Ursache geschieht, hat dieses Zeichen Gültigkeit. Du bist in Wasser und Morast gefallen: ist es da ein Wunder, daß dein Hinterteil kalt geworden ist? Laß also deinen Kummer fahren. Für die Zukunft aber merke dir: wenn du, ohne dich in den Schlamm zu setzen oder ins Wasser zu fallen, überhaupt ohne jede äußere Ursache, das Āsanam shitam. wahrnimmst, so magst du daraus schließen, daß das jivana nāsham nahe ist. Alles andere, Herr, ist Unsinn.«

Was Asangadan sagte, schien dem Guru einleuchtend und vernünftig. Er wurde also wieder heiterer, stand auf und aß und trank und ging umher.

Als auf diese Weise ein paar Tage vergangen waren, geschah es, daß eines Nachts, als alles schlief, ein andauernder, heftiger Regen niederging. Die Tropfen fielen durchs Dach auf das Lager des Guru und dicht neben sein Hinterteil; er wußte aber nichts davon, da er fest schlief. Als der Regen und folglich auch das Tropfen aufgehört, wälzte sich der Guru im Schlaf herum und lag nun mit dem Hinterteil in der Nässe. Dadurch wurden seine Hinterbacken kalt, er wachte auf, fand keine äußere Ursache mehr für diese Erscheinung und schloß daraus, daß der Zeitpunkt seines Todes herangekommen sei.

Die Schüler, die ebenfalls keine äußere Ursache für dieses Kältegefühl wahrnehmen konnten, schlossen, daß selbst die Kälte des Lagers von der Kälte der Hinterbacken herrühre, und dachten daher, jetzt sei die Zeit der Erfüllung jener Prophezeiung gekommen. Auch alles Volk, das den Guru besuchen kam und auch nicht klüger war als er und seine Schüler, stimmte dieser Ansicht bei, während der Guru auf alle Fragen nur immer antwortete: »Jetzt ist's gewiß: Āsanam shītam jīvana nāsham.«

Er war so niedergeschlagen und von Kräften vor tagtäglicher Angst und Sorge, daß er eines Tages in Ohnmacht fiel.

Da begannen sie alle zu klagen. Sie schlugen die Hände vors Gesicht und weinten und heulten: »Weh, weh! Er ist verschieden, er ist tot.«

Und nachdem sie die Vorbereitungen zum Begräbnis getroffen, nahmen sie die Totenwäsche vor.

Zu diesem Zweck füllten sie eine große Grube, die sich im Mattam befand, bis an den Rand mit Wasser, legten den vermeintlichen Leichnam hinein, drückten ihn unter Wasser und begannen ihn abzuwaschen. Dadurch erwachte er aus seiner Ohnmacht; da er aber unter Wasser nicht Atem holen konnte und auch mit Händen und Füßen keine Zeichen geben konnte, denn sie hatten ihm die Glieder zusammengepreßt, so ersoff der Guru Gimpel infolge ihrer Blödigkeit unter den Händen dieser Dummköpfe.

Inzwischen hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt; man legte ihn in sitzender Stellung auf eine blumengeschmückte Bahre, die schnell von allem Volk umringt wurde. Die Schüler hoben die Bahre auf, und unter Absingung der Worte »Āsanam shītam jīvana nāsham.« trugen sie ihn zu Grabe und begruben ihn.


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