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5

Langelüddecke, der aus dem Zimmer des Juniorchefs kam, winkte bedeutsam Litte Friese zu, die eben eintreten wollte.

»Gehen Sie lieber nicht hinein. Er rennt wie ein verwundeter Löwe auf und ab, und er faucht auch so.«

»Er wird mich nicht fressen.«

»Nicht wiederzuerkennen ist er, nicht wiederzuerkennen!«

»Das Gefühl habe ich längst«, sagte sie trocken.

Gerade in dem Augenblick, als sie eintrat, meldete sich das Telephon. Sie blieb an der Tür stehen.

»Nehmen Sie Platz«, rief Huygens nervös. »Für Sie gibt's hier doch keine Geheimnisse.«

Er hob den Hörer ab und vernahm zu seinem grenzenlosen Erstaunen eine weibliche Zwitscherstimme, die ihn anrief:

»Grüß Gott, bist du selber da, Schatzerl?«

»Verzeihung, mit wem spreche ich?«

Süddeutschland und Norddeutschland trafen sich hier.

»Aber geh', Tschapperl, du wirst doch deine Lolotte kennen?«

»Bedaure. Sie sind sicher falsch verbunden. Wen suchen Sie denn eigentlich? Detlev Huygens? Ja, der bin ich allerdings – –«

Die Stimme drüben war an der Grenze des Weinens. »Du garstiger Mensch willst nix von mir wissen? Schäm' dich! Noch immer grantig? Gestern nacht schaut mich der hohe Herr aus dem Auto kaum an und jetzt – –«

Huygens zuckte zusammen. Das Mädchen von der Lombardsbrücke! Sie mußte ihn irgendwie verwechseln. Glück muß man haben! »Das heute nacht war nur ein Versehen, bestimmt. Ich suche Sie schon lange.«

»Geh!« klang es verzweifelt zurück. »Du redst wie ein Idiot daher!«

»Möglich«, gab er bereitwillig zu.

Vom anderen Ende des Drahtes kam ein Empörtes: »Was sagst alsdann nicht du zu mir? Das ist doch geradezu blöd. Ach sooo! Ich versteh' schon; du bist nicht allein.« Eine Tonleiter hellen Gelächters kitzelte sein Ohr. »Soll ich dir trotzdem ein Busserl geben?«

Ein schmatzendes Geräusch vermehrte seine Verwirrung. Immerhin war es gut, daß sie so mit sich beschäftigt war, daß sie seine Formfehler nicht weiter bemerkte.

»Ich möchte heut, akkurat heut, mit dir dinieren. Hast a Schneid? Im Alsterpavillon, gel? Und ich hol' dich ab, Schatzerl?«

»Ausgeschlossen.«

Wieder das girrende Lachen, ein »Busserl« und andere Vorschläge.

Litte Friese hätte sich die Ohren zuhalten müssen, wenn sie nicht alles hätte hören wollen. In der Stille des Raumes vernahm sie deutlich diese ferne Weibchenstimme, das Kichern und Schnalzen. Und Detlev Huygens' verwirrte Ratlosigkeit stand durchaus nicht im Widerspruch dazu.

Sie klappte ihre Mappe zu und erhob sich.

»Punkt zwölf am Jungfernstieg.« Das hörte sie noch, als sie die Tür öffnete.

Erst jetzt, wo er den Hörer auf die Gabel fallen ließ, wurde Huygens sich bewußt, daß sie alles mit angehört haben mußte. Er wollte ihr nach, aber sie schlug die Türe zu.

Es war ungezogen und ungehörig, aber das war ihr gleichgültig. Sie konnte jetzt nicht mit ihm sachliche Dinge sachlich besprechen.

Ehe er die Türe wieder öffnen konnte, war sie schon bei Langelüddecke eingetreten, den sie eine Stunde lang beschäftigte und durch ihren Geschäftseifer überraschte.

Was der kleine Kassierer sagte, hörte sie kaum; in ihren Ohren lag noch dies Zwiegespräch am Telephon mit Fräulein Lolotte. Schade, daß Herr Janowski nicht zugehört hatte! Alles stimmte aufs Haar.

Aber, während sie sich das im stillen immerfort wiederholte, wurde sie einen Gedanken nicht los: Detlev Huygens hatte gar nicht so ausgesehen, als ob ihm ein nettes, leichtsinniges Stelldichein bevorstünde – er hatte ein Gesicht gemacht, als ob es auf Tod und Leben ginge.

Einige Minuten vor zwölf verließ Huygens das Geschäftshaus und ging dem Jungfernstieg zu. Würde er sie überhaupt finden?

Von den Arkaden her flatterte Lolotte, hübsch und lachend, schon auf und ab, und enthob ihn allen Suchens. Im ersten Augenblick wäre er beinahe zurückgefahren: es war das Mädchen, das »er« auf dem Rennplatz aufgehoben hatte. Hier gab es keine Täuschung.

»Geh, machst noch immer ein G'schau wie drei Tag' Regenwetter! Hab' ich das verdient?« Sie setzte ein Schmollen auf, das ihr reizend stand, und das sie sicher oft ausprobiert hatte. »Neulich beim Rennen warst du viel netter.«

Das glaube ich, dachte er erbost.

»Und hast wohl schon vergessen, was du mir versprochen hast, Schatzerl?«

Was zum Kuckuck hatte er versprochen? Was versprach ein Kavalier bloß in solchem Fall? Es war scheußlich, hier so wenig Erfahrung zu haben. »Ich habe soviel Geschäfte, daß ich kaum weiß, wie ich selber heiße.« Jeder seiner Klubgenossen hätte sich besser aus dieser Affäre gezogen.

»Hat man schon sowas gehört?« Sie blieb mitten auf dem stark belebten Bürgersteig stehen und rang mit hübscher Verzweiflung die Hände. »Und du, hast du auch noch nicht gesagt! Gleich sagst es, na?«

Die Szene war ihm äußerst peinlich. Überall glaubte er Bekannte zu sehen, die verwundert oder verständnisvoll herüber blickten.

»Hier wollen wir lieber nicht stehenbleiben, Kind. Ganz abgesehen davon, daß uns die Leute inzwischen das beste wegessen.«

Er hatte instinktiv das Richtige getroffen. »Gottlob, wenigstens ein gescheites Wörterl!« sagte sie anerkennend. »Gehn' wir! Da wirst auch wieder fescher werden.«

Es kostete immerhin einige Mühe, sie vom Alsterpavillon zu entfernen und in das kleine Weinlokal in der Nähe der Börse zu leiten, das ihm zum Glück eingefallen war. Es war schon peinlich genug, daß sie sich in seinen Arm hing. Mit den Austern wußte sie nichts anzufangen – so vornehm waren ihre bisherigen Kavaliere also nicht gewesen. Mit überlegenem Lächeln zeigte er, wie man mit dem Messer den Austernbart abschneidet, und er erntete einen Begeisterungskuß, an dem ihm wenig lag.

Mit dem Ausfragen wartete er, bis der Wein seine Wirkung getan haben würde. Nur die Filmaufnahme erwähnte er nebenbei.

Lolotte klatschte strahlend in die Hände. »Ein Hauptjux! Geh', das hast du schon gewußt, als du mich aufhobst?«

»Bestimmt nicht«, versicherte er wahrheitsgemäß.

»Wir geh'n nachher gleich hin, gel? Aber was machst denn für ein grausliches Gesicht? Gradaus fürchten könnt' man sich vor dir!«

Er log etwas von Kopfschmerzen, und das war etwas, was sie begriff.

»Kater! Kenn' ich. Nimmst halt ein Pyramidon und trinkst ein Pilsner drauf. Hummer gibt's auch? Man muß schon sagen, du läßt dich nicht lumpen. Gibt's nachher auch einen Schampus?«

»Jetzt am hellichten Tag Sekt? Das wäre unfein.«

Ihr Gedankenapparat arbeitete erstaunlich schnell. »Recht hast. Legen wir das Geld halt auf das Komplet.« Sie war entschieden ein praktisches Fräulein, diese Lolotte.

Also ein »Komplet« hatte »er« ihr versprochen. Er konnte in die Vergangenheit einhaken.

»Was ich verspreche, halte ich auch. Sag' mal, wo waren wir neulich eigentlich noch überall?«

»Hast's wirklich vergessen? Und ich war doch so lieb? Aber so sind halt die Mannsbilder.«

Er erfuhr die Namen mehrerer Lokale, die er dem Namen nach kannte, aber nicht zu besuchen pflegte, und prägte sie sich ein. Sogar im Tattersall draußen an der Altonaer Grenze waren sie gewesen und Lolotte war zur Begeisterung der anwesenden Herren vom Gaul gefallen. »Alles haben's sehen können und gelacht haben's, die Schlankerl!« Sehr böse schien sie über ihren Fall nicht zu sein.

Er hätte nach einigen Kreuz- und Querfragen den ganzen Verlauf jenes unseligen Rennsonntags aufzeichnen können; aber das brachte ihn nicht weiter.

Wer war dieser andere? Wie hieß er? Wo wohnte er? Darauf kam alles an. Aber für sie war jener eben »Huygens« gewesen. Für sie gab es keine Rätsel.

Er dachte wunder wie schlau zu sein, als er fragte: »Welche Adresse habe ich dir damals eigentlich angegeben?«

Aber sie lachte ihn nur aus. »Adresse, geh'! Dazu warst du viel zu beschwipst. Außerdem stehst du doch im Telephonbuch.«

Er versank ins Grübeln, und Lolottes Stimmung wurde immer schlechter. Sie war so wortkarge Kavaliere nicht gewöhnt. Allmählich begann sie die werbenden Blicke und Gesten eines korpulenten Herrn am Nebentisch zu erwidern, der wie ein Mulatte aussah.

Es war eine ärgerliche Angelegenheit, den Detektiv spielen zu müssen, wenn man kein Talent dazu hatte.

Er entsann sich, daß er heute nicht im Klub, der ihm verleidet war, sondern zu Hause hatte essen wollen und ging zum Telephon, um seiner Wirtschafterin abzutelephonieren.

Zu seiner Verwunderung hörte er: »Das haben Sie ja schon vorhin gesagt, Herr Huygens.«

Aber er dachte im Augenblick nicht über den sonderbaren Bescheid nach und ging zu Lolotte zurück, die gerade mit dem »Mulatten« tuschelte. Sie hatte also schon Ersatz gefunden. Mochte sie!

Sie brachen bald auf, um nach Barmbeck zu fahren, wo sie in dem großen Kaufhaus ihr Komplet kaufte. »Du wirst doch nicht eifersüchtig auf den braunen Affen sein, Schatzerl?«

Nein, er war nicht eifersüchtig und nur darauf bedacht, sie loszuwerden. Endlich schwirrte sie ab, plötzlich in großer Eile. Wahrscheinlich wollte sie den braunen Affen nicht warten lassen.

Da er nun wirklich Kopfschmerzen hatte, fuhr er in seine Junggesellenwohnung in der Armgartstraße, um Lolottes Rezept zu befolgen. Und hier überfiel ihn die zweite Überraschung dieses Tages.

Frau Engelbrecht fragte bei seinem Eintritt mit freundlicher Verwunderung: »Schon wieder da?«

»Schon wieder?« Er war nicht in der Stimmung zu überflüssigen Scherzen. »Es ist sehr anerkennenswert und für mich sehr schmeichelhaft, wenn Sie die Zeit von 8 bis 14 Uhr so kurz finden.«

»Aber, bitte, Herr Huygens, Sie waren doch um 12 erst hier. Ich muß doch sehr bitten, daß Sie mich nicht für dumm halten.«

Ihre Empörung war echt, und er blieb, eine neue Gefahr witternd, stehen. »Denken Sie genau nach. Um 12 Uhr verließ ich gerade den Butenfleeth.«

»Dann geht Ihre Uhr falsch, ich muß sehr bitten. Ich weiß die Zeit genau, weil ich auf den Briefträger wartete. Mein Sohn in Kanada hat schon seit einem Monat nicht geschrieben.«

Huygens mußte sich an die Wand lehnen, so schwach fühlte er sich plötzlich. »Er« war hier gewesen! »Er« hatte seine Wohnung betreten und nicht einmal seiner Haushälterin war er aufgefallen!

Endlich raffte er sich zusammen und stürzte, an der erschrockenen Frau vorüber, in seine Wohnräume. Seine Phantasie sah alle Behälter geöffnet und ihres Inhalts beraubt.

Aber hierin irrte er sich. Alles stand ordentlich da, als sei kein Fremder hier eingedrungen. Die Schubladen waren verschlossen, und es fehlte nichts darin. In der Glasvitrine, die seine japanischen Kostbarkeiten barg, steckte der Schlüssel, aber die kleinen, drolligen Netsukes lagen ebenso unangerührt wie die erst vor kurzem erworbenen Garbenholzschnitte des Hiroshige.

Auch im Kleiderschrank fehlte nichts. Fast war er enttäuscht. Was hatte der Fremde, der hier gewesen war, gewollt? Hatte er erproben wollen, wieweit er seine Frechheit treiben könne? Aber war es das große Risiko wert, das er hier lief?

Mechanisch öffnete er die Schreibmappe und er stellte fest, daß einige seiner Briefbogen und Umschläge fehlten; er wußte zufällig genau, daß er ein Dutzend hineingelegt hatte. Und der angefangene Brief an einen Altertumssammler in Flensburg fehlte auch. Was wollte »er« damit?

Plötzlich fiel ihm Bobby, sein Terrier, ein. Wenn schon diese dumme Frauensperson, die wohl mit ihrem Brief beschäftigt gewesen war, hereinfiel, wie war es möglich, daß Bobby nicht die fremde Witterung gespürt hatte? Ein Hund ließ sich doch nicht betrügen?

»Wo war der Hund?« schrie er in aufsteigender Wut die ängstlich dreinschauende Frau Engelbrecht an.

»Der Hund?« stammelte sie.

»Ja«, brüllte er, und er war nahe daran, sie zu ohrfeigen. »Wenn Sie schon so gottverlassen und so polizeiwidrig dumm sind, daß Sie mich mit irgendeinem Komödianten verwechseln, so wird der Hund doch wenigstens Verstand genug haben?«

Frau Engelbrecht war unwillkürlich zurückgetreten und hielt die Hände wie in Abwehr vor sich. Sie kannte ihren Herrn, der sonst die Ruhe und Höflichkeit in Person war, nicht wieder. Sie bekam kein Wort heraus.

»Der Hund? Wo war er? Können Sie nicht antworten?«

Endlich brach ein Tränenstrom hervor. »Ich bitte um meine Entlassung, Herr Huygens. Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen. Keine Stunde bleibe ich länger hier.«

»Der Teufel wird Sie halten.« Er warf die Türe hinter ihr zu und rannte im Zimmer umher. »Er« hatte sich erfrecht, hier einzudringen, »er« hatte sich hier umgesehen. »Er« hatte seinen Brief gestohlen, zu irgendeinem verbrecherischen Zweck, den er nicht kannte. »Er« hatte sich über seine Anzüge und Krawatten orientieren können und womöglich hatte »er« auch das Bildchen von Litte Friese in den Pfoten gehabt, eine kleine Photographie, die sie einmal auf ihrem Platz hatte liegen lassen, und die er glücklich an sich genommen hatte. Das Maß war voll, voll bis zum Überlaufen.

Es klopfte und Frau Engelbrecht trat ein, in Hut und Mantel, ganz Würde und Empörung.

»Ich will nur sagen, daß ich gehe, Herr Huygens. Meinen Lohn können Sie mir nachschicken. Hier ist meine zukünftige Adresse.«

Er zerknitterte das hingelegte Blatt, und warf es in großem Bogen in den Papierkorb. Natürlich durfte die Frau nicht fort. Er hatte jetzt weder Zeit noch Laune, eine neue Wirtschafterin zu suchen und ein neues Gesicht um sich zu sehen, das seinen Argwohn erwecken mußte. Denn war es bei der Geschicklichkeit, mit dem »er« arbeitete, ausgeschlossen, daß er eine Gehilfin ins Haus brachte?

»Machen Sie keine Geschichten, Frau Engelbrecht. Sie wissen, daß Sie mir unentbehrlich sind. Und Sie werden nicht gerade jetzt gehen wollen, wo ich Ihnen vom nächsten Ersten zehn Mark mehr zahlen wollte? Ich bin nervös, überarbeitet, wissen Sie. Entschuldigen Sie mich.«

Sie tupfte einige Tränen ab, die gar nicht mehr da waren, und lächelte versöhnt. »Sie sollten nicht soviel arbeiten, Herr Huygens. Und was den Hund anbetrifft – Sie hatten mir doch den Auftrag gegeben, ihn in der Badeanstalt waschen zu lassen. Es war schon nicht mehr schön, dies ewige Gekratze.«

»Schon gut.« Er bemühte sich, einen scherzhaften Ton anzuschlagen. »Ist der Herr Köter nun wenigstens sauber?«

»Wie ein Prinz. Er muß noch trocknen, und ich kann ihn bald abholen gehen.«

Sie stand noch einen Augenblick da, als ob sie eine Erklärung über sein verrücktes Verhalten erwarte. Als keine kam, zog sie sich zurück.

Als sie die Treppe hinunter ging, lauerte schon der Hauswart im Flur.

»Das war ein ordentlicher Krach oben. Sowas sollte in einem hochherrschaftlichen Hause nicht vorkommen. Wir sind doch nicht im Gängeviertel. Weswegen war's denn?«

»Wegen des Hundes«, sagte Frau Engelbrecht kurz.

»Wegen so einem Dreckköter!«

»Erlauben Sie«, bemerkte sie kühl. »Der Hund zahlt mehr Steuern als Sie.«

Oben stand Detlev Huygens am Fenster. Wie war das möglich gewesen? Wie konnte »er« wissen, daß die Bahn frei war, daß er gerade heute auswärts war? Zufall? Oder war diese Lolotte im Bunde? Hatte sie den Auftrag, ihn fortzulocken? Ein feines Plänchen. Aber er verwarf diese Idee: das Mädel war viel zu dumm für so gute Schauspielerei. Er wollte an solche abgefeimte Verschwörung nicht glauben. Das, was fest stand, war schon schlimm genug.

Die Polizei zu Hilfe rufen und durch sie die Gerichte?

Er lehnte den Einfall ab.

Ihn ekelte bei dem Gedanken an die Fragen, Erörterungen und Protokolle, an die neue Unruhe und das Herumtasten in seinen intimsten Angelegenheiten. Der ganze Ablauf einer ausgedehnten behördlichen Maßnahme war ihm nicht sehr angenehm.

Aber seinem Anwalt konnte er sich anvertrauen. Er hob den Hörer ab und ließ ihn wieder fallen. Es würde den kühlen Zweifel des Juristen herausspüren und nicht verwinden. Ein flüchtiges Achselzucken, schon im Entstehen unterdrückt, konnte genügen. Natürlich würde er ihm nicht glauben, ebensowenig wie ihm die Herren vom »Babylonischen Klub« glaubten. Und war es ihnen übel zu nehmen?

Er starrte mit gerunzelter Stirn und zusammengepreßten Lippen hinaus. Es war seine Angelegenheit. Dort irgendwo im Häusergewirr stand sein Feind und lauerte. Vielleicht befand er sich unter den Männern dort, die über einen Trunkenen lachten, der das »Seemannsgrab« zu gröhlen versuchte.

Seine Faust schlug hart auf das Fensterbrett. Der Besuch seines Heims war die äußerste Anmaßung gewesen, und er gedachte, sie gebührend zu beantworten. Es war ein Zweikampf zwischen Männern, von denen einer zuviel war – und bei einem Zweikampf rief man nicht behördliche Hilfe herbei.

Die Arbeit des Tages machte ihn wieder ruhig. Als er zu Bett ging, nahm er zum ersten Male in seinem Leben den Revolver aus der Schublade des Schreibtisches, wo er sonst ruhte, und legte ihn unter sein Kopfkissen.


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