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Die Bindung im Stoff

Wir wissen nicht, wie wir einander verhaftet sind.

Ich stehe im Bahnhof. Menschen laufen um mich. Jeder hat gleich einem Motor sein Ziel in sich, jeder läuft von jedem getrennt und abgestoßen. In den Augen sitzt gleichsam künstlich eingelegt ein Funke, der hinausrennen will. Die daheim ruhigen Gebärden schlenkern in fremden Gelenken. Das zwanghaft automatenhafte Spiel zeigt sich als etwas rasch und immerzu Zerfallendes, Zerbröckelndes, dessen abgebrochene Partikel davon rieseln müssen, wenn auch mit einem schmerzhaften Rest der Trägheit, immer nur auseinander davon, in eine draußen wirkende Macht, welche sie fortsaugt.

Allein stehend werde ich mir, so umrannt und umronnen, dessen schicksalhafter bewußt als irgendwo auf einsamstem Berg.

Doch plötzlich befällt es mich. Von einer Gegenwelle des Gefühles überschüttet sehe ich die abgestoßenen, auseinander rieselnden, fortgesaugten Figuren mit einem unsichtbaren Netz überworfen, sehe die sich scheinbar Entwirrenden verworren, die sich Trennenden sich suchend. Sie sind in den Bahnhof eingeströmt und wo die Vorüberstürzenden einander treffen, drückt sie jenes Schicksal, welches sie zerstäubt, in dem einen Augenblick zusammen. In diesem Augenblick erleiden sie, unwissend wohl, das Gesetz der magischen und dämonischen Bindung der unentrinnbaren Abhängigkeit. Es verfiele in dem Augenblick jeder in tragisch hilflosen Zustand, wenn der Andere nicht wäre. Die Zusammengestrebten, Auseinanderstrebenden sind von einer gemeinsam rettenden Schranke umhagt, von der Tatsache, daß da ein Bahnhof ist, ein ruhender »Hof«, worin die ruhelose »Bahn« still steht, ein Bauwerk gescheitester Einrichtung, entstanden und geschaffen für diese eine eilende Berührung. Es gäbe für keinen ein Ziel, noch einen Ausweg, noch eine Fahrt, wenn nicht der Raum der Berührung, der Sammlung wäre. Jeder nimmt etwas, einen Faden vom Andern, von allen Andern mit fort; er bleibt daran gefädelt, so weithin er allein zu reisen vermeint.

Wunder der Wegesbindung, ein Bahnhof!

*

Und die fortwollenden Menschen kommen aus der Stadt; die Nacht hat sie zusammenbeherbergt in deren Stuben, wie in den Fächern großer Steinkoffer nebeneinander gestellt; der Schlaf deckte die Verstauten mit seiner Decke zu; gleichsam ein Atem ging durch die aus dem Wissen ums Ich ineinander Getauchten; das von keinem greifbare, alle ergreifende Traumband wand sich um die Stirnen, von stolzer Halssäule des Selbstbewußtseins aufs Kissen gesunken. Die Mächte der Untergründe walteten über dem Packlager der ausgeschalteten, einander in Ohnmacht angeglichenen Lebewesen. Alles, was die wissend Wachen getrennt und verknotet hatte, liegt abgesunken in einem mysteriösen See, der die verschwemmten Bilder nun um die Hilflosen herspülte. Und der Tod, der Bruder des Schlafes hätte Jeden an die kalte Hand nehmen können, ohne ihn zu schrecken.

Wunder der Blutesbindung, eine schlafende Stadt!

*

Die Menschen hören Rundfunk. Jeder hört allein in seiner Kammer, meinend nur für ihn sei es da, alle hören mit in anderen Kammern, eine Stimme, ein Lied, eine Musik. Die eine Stimme, namens »Irgendwo«, spricht für jeden allein und für alle zusammen, durch den Zauber des Naturgesetzes wird sie unsichtbar stofflos geteilt, bleibt in der magischen Teilung ganz für den Alleinigen und für die Einigallen. Der Raum der Kammer ist aufgehoben, die Wände weggeschoben; über die Stadt, übers Land, über den Kontinent, über den Ozean geht die Stimme aus einem Mund in Millionen Ohrmuscheln gleich in eine Muschel, auf Millionen Horchnerven gleich auf einen Nerv, in Millionen Zeugungsfunken der Bewußtwerdung gleich in einen Funken. Das Reich des Welttones, des Weltwortes wirkt. Alle Menschen der Welt sitzen darin wie in einer Stube.

Wunder der Sinnesbindung, ein Rundfunk!

Und doch ist es an sich kein größeres und staunenswerteres, als wenn ein paar Menschen in einer Stube sitzen und einem bei ihnen Sitzenden zuhören.

*

Ich greife meinen Rock zufällig an. Er ist mein gekauftes Eigentum, langher an meinen Leib gewöhnt und sich daran verbrauchend für mich. Indes denke ich von ungefähr an den Schneider, der ihn gemacht, an den Tuchhändler, an den Weber, an den Färber, an den Spinner, an den Schäfer. Die Gedanken gehen von meiner ländlichen Schreibstube aus in die Gasse der Stadt, wo der Schneider sitzt, bis wohin? Zu einer Schafweide auf die rauhe Alb? Nach Australien? Von woher, von wem, von wie vielen ist der Rock ein Geschaffenes, Hergegebenes an mich? Ich stände nackt ohne die Schaffer und Geber.

Wunder der Dienstesbindung, ein Rock!

*

Seltsam zufällig sehe ich durchs Fenster draußen an der Gartentüre eine schöne Frau stehen in schönem weißen Kleid. Sie kommt mich zu besuchen. Warum hat die schöne Frau das schöne Kleid an? Sie will mir gefallen, mir eine Freudenzier sein; sie hat es für mich an. Meine Augen, der Spiegel meiner Augen sind das Ziel und der Sinn, nicht mehr das Kleid; auch wenn die zu Haus sich Anziehende in ihren Wandspiegel schaute, gab dieser nur den prüfenden Vorschein des jetzt von mir erwarteten Lichtes. Die holde Besucherin schenkt mir gleichsam das Kleid zum Anblick und verlangt als Gegengeschenk nur die verschwiegene seelische Mitteilung, daß ich die Gabe wohl befunden habe und ihr dafür dankbar bin.

Wir haben unser Gewand nicht von uns und ziehen es nicht für uns an … Die Anderen sind die Machenden, die Anderen die Genießenden, wir tragen es zur Darstellung aus den Händen jener in die Blicke dieser, dennoch glaubend, es sei nur unseretwegen entstanden. Sogar eine Macht ist daraus geworden, welche alle Geselligkeit sich unterwirft, die Mode. Jene merkwürdigste Macht der Gemeinschaftstyrannei, von jedem Geknechteten wiederum zwiespiegelig betrachtet als das erlesene Mittel der individualen Zier!

Wunder der Erscheinungsbindung, ein Kleid!

*

Ich habe ein metallenes Ding in der Hand, aus einer Fabrik stammend, von einer Maschine gestanzt. Tausend solcher Dinge fährt der bedienende Arbeiter täglich im Rollkorb vom Mundschlitz des Automaten weg. Hunderttausend Hände halten das gleiche Ding, vom gleichen Metall, von der gleichen Fabrik, der gleichen Maschine, dem gleichen Arbeiter.

Die Hälfte der abendländischen Menschheit schier hat die herrschsüchtig gewordene Maschine als Bedienstete unter ihrer Macht. Sie stanzt und preßt nicht nur Metall, sondern die Lebensform und das Gesicht ihrer Untertanenschaft. Wer daran zu tun hat, wird mit Leib und Seele an sie angeschraubt, der Takt seines Tages geht in ihrem Takt, die Regung seiner Glieder in ihrem Maß. Sie maschiniert ihn gleichsam und numeriert ihn in ihr Triebwerk ein.

Schaurig und grausam groß ist ihre Gewalt über die Zeit gewachsen. Sie hat einen neuen Menschentypus geformt, in dessen Schnitt sich Einer dem Andern zwangsläufig angleicht an Gedanken, Gefühl, Gebärde, Gestalt, Innenziel, Außenziel bis auf den gleichen Fluch der Entgötterung, welche ihr Dämon, Mechanos, vollbracht hat.

Dabei verkündet dieselbe Maschine als ihren Sinn, die Zukunft in der Arbeit zu erleichtern und auch zu erlösen. Ja am Ende im letzten Auslauf des Widerspruchs, in den Gang der Vorsehung eingereiht, wird sie wohl recht haben, wenn im ganzen Menschheitsraum Sättigung und Ausgleich erzielt sein werden.

Wunder der Werkesbindung, eine Maschine!

*

Ein Flugzeug trägt uns von einer Wiese aus über das Weichbild eines Dorfes. Wir sehen den Erdbesitz der Insassen des zusammengenisteten Gemäuers, einen Garten, einen Acker, eine Wiese, geteilt, geschnitten in kleine, große Stücke. Deren jedes gehört Einem derer, die unter den Dächern wohnen, ist sein Eigentum, vom Gesetz im unantastbaren Geviert ihm zugeteilt, in Amtes Gewahrsam verbrieft. Der Eine weiß das, es ist der Grundstock seines Selbstbewußtseins, das Fundament seiner Geltung, der Schaufalt seines Stolzes, der Werkplatz seines Tages, das Ruhekissen seiner Nächte, der Boden seines Weltvertrauens, ja seines Himmelglaubens, das Gehege seines Geschlechtes von langher und langhin. Es ist sein Garten, sein Acker, seine Wiese. Ein Stück Seiner gleichsam.

Höher fahrend sehen wir auf einmal Stück um Stück, Geviert um Geviert wunderlich und sinnig zugleich gegattet, nachbarlich geworden, aneinandergefügt und ohneinander nicht denkbar. Wir sehen sie dem Einen genommen und von unbegreiflicher, plötzlich aus der Vogelschau offenbarer Ordnung der Gemeinde zugeteilt. Wege laufen durch die wohl geteilte, wohl verbundene Markung, gleich Nähten, die Flecke zu heften, die Güter zum Gemeingut zu vernähen.

Die Wege laufen hinüber in eine andere Markung, um ein anderes Dorf geordnet, und heften auch diese, Gemeinde an Gemeinde, in weiterer Entfaltung mit ein.

Wieder höher gekommen wird uns die eine, die zweite, dritte, vierte Gemeinde Landschaft (eine Stadt, den Wegen ein Strahlenkern sitzt inmitte), die Landschaft wird Land. Verschwämme das Bild nicht, würde das Land Reich, das Reich Kontinent, der Kontinent Erdball.

Auf dessen ganzer Rundung teilen sich Felder. Die ungeheure Kruste der Erde, soweit Sonne, Eis und Wüste es dulden, haben die Menschen zerschnitten und bebaut als ihr Besitztum. Wie mächtig ist der Mensch! Er läßt nach dem Gesetz seiner Samenwahl und seines Zuchtwillens den Garten wachsen, den Acker, den Wald, ja er ändert die Blume in ihrem Schein und Duft, die Pflanze in ihrer Gestalt, den Baum in seiner Frucht, das Tier in seiner Rasse. Jeder glaubt an sein Eigentum und aus der Überschau wird dies doch geheimnisvoll zum Eigentum Aller, Acker, Markung, Landschaft, Land, Reich, Kontinent, Erdball.

Wie ist das auch seltsam, daß die Erde ein Ball ist, auf der das Zerstückte magisch wieder ineinander läuft!

Führe Einer aus jenem Dorf mit hinauf und käme herab und heim auf seinen Acker, wie sähe er ihn wieder! Nimmer in alter Weise vertraut, aber in neuer Art anvertraut, weniger sein und tiefer sein. Anders würde er künftig das Pflugeisen in die Krume drücken, den Keim in die Furche werfen, die Ernte nehmen und den Ertrag werten. Er hat seinen Acker aus der großen Verfädelung alles Erdengutes gesehen.

Wunder der Besitzesbindung, ein Acker!

*

Die Erde ist geduldig; und gelassen schaut sie zu, was die Menschen auf ihrer Kruste als ihre Herren machen, teilen, ackern, bauen, fuhrwerken, schiffahren, fliegen, funken, entdecken. Willig läßt sie sich an ihren Geheimnissen versuchen und in ihren Kräften bändigen. Geduldig und gelassen.

Dann aber atmet sie irgendwo einmal lauter als sonst, und Städte sind weggeräumt, Hunderte von Menschen verschüttet, auf dem Meer draußen Schiffe verschluckt, Wirbelstürme haben Landstriche rasiert und Feuerbrünste ganze Siedlungen entzündet. Sie hat die Schulter gerückt und das eitel eingenistete Infusorium davon weggeschnellt.

Dann liegt wieder die Erde, als wäre nichts geschehen unter dem blauen Himmel und läßt sich, geduldig und gelassen, weiterentdecken und weitererobern, und den Menschen in harmloser Dreistigkeit an seine Herrschaft glauben.

Man denkt an Goethe, an die Zwiesprache zwischen dem Wanderer und der jungrömischen Frau, die ihre Hütte zwischen geborstene Mauern eines altrömischen Tempels gebaut hat, unwissend, unter welch edlem Dach verflossener Zeit sie also zufrieden lebt.

Und du flickst zwischen der Vergangenheit
Erhab'ne Trümmer
Für deine Bedürfnisse
Eine Hütte, o Mensch,
Genießest über Gräbern!

*

Auf dem Acker bei dem Dorf wächst Korn. Das Korn wird Brot. Auf allen Äckern der Erde wächst Korn und wird Brot. Was ist das? Das Brot von gleichem Korn in allen Mulden der Welt geknetet, von gleichem Sauerteig durchgoren, in allen Backöfen der Welt gleich gebacken, vom gleichen Hunger überall gegessen. Ist die uralte, immer frische Speise nicht ein ehrwürdiges Zeichen, homerisch, biblisch, geweiht?

Unser täglich Brot gib uns heute!

Wunder der Notdurftbindung, ein Brot!

*

Auf jener Kugel der Erde, auf einer Scholle wachsend, von einer Luft durchatmet, von einem Äther umwallt, essen wir ein Brot, trinken wir ein Wasser, wärmt uns ein Feuer, bescheint uns eine Sonne, feuchtet uns ein Regen, kühlt uns ein Wind, beglänzt uns ein Sternhimmel.

Nur in einer tief offenen Stunde mag uns die Ahnung anblicken, wie wir einander verwoben und verknotet sind, welches unzertrennbare Gesetz über uns geworfen ist.

*

Das dunkle und helle Schauspiel der comoedia humana stellt sich dar in dem einen Zug, der die so Verquickten an- und wegzieht. Vielleicht liegt hierin die einfache Lösung einer viel erörterten ästhetischen Frage: Woher kommt das Tragische, woher das Komische? Weil der Mensch ein »Ich« sein muß, aber nicht vermag, diese Forderung allein zu erfüllen.

Die Ich und Ich brauchen sich, sie suchen sich, gatten sich und schieben sich zusammen wie Lämmer, über denen ein immerwährendes Wetter steht. Die Römer haben aus altem nomadischen Bilderschatz ein Wort behalten für den Begriff des Zusammenkommens: »gregare«. Die Geängsteten herden sich zum Schwatz, ins Kaffee, in die Kneipe, zum Spiel, zum Fest, ins Konzert, ins Theater, in die Versammlung, an die Zeitung, in die Partei. Eine grausige unsichtbare Macht treibt sie zuhauf. Wie ein eingesperrter Vogel horcht der Abgetrennte durch die Wand. Sie nennen es Langeweile; es ist die Angst vor sich selber. Je mehr sich der Mensch liebt, je mehr hat er dieser Angst. Das Tier gehrt zum Tier. Der appetitus societatis verlangt in ihnen animalisch nach der animalischen Luft der Andern, wie um einer Luftleere, dem Schrecken des Vakuums zu entgehen. Sie müssen sich mischen, um des eigenen Sinnes und der eigenen Bedeutung bewußt zu bleiben; fremdes Schicksal muß das eigene entlasten, fremde Sorge die eigene brechen, fremde Lust die eigene steigern, fremde Verantwortung die eigene tragen. Ja auch Begeisterung und Großtat recken sich im Spiegel der zuschauenden Augen und mitschlagenden Herzen. (Nur der Besitz macht eine Ausnahme.)

Belebt vom Andern geben sie ihm Leben. Sonst verdürben beide. Die Natur verlöre die Teilnahme an ihnen, nähme ihr magnetisches Element weg.

Du und Ich. Es ist auch unter den Menschen das alle Parallelen der Erscheinung durchlaufende Gesetz-Widergesetz wirksam von der Einzelung und Gemeinschaft. Sie müssen sich trennen ins Ich und können nicht getrennt sein vom Du.

Das principium individuationis kettet, die Einsicht in die Abhängigkeit befreit. Aus dieser Einsicht entsteht erst das wesentliche Ich.

In poetisch erhabenen Augenblicken feiern die so von ihrem Trieb Verhürdeten wohl das Wort »Einsamkeit«. Deren Zuflucht aber bleibt ihnen fremd. Sie frören mit ihrem Ich alleingesetzt. Nur königliche Geister und Heilige finden die beata Solitudo, die Segregatio in königlichen Stunden.

Der Weibgeborene muß sich seinen Schein beim Weibgeborenen borgen, diesem den eigenen leihend. Ich sehe die Augen eines Greises: er hat gleichsam sein Leben dagelassen in den Andern.

*

Tiefer geht das Grundwasser, welches uns umspült: Wir sind des gleichen Samens, des gleichen Schoßes, der gleichen Milch, der gleichen Haut, des gleichen Blutes, des gleichen Zellsaftes.

Wer sagt noch »Ich« und hat vergessen, wie nur aus Zweien ein Drittes wird? Wie das Eine (für die Erde) abstirbt, wenn nicht die Zwei sich gatten, das Dritte zu zeugen? In diesem Mysterium rauscht der Urbrunn des großen Zusammenflusses. In unabsehbarer Äderung kommen die Quellen her, welche mich als sichtbares Becken gefunden haben, daß es ein Gefäß werde, seiner bewußt, sich nennend und lebend. Aus dem Ahnenreich von Du und Du bin ich, bin letzter Form, innersten Sinnes aus der Idee vom Du und Du, entstanden, um diese darzustellen gleich in einem Sonnenstaub das Prisma des Lichtes.

Und dieses ist die Gemeinschaft der Mensch geheißenen Geschöpfe, von Anbeginn bis zum Ende. Wer kann mich herauslösen aus dem Rahmen, herausstellen aus dem Grund, abgeschnitten von den Säften der Herkunft und Weiterleitung? Ich bin teilhaftig der Erbmasse, des Erbgutes, des Erbübels, der Erbbestimmung. Die Chromosome meiner Zellen sind von deren Mütterfarbe gefärbt.

Ich bin nur Wesen weil ich Verweser bin, Bild weil Sinnbild, Begriff weil Inbegriff.

*

Ich stelle unter den Menschen der Erde den ach demütigen Anteil 1: 1 800 000 000 dar. So viel gilt meine Ziffer. Aber ich kann diese auch umstellen 1 800 000 000: 1. Denn alle sind Stücke an mir, wie ich an ihnen. Es ist jeder ein Du zu mir, ich ein Du zu ihm. Ich – Du – Ich – Du … »παντoι ἐν πασιν«. Alle in Allen. Die Menschheit ist keine Summe. Denn Summe ist tot.

Die »μοιρα« der Griechen, die Elementarmacht der menschlichen Wesensmischung, durch die Weltbestimmung zur geheimen Schicksalsweberin berufen, steht im Schleier vor uns. Die »Mütter« des gemeinsamen Urschoßes greifen durch sie herauf. »Quesmat« (Kismet) das arabische Wort vom Teil tritt mit ein, welches den Einen zum Zugeteilten und insgleichen zum Teilhabenden bildet an des Ganzen Gang.

Der Blick des Irrationalen fällt herein. Die Natur hat uns zusammengewoben nicht nur in offenbaren, sondern dahinter in verborgenen Fäden. Es liegt ein zweiter unsichtbarer Mantel der Gemeinschaft um uns, aus dessen Falten Traum, Ahnung und höheres Gleichnis die Eingekleideten anweht.


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