Alexander Dumas
Der Frauenkrieg
Alexander Dumas

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Achtes Kapitel.

Die Rückkehr der Belagerer nach Bordeaux bot ein trauriges Schauspiel. Die Bürger waren triumphierend ausgezogen, denn sie rechneten auf ihre Anzahl und auf die Geschicklichkeit ihrer bewährten Führer.

Ein allgemeines Murren der Trauer und Bestürzung erfüllte nun die große Stadt. Die Soldaten kehrten nach Hause, um das Unglück jeder auf seine Weise zu erzählen. Die Anführer begaben sich zu der Prinzessin, die bei dem Präsidenten Wohnung genommen hatte.

Die stolze Frau von Condé, die einem ruhmreichen kriegerischen Geschlecht entstammte, vernahm zähneknirschend und mit dem Fuße stampfend den Bericht von dem völligen Fehlschlag der Überrumpelung und von der unerschrockenen Verteidigung des Platzes, während Frau von Cambes die Schläge ihres Herzens nicht zu mäßigen vermochte, als sie so laut das Lob des ihr so teuren Gouverneurs verkünden hörte.

Als aber die Abgesandten der Bordolesen, an ihrer Spitze d'Espagnet, erschienen und sich zu jedem Opfer bereit erklärten, um die Insel durch einen neuen heftigeren, mit der doppelten oder dreifachen Truppenmacht unternommenen Sturm zu erobern, faßte Frau von Condé neuen Mut. Claire aber sagte: »Ich zweifle, ob Ihr Saint-George nehmen werdet, solange Herr von Canolles am Leben ist.«

»Wohl,« erwiderte d'Espagnet, »wir töten ihn oder lassen ihn töten und erobern dann Saint-George.«

Frau von Cambes drängte einen Angstschrei zurück, der aus ihrer Brust hervorbrechen wollte.

»Will man Saint-George nehmen?« rief sie.

»Wie! ob man es will?« rief die Prinzessin. »Ich glaube wohl, denn man will nichts weiter als dies.«

»Wohl,« sagte Frau von Cambes, »man lasse mich handeln, und ich überliefere den Platz.«

»Bah!« entgegnete die Prinzessin, »du hast mir dies bereits einmal versprochen und bist gescheitert.«

»Ich hatte Eurer Hoheit versprochen, einen Versuch bei Herrn von Canolles zu machen. Dieser Versuch ist gescheitert, ich fand Herrn von Canolles unbeugsam.«

»Hoffst du ihn nach seinem Siege zugänglicher zu finden?« – »Nein. Diesmal sagte ich Euch auch nicht, ich würde den Gouverneur, sondern ich würde den Platz überliefern.«

»Wie soll das geschehen?« – »Indem ich Eure Soldaten bis in den Hof der Festung führe.«

»Seid Ihr eine Fee, Madame, daß Ihr eine solche Arbeit übernehmt?« fragte Larochefoucault. – »Nein, mein Herr, ich bin Grundherrin.«

»Ihr scherzt?« – »Nein, nein,« sagte Lenet, »in den drei Worten, die Frau von Cambes soeben ausgesprochen hat, scheint mir viel zu liegen.«

»Das genügt mir,« sagte die Vicomtesse, »die Ansicht Herrn Lenets ist alles für mich. Ich wiederhole also, daß Saint-George genommen ist, wenn man mich ein paar Worte mit Herrn Lenet allein sprechen lassen will.«

»Madame,« versetzte Frau von Tourville, die Vicomtesse unterbrechend, »ich nehme Saint-George ebenfalls, wenn man mich gewähren läßt.«

»Laßt zuerst Frau von Tourville ihren Plan laut auseinandersetzen,« sagte Lenet, Frau von Cambes zurückhaltend, die ihn in einen Winkel ziehen wollte, »dann werdet Ihr mir den Eurigen leise mitteilen.«

»Sprecht, Madame,« sagte die Prinzessin.

»Ich breche in der Nacht mit fünfundzwanzig Barken auf, die zweihundert Musketiere führen; eine andere Truppe von derselben Zahl schleicht längs dem rechten Ufer hin; vier- bis fünfhundert andere marschieren am linken Ufer hinauf; während dieser Zeit machen tausend bis zwölfhundert Bordolesen . . .«

»Gebt wohl acht, Madame,« sagte Larochefoucault, »es sind bereits tausend bis zwölfhundert Mann in Anspruch genommen.«

»Ich nehme Saint-George mit einer einzigen Kompanie,« rief Claire; »gebt mir Navailles, und ich stehe für alles.«

»Das ist in Betracht zu ziehen,« sagte die Prinzessin, während Larochefoucault verächtlich lächelnd und mitleidig die Frauen anschaute, die über Kriegsangelegenheiten, welche die kühnsten und unternehmendsten Männer in Verlegenheit setzten, so leicht urteilten.

»Ich höre,« sagte Lenet. »Kommt, Madame.« Und er führte die Vicomtesse in eine Fenstervertiefung.

Claire flüsterte ihm ihr Geheimnis in das Ohr, und es entschlüpfte Lenet ein Freudengeschrei.

»In der Tat,« sagte er, sich zur Prinzessin wendend, »wenn Ihr diesmal Frau von Cambes unumschränkte Vollmacht geben wollt, so ist Saint-George genommen.«

»Und wann dies?« – »Wann man will.«

»Die Frau Vicomtesse ist ein großer Kapitän,« sagte Larochefoucault ironisch.

»Ihr werdet darüber urteilen, Herr Herzog,« erwiderte Lenet, »wenn Ihr im Triumph in Saint-George einzieht, ohne einen Flintenschuß getan zu haben.«

»Dann werde ich meine Billigung nicht verweigern.«

»Wenn die Sache so sicher ist, wie Ihr sagt,« sagte die Prinzessin, »so bereite man alles für morgen.«

»An dem Tage und in der Stunde, wie es Ihrer Hoheit belieben wird,« antwortete Frau von Cambes; »ich werde ihre Befehle in meinem Gemache erwarten.«

Nach diesen Worten verbeugte sie sich und ging in ihre Wohnung; die Prinzessin, die in einem Augenblick vom Zorn zur Hoffnung übergegangen war, tat dasselbe; Frau von Tourville folgte ihr. D'Espagnet entfernte sich ebenfalls, nachdem er seine Beteuerungen wiederholt hatte, und der Herzog befand sich allein mit Lenet.

»Mein lieber Lenet,« sagte der Herzog, »da sich die Frauen des Krieges bemächtigt haben, so wäre es, glaube ich für die Männer gut, ein wenig zu intrigieren. Ich habe von einem gewissen Cauvignac sprechen hören, der beauftragt ist, für Euch eine Kompanie zu rekrutieren; man hat ihn mir als einen gewandten Burschen geschildert und ich verlangte nach ihm; kann man ihn wohl sehen?« – »Monseigneur, er wartet.«

»Er mag kommen.«

Lenet zog an einer Klingelschnur; ein Diener erschien.

»Führt den Kapitän Cauvignac ein,« sagte Lenet.

Einen Augenblick nachher zeigte sich unser alter Bekannter auf der Schwelle. Aber stets klug, blieb er hier stehen.

»Nähert Euch, Kapitän,« sagte der Herzog, »ich bin der Herzog von Larochefoucault.«

»Monseigneur,« antwortete Cauvignac, »ich kenne Euch sehr wohl.«

»Ah! desto besser. Ihr habt den Auftrag erhalten, eine Kompanie anzuwerben?« – »Sie ist geworben.«

»Wieviel Mann habt Ihr zu Eurer Verfügung?« – »Hundertundfünfzig.«

»Gut equipiert, gut bewaffnet?« – »Gut bewaffnet, schlecht equipiert. Die Waffen waren für mich die Hauptsache. Was die Equipierung betrifft, so fehlte es an Geld, da ich ein sehr uneigennütziger Mensch bin, einzig und allein von meiner Liebe für die Herren Prinzen angetrieben wurde und von Herrn Lenet nur zehntausend Livres erhalten hatte.«

»Und mit zehntausend Livres habt Ihr hundertundfünfzig Soldaten angeworben?« – »Ja, Monseigneur,«

»Das ist wunderbar.«

»Monseigneur, ich habe nur mir allein bekannte Mittel, mit deren Hilfe ich zu Werke gehe.«

»Und wo sind diese Leute?« – »Sie sind hier, Monseigneur; Ihr sollt sehen, wie schön die Kompanie ist, besonders in moralischer Beziehung; lauter Leute von Stand; nicht ein einziger Schlucker aus dem Bauernvolk.«

Der Herzog von Larochefoucault trat ans Fenster und sah wirklich auf der Straße hundertundfünfzig Menschen von jedem Alter, von jedem Stand, durch Ferguzon, Barrabas und ihre drei Gefährten in zwei Reihen gehalten. Sie sahen weit mehr wie Banditen, als wie eine Kompanie Soldaten aus.

»Habt Ihr einen Befehl in Beziehung auf Eure Leute erhalten?« – »Ich habe den Befehl erhalten, sie nach Vayres zu führen, und erwarte nur die Bestätigung dieses Befehls durch den Herrn Herzog, um meine ganze Kompanie an Richon zu übergeben.«

»Aber Ihr bleibt nicht bei ihnen in Vayres?« – »Nein, Monseigneur, es ist mein Grundsatz, nie die Dummheit zu begehen, mich zwischen vier Mauern einzuschließen, wenn ich im freien Felde umherstreifen kann.

»Wohl, so verweilt, wo es Euch beliebt, aber bringt Eure Leute nach Vayres.«

»Dann sollen sie also einen Teil der Garnison unter dem Befehle von Herrn Richon bilden?« – »Ja.«

»Aber, Monseigneur, wie steht es mit der Bezahlung?«

»Sagtet Ihr nicht, Ihr hättet zehntausend Livres empfangen?« – »Ja, auf Abschlag. Fragt Herrn Lenet, der ein zuverlässiger Mann ist und sich gewiß unserer Übereinkunft erinnert.«

Der Herzog wandte sich an Lenet.

»Er spricht die Wahrheit,«, sagte der tadellose Rat; »wir haben Herrn Cauvignac zehntausend Livres bares Geld für die ersten Auslagen gegeben; ihm aber, abgesehen von dem Verbrauch dieser zehntausend Livres, noch hundert Taler für den Mann versprochen.«

»Dann sind wir dem Kapitän fünfunddreißigtausend Livres schuldig?« – »Ganz richtig, Monseigneur.«

»Man wird sie Euch geben und zwar innerhalb acht Tagen.

»Wenn wir aber in acht Tagen nicht bezahlt haben?« sagte Lenet.

»Dann werde ich wieder Herr meiner Kompanie,« antwortete Cauvignac.

»Das ist nur zu billig,« sprach der Herzog.

»Und ich mache damit, was ich will.«

»Da sie Euch gehört.«

»Jedoch . . .« bemerkte Lenet.

»Bah!« sagte der Herzog, »wir werden sie in Vayres eingeschlossen halten.«

»Ich liebe solchen Handel nicht,« erwiderte Lenet, den Kopf schüttelnd.

Der Kapitän ging darauf hinab, sagte Ferguzon zwei Worte in das Ohr, und die Kompanie Cauvignac marschierte, von vielen Neugierigen begleitet, die ihr seltsamer Anblick versammelt hatte, nach dem Hafen, wo die drei Schiffe ihrer harrten, auf denen sie die Dordogne hinauf nach Vayres fahren sollte, während ihr Führer, getreu den einen Augenblick vorher gegen den Herzog von Larochefoucault ausgedrückten Freiheitsgrundsätzen, ihr mit verliebten Blicken nachschaute.

Inzwischen schluchzte und betete die Vicomtesse, die sich in ihre Gemächer zurückgezogen hatte.

»Ach!« sagte sie, »ich konnte ihm die Ehre nicht ganz retten, aber ich werde ihm wenigstens den Schein wahren. Er soll nicht durch die Gewalt besiegt werden; denn ich kenne ihn, er wird sich verteidigend sterben; er muß durch den Verrat zu unterliegen scheinen. Wenn er dann erfährt, was ich für ihn getan und besonders in welcher Absicht ich es getan habe, wird er mich, obgleich besiegt, noch segnen.«

Und durch diese Hoffnung beruhigt, erhob sie sich, schrieb einige Worte, die sie an ihrer Brust verbarg, und ging zu der Prinzessin, die sie hatte rufen lassen, um mit ihr den Verwundeten Hilfe, den Witwen und Waisen Trost und Geld zu bringen.

Die Prinzessin versammelte alle, die an dem Zuge teilgenommen hatten; sie erhob in ihrem Namen und in dem des Herrn Herzogs von Enghien die Taten der Männer, die sich ausgezeichnet hatten, sprach lange mit Ravailly, der, den Arm in der Binde, ihr schwor, er sei bereit, am andern Tage wieder anzufangen, legte ihre Hand auf die Schulter d'Espagnets und sagte ihm, sie betrachte ihn und seine braven Bordolesen als die festesten Stützen ihrer Partei; erregte endlich die Phantasie aller so gut, daß die Entmutigsten feierlich gelobten, sie würden sich rächen, und auf der Stelle nach der Insel Saint-George zurückkehren wollten.

»Nicht auf der Stelle,« sagte die Prinzessin, »benutzt den Tag und die Nacht zur Ruhe, und übermorgen werdet Ihr die Insel auf immer gewinnen.«

Diese Versicherung, mit fester Stimme ausgesprochen, wurde mit lauten Rufen kriegerischen Eifers aufgenommen. Aber alle diese Rufe trafen tief das Herz der Vicomtesse, denn sie erschienen ihr wie ebensoviele das Leben ihres Geliebten bedrohende Dolche.

»Du siehst, wozu ich mich anheischig gemacht habe, Claire,« sagte die Prinzessin; »es ist deine Sache, meine Schuld gegen diese Tapferen abzutragen.«

»Seid unbesorgt, Madame,« antwortete die Vicomtesse, »ich werde halten, was ich versprochen habe.«

An demselben Abend ging ein Eilbote nach Saint-George ab.



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