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Vierzehntes Kapitel.
Ein Duell

Mrs. Matthewson trat in ihr kleines Empfangszimmer ein, in dem sie einst mit Trafford verhandelt hatte. Nun galt es, eine andre Verabredung zu erfüllen – nach der sie kein Verlangen trug und die sie dennoch nicht zu verweigern gewagt hatte.

Als sie ihren Sohn besuchte, hatte sie bereits den Namen des Mannes, der sich die Jagd nach Wings Mutter zur Aufgabe gesetzt hatte, gewußt, doch ohne den Mann selbst zu kennen. Nun sollte sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Aber obwohl sie ihn fürchtete, trat sie doch mit der Miene einer Königin auf, die ihrem niedrigsten Untertan eine Gunst erweist.

Cranston empfand ihr herrisches Wesen gleich bei seinem Eintritt und fühlte sein prahlerisches Selbstbewußtsein schwinden. Sie erwiderte seinen Gruß, doch so, daß ihre Absicht augenscheinlich wurde, ihm auch nicht im geringsten beim Hervorbringen seiner Sache behilflich zu sein.

»Ich bedaure, daß ich genötigt bin, Sie zu belästigen,« fing er an.

Sie verneigte sich steif, doch ohne eine Antwort zu geben.

»Ich bin engagiert worden, die Wingsche Mordsache zu bearbeiten,« begann er aufs neue und fügte, als er in ihrem Blick las, daß von sämtlichen Dingen auf der Welt die Wingsche Mordsache sie am wenigsten interessiere, verzweifelt hinzu: »Unter denen, die mich engagiert haben, befinden sich auch Ihre Söhne.«

»Dann hätten Sie diesen berichten sollen.« Es waren die ersten Worte, die sie sprach, und der Ton, in dem sie redete, war auch nicht ermutigend, aber es waren doch immerhin Worte, und sie ließen erkennen, daß sie an dem Gespräch teilnahm. Und so halfen sie auch dem Mann weiter, der bisher trotz all seiner Erfahrung eine klägliche Rolle gespielt hatte.

»Ich glaubte, es läge in Ihrem Interesse, wenn ich Ihnen zuerst Bericht erstattete,« sagte er.

»Mit Bezug auf die Wingsche Mordsache kann mir niemand einen Dienst erweisen,« erwiderte sie, sich nicht einmal das Wort ‹ Mord› ersparend.

Er blickte sie an, als ob er sagen wolle, daß dieses wohl ein ganz geschickter Trick von ihr sei, daß er indessen über die Tatsachen Bescheid wisse und sich nicht narren ließe.

»Beim eingehenden Bearbeiten der Sache,« begann er, »ist es mir nämlich unmöglich gewesen, jenes merkwürdige Dokument des Richters Parlin zu übersehen.«

Selbst jetzt, als sie die volle Wichtigkeit seiner Worte erkannte, war ihr die stümperhafte Art, in der dieser Mann gegen sie vorging, wohl bewußt, besonders wenn sie ihn mit Trafford verglich. Mit nicht weniger Sicherheit hatte ihr dieser berichtet, daß er die Geschichte ihrer Vergangenheit kannte. Doch er hatte, von feinem Instinkt geleitet, soweit es überhaupt möglich war, alles vermieden, was sie wie ein Stachel treffen mußte. Dieser Mann war so darauf bedacht, ihr von seinem Wissen zu erzählen, daß er für sie selbst keine Gedanken übrig hatte.

Aber sie ließ seine Mitteilung ohne Erwiderung, nur den Kopf neigte sie kalt, was weniger eine Bestätigung als eine Zurückweisung bedeutete. Er faßte es als Geringschätzung auf und fühlte sich angestachelt, brutaler vorzugehen, als in seiner Absicht gelegen hatte. Er sagte daher: »Vielleicht wünschen Sie aber, daß ich auch meine Entdeckungen in dieser Richtung Ihren Söhnen mitteile?«

Wenn er erwartet hatte, daß sie zurückschrecken oder ihre Selbstbeherrschung verlieren würde, so mußte er seinen Irrtum einsehen. Sie hatte zu lange mit der Möglichkeit gerechnet, auf ihre Vergangenheit zurückgreifen zu müssen, als daß seine Worte mit dem Schreck des Unerwarteten über sie kommen konnten. Sie beging nicht einmal den Fehler, bei ihrer Antwort Aufgeregtheit zu verraten, sondern erwiderte gelassen: »Sagen Sie mir, bitte, endlich, warum Sie mich um diese Unterredung gebeten haben, damit wir zu Ende kommen mit ihr. Was die Ergebnisse Ihrer Arbeit anbelangt, so gehen diese nicht mich, sondern nur Ihre Auftraggeber an.«

»Ich weiß, wer die Mutter Theodor Wings ist,« versetzte er kurz. Er sprach etwas gedehnt, fast in drohendem Tone. Er hatte sich die Unterredung leichter gedacht und empfand es als eine Art persönlicher Unbill, daß sie ihm seine Aufgabe so erschwerte.

»Das ist ihr Geheimnis,« erwiderte sie mit leicht gehobener Stimme, als wolle sie unpersönliche Entrüstung andeuten, »und weder Sie noch die Welt haben ein Recht, ihr Geheimnis an den Tag zu bringen.«

»Ich bin auch bereit, es ein Geheimnis bleiben zu lassen,« antwortete er.

»Dann hätten Sie niemals zu irgend einem davon reden sollen, daß Sie es wissen.«

»Sie sind der Einzige, dem ich es erzählt habe,« sagte er, »und das war notwendig.«

Er erwartete, daß sie nun fragen würde: Warum notwendig? Aber sie beging diesen Fehler nicht, sondern überließ es ihm, den zerrissenen Faden der Unterhaltung wieder anzuknüpfen.

»Der Augenblick einer wirklichen Gefahr für sie,« fuhr er fort, nachdem er vergebens auf ihre Antwort gewartet hatte, »tritt dann ein, wenn der wirkliche Mörder Theodor Wings zum Verhör herangezogen wird.« Und die Art seines Angriffs plötzlich ändernd, fügte er hinzu: »Haben Sie jemals darüber nachgedacht, warum Ihre Söhne mich eigentlich für diese Sache engagierten?«

»Nein,« versetzte sie, »mich auch nie darum gekümmert.«

Er hatte erwartet, daß sie dies leugnen würde.

»Weil Ihre Söhne sehr gut wissen, wer der Mörder ist,« sagte er hart.

Es war ihr wie eine Befreiung von ihrer Spannung, daß sie jetzt Unwillen zeigen konnte, ohne damit Selbstverteidigung zu verbinden.

»Ihre Bemerkung ist beleidigend,« sagte sie; »ich vermag den Zweck Ihres Besuches nicht zu erkennen, aber welcher er auch sei, diese Bemerkung haben Sie zurückzuziehen, bevor sie weiter gedrungen ist.«

»Oh, durchaus nicht,« erwiderte er mit völliger Ruhe. »Daß ich meine Bemerkung zurücknehme, können Sie gar nicht verlangen, denn sie enthält nur die Wahrheit.«

Mrs. Matthewson erhob sich, um anzudeuten, daß er entlassen sei – hochmütig und ablehnend, als habe sie nicht die geringste Ahnung von dem Zweck seines Besuches. In ihren Augen aber lag ein gefährlicher Glanz – etwas, das dem Manne zur Warnung gereichte, das ihm gebot, sich in acht zu nehmen und seine Drohung nicht wahr zu machen. Er erkannte, daß er gezwungen war, sich schnell zu entscheiden, und wußte doch gleichzeitig, daß jeder Schritt, der einer Abbitte glich, seine Lage nur erschüttern konnte.

»Ich schiebe durchaus nicht die Schuld auf ihre Seite,« sagte er, »auch spreche ich nicht von Material, das vor Gericht einen Beweis bedeuten würde, aber ich spreche von jenem moralischen Wissen, das einem feste Überzeugung verschafft ohne augenscheinliche Beweise zu bieten. Auf Grund solchen Materials eine öffentliche Anklage zu erheben, würde natürlich gänzlich falsch gehandelt sein.«

Sie stand noch da, scheinbar seine Worte erwägend, während sie tatsächlich aber die herbe Enttäuschung darüber fühlte, daß sie nunmehr eines Vorwandes, das Gespräch zu beendigen, verlustig gegangen war.

»Ich empfinde keine Neigung,« sagte sie, »über die Fragen, die sich aus dem Mord ergeben, zu diskutieren. Ich verurteile diese Tat, doch darüber hinaus geht mein Interesse an ihr nicht.«

Sie wußte gut, daß durch diese Worte die Haltung, die sie zuerst eingenommen hatte, erschüttert wurde; aber es war das Einzige, was sie sagen konnte, und es ergab sich aus Cranstons halber Abbitte von selbst. Und dieser benutzte die ihm gebotene Bresche mit Eifer: »Solange Mr. Wings Mörder nicht entdeckt und bestraft worden ist, wird kein Umstand und kein Mensch, der in irgend einer Weise mit seiner Vergangenheit in Verbindung steht, verschont bleiben. Ich weiß nun, wie gesagt, wer Wings Mutter ist.«

Sie hatte ihren Platz wieder eingenommen und ihre Selbstbeherrschung – allerdings unter Einbuße an Überlegenheit – wiedererlangt.

»Was der eine entdeckt hat,« sagte sie, »können auch andre entdecken. Die einfache Tatsache, daß es entdeckt werden kann, ist bereits das Ende eines Geheimnisses.«

»Oh, im Vergleich zu der Anzahl von Leuten, die imstande sind, ein Geheimnis aufzudecken, gibt es unzählige Geheimnisse,« erwiderte er. »Unter hundert, die dieses oder jenes gern wissen möchten, befindet sich kaum einer, der sich darauf versteht, es ausfindig zu machen. Und wenn der Mund dieses einen geschlossen ist, dann ruht das Geheimnis so sicher, als ob es gar nicht existierte.«

»Die einfache Kenntnis davon, daß ein Geheimnis existiert, bedeutet bereits dessen Enthüllung,« antwortete sie. »Und ein Mann, der sich sein Stillschweigen einmal bezahlen läßt, der wartet ganz einfach auf ein höheres Gebot, um es noch einmal bezahlt zu machen.«

»Das wäre vielleicht möglich, wenn durch das Verheimlichen der Identität dieser Frau gleichzeitig eine Tatsache verheimlicht würde, die auf die Entdeckung des Mörders Einfluß hätte! Hier aber kann ich Ihnen versichern, hat die Identität der Frau nicht das Mindeste mit der andern Frage zu schaffen.«

»Warum lassen Sie denn – wenn dem so ist – nicht einfach das ganze Geheimnis in dieselbe Vergessenheit fallen, aus der Sie es hervorgeholt haben?«

Sie kannte die Gefahr dieses Frage- und Antwortspiels sehr wohl, aber menschliche Geduld hat ihre Grenzen, und selbst sie vermochte es nicht, über einen gewissen Punkt hinaus ihre Gleichgültigkeit zu bewahren, zumal sie bemerkte, daß sein Gesicht jetzt den Ausdruck von Befriedigung angenommen hatte.

»Warum?« fragte er. »Weil diese Frau es inzwischen zu Ansehen, Macht und Reichtum gebracht hat, weil die Sicherheit ihres Geheimnisses somit einen zweifachen Wert für sie besitzt. Und ich sehe keinen Grund, warum sie diese Sicherheit nicht erkaufen sollte.«

»Mit einem Räubersold, meinen Sie, nicht wahr?« sagte sie, und ihre Augen blickten ihn durchbohrend an.

»Sie irren sich,« erwiderte er, nunmehr endlich auf dem Boden angelangt, den er sich bei seiner Vorbereitung zu diesem Interview immer wieder vor Augen gehalten hatte. »Sie irren sich. Die Vorbedingung zum Räubersold ist die Drohung. Ich aber drohe nicht. Ich habe nicht gesagt, daß ich Sie ausliefern will, wenn Sie mich nicht bezahlen. Ich bestreite eine solche Absicht ganz entschieden. Aber die Sicherheit Ihres Geheimnisses hat einen Wert für Sie. Sie sind reich und Sie nehmen in der Gesellschaft eine hohe Stellung ein. Ich biete Ihnen nun meinen Schutz für diesen Reichtum und diese hohe Stellung an, wofür ich dann natürlich eine entsprechende Vergütung erhalten müßte – einfach einen billigen, redlichen Lohn für meine Leistung. Weiter nichts, und ich denke, Sie müssen zugeben, daß das bloß recht und billig ist.«

Er wußte, daß er jetzt in das Dunkle hineintappte, daß alles gesagt worden war, was er zu sagen sich vorgenommen hatte, und er von nun ab sich bloß auf beständige Wiederholungen beschränken konnte. Er hielt daher inne und wartete auf ihre Antwort.

Sie ihrerseits legte sich Zwang an, ihn nicht zu unterbrechen, bis er zu Ende gesprochen hatte. Sein Übergang vom Unpersönlichen zum Persönlichen, von dem er geglaubt hatte, daß er ihr nicht auffiele, erschien ihr einfach als Nebensache. Sie vermochte deutlich seine Schwäche und seine Verlegenheit zu erkennen, und trotz des Gewichts, das auf ihr lastete, empfand sie fast Mitleid mit seiner Unfähigkeit.

»Sind Sie nun fertig?« fragte sie, als er geendet hatte.

»Ich glaube, es ist nichts weiter zu bemerken,« erwiderte er.

Sie machte nicht die geringste Bewegung der Zustimmung; sie wies einfach auf die Tür und sagte: »Dann können Sie gehen.«

Der plötzliche Wechsel in ihrem Ton und ihrem Benehmen verblüfften ihn, der an Überraschungen doch gewöhnt war. Er hatte Sturm und Empörung erwartet und sich darauf vorbereitet, beides als geheuchelt zu behandeln. Dieses aber erschien ihm als natürlich – als so natürlich, daß er sich hastig fragte, ob er nicht doch etwa, trotzdem er seiner Sache vollständig sicher war, einen Fehler begangen hatte.

»Aber – – –« begann er zögernd.

»Gehen Sie!« rief sie, ihm keine weitere Äußerung gestattend, nachdem er nun gesagt hatte, weswegen er gekommen war. Und eine leidenschaftliche Freude erfüllte sie, ihn – ungeachtet der Gefahr, die sie damit selbst lief – rauh zurückstoßen zu können.

Da erfaßte ihn ein rasendes, an Wahnsinn grenzendes Verlangen, die letzte Lanze gegen sie zu schleudern, die ihr die Brust zerreißen mußte. Sich der Türe zuwendend, schrie er: »Also soll ich meinen Auftraggebern Bericht erstatten – Ihren Söhnen?«

»Gehen Sie!«

Als er gegangen war, brach sie nicht unter der Gewalt des Kummers zusammen; sie hielt sich eher stolz aufgerichtet, als fürchte sie, sich durch eine andre Haltung selbst die Gefahr einzugestehen, in der sie stand. Doch hinter der ruhigen Außenseite wütete ein Sturm gereizter Ungeduld, den der Gedanke an die lange qualvolle Zeit hervorrief, die noch vor ihr lag, bis sie öffentlich den Angriffen dieses Mannes entgegentreten mußte. Es drängte sie, dieses gleich zu tun – noch in demselben Augenblick. Es war ihr, als müßte sie hinausstürmen und schreien: »Seht, hier stehe ich – ich, gegen die der Angriff gerichtet ist! Seht mich an, richtet eure Augen auf mich und rollt den süßen Bissen auf eurer Zunge! Denn ihr glaubt es natürlich! Ihr wollt es glauben! Aber ich wage es, euch zu trotzen und es nicht als Geschwätz hinzustellen.«

Wenn sie das getan hätte, dann, glaubte sie, würde wieder das Gefühl von Glück über sie kommen; aber warten, nicht wissen, wann der Schlag fallen wird, sich jederzeit bereit halten, ihn zu empfangen, und nicht die Macht haben, ihn zu beschleunigen, das war es, was sie rein wahnsinnig machte, das war für sie das eigentlich Schreckliche an der Sache.

Sie erhob sich, trat vor den langen Spiegel und beschaute sich darin, als wolle sie sich überzeugen, daß dieses noch dieselbe Frau sei, die am vorigen Tage dort gestanden hatte. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr eigenes Abbild die Welt, die sie angriff; und als sie sich in die eigenen Augen blickte, wähnte sie etwas von jener trotzigen Verachtung zu verspüren, die sie der Kenntnis der Öffentlichkeit entgegensetzen wollte.

Ihr kam kein Gedanke an ihr zukünftiges Verhältnis zu ihrem Gatten und ihren Söhnen. Seit mehr als dreißig Jahren war ihr Leben mit dem ihres Gatten verbunden; jeder hatte sich auf den andern verlassen, jeder auf den andern vertraut. Ein Bruch zwischen ihnen war nicht möglich, nicht einmal denkbar. Er würde sie nicht einmal danach fragen, und wenn die ärgsten Geschehnisse sie dazu zwingen sollten, es ihm zu offenbaren, dann würde sie nicht unter der Furcht zu leiden haben, die für eine gewöhnliche Frau die schwerste Last bedeutete. Sie wähnte durchaus nicht, daß er die Wunde nicht fühlen – nicht schmerzlich fühlen würde; aber sie hatten den Höhepunkt ihres Lebens bereits überschritten, von nun an ging es bergab, und sie zweifelte nicht weniger an ihm, als sie an sich gezweifelt hätte, wenn nicht ihr, sondern ihm die Elternschaft Theodor Wings zugesprochen wäre.

Ihre Schutzwehr gegen die Öffentlichkeit sollte die Treue sein, mit der ihr Gatte und ihre Söhne zu ihr hielten, und wenn dieses etwa auf Eigennützigkeit und Gefühllosigkeit schließen läßt, so muß gesagt werden, daß sie sich während ihres ganzen Lebens als Gattin und Mutter diese Gefahr vor Augen gehalten hatte, diese Gefahr, die von Jahr zu Jahr immer mehr verblaßt war, bis sie schließlich ein andres Aussehen für sie gewonnen, als in jenen Tagen, bevor sie ihrem Gatten und ihren Kindern das Unterpfand ihrer langjährigen Liebe gegeben.

Vor diesen Jahren würde sie über die Haltung ihres Gatten gegenüber einer solch schmachvollen Erzählung im Zweifel gewesen sein, nun hatte sie in dieser Hinsicht nichts zu fürchten. Nur gegen das innerliche Gefühl der Erniedrigung, das sie schon einmal verspürt, als sie in das Bureau ihres Sohnes gegangen war, blieb ihr zu kämpfen übrig, und darum schaute sie nun ihrem eigenen Abbild, das die Welt mit ihrer öffentlichen Meinung darstellte, so herausfordernd ins Gesicht. Sie hatte sich gewöhnt, an die Welt Forderungen, nicht Bitten zu richten, und die Welt hatte sich ihr gefügt. So sollte es auch fernerhin bleiben. Das eine Geschehnis von damals besaß nicht die Kraft, die Jahre der Treue und der Arbeit, die ihre jetzige Stellung geschaffen, auszulöschen. Das sollte nicht sein. Sie bot der Welt Trotz, und die Welt sollte sich vorsehen! Aber ach, das Warten! Das Warten auf den Augenblick! Das war das Grausame ihrer Lage. –

*


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