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Sechsundvierzigstes Capitel.
Bei der Straßenlanterne.


An diesem Abend, als es dunkel war und zu regnen drohte, begegnete Romola, die, mit Maso und ihrer Lanterne an der Seite, vom Hospital San Matteo, welches sie nach der Vesper besucht hatte, zurückkehrte, ihrem Gatten gerade vor dem Kloster von San Marco. Tito, welcher kurz nach seiner Ankunft in der Via de' Bardi wieder ausgegangen war und Romola den ganzen Tag über nur wenig gesehen hatte, bot ihr alsbald an, sie nach Hause zu geleiten, und schickte Maso, dessen kurze Schritte ihm widerlich waren, fort. Es war für ihn nur etwas ganz Gewöhnliches, ihr eine solche officielle Aufmerksamkeit zu erweisen, wenn es auf eine in die Augen fallende Weise von ihm verlangt wurde. Tito und Romola haderten und stritten nie miteinander. Sie waren zu unwiederbringlich in ihrem inneren Leben entfremdet, um einen Wortwechsel zu haben, der ja doch nur ein Streben nach einem Vergleich ist. Sie sprachen von allen öffentlichen und häuslichen Angelegenheiten, indem sie sich sorgfältig an eine einmal angenommene Regel hielten. Verlangte Tito, daß die Abendmahlzeit in der alten Bibliothek, die jetzt zierlich zum Speisezimmer ummöblirt war, aufgetragen wurde, so war Romola damit einverstanden, und sah danach, daß die nöthigen Anstalten getroffen wurden. Tito seinerseits ließ sie ungestört in ihren täglichen Gewohnheiten, indem er die Hülfe annahm, die sie ihm zum Copiren oder Verfertigen von Digesten anbot, und dagegen den muthmaßlichen Bedürfnissen für ihre wohlthätigen Werke bereitwillig entgegenkam. Dennoch vermied er es, wie noch am heutigen Morgen, Blicke mit ihr zu wechseln; er that, als glaube er, daß sie nicht zu Hause sei, um sie nicht in ihrem Zimmer aufsuchen zu müssen, und sagte scherzhaft, daß sie fortwährend der Einsamkeit den Vorzug vor seiner Gesellschaft gebe.

In der ersten Gluth ihrer Selbstüberwindung hatte Romola, nachdem sie ihren Entschluß, zu fliehen, aufgegeben, mehrfach schüchterne Versuche gemacht, die Wiederkehr eines offenen Verkehrs zwischen ihnen zu ermöglichen. Ihr aber konnte eine solche Beziehung nur durch eine freimüthige Besprechung ihrer Zwistigkeiten und durch den Versuch, zu einer sittlichen Verständigung zu gelangen, kommen, während Tito vor einer Entfremdung mit seiner Gattin nur durch die Wiedererlangung einer so hingebenden Zärtlichkeit ihrerseits, die ein Vergessen ihres Haders vermuthen ließ, gerettet werden konnte. Ihm lag wenig an einer Erklärung zwischen ihnen, da er fühlte, daß dieselbe vollständig nicht möglich war; ihm war es darum zu thun, Romola's Liebe wieder zu gewinnen, und ihr war dieses unmöglich. Sie konnte sanft und unterwürfig sein, sie konnte jedes Zeichen des Widerwillens unterdrücken, aber Zärtlichkeit vermochte sie nicht zu erheucheln, und sie war sich der traurigen Thatsache, daß ihr Gatte ihr gänzlich entfremdet sei, durchaus bewußt.

Dies war ein Grund mehr, daß sie sorgfältig von Geheimnissen ferngehalten werden mußte, die er ohnehin unter keiner Bedingung mitgetheilt hätte. Hinsichtlich seiner politischen Thätigkeit suchte er sie zu überzeugen, daß er die Sache der Medici als unrettbar verloren betrachtete, und daß er auf diesen praktischen Grund hin, so wie aus Theorie, der Volksregierung, für welche sie sich jetzt so warm interessirte, von Herzen ergeben sei. Aber gewisse Eindrücke, so zart und leicht wie Düfte, machten sie unruhig über seine Beziehungen zu St. Marco. Sie war peinlich getheilt zwischen der Furcht, einen Beweis für ihren Verdacht zu entdecken, und dem inneren Trieb, wachsam zu sein, damit kein Unglück geschehe, das sie hätte verhindern können.

Als sie nun diesen Abend zusammen gingen, sagte Tito: »Für mich ist mein Tagewerk noch nicht zu Ende. Ich werde Dich bis an unsere Thür bringen, theure Romola, und dann habe ich noch ein anderes Geschäft zu besorgen, welches mich etwa eine Stunde aufhalten dürfte, ehe ich nach Hause kommen und ausruhen kann, so sehr mir dies auch nothwendig ist.«

Dann plauderte er heiter über das, was er in Pisa gesehen hatte, bis sie an eine Loggia kamen, neben der eine Lampe vor einem Madonnenbilde hing. Es war eine stille Straße und bisher waren ihnen nur wenige Leute begegnet, aber jetzt ließ sich ein Geräusch von herannahenden Schritten und Stimmen vernehmen.

»Wir werden nicht nach Hause kommen, ohne tüchtig naß zu werden, wenn wir nicht Schutz unter dieser uns eben zupaß kommenden Loggia suchen,« sagte Tito rasch, Romola mit einer kaum bemerkbaren Bewegung des Schreckens die Stufen zu der Loggia heraufdrängend.

»Es ist ja aber doch nicht der Mühe werth, wegen dieses unbedeutenden Tröpfelns hier zu warten,« sagte Romola erstaunt.

»Nein, ich fühlte schon große Tropfen; laß uns ein wenig warten.« Mit jener Aufmerksamkeit auf die leisesten Anzeichen, welche einem sich stets auf der Hut befindenden Charakter eigenthümlich ist, hatte Tito beim Schimmer der Lampe entdeckt, daß der Anführer der herannahenden Schaar, der eine rothe Feder und ein glänzendes Schwertgefäß trug, der Letzte war, dem er um diese Stunde, und mit Romola an der Seite, gern begegnete. Er hatte bereits am Tage ein kurzes Gespräch mit Dolfo Spini gehabt, und das Geschäft, welches, wie er zu Romola gesagt hatte, ihm noch bevorstand, war eben eine zweite Zusammenkunft mit jenem Manne, eine Folge seines Besuchs in San Marco. Tito war in Folge eines lange schon verabredeten Planes der Ueberbringer nachgemachter Briefe an Savonarola gewesen; einer von diesen sogar, durch eine besondere List, die Namensunterschrift und das Siegel des Kardinals von Neapel tragend, jenes Kirchenfürsten, der am meisten seinen Einfluß in Rom zu Gunsten des Mönchs geltend gemacht hatte. Der Zweck dieser Briefe war: mitzutheilen, daß der Kardinal auf seiner Reise von Pisa her begriffen war, und daß er, obgleich aus gewichtigen Gründen nicht gewillt, Florenz zu betreten, den nämlichen Tag in San Casciano, ungefähr zwei deutsche Meilen von der Stadt, zu rasten gedenke, von dort aus wolle er dann, als einfacher Priester gekleidet, am nächsten Morgen zwei Stunden nach Sonnenaufgang wie zufällig Savonarola eine Meile auf dem Wege nach Florenz treffen. Der Plan, dessen erster Schritt diese nachgemachten Briefe waren, ging dahin, daß Dolfo Spini mit einer Schaar seiner Compagnacci sich auf der Landstraße an einem einsamen Ort, ungefähr eine Meile von der Stadt, in den Hinterhalt legen, Savonarola nebst dem, ihn vorschriftmäßig begleitenden Dominikanermönch ergreifen und einem in der Nähe von San Casciano bereit gehaltenen kleinen mailändischen Reitertrupp überliefern solle, wonach diese ihn auf römisches Gebiet zu bringen hätten.

Es war sehr wahrscheinlich, daß der scharfsichtige Mönch eine Falle ahnen und es ablehnen würde, die Gefahr zu laufen, welche er seit einiger Zeit vermieden hatte, nämlich sich aus den Mauern der Stadt hinauszuwagen. Seine Freunde hielten es für nöthig, ihn, selbst wenn er predigte, von einer bewaffneten Wache begleiten zu lassen, und jetzt wurde er aufgefordert, sich auf eine einsame Landstraße, nur von einem anderen Mönch begleitet, zu begeben. Aus diesem Grunde war ihm nur die kürzeste Bedenkzeit gegeben, und die einzige Aussicht, daß er dem Inhalt des Briefes Folge leisten würde, war die, daß der Eifer, welchen er bewies, die Interessen inner- und außerhalb der Kirche zur Berufung eines Generalconciliums zu verschmelzen, so wie die Erwartung des unmittelbaren Dienstes, den der Cardinal ihm unter den obwaltenden Umständen seines Streits mit dem Papst leisten könnte, über seine Schlauheit und Vorsicht in der kurzen Zeit, die ihm zur Ueberlegung gegönnt war, den Sieg davon tragen würden.

Tito hatte eine Audienz bei Savonarola gehabt, da er ihm die Briefe nur eigenhändig überliefern wollte, und mit vollendeter Gewandtheit angedeutet, daß er zufällig und durch Schlußfolgerungen insofern den Inhalt der Briefe zu vermuthen im Stande sei, daß er glaube, dieselben bezögen sich auf ein Stelldichein außerhalb der Thore, in welchem Falle er dem Mönche dringend rathe, eine bewaffnete Schutzwache von der Signoria zu verlangen, und er erbot sich, dieses Gesuch mit der größten Heimlichkeit selbst zu überbringen. Savonarola hatte ihm kurz geantwortet, daß dies unmöglich und eine bewaffnete Schutzwache sich mit dem Geheimnisse in der Sache nicht vertrage. Er sprach mit funkelnden Augen, und Tito hatte die Ueberzeugung, daß der Mönch das Wagniß unternehmen wolle.

Tito selbst war wegen der Folgen nicht besorgt. Er machte seine Sache so geschickt, daß, wie er meinte, alle Folgen für ihn selbst vortheilhaft ausfallen mußten. Welche Partei auch die Oberhand behielt, er war sicher, Gunstbezeugungen und Geld zu gewinnen. Dieses ist allerdings eine unziemlich nackte Darstellung; aber die Thatsache, wie Tito sie gewöhnlich einzukleiden verstand, war die: daß sein scharfer Verstand, der die gleichmäßige innere Hohlheit aller Parteien einsah, den einzigen vernünftigen Weg einschlug, indem er sie alle seinen Interessen dienstbar machte.

Ging Savonarola in die Falle, so standen Diamanten und die päpstliche Gönnerschaft in Aussicht; wo nicht, so hatte Tito's gewandtes Handeln seine Stellung bei Savonarola wie auch bei Spini befestigt, während jede vertrauliche Mittheilung, die er von ihnen erhielt, ihn um so werthvoller als Agent für die Medicäer machte.

Spini war aber ein unbequemer Genosse. Er war verschlagen genug, um an Verschwörungen gern Theil zu nehmen, besaß aber nicht die nöthige Fähigkeit oder Selbstbeherrschung zu einer so verwickelten Ausführung, wie das Geheimhalten ist. Er ließ sich oft vom Trunk hinreißen; denn selbst das nüchterne Florenz hatte seine » beoni« oder Trunkenbolde, sowol geistliche wie weltliche, welche in Schenken und Privatgesellschaften lärmten, und trotz des Uebereinkommens zwischen ihm und Tito, daß ihr Bekanntsein in Gegenwart Anderer stets von der kühlsten Art sein sollte, war doch die Möglichkeit vorhanden, daß er bei einer Begegnung Abends plötzlich schwatzhaft und zuthunlich werden könnte. Das leise Zeichen durch das Hinüberwerfen des Halskragens über die linke Schulter ward am Morgen verstanden, aber die stärkste Andeutung, wenn sie nicht eine Drohung enthielt, reichte am Ende nicht hin, Abends einen brüderlichen Griff bei der Schulter zu verhindern.

Tito's hauptsächlichste Hoffnung war jetzt die, daß Dolfo Spini ihn nicht erblickt hätte, und diese Hoffnung wäre gerechtfertigt gewesen, hätte Spini ihn nicht deutlicher erblickt, als er Spini. Dieser, im Schatten stehend, hatte Tito einen Augenblick von dem gerade auf ihn fallenden Lampenlicht beleuchtet gesehen, und Tito war in seiner Art eine eben so auffallende Persönlichkeit, wie der Anführer der Compagnacci. Romola's dunkle, verhüllte Gestalt war seiner Aufmerksamkeit entgangen, und sie stand jetzt hinter ihres Mannes Rücken in einer Ecke der Loggia. Tito's Hoffnung währte nicht lange.

»Aha, meine Couriertaube!« kreischte Spini's rauhe Stimme in einem Tone, den er für gedämpft hielt, während seine Hand Tito's Schulter erfaßte, »weshalb ranntet Ihr denn so, um Euch zu verstecken? Ihr wußtet wol nicht, daß es gute Freunde waren, die sich nahten. Es ist nur gut, daß ich Euch gewahrte, das spart uns viele Zeit. Wie steht's mit der Jagd morgen früh? Wird das kahlköpfige Wild aufspringen? Sollen die Fallen bereit gehalten werden?«

Wäre Tito's Charakter eines Wuthanfalls fähig gewesen, so würde er ihn jetzt gegen diesen stierköpfigen Spießgesellen, der gleich unfähig als Führer wie als Werkzeug war, empfunden haben. Seine Lippen wurden weiß, aber seine Aufregung entsprang der drängenden Schwierigkeit, einen heilsamen Entschluß zu fassen. Versuchte er es, Spini zum Schweigen zu bringen, so mochte dies nur Romola's Verdacht erhöhen, und er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß wenn eine heftige Erregung in ihr hervorgerufen war, sie weder zum Schweigen gebracht, noch blind gemacht werden konnte; andererseits aber, wenn er Spini zornig abwies, mochte der weinselige Compagnaccio, der eher zur Rache, als zum Errathen von Ursachen bereit war, wüthend werden. Er schlug also einen Mittelweg ein, welcher bewies, daß Romola noch eine Art Einfluß auf ihn ausübte, den Einfluß der Furcht.

Er drückte ihr die Hand, wie um ihr ein Zeichen zu geben, und sagte im gutmüthigen, kameradschaftlichen Tone:

»Ja, Freund Dolfo, Ihr könnt gern Alles bereit halten; nur müßt Ihr keine Trompeten mitnehmen.«

»Seid unbesorgt,« antwortete Spini etwas gereizt, »Ihr braucht nicht den Ser Saccente (Witzling) mit mir zu spielen. Ich weiß eben so gut wie Ihr, wo der Teufel seinen Schweif hat. Wie? Er hat den Köder ganz und gar verschlungen? Die prophetische Nase hat den Angelhaken gar nicht gerochen?« fuhr er fort, den Ton ein wenig, wie in täppischer Heimlichthuerei, dämpfend.

Der Dummkopf wird nicht eher ruhen, bis er den Sack ausgeleert hat, dachte Tito bei sich, antwortete ihm aber: »Verschlungen, und das eben so leicht, wie Ihr einen Becher Trebbiano hinuntertrinkt. Was ist das? Ich sehe Fackeln, das muß eine Leiche sein; wie ich höre, grassirt die Pest schrecklich.«

»Tod und Teufel! Der Anblick dieser Bahren ist mir zuwider! Gute Nacht!« rief Spini, sich schleunig entfernend.

Fackeln nahten allerdings, aber sie wurden einem kirchlichen Würdenträger auf seinem Heimwege vorgetragen; die Erwähnung von Pest und Leichen war eine Erfindung Tito's, um Spini los zu werden, ohne ihn gehen zu heißen. Sobald er sich entfernt hatte, wandte sich Tito gegen Romola und sagte ruhig:

»Laß Dich von dem, was jenes rohe Geschöpf etwa gesagt haben mag, nicht beunruhigen, theure Romola! Wir wollen jetzt gehen, der Regen ist, glaube ich, nicht heftiger geworden.«

Sie bebte vor zorniger Entschlossenheit; es half Tito zu nichts, auf diese gleichgültige Weise zu sprechen. Sie mißtraute jedem Worte, das er äußern mochte.

»Ich werde nicht gehen,« rief sie, »ich werde nicht heimkehren, bis ich sicher bin, daß dieser Verrath nicht ausgeführt wird.«

»So warte wenigstens, bis diese Fackeln vorüber sind,« entgegnete Tito mit vollkommenster Selbstbeherrschung, aber mit erneuertem Widerwillen gegen eine Frau, die, wie er voraussah, diesmal die Macht haben konnte, seine Pläne trotz seiner Gewalt als Ehemann zu durchkreuzen.

Die Fackeln zogen mit dem erzbischöflichen Vicar vorüber, und Tito erwies diesem die schuldige Ehrerbietung, während Romola nichts sah, was außerhalb ihr vorging. Wenn es in diesem Augenblicke nöthig gewesen wäre, daß sie sich auf ihren Gatten gestürzt und sich mit ihm in einen Abgrund geworfen hätte, so würde sie – das fühlte sie in sich – dies ohne Bedenken gethan haben, um eine Verrätherei, von der sie mit aller Innigkeit langer Vorahnung überzeugt war, zu hintertreiben. Eine Verbindung mit diesem Menschen! Die selbstbeherrschende Zucht zweier Jahre schien in diesem Augenblicke umsonst gewesen zu sein; sie fühlte nichts mehr, als daß sie für immer geschieden waren.

Sie befanden sich wieder in fast vollständiger Dunkelheit, und konnten nur unbestimmt Einer des Andern Züge sehen.

»Sage mir die Wahrheit, Tito, nur diesmal sprich die Wahrheit,« flüsterte Romola mit leiser, bebender Stimme, »es wird nur um so besser für Dich sein.«

»Warum sollte ich Dir etwas Anderes sagen wollen, meine zornige Heilige,« antwortete Tito mit einem leisen Anflug höhnischer Verachtung, wie es seine Art war, den Aerger kund zu geben, »da gerade die Wahrheit das ist, worüber Du am meisten Ursache hast, Dich zu freuen, nämlich, daß meine Kenntniß von einem Anschlag Spini's mich in den Stand setzt, den Mönch davor zu retten, daß er als Opfer desselben fällt.«

»Was ist das für ein Anschlag?«

»Das werde ich Dir nicht sagen – genug, daß die Rettung des Mönchs sicher ist.«

»Es ist ein Anschlag, ihn aus den Thoren zu locken, damit Spini ihn ermorde.«

»Es ist kein Gedanke an Mord vorhanden; er soll nur gezwungen werden, der Aufforderung des Papstes, nach Rom zu kommen, Genüge zu leisten. Da ich aber der Volksregierung diene, und glaube, daß die Anwesenheit des Frate hier nothwendiger ist, diese Herrschaft gegenwärtig zu sichern, so will ich seiner Entfernung zuvor kommen. Du kannst also heute Nacht ruhig zu Bette gehen.«

Einen Augenblick lang schwieg Romola. Dann sagte sie mit ängstlicher Stimme: »Tito, es hilft nichts, ich habe keinen Glauben an Dich.«

Sie konnte aber nur sehen, wie er die Achseln zuckte und schweigend die Handflächen ausbreitete. Dieser kalte Widerwille, welcher bei leidenschaftslosen Menschen die Stelle des Zorns vertritt, nahm in seinem Innern zu.

»Wenn der Frate die Stadt verläßt und ihm ein Leids geschieht,« sagte Romola nach einer kurzen Pause wieder im Tone zürnender Entschlossenheit, »so werde ich der Signoria mittheilen, was ich gehört habe, und Du wirst entehrt sein. Was ist das, wenn ich Dein Weib bin?« fuhr sie ungestüm fort, »ich werde mit Dir entehrt sein. Wenn wir vereinigt sind, so bin ich der Theil von Dir, der Dich vor dem Verbrechen rettet. Andere sollen nicht verrathen werden.«

»Ich kann mir recht wohl denken, was Du wahrscheinlich thun würdest, mein Schatz,« sagte Tito im kühlsten Tone seiner schmelzenden Stimme, »darum bedenke wohl, falls Dir jetzt auch nur die geringste Ueberlegung zu Gebote steht, daß falls Du mir sonst Nichts glaubst, Du mir dennoch glauben darfst, wenn ich Dir sage, daß ich mich schon hüten und es nicht in Deine Macht geben werde, mich zu verderben.«

»Du versicherst mir also, daß der Mönch gewarnt ist, daß er nicht aus dem Thore gehen wird?«

»Er wird nicht aus dem Thore gehen.«

Es entstand wiederum eine augenblickliche Pause, aber das Mißtrauen war nicht zu verbannen.

»Ich werde gleich nach San Marco zurückkehren und es ausfindig machen!« rief Romola, einen Schritt vorwärts thuend.

»Das wirst Du nicht,« flüsterte Tito ingrimmig, ihr Handgelenk mit aller Manneskraft festpackend, »ich bin Dein Herr, und Du sollst Dich mir nicht widersetzen.«

Es gingen Leute vorüber; Tito hatte sie gehört, und deshalb sprach er nur flüsternd. Romola fühlte zu gut, daß sie bemeistert war, um noch zu kämpfen, selbst wenn sie nicht gewußt hätte, daß Zeugen in der Nähe waren. So aber hörte sie Schritte und Stimmen, und ihr angebornes Gefühl persönlicher Würde machte, daß sie alsbald Tito's Bewegung, sie aus der Loggia fortzuführen, nachgab.

Sie gingen eine Zeit lang während des feinen Sprühregens neben einander weiter. Der erste Zorn und Schreck Romola's hatte minder einfachen Gefühlen Platz gemacht, welche ihr Sprechen und Handeln erschwerten. In jenem einfacheren Zustande der Heftigkeit hatte eine offene Widersetzlichkeit gegen den Gatten, gegen den ihre Seele sich empörte, das Aussehen einer Versuchung für sie gehabt und schien das Leichteste zu sein. Jetzt aber begannen Gewohnheiten der Selbstprüfung, Erinnerungen an unterdrückte Regungen, und jene stolze Zurückhaltung, welche alle Kasteiungen nicht hatten umändern können, aus der Fluth der Leidenschaft aufzutauchen. Der Druck, den sie an der Hand gefühlt hatte und der die körperliche Uebermacht ihres Gatten darthat, hatte ihr, statt einen neuen Ausbruch von Heftigkeit hervorzurufen, wie es wol der Fall gewesen sein dürfte, wenn ihre Erregbarkeit roherer Art gewesen wäre, einen augenblicklichen Schauder des Ekels über diese Gestalt des Kampfes mit ihm eingeflößt. In dieser veränderten Stimmung dachte sie über die Möglichkeiten nach, welche sie vor irgend einem äußersten Mittel bewahren konnten. Tito würde es nicht darauf ankommen lassen, von ihr verrathen zu werden; was immer auch seine ursprüngliche Absicht gewesen war, jetzt mußte er durch den Umstand, daß sie um den Anschlag wußte, seinen Entschluß gefaßt haben. Sie war jetzt nicht verpflichtet, etwas Anderes zu thun, als die Ueberzeugung über seinem Haupte schweben zu lassen, daß wenn er sie täuschte, ihre Lippen nicht stumm bleiben würden. Und dann war es ja auch möglich, – ja an diese Möglichkeit mußte sie sich anklammern, bis das Gegentheil bewiesen war – daß Tito nie daran gedacht hatte, bei dem gegen den Mönch gesponnenen Verrath hülfreiche Hand zu leisten.

Tito seinerseits war in Gedanken versunken und sprach kein Wort, bis sie vor ihrem Hause waren. Dort sagte er:

»Nun, Romola, hast Du jetzt Muße gehabt, Deine Ruhe wieder zu gewinnen? In diesem Fall kannst Du Deinem Mangel an Glauben an mich durch eine einfache vernünftige Schlußfolgerung abhelfen. Du kannst, sollte ich meinen, sehen, daß wenn ich irgend eine Absicht gehabt hätte, Spini's Anschlag zu fördern, es mir jetzt klar geworden sein dürfte, daß der Besitz einer schönen piagnone als Gattin, welche das Geheimniß jenes Anschlages kennt, ein ernstes Hinderniß auf meinem Wege sein muß.«

Tito schlug den Ton an, der ihm eben der leichteste war, indem er muthmaßte, daß in Romola's augenblicklicher Stimmung ein überredendes Bitten unnütz wäre.

»Ja, Tito,« sagte sie mit gepreßter Stimme, »ich sollte meinen, Du bist überzeugt davon, daß ich die Republik vor fernerem Verrath wahren würde. Du thust Recht, dieses zu glauben; wenn der Frate in eine Falle gelockt wird, so werde ich Dich angeben.«

Sie hielt einen Augenblick inne, dann fuhr sie mit einiger Anstrengung fort:

»Aber dem war wol nicht so. Ich habe vielleicht zu vorschnell gesprochen – es war nie Deine Absicht. Nur das Einzige sage mir, warum willst Du als der Spießgeselle jenes Menschen erscheinen?«

»Solche Verbindungen sind für praktische Leute unvermeidlich, theure Romola, entgegnete Tito, erfreut, über diesen Kampf in ihrer Seele. »Ihr schönen Geschöpfe lebt in den Wolken. Ich bitte Dich, lege Dich ruhigen Herzens zum Schlafen nieder,« fügte er hinzu, ihr die Thür öffnend.



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