Georg Ebers
Die Frau Bürgemeisterin
Georg Ebers

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Elftes Kapitel.

Frau Elisabeth von Nordwyk und die Gattin des Stadtsekretärs van Hout hatten jede für sich die Frau Bürgemeisterin aufgefordert, mit ihnen auf's Land zu gehen, um den schönen Frühlingssonntag zu genießen, aber die junge Frau war trotz Barbara's Zureden nicht zu bewegen gewesen, ihrer Einladung zu folgen.

Hinter ihr lagen seit der Abreise ihres Gatten acht Tage, welche so langsam, wie das brackige Wasser in einem die Wiesen Hollands durchschneidenden Graben dem breiteren Fluß entgegenschleicht, den Weg vom Morgen zum Abend gefunden hatten.

Der Schlaf liebt die Ruhestätten der Jugend, und er hatte auch die ihre wieder gefunden, aber mit dem Aufgang der Sonne kehrte das Mißbehagen, die Unruhe und innere Noth zurück, welche der Schlummer freundlich unterbrochen hatte. Sie fühlte, daß es so nicht recht sei, und daß ihr Vater sie getadelt haben würde, wenn er sie so gesehen hätte.

Es gibt Frauen, welche sich der rothen Wangen, wie der unbefangenen Freude am Dasein schämen und denen die Empfindung des Leids eine trübselige Lust gewährt. Zu diesen gehörte Marie gewiß nicht. Sie wäre gern glücklich gewesen, und sie ließ nichts unversucht, um die verlorene Freudigkeit des Herzens zurückzuerlangen. Redlich bestrebt, ihre Pflicht zu erfüllen, kehrte sie zu dem Bett des kleinen Lieschens zurück; aber das Kind erholte sich schnell und rief nach Barbara, Adrian oder Trautchen, sobald es sich mit ihr allein sah.

Sie versuchte zu lesen, aber die wenigen Bücher, welche sie aus Delft mitgebracht hatte, waren ihr alle bekannt, und ihre Gedanken gingen, ehe sie sich in die alten Schriften versenkt hatten, die eigenen Wege.

Wilhelm brachte ihr die neue Motette, und sie versuchte es, sie durchzusingen; aber die Musik verlangt von Denen, welche sich ihrer Gaben zu freuen wünschen, ganze Herzen, und darum versagten ihr, deren Sinn auf ganz andere Dinge gewandt war, Lautenschlag und Gesang, so Trost wie Vergnügen.

Wenn sie Adrian bei der Arbeit half, erlahmte ihre Geduld weit früher als sonst. Am ersten Markttag zog sie mit Trautchen aus, um der Anordnung ihres Gatten zu folgen und Einkäufe zu machen, und während sie auf den verschiedenen Plätzen, an denen je eine Gattung von Waaren: hier Fische, da Fleisch, dort Gemüse, feilgeboten wurde, unter die bunte Menge trat und ihr von allen Seiten »Frau Bürgemeisterin, hieher!« und »Frau Bürgemeisterin, ich hab', was Ihr begehret!«, zugerufen wurde, vergaß sie, was sie bedrückte.

Mit neu belebtem Selbstbewußtsein prüfte sie Mehl, Hülsenfrüchte und getrocknete Fische und setzte eine Ehre darein, tüchtig zu dingen; Barbara sollte doch sehen, daß sie einzukaufen verstehe. Das Gedränge war groß auf allen Plätzen, denn die städtische Obrigkeit hatte ausrufen lassen, daß jeder Hausstand sich angesichts der drohenden Gefahr an allen Markttagen reichlich mit Vorräthen versorgen möchte; aber der lieblichen jungen Frau des Bürgemeisters machten selbst die gewerbsmäßigen Aufkäuferinnen Platz, und auch das that ihr wohl.

Mit heiterem Gesicht und froh, ihr Bestes gethan zu haben, kehrte sie heim und begab sich sogleich zu Barbara in die Küche.

Peter's freundlich gesinnte Schwester hatte recht wohl bemerkt, wie schwer bedrückt das Herz ihrer jungen Schwägerin war, und sie darum gern zum Einkaufen ausgehen sehen. Das Wählen und Dingen mußte ja die Bekümmerte zerstreuen und auf andere Gedanken bringen. Freilich hatte die vorsichtige Wirthschafterin, welche Maria alles Gute zutraute, nur nicht die Fähigkeit, sich als Hausfrau tüchtig und kräftig zu erweisen, Trautchen anempfohlen, die Herrin vor Uebervortheilung zu behüten. Aber wenn auf einem Markte die Nachfrage das Angebot um das Doppelte und Dreifache überbietet, so steigen die Preise, und so kam es, daß, als Maria der Wittwe aufzählte, wie viel sie für Dies und Jenes gezahlt hatte, Barbara ein: »Aber Kind, das ist ja ganz unerhört!« oder »Da kann man ja an den Bettelstab kommen!«, dem andern folgen ließ.

Diese Ausrufe, denen es unter den gegebenen Umständen in den meisten Fällen an Berechtigung fehlte, verdroßen Maria; doch der Friede mit ihrer Schwägerin war ihr lieb, und es ward ihr zwar schwer, Unrecht zu tragen, aber ihrem Unmuth in heftigen Worten Ausdruck zu geben, würde ihrer Natur widerstrebt und ihr weh gethan haben. So sagte sie denn nur mit leiser Erregung:

»Bitte, erkundige Dich, was andere Frauen zahlen, und dann schilt, wenn Du es für recht hältst.«

Darauf verließ sie die Küche.

»Aber Kind, ich schelte ja gar nicht,« rief Barbara ihr nach, doch Maria wollte sie nicht hören, stieg schnell die Treppe hinauf und verschloß sich in ihre Kammer. Um die Freudigkeit war es wieder geschehen.

Um Sonntag ging sie in die Kirche. Nach Tisch füllte sie Adrian, welcher mit einigen Freunden eine Bootfahrt unternehmen wollte, das leinene Umhängetäschchen mit Mundvorrath und setzte sich dann in ihrer Kammer an's Fenster. Stattliche Herren, und unter ihnen manches Mitglied des Rathes, kamen mit ihren geputzten Frauen und Kindern bei ihr vorüber, Mädchen mit Blumen am Busen gingen zu Zweien und Dreien Arm in Arm auf dem Fußweg neben der Gracht dahin, um vor dem Zylthore auf dem Dorfe zu tanzen. Still und mit sittsam niedergeschlagenen Augen zogen sie fürbaß, aber manche Wange färbte sich roth und mehr als ein mühsam verhaltenes Lachen flog um frische Lippen, wenn die Bürgerssöhne, welche den gemessen dahinschreitenden Jungfrauen so beweglich und lustig folgten, wie behende Möven dem Schiff, sich in neckenden Scherzreden ergingen, oder ihnen Worte zuraunten, welche kein Dritter zu hören brauchte.

Heiter und sorglos erschien Alles, was dem Zylthore zustrebte, und man sah es jedem Gesicht an, wie frohe Stunden man draußen in der freien Luft und auf den sonnigen Wiesen zu finden erwartete. Auch der Bürgemeisterin erschien das, was diese hinauszog, schön und begehrenswerth, aber was sollte sie bei den Frohen, mit beklommenem Herzen allein unter Fremden? Der Schatten der Häuser kam ihr heute besonders dunkel, die Stadtluft dumpfer als sonst vor, und es wollte ihr scheinen, als wäre der Frühling für alle Menschen gekommen, große und kleine, alte und junge, nur nicht für sie.

Die Bauten und die Bäume zur Seite der Achtergracht warfen schon längere Schatten und der über den Dächern schwebende goldige Duft begann sich mit zartem Hortensienroth zu vermischen, als Maria einen Reiter herantraben hörte. Sie richtete sich straff auf und ihr Herz schlug heftig. Sie wollte Peter anders empfangen als sonst, sie mußte offen gegen ihn sein und ihm zeigen, wie ihr zu Sinn war, und daß es so nicht fortgehen könne, ja sie suchte schon nach geeigneten Worten für das, was sie ihm zu sagen hatte. Da hielt das Roß vor der Thür. Sie trat an's Fenster und sah, wie ihr Gatte sich aus dem Sattel schwang und freudig zu ihrer Kammer hinaufschaute. Sie grüßte nicht zu ihm hernieder, aber ihr Herz zog sie zu ihm hin. Alles Denken, alles Grübeln war vergessen und mit beflügelten Schritten eilte sie den Gang hinunter und auf die Treppe zu. Er hatte indessen die Hausflur betreten, und sie rief ihm seinen Namen hinunter. »Kind, Maria, da bist Du!« scholl es hinauf, und behend wie ein Jüngling stürmte er die Treppe hinan, traf mit ihr auf einer der obersten Stufen zusammen und zog sie mit überströmender Zärtlichkeit an das Herz.

»Endlich, endlich hab' ich Dich wieder,« rief er freudig und drückte die Lippen auf ihre Augen und ihr duftendes Haar. Sie hatte die Hände fest um seinen Hals geschlungen, er aber machte sich von ihnen frei, hielt sie in den seinen und fragte: »Sind Barbara und Adrian zu Hause?«

Sie schüttelte verneinend den Kopf.

Da lachte er, bückte sich ein wenig, hob sie wie ein Kind in die Höhe und trug sie in sein Zimmer. Wie ein schöner Baum neben dem brennenden Hause von der nahen Glut erfaßt wird, ob man ihn gleich mit kaltem Naß vor den Flammen zu schützen versucht hat, so wurde sie trotz ihres tagelang gehegten Vorsatzes, ihn kühl zu empfangen, von der Wärme seiner Gefühle ergriffen. Sie freute sich innig seines Besitzes und glaubte ihm willig, als er ihr mit zärtlichen Worten bekannte, wie schmerzlich er die Trennung empfunden, wie schwer er sie vermißt und wie deutlich er, dem sonst die Fähigkeit mangle, sich einen Abwesenden vorzustellen, ihr Bildniß vor Augen gehabt habe.

Wie warm und mit wie tief überzeugenden Tönen wußte er heute seiner Liebe Ausdruck zu geben! Sie war doch ein glückliches Weib, und sie zeigte ihm auch rückhaltlos, daß sie es war.

Barbara und Adrian kehrten heim, und nun gab es bei der Abendmahlzeit viel zu erzählen. Peter hatte manches Seltsame auf der Reise erlebt und neue Hoffnung gewonnen, der Knabe war auf der Schule ausgezeichnet worden und Lieschens Krankheit konnte schon eine Gefahr genannt werden, welche ein glückliches Ende genommen. Barbara strahlte vor Freude, denn zwischen Maria und ihrem Bruder schien wieder Alles im Gleichen zu sein.

Die schöne Sommernacht im April ging freundlich vorüber.

Als Maria am folgenden Morgen ihre Flechten mit schwarzem Sammet durchflocht, war sie dankbar bewegt, denn sie hatte Muth gefunden, Peter zu sagen, daß sie einen größeren Antheil an seinen Sorgen zu empfangen begehre als bisher, und freundliche Zusage erhalten. Ein würdigeres, reicheres Leben, so hoffte sie, werde von nun an für sie beginnen. Heute noch sollte er ihr erzählen, was er mit dem Prinzen und zu Dortrecht verhandelt und bewirkt hatte, denn bisher war von alledem kein Wart über seine Lippen gekommen.

Barbara, welche in der Küche herumhantirte und eben drei junge Hühner ergreifen wollte, um sie zu schlachten, ließ sie noch ein wenig leben und warf ihnen sogar eine halbe Hand voll Gerste in den Käfig, als sie ihre Schwägerin singend die Treppe herunterkommen hörte. Die abgebrochenen Takte aus Wilhelm's neuestem Madrigal klangen ihr so lieblich und verheißungsvoll wie der erste Ruf der Nachtigall, den der Gärtner am Ende eines langen Nachwinters vernimmt. Es wurde wieder Frühling im Haus und ihr gutes, rundes Gesicht schaute, wie die Sonnenblumenscheibe aus den grünen Kelchblättern, hell und ohne Trübung aus der großen Haube hervor, als sie Maria zurief:

»Heute hast Du einen guten Tag, Kind; wir wollen die Dauerbutter einschmelzen und Schinken salzen.«

Das klang so froh, als habe sie ihr eine Einladung in's Paradies zu überbringen, und Maria half ihr gern bei der Arbeit, welche ungesäumt ihren Anfang nahm. Wenn die Wittwe die Hände regte, so durfte die Zunge nicht still stehen, und das, was zwischen Peter und seinem jungen Weibe vorgefallen sein mochte, erregte ihre Neugier nicht wenig.

Geschickt genug wußte sie die Rede auf den Heimgekehrten zu bringen, und wie von ungefähr fiel die Frage:

»Hat er auch schon Abbitte geleistet wegen seines Aufbruchs am Hochzeitstage?«

»Ich weiß ja; er konnte nicht bleiben.«

»Gewiß nicht, gewiß nicht; aber wer sich grün macht, den fressen die Ziegen. Man muß den Männern nicht zu viel durchgehen lassen. Geben, aber auch nehmen. Erlittenes Unrecht ist ein Gulden, für den man sich in der Ehe ein Kalb kauft.«

»Ich mag mit Peter nicht handeln, und wenn mir auch Dies und Das auf der Seele lag, so hab' ich es gern nach so langer Trennung vergessen.«

»Nasses Heu kann die Scheune verderben, und wem der Hase in den Kohl läuft, der mag ihn fangen! Was den Menschen quält, das soll er nicht aufbewahren, sondern an's Licht bringen; dazu hat er die Zunge, und gestern war der rechte Tag, um mit Allem, was Dich bedrückt, reinen Tisch zu machen.«

»Er war so guten Muthes, als er heimkam, und dann: Warum glaubst Du denn, daß ich mich unglücklich fühle?«

»Unglücklich? Wer hat das gesagt?«

Maria erröthete, die Wittwe aber griff nach dem Messer und öffnete den Käfig der Hühner.

Trautchen half den beiden in der Küche thätigen Frauen; sie wurde aber oft in der Arbeit unterbrochen, denn der Klopfer an der Hausthür fand an diesem Morgen keine Ruhe, und die da eintraten, mußten dem Bürgemeister wenig Erfreuliches bringen, denn seine tiefe, grollende Stimme war manchmal bis in die Küche vernehmbar.

Am längsten hatte er mit dem Stadtsekretär van Hout zu verhandeln, der nicht bloß als Wißbegieriger und Berichterstatter, sondern auch als Kläger zu ihm gekommen war.

Es gewährte ein nicht gewöhnliches Schauspiel, als diese beiden Männer, welche nicht nur an Gestalt, sondern auch an sittlichem Ernst und begeisterter Hingabe an die Sache der Freiheit ihre Mitbürger hoch überragten, im Wechselgespräch die Meinungen klärten und dem Groll gemeinsamen Ausdruck gaben. Der schnell entflammte, rastlose und phantasiereiche van Hout führte die erste Stimme, der langsame und nüchterne van der Werff hielt mit gewichtigem Ernst die zweite.

Unter den Vätern der Stadt, der Vroodschaft, den Reichen aus alten Geschlechtern, den großen Webern und Brauern herrschte üble Gesinnung, denn Habe, Leben und Ansehen ging ihnen über Religion und Freiheit, während der arme Mann, welcher im Schweiße seines Angesichts die Seinen mühevoll durchbrachte, freudig entschlossen war, Gut und Blut für die gute Sache zu opfern.

Schwierigkeiten über Schwierigkeiten gab es zu heben. Die Gerüste und Schuppen, Rahmen und alles andere Holzwerk, welches einem Mann zum Versteck dienen konnte, sollte, wie früher schon Alles, was sich an Landhäusern und anderen Gebäuden in der Nähe der Stadt befunden hatte, der Erde gleich gemacht werden. Viel neu errichtetes Holzwerk war schon beseitigt, aber die Reichen sträubten sich am längsten, die Axt an das ihre zu legen. Bei dem wichtigen Fort von Valkenburg hatte man neue Erdwerke aufzurichten begonnen; doch gehörte ein Theil des Bodens, auf dem die Arbeiter zu graben hatten, einem Brauer, und dieser verlangte für seine beschädigte Wiese eine große Entschädigungssumme. Bei der im März aufgehobenen Belagerung hatte man Papiergeld hergestellt, runde Pappstücke, auf deren einer Seite der niederländische Löwe mit der Umschrift »Haec libertatis ergo« stand, während auf der andern das Wappen der Stadt und der Spruch »Gott behüte Leyden« zu sehen war. Dieses sollte nun gegen klingende Münze oder Brodfrucht eingetauscht werden, aber wohlhabende Spekulanten hatten sich in den Besitz vieler Stücke gesetzt und versuchten, ihren Werth in die Höhe zu treiben. Anforderungen jeder Art traten an ihn heran, und bei alledem mußte der Bürgemeister auch an seine eigenen Angelegenheiten denken, denn bald konnte jeder Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten werden, und es galt, mit dem Vertreter seines Geschäfts in Hamburg Vieles in's Reine zu bringen. Es drohten große Verluste, aber er ließ nichts unversucht, um das, was noch zu retten war, für die Seinen in Sicherheit zu bringen.

Weib und Kinder sah er nur selten; dennoch glaubte er das Versprechen, welches ihm Maria am Abend nach seiner Heimkehr abgenommen hatte, zu erfüllen, wenn er ihre Fragen kurz beantwortete oder ihr aus freien Stücken einige Sätze zuwarf wie: »Es ging heute heiß her auf dem Rathhause!« oder: »Der Umtausch der Nothmünze macht doch mehr Schwierigkeiten, als man gedacht hat.« Vertraute zu haben und sich mitzutheilen, dies freundliche Bedürfniß besaß er nicht, und seine erste Frau war von Herzen zufrieden und glücklich gewesen, wenn er in ruhigen Zeiten still neben ihr gesessen, sie seinen Schatz genannt, sich an den Kindern gefreut oder auch nur ihre Waffeln und Sonntagsbraten gelobt hatte. Die Geschäfte wie die öffentlichen Angelegenheiten waren seine, die Küche und Kinderstube ihre Sache gewesen. Was sie getheilt hatten, war das Bewußtsein der Liebe, welche Eins für das Andere empfand, waren die Kinder, war das Ansehen, waren die Ehre und der Besitz des Hauses gewesen.

Maria verlangte mehr, und er war auch gewillt, es ihr zu gewähren, aber wenn sie den schwer ermüdeten Mann des Abends mit Fragen bedrängte, welche er sonst nur aus dem Munde von Männern zu hören gewohnt war, so vertröstete er sie mit der Antwort auf ruhigere Zeiten oder entschlummerte wohl auch inmitten ihres wißbegierigen Drängens.

Sie sah, wie viel auf ihm lastete, wie unermüdlich er schaffte – aber warum wälzte er nicht einen Theil der Arbeit auf andere Schultern?

Einmal ging er mit ihr bei schönem Wetter auf's Land. Da ergriff sie die Gelegenheit und stellte ihm vor, daß er es sich selbst und ihr schuldig sei, sich mehr Ruhe zu gönnen.

Geduldig hörte er ihr zu, und als sie mit ihren Bitten und Mahnungen zu Ende war, nahm er ihre Hand in die seine und sprach:

»Du bist ja auch Herrn Marnix von St. Aldegonde begegnet und weißt, was ihm die Sache der Freiheit verdankt. Kennst Du seinen Wahlspruch?«

Sie nickte mit dem Haupte und antwortete leise: »Repos ailleurs.«

»Wo anders können wir rasten,« wiederholte er fest.

Da ergriff sie ein leiser Schauer, und während sie ihm die Hand entzog, mußte sie denken: »Wo anders; – hier also nicht. Ruhe und Glück haben hier keine Heimat.« Sie sprach diese Worte nicht aus, aber sie wollten ihr nicht aus dem Sinn.


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