Alexander Dumas
Der Frauenkrieg
Alexander Dumas

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Achtes Kapitel.

Chantilly

Folgen wir jetzt den Prinzessinnen des Hauses Condé in die Verbannung nach Chantilly, von der Richon dem Vicomte erzählt hatte, so sehen wir unter den mit Blütenschnee überstreuten Alleen von Kastanienbäumen einen Schwarm von Spaziergängern, lachend, plaudernd und singend, beständig sich umher bewegen.

Die Dame in der Mitte ist die Frau Prinzessin-Witwe, die Mutter des Siegers von Rocroy, Nördlingen und Lens, des großen Condé, dessen Sohn Mazarin gewagt hat ins Gefängnis zu sperren, während er die Mutter, sowie die Gemahlin des edlen Gefangenen nach Chantilly verbannt hat.

Die Dame rechts ist Claire Clémence von Maillé, Prinzessin von Condé.

Die Gefangenschaft ihres Gatten gab ihrem Hochmut einen Anschein von heldenhaftem Märtyrertum; sie erschien beklagenswert als eine Witwe, und ihr fast siebenjähriger Sohn, der Herzog von Enghien, interessanter als eine Waise. Die Augen sind auf sie gerichtet, und ohne Furcht, sich lächerlich zu machen, ist sie in Trauer gekleidet. Und die Königin-Witwe sowie Mazarin hören nicht auf, Furcht zu empfinden vor diesem Themistokles im Unterrock, dem als Duenna die eigensinnige und intrigante Marquise von Tourville zur Seite stand.

Die genannten drei Frauen wandeln voll gespannter Erwartung auf und nieder und wenden ihre Blicke immer wieder dem Haupttore des Schlosses zu. Bereits hat die Prinzessin-Witwe unter wiederholtem Kopfschütteln und Seufzen gesagt: »Wir werden scheitern, meine Tochter, wir werden gedemütigt werden.«

»Großen Ruhm kann man nicht wohlfeil haben,« entgegnete Frau von Tourville, »und es gibt keinen Sieg ohne Kampf!«

»Wenn wir scheitern, wenn wir besiegt werden,« versetzte die junge Prinzessin, »so werden wir uns rächen.«

»Madame,« sagte die Prinzessin-Witwe, »wenn wir scheitern, so hat Gott den Herrn Prinzen besiegt. Wolltet Ihr Euch an Gott rächen?«

Die junge Prinzessin verbeugte sich vor der erhabenen Demut ihrer Schwiegermutter, und auf diese Art sich bekomplimentierend und gegenseitig beräuchernd, hatten die drei Personen viel Ähnlichkeit mit einem Bischof und seinen zwei Diakonen, die Gott zum Vorwand der Huldigungen nehmen, die sie einander darbringen.

»Weder Herr von Turenne, noch Herr von Larochefoucault, noch Herr von Bouillon ist zu unserm Beistand hier,« murmelte die Witwe; »alles fehlt zugleich.«

»Auch Geld!« versetzte Frau von Tourville.

»Und auf wen soll man zählen,« sagte die Prinzessin, »wenn Claire selbst uns vergißt?«

»Wer sagt Euch, meine Tochter, daß Frau von Cambes Euch vergißt?« – »Sie kommt nicht zurück!«

»Vielleicht ist sie verhindert; die Wege sind so unsicher, wie Ihr wißt.«

»Und an alledem,« sagte Frau von Tourville, »ist Herr Lenet schuld, Herr Pierre Lenet,« wiederholte sie mit Nachdruck, »dieser hartnäckige Ratgeber, den Ihr fortwährend behaltet, während er nur dazu taugt, unsern Plänen in den Weg zu treten. Hätte er meinen zweiten Plan nicht vereitelt, der, wie Ihr Euch erinnert, dahin ging, Schloß Vayres, die Insel Saint-George und die Veste Blaye durch Überrumpelung zu nehmen, so würden wir Bordeaux jetzt belagert halten, und Bordeaux müßte kapitulieren.«

»Ohne der Meinung Ihrer Hoheiten vorgreifen zu wollen, wäre es mir lieber, wenn es sich von selbst anböte,« sagte hinter Frau von Tourville eine Stimme, deren achtungsvoller Ton nicht ganz frei von ironischer Färbung war. »Eine Stadt, die kapituliert, weicht der Gewalt und macht sich zu nichts verbindlich; eine Stadt, die sich von selbst anbietet, kompromittiert sich und ist genötigt, bis zum Ende dem Glück derer zu folgen, denen sie sich angeboten hat.«

Die drei Damen wandten sich um und erblickten Pierre Lenet, der durch eine Nebentür des Schlosses auf die Terrasse getreten war und sich ihnen von hinten genähert hatte.

Was Frau von Tourville gesagt hatte, entsprach teilweise der Wahrheit. Pierre Lenet, der Ratgeber des Prinzen, ein kalter, gescheiter, ernster Mann, war von seinem Herrn beauftragt, Freunde und Feinde zu überwachen, und es machte ihm allerdings viel mehr Mühe, die Freunde des Prinzen an Gefährdung seiner Sache zu verhindern, als die schlimmen Pläne seiner Feinde zu bekämpfen. Aber geschickt und verschmitzt wie ein Advokat, an die Schikanen und Ränke des Hofes gewöhnt, siegte er gewöhnlich durch irgendeine glückliche Gegenmine oder durch seine unerschütterliche Gelassenheit. Gerade in Chantilly selbst aber lieferte er seine geistreichsten Schlachten. Die Eitelkeit der Frau von Tourville, die Ungeduld der Prinzessin, die aristokratische Unbeugsamkeit der Witwe waren schwerer zu überwinden, als die Schlauheit Mazarins, der Stolz Annas von Österreich und die Unentschlossenheit des Parlaments.

Aber trotz des Widerstandes, den sie bei ihm finden mußten, erkannten die Prinzessinnen die Ergebenheit und besonders die Nützlichkeit Pierre Lenets und nahmen daher seinen Rat mit freundschaftlicher Gebärde auf. Es zeigte sich sogar ein leichtes Lächeln auf den Lippen der Witwe.

»Nun, mein lieber Lenet, Ihr habt es gehört,« sagte sie, »Frau von Tourville beklagte sich oder beklagte vielmehr uns. Es geht immer schlechter und schlechter, lieber Lenet!«

»Madame,« erwiderte Lenet, »ich bin weit entfernt, die Dinge so schwarz zu sehen, wie Eure Hoheit. Ich hoffe viel von der Zeit und der Rückkehr des Glückes. Ihr kennt das Sprichwort: Geduld und Zeit machen alles möglich.«

»Geduld, Rückkehr des Glückes, das ist Philosophie, Herr Lenet, und nicht Politik!« rief die Prinzessin.

Lenet lächelte ebenfalls.

»Die Philosophie ist in allen Dingen nützlich, Madame, und besonders in der Politik. Sie lehrt uns beim Siege nicht stolz werden und bei einem Umschlag die Geduld nicht verlieren.«

»Gleichviel,« sagte Frau von Tourville, »ein guter Eilbote wäre mir lieber, als alle Eure Grundsätze. Nicht wahr, Frau Prinzessin?« – »Ja, ich muß es gestehen,« erwiderte Frau von Condé.

»Eure Hoheit wird befriedigt werden; denn sie wird heute drei erhalten,« versetzte Lenet mit derselben Kaltblütigkeit.

»Wie, drei?« – »Ja, Madame, den ersten hat man auf der Straße von Bordeaux gesehen, der zweite kommt von Stenay, und der dritte von Larochefoucault.«

Die beiden Prinzessinnen stießen einen Schrei freudigen Erstaunens aus. Frau von Tourville kniff sich in die Lippen.

In demselben Augenblick erblickte man zwei Reiter, die im Galopp durch das Gitter des Schlosses sprengten. Sogleich verließ ein Haufe von Neugierigen die Rasen- und Blumenbeete und drängte sich an das Geländer, um etwas von den Nachrichten zu erhaschen.

Die Reiter stiegen ab; einer von ihnen übergab dem andern, der sein Lakai zu sein schien, den Zügel seines von Schweiß triefenden Pferdes und ging oder lief vielmehr zu den Prinzessinnen, die er an einem Ende der Galerie erblickte, während er durch das andere eintrat.

»Claire!« rief die Prinzessin.

»Ja, Hoheit; empfangt meine Huldigung, Madame.«

Und ein Knie auf die Erde setzend, versuchte es der Jüngling, die Hand der Frau Prinzessin zu ergreifen, um sie ehrfurchtsvoll zu küssen.

»In meine Arme! teure Vicomtesse, in meine Arme!« rief Frau von Condé, sie aufhebend.

Und nachdem er sich mit allen Zeichen der Ehrfurcht von der Frau Prinzessin hatte umarmen lassen, wandte sich der Reiter zur Prinzessin-Witwe, vor der er sich achtungsvoll verbeugte.

»Sprecht rasch, liebe Claire!« sagte diese.

»Ja, sprich,« wiederholte Frau von Condé, »hast du Richon gesehen?«

»Ja, Hoheit, und er hat mir einen Auftrag an Euch gegeben.«

»Einen guten oder einen schlimmen?« – »Ich weiß es selbst nicht; er besteht in zwei Worten.«

»In welchen? Schnell, ich sterbe vor Ungeduld.«

Und die lebhafteste Angst war auf den Gesichtern der zwei Prinzessinnen ausgeprägt.

»Bordeaux – ja,« sagte Claire, selbst unruhig über die Wirkung, die diese zwei Worte hervorbringen würden.

Aber sie ward bald beruhigt, denn die Prinzessinnen erwiderten mit einem Triumphgeschrei, das Lenet vom Ende der Galerie herbeilockte.

»Lenet! Lenet! kommt, kommt!« rief die Prinzessin; »Ihr wißt nicht, welche Nachricht die gute Claire uns überbringt?«

»Doch, Madame,« erwiderte Lenet lächelnd, »ich weiß es, und deshalb beeilte ich mich nicht.«

»Wie! Ihr wißt es?« – »Bordeaux, ja! Nicht wahr?«

»In der Tat, mein lieber Pierre, Ihr seid ein Zauberer,« versetzte die ältere Dame.

»Aber wenn Ihr es wußtet,« sagte die Prinzessin in vorwurfsvollem Ton, »warum habt Ihr uns nicht durch ein paar Worte unserer Unruhe entzogen, die Ihr doch wahrnehmen mußtet?«

»Weil ich der Frau Vicomtesse von Cambes den Lohn für ihre Anstrengungen lassen wollte,« antwortete Lenet, indem er sich ganz bewegt vor Claire verbeugte, »und dann auch, weil ich den Freudenausbruch Eurer Hoheiten auf dieser Terrasse und vor aller Welt befürchtete.«

»Ihr habt recht, stets recht, Pierre, mein guter Pierre,« sagte die Prinzessin. »Wir wollen schweigen!«

»Und wir haben dies dem braven Richon zu verdanken,« versetzte die Prinzessin-Witwe. »Nicht wahr, Ihr seid zufrieden mit ihm, und er hat gut manövriert? Sagt, Lenet.«

»Richon ist ein Mann von Kopf und gewandter Ausführung,« sagte Lenet, »und Eure Hoheit mag glauben, wenn ich seiner nicht so sicher wie meiner selbst gewesen wäre, so hätte ich ihn Euch nicht empfohlen.«

»Was werden wir für ihn tun?« fragte die Frau Prinzessin.

»Man muß ihm einen Posten von Bedeutung geben,« erwiderte die Witwe.

»Einen Posten von Bedeutung? Was fällt Eurer Hoheit ein?« entgegnete Frau von Tourville; »sie vergißt, daß Richon kein Edelmann ist.«

»Ich auch nicht, Madame, ich auch nicht,« versetzte Lenet, »was den Herrn Prinzen, wie ich vermute, nicht abhält, einiges Vertrauen zu mir zu haben. Ich achte und bewundere gewiß den Adel Frankreichs, aber es gibt Umstände, unter denen, ich wage es zu behaupten, ein großes Herz mehr wert ist, als ein altes Wappen.«

»Und warum hat der gute Richon diese herrliche Kunde nicht selbst überbracht?« rief die Prinzessin.

»Er ist in Guienne geblieben, um eine gewisse Anzahl Leute zu sammeln; er sagt nur, er könne bereits auf etwa dreihundert Soldaten zählen; nur meint er, sie werden wegen der Kürze der Zeit zu schlecht dressiert sein, um sich im Felde zu halten, und es wäre ihm lieber, wenn man ihm das Kommando eines festen Platzes, wie Vayres oder Saint-Georges, gäbe. Da glaube er Euern Hoheiten am nützlichsten sein zu können.«

»Aber wie dies nun erlangen?« fragte die Prinzessin. »Wir stehen zur Zeit zu schlecht bei Hofe, um jemand zu empfehlen, und der, den wir empfehlen, würde sogleich verdächtig werden.«

»Madame,« sagte die Vicomtesse, »vielleicht hätte man ein Mittel, das mir Herr Richon selbst an die Hand gegeben hat.«

»Welches?« – »Herr von Epernon ist, wie es scheint,« fuhr die Vicomtesse errötend fort, »in ein gewisses Frauenzimmer verliebt.«

»Ah! ja, die schöne Nanon,« versetzte die Prinzessin verächtlich, »wir wissen das.«

»Nun, es scheint, daß der Herzog von Epernon dieser Frau nichts abzuschlagen vermag, und daß diese Frau alles bewilligt, was man ihr bezahlt. Könnte man nicht ein Patent für Herrn Richon von ihr erkaufen?« – »Das wäre gut angelegtes Geld,« sagte Lenet.

»Ja, aber die Kasse ist auf dem trockenen, Ihr wißt es wohl, Herr Rat.«

Lenet wandte sich lächelnd zu Frau von Cambes und sagte: »Das ist der Augenblick, Madame, Ihren Hoheiten zu beweisen, daß Ihr an alles gedacht habt.«

»Was wollt Ihr damit sagen, Lenet?« – »Er will damit sagen, Madame, daß ich so glücklich bin, Euch eine schwache Summe, die ich mit großer Mühe von meinen Pächtern eingezogen habe, anbieten zu können; der Betrag ist sehr gering, aber ich vermag im Augenblick nicht mehr.«

»Zwanzigtausend Livres!« fuhr die Vicomtesse, die Augen niederschlagend und zögernd fort, denn sie war ganz beschämt, daß sie Damen, die nach der Königin die ersten im Reiche waren, eine so kleine Summe anbieten sollte.

»Zwanzigtausend Livres!« riefen die Prinzessinnen.

»Das ist ein ganzes Vermögen in diesen Zeitläuften,« fügte die Witwe hinzu.

»Diese teure Claire!« rief die Prinzessin, »nie werden wir uns je unserer Schuld gegen sie entledigen!«

»Eure Hoheit mag später daran denken.«

»Und wo ist diese Summe?« fragte Frau von Tourville.

»In dem Gemach Ihrer Hoheit, wohin mein Stallmeister Pompée sie meinem Befehle gemäß getragen hat.«

»Lenet,« sagte die Prinzessin, »Ihr werdet Euch erinnern, daß wir diese Summe Frau von Cambes schuldig sind.«

»Sie ist schon in unser Passivum eingetragen,« erwiderte Lenet, zog sein Schreibebuch aus der Tasche und zeigte bei dem Datum des Tages die zwanzigtausend Livres der Vicomtesse, die bei einer Kolonne aufgerechnet waren, deren Gesamtsumme die Prinzessinnen hätte erschrecken müssen, wenn sie sich die Mühe gegeben hätten, zu addieren.

»Aber wie habt Ihr es gemacht, daß Ihr durchgekommen seid, liebe Schöne?« sagte die Prinzessin; »man sagt uns, Herr von Saint-Aignan halte die Straße besetzt und untersuche Menschen und Gegenstände gerade wie ein Steuereinnehmer.«

»Durch Pompées Klugheit, Madame, sind wir dieser Gefahr entgangen,« antwortete die Vicomtesse; »wir machten einen großen Umweg, der unsere Ankunft um anderthalb Tage verzögerte, aber unsere Reise sicherte; sonst wäre ich schon seit vorgestern bei Euer Hoheit.«

»Beruhigt Euch, Madame,« sagte Lenet, »es ist noch keine Zeit verloren, man hat nur den heutigen Tag und den morgigen gut anzuwenden. Eure Hoheit mögen sich erinnern, daß wir heute drei Kuriere erwarten; einer ist bereits eingetroffen, die zwei andern fehlen also noch.«

»Darf man den Namen der beiden andern erfahren?« fragte Frau von Tourville, immer in der Hoffnung, den Rat auf einem Versehen zu ertappen, denn sie führte gegen ihn einen Krieg, der wenn auch nicht erklärt, darum doch nicht minder ernster Natur war.

»Der erste wird, vermute ich, Gourville sein; er kommt vom Herzog von Larochefoucault.«

»Und der zweite?« fragte die Prinzessin.

»Der zweite ist Blanchefort, Kapitän der Garden des Herrn Prinzen. Er kommt aus Stenay von Herrn von Turenne.«

»Nun aber,« fügte er absichtlich die Vicomtesse bezeichnend, hinzu, »muß die Frau Vicomtesse der Ruhe bedürfen, denn die lange Reise . . .«

Die Vicomtesse begriff das Verlangen Lenets, mit den Prinzessinnen allein zu bleiben, machte, auf ein Lächeln der Witwe, das sie in diesem Gedanken bestätigte, eine ehrfurchtsvolle Verbeugung und entfernte sich.

Frau von Tourville blieb und versprach sich eine reiche Ernte geheimnisvoller Nachrichten, aber auf eine unmerkliche Gebärde der Witwe gegen ihre Schwiegertochter kündigten die beiden Prinzessinnen gleichzeitig durch eine zeremonielle Verbeugung Frau von Tourville an, das Ende der politischen Sitzung, zu der man sie berufen hatte, sei gekommen. Die Dame begriff die Aufforderung sofort, machte den Prinzessinnen eine noch viel ernstere und zeremoniösere Reverenz und entfernte sich, Gott zum Zeugen für den Undank der Fürsten nehmend.

Die Prinzessinnen gingen in ihr Kabinett, und Lenet folgte ihnen.

»Wenn nun,« sagte Lenet, nachdem er sich versichert hatte, daß die Tür geschlossen war, »Eure Hoheiten Gourville empfangen wollten, er ist angekommen und wechselt nur die Kleider, da er es nicht wagte, sich in seinem Reisegewand vor Euch zu zeigen.«

»Welche Kunde bringt er?« – »Die Kunde, daß Herr von Larochefoucault diesen Abend oder morgen mit fünfhundert Edelleuten hier sein wird.«

»Fünfhundert Edelleute!« rief die Prinzessin, »das ist eine ganze Armee.«

»Welche unsern Weg schwieriger machen wird. Mir wären fünf bis sechs Diener lieber gewesen, als dieser ganze Troß; wir hätten uns leichter Herrn von Saint-Aignan entzogen. Nun wird es beinahe unmöglich sein, den Süden zu erreichen, ohne beunruhigt zu werden.«

»Desto besser, wenn man uns beunruhigt,« rief die Prinzessin; »denn geschieht dies, so werden wir kämpfen und siegen; der Geist des Herrn von Condé wird mit uns marschieren.«

Lenet schaute die Prinzessin-Witwe an, als wollte er auch ihre Ansicht vernehmen; aber Charlotte von Montmorency hatte in ihrem Leben so viele hohe Häupter sich beugen sehen, um ins Gefängnis zu gehen oder auf das Blutgerüst zu rollen, und sie fuhr deshalb trauervoll an ihre Stirn und sagte: »Ja, das ist unsere Wahl: uns verbergen oder schlagen; ein furchtbares Ding! Wir lebten ruhig mit etwas Ruhm, den Gott unserem Hause gesandt hatte; wir wollten nur den Rang behaupten, in dem wir geboren sind, und nun treibt uns der Zufall zum Kampf gegen unsern Herrn.«

So wogte der Kampf zwischen dem kühnen Ungestüm der jungen Prinzessin und der besonnenen Erfahrenheit der Prinzessin-Witwe hin und her.

»Madame,« sagte Lenet, von der letzteren aufgefordert, seine Meinung zu sagen, »Euer Hoheit hat recht, aber wir sind zu weit gegangen, um nun zurückzuweichen; mehr noch; unter den Umständen, in denen wir uns befinden, handelt es sich darum, einen raschen Entschluß zu fassen, denn wir dürfen uns unsere Lage nicht verbergen. Wir sind nur scheinbar frei, die Königin hat ihre Augen auf uns gerichtet, und Herr von Saint-Aignan belagert uns. Wir müssen darauf bedacht sein, Chantilly trotz der Wachsamkeit der Königin und der Belagerung durch Herrn von Saint-Aignan zu verlassen.«

»Verlassen wir Chantilly, aber mit erhobenen Köpfen,« rief die Prinzessin.

»Ich bin auch dieser Ansicht,« sagte die Prinzessin-Witwe, »die Condé sind keine Spanier und verraten nicht; sie sind keine Italiener und schmieden keine Ränke; was sie tun, tun sie am lichten Tag und mit erhabener Stirn.«

»Madame,« erwiderte Lenet im Tone innerer Sicherheit, »Gott ist mein Zeuge, daß ich der erste bin, der die Befehle Eurer Hoheit vollzieht, wie sie auch lauten mögen; aber um Chantilly zu verlassen, wie Ihr dies tun wollt, müssen wir eine Schlacht liefern. Ohne Zweifel ist es nicht Eure Absicht am Tage des Kampfes Weiber zu sein, nachdem Ihr im Rate Männer gewesen seid; Ihr werdet an der Spitze Eurer Parteigänger marschieren, Ihr werdet Euren Soldaten das Kriegsgeschrei hinwerfen; aber Ihr vergeßt, daß neben Eurem kostbaren Dasein eine nicht minder kostbare Existenz zu tagen beginnt, die des Herrn Herzogs von Enghien, Eures Sohnes und Enkels; werdet Ihr Euch der Gefahr aussetzen, in demselben Grabe die Gegenwart und die Zukunft Eures Hauses zu begraben? Glaubt Ihr, Mazarin werde den Vater nicht als Geisel nehmen während der verwegenen Taten, die man im Namen des Sohnes ausführt? Kennt Ihr die Geheimnisse des Turmes von Vincennes nicht mehr, die auf eine so unselige Weise von dem Großprior von Vendôme, von dem Marschall von Ornano und von Puy-Laurent ergründet worden sind? Habt Ihr das unheilvolle Zimmer vergessen, das, nach dem Ausspruch der Frau von Rambouillet, wie Arsenik in das Gewicht fällt? Nein, meine Damen,« fuhr Lenet, die Hände faltend, fort, »nein, Ihr werdet Chantilly verlassen, wie es Frauen geziemt, die man verfolgt; erinnert Euch, daß Eure sicherste Wache die Schwäche ist. Ein Kind, das man seines Vaters, eine Frau, die man ihres Gatten beraubt, eine Mutter, der man ihren Sohn nimmt, entziehen sich, so gut sie können, der Falle, worin man sie festhielt. Wartet, um zu handeln und laut zu sprechen, bis Ihr dem Stärkeren nicht mehr als Bürgschaft dient; seid Ihr Gefangene, so werden Eure Parteigänger stumm bleiben; seid Ihr aber frei, so werden sie sich erklären, denn sie haben nicht mehr zu befürchten, daß man ihnen die Bedingungen Eurer Loskaufung diktiert. Unser Plan ist mit Gourville besprochen. Wir sind eines guten Geleites sicher, das uns erlaubt, die Beleidigungen auf dem Wege zu vermeiden, denn es stehen heute zwanzig verschiedene Parteien im Felde und erheben sich gegen Freund und Feind. Willigt ein; alles ist bereit.«

Während die junge Herzogin diesen Plan empört von sich wies, sagte die Witwe nach einem Augenblick des Zögerns: »Lieber Herr Lenet, überredet meine Tochter, denn ich meinesteils bin genötigt, hier zu bleiben. Ich habe bis jetzt gekämpft, aber endlich unterliege ich; der verzehrende Kummer, den ich umsonst zu verbergen suche, um meine Umgebung nicht zu entmutigen, wird mich an ein Schmerzenslager fesseln, das vielleicht mein Sterbebett sein wird. Doch Ihr habt recht, man muß vor allem auf Sicherung des Wohles der Condé bedacht sein. Meine Schwiegertochter und mein Enkel werden Chantilly verlassen und, wie ich hoffe, vernünftig genug sein, Eure Ratschläge, ich sage noch mehr, Eure Befehle, zu befolgen. Befehlt, Lenet, man wird vollziehen.«

»Ihr erbleicht, Madame!« rief Lenet, die Witwe unterstützend, welche die Prinzessin, von der plötzlichen Blässe beunruhigt, bereits in die Arme genommen hatte.

»Ja,« sagte die Witwe immer schwächer werdend, »ja, die guten Nachrichten von heute haben mir mehr wehegetan, als die Bangigkeiten der letzten Tage. Ich fühle, daß das Fieber mich verzehrt; aber lassen wir nichts davon laut werden, es könnte uns in einem solchen Augenblick schaden.«

»Madame,« sagte Lenet mit leiser Stimme, »die Unpäßlichkeit Eurer Hoheit wäre eine Wohltat des Himmels, wenn Eure Person nicht litte. Bleibt im Bette, verbreitet das Gerücht von dieser Krankheit. Ihr, Madame,« fuhr er, sich an die junge Prinzessin wendend, fort, »laßt Euern Arzt Bourdelot rufen, und da wir bald die Ställe und Equipagen werden in Anspruch nehmen müssen, laßt überall verlauten, es sei Eure Absicht, im Park einen Hirsch zu hetzen. Dann wird niemand überrascht sein, Menschen, Waffen und Pferde in Tätigkeit zu sehen.«

»Aber ein so vorsichtiger Mann, wie Ihr seid, Lenet, muß doch fühlen, daß man sich über diese seltsame Jagdpartie im Augenblick, wo meine Frau Mutter krank wird, wundern dürfte.«

»Es ist auch dafür vorgesehen, Madame. Wird nicht der Herr Herzog von Enghien übermorgen sieben Jahre alt und muß aus den Händen der Frauen in andere Hände übergehen?« – »Ja.«

»Wohl, wir sagen, diese Jagdpartie gelte der ersten Hose des jungen Prinzen, und Ihre Hoheit habe so sehr darauf bestanden, ihre Krankheit dürfe dieser Feier keinen Eintrag tun, daß Ihr dem Drängen habt nachgeben müssen.«

»Ein vortrefflicher Gedanke!« rief mit freudigem Lächeln die Witwe, ganz stolz auf diese erste Verkündigung der Männlichkeit ihres Enkels; »ja, der Vorwand ist gut, und in der Tat, Lenet, Ihr seid ein würdiger Rat.«

»Ihr gedenkt also zu reisen, Lenet?« sagte die Prinzessin.

»Übermorgen abend, Madame, wenn Eure Hoheit keinen Grund hat, ihre Abreise zu verzögern.«

»Oh! nein, im Gegenteil, wir wollen uns so bald als möglich aus unserem Gefängnis entfernen, Lenet.«

»Und was macht Ihr, seid Ihr einmal aus Chantilly?« fragte die Witwe.

»Wir ziehen durch das Heer des Herrn von Saint-Aignan, dem wir wohl eine Binde um die Augen zu legen imstande sein werden. Wir stoßen zu Herrn von Larochefoucault und seinem Geleite und gelangen nach Bordeaux, wo man uns erwartet. Sind wir einmal in der zweiten Stadt des Königreichs, in der Hauptstadt des Südens, so können wir unterhandeln oder Krieg führen, wie es Eueren Hoheiten beliebt. Übrigens beehre ich mich, Madame, Euch daran zu erinnern, daß wir selbst in Bordeaux keine Hoffnung haben, uns lange zu halten, wenn wir nicht in der Umgebung einige Plätze besitzen, welche die königlichen Truppen nötigen, eine Diversion zu machen. Zwei von diesen Plätzen sind besonders von großem Belang: Vayres, das die Dordogne beherrscht und das Einbringen der Lebensmittel in die Stadt gestattet, und die Insel Saint-Georges, die von den Bordolesen selbst als der Schlüssel ihrer Stadt betrachtet wird. Aber wir werden später hieran denken; für den Augenblick denken wir nur daran, von hier wegzukommen.«

»Ich glaube, es wird nichts leichter sein,« sagte die Prinzessin. »Wir sind allein und herrschen hier, was Ihr auch sagen möget, Lenet. Aber geleiten wir meine Frau Mutter in ihre Gemächer, schon heute werde ich das Gerücht von der Jagdpartie verbreiten, die wir übermorgen halten wollen. Veranlaßt die Einladungen, Lenet.«

»Verlaßt Euch auf mich, Madame.«

Die Witwe ging in ihre Wohnung zurück und legte sich zu Bette. Bourdelot, der Arzt des Hauses Condé und Lehrer des Herzogs von Enghien, wurde gerufen. Die Nachricht von der unerwarteten Unpäßlichkeit verbreitete sich alsbald in Chantilly, und in einer halben Stunde waren die Parke verlassen, und die Gäste drängten sich im Vorzimmer der Prinzessin-Witwe.

Lenet brachte den ganzen Tag mit Schreiben hin, und abends wurden mehr als fünfzig Einladungen durch zahlreiche Diener in allen Richtungen ausgetragen.



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