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Drittes Kapitel.

Das Motto zu Kapitel 3:

Say, goddess, what ensued, when Raphael,
The affable archangel …
                               Eve
The story heard attentive, and was filled
With admiration, and deep muse, to hear
Of things so high and strange.

Milton: Paradise Lost


Wenn Herr Casaubon wirklich an Dorothea als an eine für ihn passende Frau dachte, so kam ihm bei dieser eine Geneigtheit entgegen, deren Motive schon ursprünglich in ihrer Seele wurzelten, und am nächsten Tage hatte diese Geneigtheit bereits Knospen und Blüthen getrieben. Denn am Morgen dieses Tages hatten sie eine lange Unterhaltung mit einander gehabt, während Celia, welche die Gesellschaft des Herrn Casaubon mit seinen Muttermalen und seiner fahlen Gesichtsfarbe nicht liebte, nach dem Pfarrhause entflohen war, um dort mit den schlecht beschuheten, aber lustigen Kindern des Pfarrers zu spielen.

Dorothea hatte bei dieser Gelegenheit einen tiefen Blick in den unergründlichen Geistesquell des Herrn Casaubon gethan und hatte dort in unendlich gesteigertem Maße jede Eigenschaft wiedergespiegelt gefunden, welche sie selbst mitbrachte; sie hatte ihm viel von ihren eigenen inneren Erfahrungen mitgetheilt und hatte sich von ihm den Zweck seines großen Werkes, welches von einer für sie unendlich anziehenden labyrinthischen Ausdehnung war, erklären lassen.

Denn er war dabei so instructiv gewesen wie Milton's »leutseeliger Erzengel« und hatte ihr in einer des Erzengels nicht unwürdigen Weise mitgetheilt, wie er zu zeigen unternommen habe, – was freilich schon vor ihm nachzuweisen unternommen worden sei, aber nicht mit der Gründlichkeit und Correctheit der Vergleiche und der Klarheit der Darstellung, welche er anstrebe –, daß alle mythischen Systeme oder vereinzelten mythischen Fragmente der Welt, corrumpirte Traditionen einer ursprünglich geoffenbarten Idee seien. Nachdem er einmal den richtigen Standpunkt gewonnen und festen Fuß auf demselben gefaßt habe, sei ihm das weite Gebiet mythischer Constructionen verständlich, ja, durch das von analogen Erscheinungen auf sie fallende Licht vollkommen klar geworden.

Aber die richtige Auswahl aus dieser großen Erndte der Wahrheit zu treffen, sei keine leichte und rasch zu bewältigende Arbeit. Schon seine Notizen füllten eine ganze Reihe von Bänden; aber die eigentliche Aufgabe werde nun darin bestehen, diese massenhaften, noch immer im Wachsen begriffenen Resultate seiner Studien derartig zusammenzudrängen, daß sie auf einem kleinen Bücherbrett Platz finden würden.

Bei dieser Erklärung, welche er Dorotheen gab, drückte sich Herr Casaubon fast so gelehrt aus, wie er es einem Fachgenossen gegenüber gethan haben würde; ihm stand eben nur eine Ausdrucksweise zu Gebot. Allerdings verfehlte er nicht, so oft in seinem Vortrage ein lateinisches oder griechisches Citat vorkam, mit der gewissenhaftesten Sorgfalt die Uebersetzung hinzuzufügen; das würde er aber wahrscheinlich auch jedem anderen Hörer gegenüber gethan haben. Ein gelehrter Provinzialgeistlicher ist gewohnt, sich seine Bekannten »als Lords, Ritter und andere edle und würdige Männer,« die des Lateinischen nur wenig kundig sind, zu denken.

Dorothea war von der Tiefe und Weite dieser Conception ganz hingenommen. Das war doch etwas Anderes als die Seichtigkeiten einer für die Lectüre junger Mädchen berechneten Literatur. Hier stand ein neuer Bossuet Jacques Bénigne Bossuet (1627-1704), zur Zeit Ludwig XIV. französischer Bischof und Prinzenerzieher des Kronprinzen; als Autor leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Geschichtsphilosophie. Sein Einfluss auf die Politik des französischen Königs ist kaum zu überschätzen. – Anm.d.Hrsg. vor ihr, dessen Werk gründliche Gelehrsamkeit mit inniger Frömmigkeit in Einklang bringen würde, ein moderner Augustinus, welcher die Ruhmeskränze eines Gelehrten und eines Heiligen auf seinem Haupte vereinigte.

Die Heiligkeit schien bei ihm nicht weniger klar erkennbar als die Gelehrsamkeit, denn als Dorothea sich gedrängt fühlte, sich gegen ihn über gewisse Themata auszusprechen, über welche sie mit Niemandem in Tipton reden konnte, namentlich über die untergeordnete Bedeutung kirchlicher Formen und Glaubensartikel im Vergleich zu jener Religion der Seele, jener Versenkung des Ich's in die Gemeinschaft mit der göttlichen Vollkommenheit, deren Ausdruck sie in den besten christlichen Büchern der verschiedensten Zeiten enthalten glaubte, – fand sie in Herrn Casaubon einen Zuhörer, der sie sofort begriff, der sie versicherte, daß er selbst mit dieser Ansicht, sofern sie nur durch eine weise Annäherung an die Kirche moderirt erscheine, übereinstimme, und ihr historische Belege anführen konnte, die ihr bisher unbekannt gewesen waren.

»Er denkt wie ich,« sagte Dorothea sich, »oder vielmehr er lebt in einer ganzen Welt von Gedanken, die sich in meinen Gedanken nur wie in einem elenden Taschenspiegel wiederspiegeln. Und auch seine Gefühle, seine ganze Erfahrung – sind sie nicht ein See im Vergleich mit meinem kleinen Teiche?«

Dorothea war mit ihren Folgerungen aus Worten und Stimmungen Anderer nicht weniger rasch bei der Hand als andere junge Mädchen ihres Alters. Symptome sind kleine meßbare Dinge; die Deutung aber ist unbegrenzt, und bei Mädchen von zärtlichem und feurigem Naturell ist jedes Symptom geeignet, eine Welt von Wunder, Hoffnung und Glauben herauf zu beschwören, in welcher ein Fingerhut voll Wissen die ganze Substanz bildet. Nicht immer sind sie dabei allzu gröblichen Täuschungen ausgesetzt; denn Sindbad selbst kann durch einen glücklichen Zufall auf eine richtige Beschreibung verfallen, und falsches Raisonnement führt arme Sterbliche bisweilen zu richtigen Schlüssen; wenn wir auch weit vom richtigen Ausgangspunkte anfangen und uns in Sprüngen oder im Zickzack fortbewegen, gelingt es uns doch bisweilen, am richtigen Ziele anzulangen.

Wenn Dorothea in ihrem unbedingten Vertrauen zu rasch zu Werke ging, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß Herr Casaubon dieses Vertrauens unwürdig war. Es bedurfte, um ihn zu bewegen, etwas länger auf »Tipton-Hof« zu verweilen, als er beabsichtigt hatte, nur einer freundlichen Aufforderung des Herrn Brooke, der ihm als Lockung nichts anderes zu bieten hatte, als seine Documente über das Treiben der Arbeiter, über das Zerstören von Maschinen oder das Verbrennen von Heuschobern. Herr Brooke forderte Herrn Casaubon auf, sich diese auf einem Haufen liegenden Documente in der Bibliothek anzusehen. Hier nahm sein Wirth bald das eine, bald das andere derselben zur Hand, um es in seiner abspringenden und unruhigen Weise, mit welcher er von einem unvollendeten Satze zu einem andern mit einem »Ja!« – »Und nun!« – »Aber hier!« übersprang, vorzulesen, bis er die Documente schließlich alle bei Seite schob, um das Tagebuch seiner in der Jugend auf dem Continent gemachten Reisen zu öffnen.

»Sehen Sie, hier ist Alles über Griechenland. Rhamnos, die Ruinen von Rhamnos, Sie sind ja ein großer Grieche. Ich weiß nicht, ob Sie sich auch viel mit der griechischen Topographie beschäftigt haben. Ich habe eine unendliche Zeit auf das Studium dieser Dinge verwandt. Da ist z. B. der Helikon. Sehen Sie hier! – am nächsten Morgen brachen wir nach dem Parnassos auf – dem Parnassos mit dem verteufelt spitzen Gipfel! Dieser ganze Band, wissen Sie, behandelt Griechenland.«

Dabei hielt Herr Brooke das Buch vor sich und fuhr mit dem Rücken des Daumens über den Rand desselben hin.

Herr Casaubon gab eine würdige, wiewohl etwas melancholische Zuhörerschaft ab; bei geeigneten Stellen verneigte er sich und vermied es so viel wie möglich, irgend etwas, das einem Documente ähnlich sah, anzusehen, hütete sich jedoch, durch irgend ein Zeichen Nichtachtung oder Ungeduld zu verrathen; denn er bedachte wohl, daß die Oberflächlichkeit des Herrn Brooke mit den Institutionen des Landes zusammenhänge, und daß der Mann, der ihm diese geistige Marter bereite, nicht allein ein liebenswürdiger Wirth, sondern auch ein Gutsbesitzer und Archivar der Friedensgerichts-Protocolle sei.

Fühlte er sich in seinem geduldigen Ausharren auch durch die Erwägung bestärkt, daß Herr Brooke Dorotheen's Onkel sei? Augenscheinlich war er mehr und mehr darauf bedacht, sie zum reden zu bringen, sich, wie Celia beobachtete, mit ihr allein zu unterhalten. Wenn er sie ansah, überflog sein Gesicht oft ein Lächeln, das dem Sonnenschein eines kalten Wintertages glich.

Bevor er am nächsten Morgen Tipton verließ, benutzte er noch einen angenehmen Spaziergang mit Dorotheen längs der mit Kies bedeckten Terrasse dazu, ihr zu sagen, daß er sehr unter seiner Einsamkeit leide und das Bedürfniß der heiteren Gesellschaft, mit welcher die Jugend auf die ernsten Arbeiten des reiferen Alters belebend und anregend wirke, sehr lebhaft empfinde; und er entledigte sich dieser Angaben mit einer so sorgfältigen Präcision des Ausdrucks, als wenn es sich um einen diplomatischen Auftrag gehandelt hätte, bei welchem jedes Wort von entscheidendem Gewicht gewesen wäre.

In der That war Herr Casaubon nicht gewohnt, seine Mittheilungen praktischer oder persönlicher Natur zu wiederholen oder nochmals in Betracht zu ziehen. Wenn er am 2. October wohl überlegter Weise gewisse Neigungen ausgesprochen hatte, so würde er es später für genügend halten, an diese Kundgebung durch Erwähnung des Datums zu erinnern; da er auch bei Anderen sein eigenes Gedächtniß voraussetzte, das einem umfangreichen Buche glich, in welchem ein »Siehe Oben« statt aller Wiederholung dienen kann, und nicht einem vielbenutzten Löschbuch, das nur die Spuren vergessener Schriftzüge aufbewahrt. Aber im vorliegenden Falle war Herrn Casaubon's Zuversicht kaum in Gefahr, getäuscht zu werden; denn Dorothea nahm Alles, was er sagte, mit dem Eifer einer frischen jungen Natur in sich auf, für welche jede neue Erfahrung eine Lebensepoche bildet.

 

Es war drei Uhr Nachmittags an einem schönen frischen Herbsttage, als Herr Casaubon nach seinem nur eine Stunde von Tipton entfernten Pfarrhause in Lowick abfuhr, während Dorothea mit Hut und Shawl längs der Gebüschwege und durch den Park dahineilte, um sich in dem Grenzwäldchen ohne andere sichtbare Gesellschaft als die Monk's, des großen St. Bernhard-Hundes, welcher die jungen Damen auf ihren Spaziergängen immer behütete, zu ergehen. Vor ihr war die Vision einer Verwirklichung des Traumes aller Mädchen von einer möglichen Zukunft aufgestiegen; dieser Zukunft blickte sie mit hoffnungsvollem Zittern entgegen, und sie fühlte das Bedürfniß, noch ferner ungestört in dieser Vision zu verweilen. Munter schritt sie in der frischen Luft dahin, ihre Wangen färbten sich höher, und ihr Strohhut – den wir heutzutage mit neugierig prüfenden Blicken wie eine veraltete Form eines Korbes betrachtet haben würden – fiel ihr ein wenig in den Nacken.

Als charakteristisch für ihre Erscheinung dürfen wie nicht unerwähnt lassen, daß sie ihr braunes Haar schlicht geflochten und im Nacken aufgesteckt trug, so daß die Umrisse ihres Kopfes scharf hervortraten, und das zu einer Zeit, wo die allgemein herrschende Ansicht eine Verhüllung der Magerkeit der Natur durch hohe Barrikaden, gekräuselte Locken und Haarschleifen, wie sie von keinem großen Volke außer vielleicht von den Bewohnern der Fidji-Inseln überboten worden sind, gebieterisch erheischte. Das war ein Zug von Dorotheen's ascetischer Natur. In ihren lebhaften hellen Augen aber lag nichts von ascetischem Ausdruck, als sie vor sich hinblickend die feierliche Pracht des Herbstnachmittages mit seinen langen Lichtstreifen zwischen den in der Ferne sichtbaren Reihen von Linden, nicht eigentlich mit Bewußtsein sah, aber als Element ihrer gehobenen Stimmung in die Tiefe ihrer Seele aufnahm.

Alle Leute jung oder alt (d. h. alle Leute in jenen Tagen vor der Reform D. h. vor der Parlamentsreform in England 1832. – Anm.d.Hrsg.) würden sie als einen des Interesses würdigen Gegenstand betrachtet haben, wenn sie geglaubt hätten, die Gluth ihrer Augen und Wangen auf die regelmäßig bei jeder jungen Liebe erwachenden Vorstellungen zurückführen zu dürfen. Die Illusionen, denen sich Chloe in ihrer Liebe zu Strephon In England sind die Figuren bekannt aus dem kleinen Versepos » Strephon and Chloe« (1731) von Jonathan Swift. Strephon verkörpert seit Philipp Sidneys Schäferroman » Arcadia« den Typus des ländlichen Liebhabers; Chloë ist zunächst eine Figur aus dem spätantiken bukolischen Roman »Daphnis und Chloë«; ihr Name wird in der Schäferliteratur des Barock und Rokoko immer wieder verwendet. – Anm.d.Hrsg. hingab, sind, wie es die liebliche Erscheinung jedes rückhaltlosen Vertrauens verdient, oft genug von den Dichtern besungen worden. Das kleine Drama von Fräulein Pippin, das den jungen Pumpkin anbetet, wurde zur Zeit unserer Väter und Mütter, welche seiner nie überdrüssig wurden, in allen erdenklichen Costümen in Scene gesetzt. Wenn Pumpkin nur eine Gestalt hatte, welche das Unvortheilhafte eines Fracks mit kurzer Taille und einem Schwalbenschwanz aufwog, so fand es Jedermann nicht nur natürlich, sondern von der Vollkommenheit der weiblichen Natur gefordert, daß ein fühlendes Mädchen ohne Weiteres von Pumpkin's Tugend, seiner ungewöhnlichen Begabung und vor Allem seiner vollkommenen Aufrichtigkeit überzeugt sei. Aber vielleicht hätte Keiner unter den damals Lebenden, gewiß Keiner von den Bewohnern der Umgegend Tipton's ein sympathisches Verständniß für die Träume eines Mädchens gehabt, dessen Ideen über die Ehe lediglich aus einer begeisterten Anschauung von den Zwecken des Lebens ihre Nahrung zogen, aus einer Begeisterung, welche sich wesentlich an ihrem eigenen Feuer erwärmte und sich weder auf die Herrlichkeiten der Aussteuer, noch auf das Muster des Eßservices, noch selbst auf die Ehren und lieblichen Freuden einer blühenden Matrone erstreckte.

Dorotheen war es jetzt aufgegangen, daß Herr Casaubon vielleicht den Wunsch hege, sie zur Frau zu nehmen, und der Gedanke, daß er diese Absicht ausführen könnte, erfüllte sie mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit. Wie gut von ihm – ja, das würde für sie fast sein, wie wenn ein geflügelter Bote auf ihrem Wege plötzlich vor sie hintrete und ihr die Hand reichte.

Lange Zeit hatte sie sich durch die Unklarheit gedrückt gefühlt, welche in ihrem Gemüthe wie ein dichter Sommernebel all ihre Sehnsucht, ihr Leben der Liebe zu widmen, trübend verhüllte. Was konnte sie, was sollte sie thun, sie, ein Weib, das noch kaum in der Blüthe seiner Jahre stand, aber schon ein reges Gewissen hatte und das geistige Bedürfniß empfand, sich nicht mit einer mädchenhaften Bildung zu begnügen, die ihr dem Nagen und Bekritteln einer geschwätzigen Maus vergleichbar schienen.

Wenn sie nur mit ein wenig Dummheit und Selbstgefälligkeit gesegnet gewesen wäre, so hätte sie denken können, daß ein christliches junges Mädchen das Ideal ihres Lebens darin finden müsse, in ihrem Dorfe Wohlthätigkeit zu üben, die niedere Geistlichkeit zu patronisiren, sich mit dem Studium der weiblichen Charaktere der heiligen Schrift, der Sarah des alten und der Dorkas des neuen Testaments zu beschäftigen und bei einer Stickarbeit in ihrem Boudoir der Sorge für ihr Seelenheil mit der noch verhüllten Aussicht auf die Heirath mit einem Manne obzuliegen, für welchen sie, wenn er in Bezug auf unerklärliche religiöse Dinge weniger streng als sie selbst sein sollte, würde beten und welchen sie zu passender Zeit zum rechten Glauben würde ermahnen können.

Aber eine solche Selbstzufriedenheit lag der armen Dorothea fern. Die Intensität ihrer religiösen Anlagen, die zwingende Gewalt, mit welcher dieselben auf die Gestaltung ihres Lebens wirkten, bildeten nur eine Seite ihrer durchaus feurigen, für theoretisches Denken begabten und mit geistiger Consequenz ausgestatteten Natur; und bei einer solchen Natur war sie dazu verdammt, mit den Fesseln eines beschränkten Unterrichts zu ringen, war sie in sociale Verhältnisse gebannt, welche ihr als ein Labyrinth von kleinlichen Rücksichten, als ein ummauerter Irrgarten voll kleiner Wege erschienen, die zu keinem Auswege führten, der nicht von Anderen sicher zugleich als Excentrictät und Inconsequenz angesehen werden würde.

Sie fühlte das Bedürfniß, das, was ihr als das Beste erschien, vor sich selbst durch die gründlichsten Kenntnisse zu rechtfertigen und nicht unter dem angeblichen Schutze von Vorschriften zu leben, welche nie befolgt wurden. Bis jetzt ging noch ihre ganze jugendliche Leidenschaft in diesem Durste ihrer Seele auf; wenn sie der Gedanke an ein Ehebündniß lockte, so war es, weil sie von demselben Erlösung aus dem Joche ihrer eigenen mädchenhaften Unwissenheit und die Möglichkeit erwartete, sich freiwillig einem Führer zu unterwerfen, der sie auf die weitesten Bahnen des Lebens leiten würde.

»Dann würde ich Alles lernen,« dachte sie bei sich, während sie rasch längs des Reitweges durch den Wald dahin schritt. »Es würde meine Pflicht sein, zu studiren, um ihm desto besser bei seinen großen Arbeiten behülflich sein zu können. Da würde nichts Triviales in unserem Leben sein. Bei uns würden die größten Angelegenheiten des Lebens die täglichen Vorkommnisse ausmachen. Es würde sein, als ob ich Pascal geheirathet hätte. Ich würde lernen die Wahrheit in demselben Lichte zu erkennen, in welchem große Männer sie erkannt haben. Und dann würde ich wissen, was ich zu thun habe, wenn ich älter werde; ich würde begreifen, wie es möglich wäre, ein großes Leben zu leben – hier – jetzt – in England! Jetzt habe ich nie das Gefühl der Sicherheit, in irgend einer Beziehung das Rechte zu thun; Alles erscheint mir wie eine Missionsreise zu einem Volke, dessen Sprache mir unbekannt wäre – sicher fühle ich mich nur in Betreff des Bau's guter Wohnungen für ländliche Arbeiter – das ist etwas unzweifelhaft Gutes. O, ich hoffe, ich würde im Stande sein, den Leuten in Lowick gute Wohnungen zu verschaffen! Ich will eine Menge von Plänen zeichnen, so lange ich noch Zeit dazu habe.«

Plötzlich hielt Dorothea in ihrem Ideengange inne und warf sich die anmaßliche Sicherheit vor, mit welcher sie auf noch ganz ungewisse Ereignisse rechnete, als ihr das Erscheinen eines dahergaloppirenden Reiters an einer Biegung des Weges die Nothwendigkeit einer gewaltsamen Ablenkung ihrer Gedanken auf einen anderen Gegenstand ersparte. Das gut gewartete kastanienbraune Pferd und zwei schöne Jagdhunde konnten keinen Zweifel darüber lassen, daß der Reiter Niemand Anderes sei als Sir James Chettam. Er erkannte Dorothea, sprang sofort vom Pferde und trat, nachdem er dasselbe seinem Reitknechte übergeben hatte, mit etwas Weißem im Arm, das die beiden Jagdhunde heftig anbellten, auf sie zu.

»Wie freue ich mich, Ihnen zu begegnen, Fräulein Dorothea,« sagte er, indem er den Hut abnahm und sein sanft gewelltes blondes Haar zeigte. »Mir wird dadurch ein Vergnügen, welches ich mir eben zu bereiten dachte, noch früher zu Theil.«

Dorothea fühlte sich durch die Unterbrechung unangenehm berührt. Dieser liebenswürdige Baronet, der ein ganz passender Bewerber um Celien's Hand war, trieb die Beflissenheit, sich der älteren Schwester angenehm zu machen, gar zu weit.

Selbst ein Schwager in spe kann einer künftigen Schwägerin lästig werden, wenn er sich immer in voller Harmonie mit ihr glaubt und sich mit jeder von ihr ausgesprochenen Ansicht einverstanden erklärt, auch wenn er eben vorher das Gegentheil behauptet hat. Daß er so weit fehl gehen könne, sich um sie selbst zu bewerben, fiel ihr nicht ein. Ihre ganze Geistesthätigkeit ging in Ueberzeugungen anderer Art auf. Aber in diesem Augenblicke erschien er ihr wahrhaft zudringlich und seine eleganten Hände mit ihren Grübchen waren ihr geradezu unangenehm. Ihr Mißmuth machte sie tief erröthen, als sie seinen Gruß etwas hochmüthig erwiderte. Sir James deutete sich das Erröthen in dem für ihn schmeichelhaftesten Sinne und meinte, Dorothea nie so hübsch gesehen zu haben.

»Ich bringe Ihnen einen kleinen Bittsteller,« sagte er, »oder vielmehr, ich bringe ihn, um zu hören, ob er Ihren Beifall findet, bevor er sein Gesuch vorbringt.«

Er präsentirte den weißen Gegenstand, den er unter dem Arme hielt; es war ein Bologneser Hündchen, eines der niedlichsten von der Natur hervorgebrachten Spielzeuge.

»Es ist mir peinlich, diese Geschöpfe zu sehen, die nur als Schooßhündchen auferzogen werden,« erwiderte Dorothea, deren Ansicht sich erst, wie es zu geschehen pflegt, in der Aufregung dieses Augenblicks bildete.

»O warum Das,« entgegnete Sir James, indem er mit Dorotheen weiterging.

»Ich glaube, alle Verzärtelung, mit der man diese Thiere behandelt, macht sie nicht glücklich. Sie sind zu hülflos, ihr Körper ist gar zu zart. Ein Wiesel oder eine Maus, die sich selbst ihren Unterhalt verschaffen, sind interessanter. Ich stelle mir vor, daß die Thiere um uns her den unsrigen ähnliche Seelen haben und entweder ihre eigenen kleinen Angelegenheiten wahrnehmen oder unsere Gefährten werden können, wie Monk hier. Solche Geschöpfe wie dieses da sind Schmarotzer.«

»Es freut mich sehr, daß Sie diese Thiere nicht mögen,« sagte nun der gute Sir James; »ich würde mir nie eines halten; aber die Damen finden gewöhnlich Gefallen an Bologneser Hündchen. Hier John, nehmen Sie den Hund.«

So wurde der nicht zu Gnaden aufgenommene Hund, dessen Nase und Augen ebenso schwarz wie ausdrucksvoll waren, beseitigt, sobald Dorothea sich dahin ausgesprochen hatte, daß es ihm besser wäre, nie geboren zu sein. Sie fand es jedoch nothwendig, sich noch näher zu erklären:

»Sie dürfen aber nicht von meinen Gefühlen aus Celia's schließen Ich glaube, sie hat diese kleinen Schooßhunde gern. Sie hatte früher einmal einen kleinen Terrier, den sie sehr liebte. Mich machte das Thier unglücklich, weil ich immer fürchtete, es zu treten. Ich bin etwas kurzsichtig.«

»Sie haben Ihre eigenen Ansichten über Alles, Fräulein Dorothea, und Ihre Ansichten sind immer gut.«

Was konnte Dorothea auf ein so fades Compliment antworten.

»Wissen Sie, daß ich Sie darum beneide,« fügte Sir James hinzu, während sie in dem raschen von Dorothea angenommenen Schritte mit einander weiter gingen.

»Ich verstehe Sie nicht recht.«

»Ich meine Ihre Fähigkeit, sich eine Ansicht zu bilden. Ich habe wol meine Ansichten über Personen. Ich weiß, ob mir die Leute gefallen oder nicht. Aber sonst, wissen Sie, wird es mir oft schwer, mich zu entscheiden. Man hört sehr verständige Ansichten für und wider eine Sache.«

»Oder Ansichten, die uns verständig scheinen. Wir wissen vielleicht nicht immer zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden.«

Dorothea fühlte, daß diese Bemerkung etwas derbe sei.

»Ganz richtig,« erwiderte Sir James, »aber Sie scheinen eben diese Fähigkeit der Unterscheidung zu besitzen.«

»Im Gegentheil, ich fühle mich oft unfähig zu einer Entscheidung, aber das kommt von meiner Unwissenheit; der richtige Schluß ist doch immer vorhanden, wenn ich ihn auch nicht ziehen kann.«

»Ich glaube, es giebt Wenige, die ihn rascher finden würden. Wissen Sie, daß Lovegood mir gestern sagte, daß Sie die besten Ideen über den Bau von kleinen ländlichen Wohnungen hätten – ganz merkwürdig für eine junge Dame, meinte er. Sie sind, um mich seines Ausdrucks zu bedienen, ein wahres Genie. Er theilte mir mit, daß Sie Herrn Brooke veranlassen möchten, einen neuen Complex von kleinen Wohnungen bauen zu lassen, erschien es aber für wenig wahrscheinlich zu halten, daß Ihr Onkel sich dazu verstehen werde. Wissen Sie, das ist eine der Sachen, die ich thun möchte, ich meine auf meinem eigenen Gute. Ich würde mich glücklich schätzen, Ihren Plan auszuführen, wenn Sie mir eine Einsicht in denselben vergönnen wollten. Natürlich ist das Capital verloren, darum sind die Leute dagegen. Die Arbeiter können nie eine Miethe bezahlen, die einem angemessenen Capitalzinse entspricht. Aber bei alledem ist es doch der Mühe werth, die Sache zu unternehmen.«

»Der Mühe werth, das wollt' ich meinen!« sagte Dorothea emphatisch, den kleinen Verdruß von vorhin ganz vergessend. »Nach meiner Meinung verdienen Alle unter uns, die ihre Gutsangehörigen in solchen Schweineställen wohnen lassen, wie wir sie um uns her sehen, mit einer Geißel aus ihren schönen Häusern gepeitscht zu werden. Diese Gutsleute könnten glücklicher sein als wir, wenn ihre Wohnungen wirkliche Häuser wären, wie sie menschlichen Wesen gebühren, von welchen wir Pflichterfüllung und Zuneigung erwarten.«

»Wollen Sie mir Ihren Plan zeigen?«

»Sehr gern. Mein Plan ist gewiß sehr fehlerhaft; aber ich habe mir alle Pläne für ländliche Arbeiterwohnungen in Loudon's Buch The Encyclopedia of Cottage, Farm, Villa Architecture (1834) von John Claudius Loudon (1783-1843). – Anm.d.Hrsg. genau angesehen und habe mir daraus angeeignet, was mir das Beste schien. O welch ein Glück wäre es, wenn wir hier in der Gegend eine Musterwohnung errichten könnten. Mir scheint, statt des Lazarus, der an unseren Pforten liegt, sollten wir die Schweinestallwohnungen aus unseren Parks verbannen.«

Jetzt war Dorothea in der besten Laune. Wenn Sir James als ihr Schwager Musterwohnungen auf seinem Gute errichten ließ, wenn dann vielleicht andere Wohnungen in Lowick und anderswo gebaut würden, – das würde sein, als ob der Geist Oberlins Johann Friedrich Oberlin (1740-1826), evangelischer Pfarrer, Pädagoge und Sozialreformer aus dem Elsass. – Anm.d.Hrsg. über den Kirchspielen schwebte, um das Leben der Armuth zu verschönern.

Sir James sah sich alle Pläne an und nahm einen davon mit sich, um über denselben mit Lovegood zu berathen. Was er aber noch außerdem mit sich nahm, das war die selbstgefällige Vorstellung, daß er große Fortschritte in Dorotheen's Gunst mache. Das Bologneser Hündchen bot er Celien nicht an, – eine Unterlassung, welche Dorothea, als ihr die Sache wieder einfiel, überraschend fand; aber sie tadelte sich deshalb, hatte sie sich doch Sir James' ganz bemächtigt; indessen schließlich freute sie sich auch, daß die Gefahr, auf einen Hund zu treten, für sie beseitigt sei.

Celia war dabei, als Sir James die Pläne prüfte, und, beobachtete die Täuschung, in der er befangen war. »Er glaubt, daß Dora sich für ihn interessirt, und sie interessirt sich doch nur für ihre Pläne. Aber ich bin doch nicht sicher, daß sie ihm einen Korb geben würde, wenn sie nur glauben könnte, daß er ihr, Alles nach ihrem Gutdünken einzurichten und alle ihre Ideen auszuführen, erlauben würde. Und wie unbehaglich würde das Sir James machen. Ich kann Ideen nicht leiden.«

Im Geheimen gestattete sich Celia das Vergnügen, dieser Abneigung nachzuhängen. Dieselbe direct gegen ihre Schwester auszusprechen, wagte sie aber nicht, denn damit würde sie sich dem Vorwurfe ausgesetzt haben, daß sie in einer oder der anderen Weise eine Gegnerin alles Guten sei. Bei ungefährlichen Gelegenheiten bediente sie sich jedoch eines indirecten Mittels, ihre negative Weisheit gegen Dorothea zur Geltung zu bringen, indem sie diese aus ihrer begeisterten Stimmung durch die Bemerkung riß, daß die Leute sie wohl anstarrten, aber ihr nicht zuhörten. Celia war keine impulsive Natur; was sie zu sagen hatte, war nicht eilig und kam immer in derselben ruhig abgemessenen Art heraus. Wenn Leute mit Energie und Emphase sprachen, so beschränkte sie sich darauf, ihre Gesichter und ihre Züge zu beobachten. Sie begriff nie, wie wohlerzogene Menschen sich dazu entschließen konnten, zu singen und ihren Mund in der lächerlichen für diese Motion der Stimme erforderlichen Weise zu öffnen.

 

Es vergingen nur wenige Tage, bis Herr Casaubon einen Morgenbesuch machte, bei welchem er wieder für einen Tag der nächsten Woche eingeladen wurde, auf »Tipton-Hof« zu essen und zu übernachten. Dadurch fand Dorothea Gelegenheit zu drei ferneren Unterhaltungen mit ihm und überzeugte sich, daß ihr erster Eindruck richtig gewesen sei. Er war wirklich so, wie sie sich ihn nach der ersten Bekanntschaft vorgestellt hatte; fast jedes Wort, das er gesprochen hatte, erschien ihr wie ein aus den Tiefen eines Bergwerks zu Tage gefördertes Stück Erz oder wie eine Inschrift über der Eingangsthür eines Museums von Schätzen vergangener Jahrhunderte; und dieses unbedingte Vertrauen auf seinen geistigen Reichthum befestigte sich bei Dorotheen nur um so mehr und wirkte nur um so nachhaltiger auf ihre Neigung, als es ihr jetzt klar war, daß seine Besuche ihr galten.

Dieser ausgezeichnete Mann ließ sich herab, an ein junges Mädchen zu denken, sich die Mühe zu geben, sich mit ihr zu unterhalten, nicht in absurden Complimenten, sondern mit einem Appell an ihr Verständniß und bisweilen mit instructiven Berichtigungen. Welch eine köstliche Gesellschaft! Herr Casaubon schien nicht einmal zu wissen, daß es Trivialitäten gebe, und ließ sich niemals herbei, jenes kleine Geschwätz ernster Männer zu debitiren, welches ungefähr so angenehm ist, wie ein Stück altgewordenen Hochzeitskuchens, das nach dem Schranke riecht. Er sprach nur, wenn ihn etwas interessirte, sonst schwieg er oder verneigte sich, wo es das Gespräch unerläßlich machte mit melancholischer Höflichkeit.

In Dorotheen's Augen war das eine verehrungswürdige Aufrichtigkeit und eine religiöse Enthaltung von jener Künstlichkeit des Wesens, welche mit ihren Anstrengungen, etwas zu scheinen, was man nicht ist, die Seelenkraft aufzehrt. Denn sie blickte zu Herrn Casaubon's religiöser von ihr unerreichter Hoheit nicht minder ehrfurchtsvoll auf, als zu seiner geistigen Bedeutung und zu seinem Wissen. Er stimmte ihren Ausdrücken frommer Empfindung und zwar gewöhnlich mit einem passenden Citate bei, ließ sich so weit herab, zu sagen, daß er in seiner Jugend einige Seelenconflicte durchzumachen gehabt habe; kurz Dorothea sah, daß sie bei diesem Manne auf Verständniß, Sympathie und geistige Führung würde rechnen können.

In Betreff eines, aber auch nur eines ihrer Lieblingsthemata fand sie sich enttäuscht. Herr Casaubon hatte augenscheinlich kein Interesse für die Errichtung von Wohnungen und lenkte das Gespräch auf die außerordentliche Beschränktheit der Wohnungen der alten Egypter, als wolle er der Anlegung eines zu hohen Maaßstabes absichtlich entgegentreten.

Als er sie wieder verlassen, dachte Dorothea nicht ohne Aufregung seiner Indifferenz in Betreff dieser Angelegenheit nach; sie suchte eifrig nach Argumenten zu Gunsten ihres Lieblingsplans und fand dieselben in den Verschiedenheiten des Klima's, mit ihren, die menschlichen Bedürfnisse modificirenden Wirkungen und in der bedrückenden Grausamkeit heidnischer Despoten. Sollte sie nicht diese Argumente gegen Herrn Casaubon geltend machen, wenn er sie wieder besuchen würde?

Aber bei weiterem Nachdenken erschien es ihr anmaßend, seine Aufmerksamkeit für einen solchen Gegenstand in Anspruch zu nehmen; er würde nichts dagegen haben, daß sie sich damit in freien Augenblicken beschäftige, wie andere Frauen sich mit ihrer Toilette und mit Handarbeiten beschäftigen, – er würde es nicht verbieten, wenn – Dorothea konnte sich eines Gefühls der Scham nicht erwehren, als sie sich auf diesen Gedanken ertappte. Aber ihr Onkel hatte eine Einladung erhalten, ein paar Tage in Lowick zuzubringen! War es anzunehmen, daß Herr Casaubon an der Gesellschaft des Herrn Brooke, mit oder ohne Dokumente, um seiner selbst willen, Gefallen finde?

 

Inzwischen ließ diese kleine Enttäuschung sie die Bereitwilligkeit Sir James Chettam's, die von ihr so sehnlich herbeigewünschten Verbesserungen in's Werk zu setzen, nur um so höher schätzen. Er kam jetzt viel öfter als Herr Casaubon, und Dorothea fand ihn nicht mehr unangenehm, seit er es mit der guten Sache so ernst nahm; denn er war bereits mit vielem praktischen Geschick auf die Voranschläge Lovegood's eingegangen und zeigte sich von einer höchst liebenswürdigen Gelehrigkeit. Sie schlug ihm vor, ein paar kleine Arbeiterwohnungen bauen zu lassen und dieselben zwei Familien einzuräumen, deren Hütten man dann niederreißen könnte, um auf demselben Grund und Boden neue Wohnungen zu errichten. Sir James sagte »Vollkommen richtig,« und dieses Mal war ihr das Wort nichts weniger als fatal.

Solche Männer, die so wenig eigene Ideen hatten, konnten gewiß sehr nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden, wenn sie in der Wahl ihrer Schwägerinnen glücklich waren! Es möchte schwer zu sagen sein, ob nicht ein wenig Eigensinn dabei im Spiele war, wenn Dorothea sich dem Gedanken an die Möglichkeit, daß es sich bei Sir James in Bezug auf sie um etwas anderes als um Verschwägerung handele, beharrlich verschloß. Aber ihr Leben war grade jetzt voll Hoffnung und Thätigkeit; sie beschäftigte sich nicht nur mit ihren Plänen, sondern holte sich gelehrte Bücher aus der Bibliothek ihres Onkels, las rasch vielerlei, um etwas weniger unwissend in ihren Unterhaltungen mit Herrn Casaubon erscheinen zu können, und sah sich fortwährend von Gewissensscrupeln darüber heimgesucht, ob sie sich nicht die Verdienstlichkeit ihrer armseligen Thätigkeit maßlos übertreibe, wenn sie auf dieselbe mit einer Genugthuung blicke, welche das Zeichen der tiefsten Unwissenheit und Thorheit sei.



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