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Einundsiebenzigstes Capitel.
Das Bekenntnis.


Als Romola Tessa mit ihren Kindern in das Haus brachte, war der April beinahe schon zu Ende, und die zweite große Angst ihrer Seele hatte durch die gedruckte Veröffentlichung von Fra Girolamo's Proceß, oder vielmehr seiner, vor dem, aus sechszehn florentinischen Bürgern zusammengesetzten Ausschusse, abgelegten Bekenntnisse, den höchsten Grad erreicht. Das Erscheinen dieser auf Befehl der Signoria veröffentlichten Actenstücke hatte so starke Ausbrüche öffentlichen Mißtrauens und Unwillens erregt, daß strenge Maßregeln ergriffen wurden, dasselbe zurückzunehmen. Abzüge davon wurden natürlich verlegt, und eine zweite, nicht von der Signoria autorisirte Auflage war bald darauf in den Händen eifriger Leser.

Romola, welche bereits daran verzweifelte, jemals mit Fra Girolamo sprechen zu können, las dieses Actenstück immer wieder und wieder, indem sie wünschte, dasselbe klarer beurteilen zu können, als nach den widersprechenden Eindrücken, welche in dem Munde sowohl seiner Anhänger als seiner Feinde die Gestalt bestimmter Behauptungen annahmen.

Bei den gläubigeren Anhängern Savonarola's hatte sein Mangel an Festigkeit auf der Folter und sein Widerruf prophetischer Aussprüche eine Bestürzung hervorgerufen, die zu groß war, als daß sie, wie es schließlich doch geschah, durch den bald zur Gewißheit werdenden Verdacht beseitigt werden konnte, daß die von ihm geäußerten, mit ihrem Glauben an ihn in unerklärlichem Widerspruch stehenden Worte nicht aus dem Munde des Propheten, sondern aus der fälschenden Feder Ser Ceccone's kamen, dieses berüchtigten Notars, welcher das Protokoll bei der Untersuchung geführt hatte. Aber es gab außerdem allgemein faßliche Thatsachen, welche dem gedruckten Documente alle Glaubwürdigkeit nahmen. Bestand nicht die Reihe der sechszehn Verhörsrichter zur Hälfte aus den größten Feinden des Propheten? War nicht der allgemein bekannte Dolfo Spini Einer vom neuen Rath der Achte, die vor der Zeit gewählt waren, um die Würfel gegen einen Mann zu füllen, dessen Untergang schon im Voraus von der am Ruder befindlichen Partei beschlossen war? Die Verhandlungen im alten Palast waren weiter nichts als ein Mord mit hinhaltenden Feierlichkeiten. Die Signoria hatte beschlossen, einen guten Handel mit dem Papst und dem Herzog von Mailand abzuschließen, indem sie den Mann vernichtete, der lasterhaften Bürgern und gierigen fremden Tyrannen eben so sehr zur Last fiel, wie einer verderbten Geistlichkeit. Der Mönch war, wie bemerkt, schon im Voraus verurteilt, und die einzige Frage, die, wie es hieß, noch vorlag, war die: ob die Republik ihn, gegen die Erlaubniß ihrerseits, eine Abgabe auf Kircheneigenthum legen zu dürfen, dem Papste lebendig überliefern, oder ob der Papst fernerhin der Republik bewilligen sollte, was ihre Würde verlangte, nämlich das Privilegium, ihren Propheten auf ihrem Marktplatze hängen und verbrennen zu dürfen.

Wer konnte also, bei so bewandten Umständen, diesem sogenannten Bekenntniß vollen Glauben schenken? Hatte der Mönch seine Prophetengabe abgeschworen, so war dieses nur in Folge der Höllenqualen geschehen – Qualen, die bei einem so empfindlichen Körper, wie der seinige war, nothwendigerweise schnell den Wahnsinn herbeiführen mußten. Wie, wenn diese schändlichen Verhörsrichter erklärten, daß er nur dreimal die Folter des Wippens und Ziehens, und zwar nur an einem Tage, auszuhalten gehabt und daß er seine Bekenntnisse abgelegt hatte, während er keinen körperlichen Zwang erlitt, sollte man das glauben? Er war viel stärker, er war nach Verhältniß des Schmerzes, den seine Bekenntnisse in dem Herzen seiner Freunde hervorgerufen hatten, gefoltert worden.

Andere Freunde Savonarola's, weniger leidenschaftliche Parteigänger, zweifelten nicht an der wesentlichen Aechtheit seiner Geständnisse, wie sehr dieselben auch durch die Verdrehungen und Zusätze des Notars verfälscht sein mochten; aber sie bestritten mit äußerster Entrüstung, daß irgend ein Grund vorhanden sei, ein Todesurteil zu fällen oder auf eine schwere Strafe zu erkennen. Es müßte jedem Unparteiischen einleuchten, daß, wenn diese Untersuchung der einzige Beweis gegen den Frate war, er nicht eines Verbrechens wegen stürbe, sondern weil er sich bei dem Papst, den raubsüchtigen italiänischen Regierungen, die ihre toskanische Nachbarin zerstückeln wollten, und endlich bei jenen erbärmlichen Bürgern mißliebig gemacht hatte, welche, ihrem persönlichen Ehrgeiz, im Gegensatz zum allgemeinen Besten, zu fröhnen suchten.

Nicht die geringste Spur eines politischen Verbrechens war ihm nachgewiesen; nicht der geringste Makel war in seinem Lebenswandel entdeckt worden; seine Mitmönche (mit Einschluß eines derselben, der mehre Jahre sein Secretär gewesen war, und der, höher gebildet als seine Gefährten, geneigt war, Fra Girolamo's Leitung als Prior einer Kritik zu unterziehen) bezeugten selbst, nachdem sein Widerruf sie wie ein Schlag getroffen hatte, seine tadellose Reinheit und Lebensfestigkeit, welche ihre, von jedem Argwohn freie Verehrung geboten hatte. Der Papst selbst war nicht im Stande gewesen, eine Anklage wegen Ketzerei gegen den Mönch vorzubringen, außer daß er einer Aufforderung nicht nachgekommen und den Excommunicationsspruch nicht geachtet hatte. Es war allerdings schwierig, diesen Bruch der Disciplin logisch zu rechtfertigen, aber es herrschte in den Gemüthern sehr ernster Männer eine sittliche Empörung gegen die römische Curie, welche darauf ausging, den theoretischen Unterschied zwischen Kirche und Geistlichkeit zu nichte machen, und das Aergerniß des Ungehorsams zu erleichtern.

Leute von der gewöhnlichsten Moralität und Vaterlandsliebe fühlten, daß der Triumph der Feinde des Mönchs in der That nur der Triumph der gröbsten Ausschweifungen war. Verständige Florentiners wie Soderini und Piero Guicciardini mochten wol ein Zorneslächeln auf den Lippen haben über eine Strenge, welche keine Gesetzlichkeit achtete, um einen Mann zu hängen und zu verbrennen, in dem die Verlockungen einer öffentlichen Laufbahn die Redlichkeit seiner Wahrhaftigkeit von ihrem Wege abgelenkt hatten; sie mochten wol bemerkt haben, daß, wenn der Mönch eine noch viel tiefere Verstellung mit einer, hohen Personen minder unbequemen Eifrigkeit und Fähigkeit vereinigt hätte, diese Verstellung als ein vortreffliches Oel zum Schmieren der kirchlichen und politischen Räder betrachtet worden wäre.

Nichtsdestoweniger mußten dergleichen feine Köpfe zugeben, daß, wie sehr auch die florentinische Regierung eine jämmerliche Rolle spielte, indem sie auf unbeholfene Weise das als einen richterlichen Spruch hinstellen wollte, was doch in der That nur als eine Handlung der Politik vorher beschlossen war, dennoch die Maßregeln des Papstes gegen Savonarola nur nothwendige Maßregeln der Nothwehr waren. Sich eines Mannes, der die europäischen Mächte zu einem Generalconcilium und zur Absetzung des Papstes aufreizen wollte, nicht zu entledigen suchen, wäre weiter nichts gewesen, als zur Ungerechtigkeit noch die Dummheit hinzufügen. Man konnte nicht läugnen, daß Savonarola gegen Alexander den Sechsten als ein Rebell, und, was viel mehr war, als ein gefährlicher Rebell auftrat. Florenz hatte gehört, wie er gesagt hatte: er wolle dem Teufel nicht gehorchen, und Florenz hatte den Sinn dieser Worte sehr wohl verstanden. Es war nothwendigerweise ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Frate und dem Papste, aber es war viel weniger nothwendig, daß Florenz sich zum Henker des Papstes hergeben mußte.

Romola's Ohren wurden auf diese Weise mit den Eingebungen eines noch unter seinen Wunden glühenden Glaubens und denen weltlicher Klugheit, welche die Dinge nach einem, sehr geringen Maaß des der menschlichen Natur Möglichen schätzte, erfüllt. Keine dieser Eingebungen konnte sie befriedigen. Sie machte bei ihren vielen Grübeleien über jenes gedruckte Document manche peinliche, den Jahren ihrer Jüngerschaft mehr oder weniger gewissenhaft eingeprägte Bemerkungen, welche ihr die Ahnung zuflüsterten, daß Savonarola's Widerruf seiner Ansprüche auf Prophetenthum mehr als ein krampfhaftes Bestreben, der Tortur zu entgehen, war. Andererseits lechzte ihre Seele nach einer Erklärung seiner Fehler, welche es ihr noch ermöglichen konnte zu glauben, daß das Hauptstreben seines Lebens rein und edel gewesen sei. Die frische Erinnerung an die selbstische Unzufriedenheit, welche über sie gekommen war wie ein verderblicher Wind, und der Verlust des Glaubens an den Mann, der für sie eine Verkörperung der höchsten Bestrebungen gewesen war, hatten einen Rückschlag bewirkt, den Viele als eine Art Glaubens kennen, welcher in ihnen aus den Tiefen der Verzweiflung entspringt. Es war, sagte sie jetzt, unmöglich, daß die verneinenden, ungläubigen Gedanken, welche in ihrer Seele alles Gute verdorren machten, in der Wahrheit der Dinge begründet sein konnten – unmöglich, daß es nicht ein lebendiger Geist gewesen war und kein leerer Vorwand, welcher einst in den Worten des Frate geathmet und ein neues Leben in ihr entzündet hatte. Was für eine Falschheit auch in ihm gewesen sein mochte, so war es nur ein Fall und keine Absicht gewesen; eine stufenweise Verwickelung, in welcher er rang, aber kein von Erfolg ermuthigter Plan.

Als sie die gedruckten Bekenntnisse durchlas, sah sie manche Aussprüche, welche das Gepräge stümperhafter Verfälschung trugen; sie zeigten jenen Schwulst und die Wiederholungen der Selbstanklage, deren nur gemeine Heuchler gegen ihre Mitmenschen sich bedienen. Aber die Thatsache, daß diese Aussprüche, in grellem Widerstreit nicht nur mit dem Charakter Savonarola's, sondern auch mit dem allgemeinen Ton der Bekenntnisse standen, verstärkte den Eindruck, daß der Rest des Textes in der Hauptsache das enthielt, was wirklich aus seinem Munde gekommen war. Kaum ein Wort war unehrenvoll für ihn, ausgenommen, was sich auf seine prophetischen Verkündigungen bezog. Er blieb fest bei seiner Aussage über die Zwecke, die er zum Besten der Stadt Florenz, der Kirche und der Welt gehabt hatte; und abgesehen von der Mischung von Falschheit in den Ansprüchen auf besondere Eingebungen, durch welche er auf den Geist der Menschen einwirken wollte, konnte man nicht einräumen, daß er zu unwürdigen Mitteln seine Zuflucht genommen hatte. Selbst bei diesem Bekenntnisse und ohne Ausscheidung der boshaften Bemerkungen des Notars strahlte Fra Girolamo als ein Mann, der allerdings seinen eigenen Ruhm gesucht hatte, aber nur, indem er nach dem höchsten Ziel: dem sittlichen Wohl der Menschheit rang, nicht durch unbestimmte Ermahnungen, sondern indem er danach strebte, Glauben in Thaten zu verwandeln, die in allen Einzelheiten des Lebens wirken könnten.

»Alles, was ich gethan habe,« hieß es in einer merkwürdigen Stelle jener Schrift, in welcher vielleicht Manches gestrichen und eingeschoben ist, »habe ich in der Absicht gethan, für immer, jetzt und in Zukunft, berühmt zu werden und Ansehen in Florenz zu gewinnen, und auf daß nichts Wichtiges ohne meine Genehmigung geschehe. Und als ich meine Stellung in Florenz auf diese Art gesichert hatte, beabsichtigte ich große Dinge in Italien und außerhalb Italiens durch jene hohen Personen, mit denen ich Freundschaft geschlossen und über wichtige Gegenstände, wie z. B. über das Generalconcilium, verhandelt hatte, zu verrichten. Und nach Maßgabe, wie meine ersten Bestrebungen gelangen, würde ich weiter gegangen sein. Vor allen Dingen beabsichtigte ich, wenn das Generalconcilium zu Stande gekommen wäre, die Fürsten der Christenheit, besonders die außeritaliänischem zu bereden, die Ungläubigen zu unterjochen. Ich dachte nicht viel daran, Cardinal oder Papst zu werden, denn wenn ich das Werk, das ich vor Augen hatte, vollendet gehabt hätte, so würde ich, ohne Papst zu sein, der erste Mann in der Welt gewesen sein durch das Ansehen, das ich besessen hätte, und durch die Ehrfurcht, die mir gezollt worden wäre. Wäre ich zum Papst erwählt worden, so würde ich dieses Amt nicht ausgeschlagen haben, aber es schien mir, daß es etwas Größeres sei, an der Spitze dieses Werkes zu stehen, als Papst zu sein; denn ein Mann kann auch ohne Tugend Papst sein, aber ein Werk, wie ich bezweckte, verlangte einen Mann von ausgezeichneten Tugenden.«

Diese Mischung von Ehrgeiz und Glauben an die Erhabenheit der Güte machte keinen neuen Eindruck auf Romola, die gewohnt war, dieses Alles in der Stimme, die den Dom durchhallte, zu hören. Savonarola's Geist war gewohnt, große Pläne zu entwerfen und zu fühlen, daß er der Mann war, sie auszuführen. Ungerechtigkeit sollte erniedrigt werden, die Sache des Rechts, der Reinheit und der Liebe sollte triumphiren, und zwar durch seine Stimme, durch sein Werk und durch sein Blut. Ohne Zweifel schmolz in Augenblicken ekstatischer Betrachtungen das Gefühl des Ich's in das des Unaussprechlichen hin, und in diesem Theil seiner Erfahrung lagen die Elemente wahrhafter Selbsterniedrigung; aber in Gegenwart seiner Nebenmenschen, für die er handeln sollte, schien Obergewalt eine nothwendige Bedingung zu sein.

Und vielleicht enthielt dies Bekenntniß, selbst wenn es eine wissentliche und wohlüberdachte Falschheit anzeigte, in Wirklichkeit weiter nichts als jenes Schwanken im Glauben hinsichtlich seiner eigenen Eindrücke und Gründe, dem die meisten menschlichen Wesen, die nicht die dumme Unbeugsamkeit des Selbstvertrauens besitzen, bei einem schroffen Wechsel äußerer Verhältnisse unterworfen sind. Welche Möglichkeit eines Wechsels in der Selbstbeurteilung lag nicht in einem Leben, wo die Erfahrungen wirr durcheinander gemischt sein mußten, wie in dem des Frate, wenn statt verehrender Blicke und gebeugter Kniee, statt eines großen, der Vollendung nahen Werkes, das in seinem Gelingen den Vollbringer desselben zu einem auserlesenen Rüstzeug macht, das Schreien, Anspeien und die Verwünschungen des großen Haufens sich zeigen, wenn die harten Züge von Feinden als Richter erscheinen, und dann die schreckliche Folter und aus der Folter der nicht zu unterdrückende Jammerschrei: »Was Ihr wollt, das ich sagen soll, ist wahr! laßt mich los, foltert mich nicht weiter! Ja, ja, ich bin schuldig! O Gott, Dein Streich hat mich getroffen!«

Als Romola der Qual dachte, die dem Geständniß nothwendig gefolgt sein mußte – ob nun in der darauf folgenden Einsamkeit des Kerkers das Gewissen die selbstbeschuldigenden Worte bekräftigte oder widerrief – so war es ihr, als ob diese Qual auf ihrem eigenen Herzen lastete und ihr die langsam fließenden, bitteren Thränen erpreßte. Jeder gemeine, sich selbst nicht kennende Mensch in Florenz sprach geläufig über die Unwürdigkeit jenes Mannes, und er lernte eine Tiefe des Kummers kennen, die nur derjenigen Seele bekannt ist, die geliebt, nach dem Vollkommensten gestrebt hat, und jetzt ihren eigenen Fall sieht.

Sie hatte sich noch nicht durch den Augenschein von Dem überzeugt, was sie später gewahrte, nämlich von dem Seelenzustande des Mönchs, nachdem er auf diese Weise dahin gebracht worden war, sich bis in den Staub zu erniedrigen. Die Tage verstrichen und die Berichte von neuen, noch nicht veröffentlichten, keine Aenderung in den Bekenntnissen herbeiführenden Untersuchungen verstummten. Savonarola wurde in seinem Kerker unbehelligt gelassen, und man gestattete ihm eine Zeit lang Feder und Tinte, damit er, wenn er wollte, seinen zerquetschten und ausgerenkten Arm zum Schreiben brauchen könne. Er schrieb auch; aber was er schrieb, war keine Betheuerung seiner Unschuld, kein Protest gegen die Art, wie er behandelt worden war, sondern eine fortlaufende Unterredung mit jenem göttlichen, reinen Wesen, mit welchem er eine vollkommene Vereinigung erstrebte; es war der Erguß der Selbsterniedrigung, ein banger Schrei nach innerer Verjüngung. Kein noch aus der Vergangenheit herüberhallendes Echo der leidenschaftlichen Selbstschätzung: »Seht mein Werk an, denn es ist gut, und Diejenigen, welche sich dawider setzen, sind Kinder des Teufels.« Es war die Stimme der Trübsal, die ihm zurief: »Gott setzte Dich unter das Volk, als wärest Du einer der Erkorenen gewesen. Du aber hast Andere belehrt, und hast versäumt, selbst zu lernen; Du hast Andere geheilt, Du selbst aber bist noch stets krank gewesen. Dein Herz erhob sich bei der Schönheit Deiner eigenen Thaten, und dadurch hast Du Deine Weisheit eingebüßt und wurdest ein Nichts und wirst dies in alle Ewigkeit bleiben. Nach den vielen Wohlthaten, die Gott Dir hat angedeihen lassen, bist Du in die Tiefen des Meeres gestürzt, und trotz der vielen Gaben, die Dir zu Theil geworden sind, hast Du durch Deinen Stolz und durch Dein Prahlen der ganzen Welt ein Aergerniß gegeben.« – Und wenn die Hoffnung sprach und ihm erklärte, daß die göttliche Liebe ihn nicht verlassen habe, sagte sie ihm nichts von einem großen Werke, das gethan werden sollte, sondern lediglich: »Du bist nicht verlassen, warum wäre denn sonst auch Dein Herz in Reue gebeugt? Auch das ist eine Gnadengabe.«

Es ist keine Spur eines wirklichen Beweises vorhanden, daß Savonarola vom Augenblicke seiner Verhaftung an bis zu dem seines Todes von sich selbst als von einem Märtyrer gesprochen hätte. Die Idee des Martyrthums war für ihn eine Leidenschaft gewesen, welche den Traum der Zukunft mit dem Triumph, sein Werk vollendet zu sehen, theilte. Und jetzt war statt Beider eine Entsagung über ihn gekommen, die er mit keinem prunkenden Namen verherrlichte.

Aber gerade deswegen darf er um so eher von seinen Mitmenschen ein Märtyrer für alle Zeit genannt werden. Denn die Gewalt erhob sich wider ihn, nicht seiner Sünden, sondern seiner Größe wegen, nicht weil er die Welt zu täuschen, sondern weil er sie zu veredeln getrachtet hatte. Und wegen dieser seiner Größe erduldete er eine doppelte Pein: nicht nur die der Beschimpfung der Folter und des Todeskampfes, sondern auch die Pein, von der Vision einer erhabenen Vollendung seines Werkes in das tiefe Dunkel hinabzusinken, wo ihm nichts übrig blieb, als zu sagen: »Ich zähle für Nichts; Dunkelheit umgibt mich, und doch war das Licht, das ich sah, das Licht der Wahrheit!«



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