Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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Fünfter Gesang

        Nach Schlaraffien, nach Schlaraffien
Thu mir ein Billet verschaffien
Für den nächsten Luftballon!
Wo entspringt die Limonade,(*)
Wo der Ochs in's Maul, gebraten,
Flieget Adam's dümmstem Sohn –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Karwatschien, nach Karwatschien
In die Wüste Witschiwatschien,
Wo der Farra watla thront,
Wo die Bastonade(*) schallet,
Wo der Bambus(*) lieblich hallet,
Und die Feige saftig lohnt –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Aber auch nach Reacz-jonien
Wolle wen'ger mich verschonigen,
Denn mich drückt dahin der Schuh.
Wo die wahre Freiheit winket,
Wo der alte Plunder stinket,(*)
Und die Ordnung ist in Ruh –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Krakelien, nach Krakelien(*)
Nach dem wein- und kümmelseligen,
Wirbelt mich, ihr Göttlichen!
Wo die Pfropfe festlich böllern,
Wo aus klaftertiefen Kellern
Tausend Ambradüfte wehn –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

In dem weißen Sarastronien(*)
Laß mich ein- nur einmal wohnigen!
Wo der Mensch den Menschen liebt.
Wo in diesen heil'gen Hallen
Rachelos die Menschen fallen,
Denen man als Feind vergibt –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Atlantis, nach Atlantis!
Aus der nämlichen Bewandtniß
Laß mich, um zu lernen, ziehn!
Wo man gottlos fährt zu Wette,(*)
Wo Millionen Riesenstädte
Tief in Ururwäldern blühn –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach dem Land der »ordentlichen
Kerle« käm' ich gern geschlichen,
Wo kein Mensch mit Größe prunkt,
Wo man Jedem läßt das Seine,
Wo man in den Kaffee keine
Mürbe Kellerläden tunkt –(*)
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Blamagien, nach Blamagien!(*)
Wo man spricht von viel Couragien,
Wo man höflicher als kühn,
Wo die Leute ganz entsetzlich
Rennomiren, aber plötzlich
Sich um's Gegentheil bemühn –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Aber nach Ultramontanien
Schick mich auf der Eisenbahnien,
Wo es über die Berge(*) geht.
Wo die Eulen(*) lustig singen,
Wo die lieben Glöcklein klingen,
Und der rothe Hahn nicht kräht –(*)
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Laß mich auch zu den Asylen,(*)
Wo die flücht'gen Menschen wühlen,
Die man nach der Decke streckt.
Wo man traulich sitzt im Kneipchen,
Wo der St – mit dem Weibchen
Fürchterlichen Unsinn heckt.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Krambolien, nach Krambolien(*)
Soll mich gleich der Teufel holigen,
Wo es losgeht alle Tag,
Wo kein Landrecht gilt, kein Standrecht,
Wo noch Faustrecht blüht und Strandrecht,
Wo es knallet Schlag auf Schlag –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Sondern auch nach Liliputien,
Nach dem lieben kleinen putzigen
Pilgr' ich dann durch's Jammerthal!
Wo die Mücken Elephanten,
Wahre Menschen nicht vorhanden,
Wo es ist wie überall –(*)
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Von dem deutschen Vaterlande(*)
Bin ich auch vielleicht im Stande
Vor dem Ende was zu sehn;
Wo die deutsche Flotte segelt,
Wo man handelt mehr als hegelt,
Wo es ohne Gränzen schön –
Dieses möcht' ich auch mal sehn!

 


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