Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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Ein Lebtag

        Wir lagern in dem grünen Gras,
Wir ruhn im goldnen Sonnenschein;
Es blitzt der Wein im grünen Glas,
Es blitzt vom Aug' der goldne Wein.
Abwechselnd Küsse geben
Dem Liebchen und den Reben,
Die Herzen und die Becher voll
Ja, ja! das heiß' ich Leben!

Uns blaut der Himmel in's Gesicht,
Der laute Strom erquickt das Ohr,
Uns malt der Ferne Zauberlicht
So wundersel'ge Träume vor.
So Arm in Arm geschlungen,
Von Lieb und Wein durchklungen,
Sei durch den grünen hallenden Wald
Der Freude Preis gesungen!

Hört ihr das milde Säuseln schon?
Es kündet schattenvolle Ruh,
Es wispert durch die Buchenkron'
Und küßt im Gras die Blumen zu.
Es rauschet auf und nieder
Wie singendes Gefieder,
Das sind der Tageskönigin
Schauersüße Schlummerlieder.

Und vor uns glüht der Himmel auf,
Auch wir sind rosig überhaucht.
Vollendet ist der Sonnenlauf!
Der große Stern in's Meer getaucht.
Die letzten Perlenfunken
Zum Scheidegruß getrunken!
Füllt an, füllt an! uns hat das Licht
Auf Wiedersehn gewunken.

Schaut um und auf! im tiefen Blau
Der goldne Brachmond schwimmt heran,
Er wandelt durch die Sternenau
So leuchtende verschwieg'ne Bahn.
Steht auf, steht auf Genossen!
Die Nacht ist ausgegossen –
Den kühnen Wünschen in der Brust
Die Herzen aufgeschlossen!

 


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