Alexander Dumas
Der Frauenkrieg
Alexander Dumas

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Zehntes Kapitel.

Mit ihren frischen Pferden holten die sechs Freibeuter bald das Jagdgefolge ein und mischten sich unter die Jäger. Mit seiner gewöhnlichen Bescheidenheit verhielt sich Cauvignac bald, als finde die Jagd nur seinethalben statt. Er entriß einem Piqueur das Horn, sprengte an der Spitze der Hetzmeister dahin, überholte den Jagdmeister, stieß wie ein Rasender ins Horn und gelangte auf den Hirsch in dem Augenblick, wo das Tier, nachdem es den Teich durchwatet hatte, vor Mattigkeit niedersank.

»Halali, Halali!« rief Cauvignac, »der Hirsch gehört uns! Corbleu! wir haben ihn!« als der Jagdmeister ihn mit seinem Messer auf die Seite drängte und ihm zurief: »Sacht, mein Herr, die Frau Prinzessin befehligt die Jagd. Es ist also ihre Sache, dem Hirsche den Fang zu geben oder diese Ehre dem Herrn zu überlassen, den sie dazu erwählt.«

Cauvignac wurde durch diese strenge Ermahnung zu sich selbst zurückgerufen, und als er ziemlich unwillig zurückwich, sah er sich plötzlich von der Menge der Jäger umgeben, die ihn inzwischen eingeholt hatten und nun einen Kreis um das Tier bildeten, das, von den erbitterten Hunden umzingelt, sich mit dem Rücken an eine Eiche anlehnte.

In demselben Augenblick sah man durch eine lange Allee die Prinzessin herbeisprengen, mit dem Herzog von Enghien, sowie den Edelleuten und Damen, die es sich zur Ehre geschätzt hatten, sie nicht zu verlassen. Sie war sehr aufgeregt, und man sah, daß sie diesen Scheinkrieg als Vorspiel zu einem wahren Krieg betrachtete.

»Madame,« sagte der Jagdkapitän, der Prinzessin das Messer reichend, »wem will Eure Hoheit die Ehre gönnen, dem Tiere den Fang zu geben?«

»Ich behalte sie mir selbst vor,« antwortete die Prinzessin; »eine Frau von meinem Rang muß sich daran gewöhnen, Eisen zu berühren und Blut fließen zu sehen.«

»Namur,« sagte der Jagdkapitän zum Büchsenmeister, »haltet Euch bereit.«

Der Büchsenmeister trat aus den Reihen und stellte sich, die Büchse in der Faust, zwanzig Schritte von dem Tiere auf, um den Hirsch mit einer Kugel zu töten, wenn er, zur Verzweiflung getrieben, statt die Frau Prinzessin zu erwarten, auf sie losstürzen sollte.

Die Prinzessin stieg vom Pferde, nahm das Messer und ging mit starren Augen, glühenden Wangen, die Lippen halb zurückgeworfen, auf das Tier zu, das fast gänzlich unter den Hunden begraben, von einem buntscheckigen, tausendfarbigen Teppich bedeckt zu sein schien. Es war auf die Knie gefallen, suchte eine Bewegung zu machen, hatte aber keine Zeit mehr, sich zu erheben; die Klinge des Messers, worauf ein Sonnenstrahl spielte, verschwand gänzlich in seinem Halse; der Schweiß spritzte der Prinzessin ins Gesicht, der Hirsch erhob den Kopf, schrie schmerzlich, warf einen letzten Blick des Vorwurfs auf die schöne Frau, fiel und verendete.

In demselben Augenblick verkündigten alle Hörner sein Verenden, und es erscholl der tausendfältige Ruf: »Es lebe die Frau Prinzessin!« während der junge Prinz auf seinem Sattel jauchzte und freudig in die Hände klatschte.

Die Prinzessin zog das Messer aus dem Halse des Tieres, warf einen Amazonenblick um sich her, gab die mit Schweiß überzogene Waffe dem Jagdkapitän zurück und stieg wieder zu Pferde.

Da trat Lenet zu ihr.

»Darf ich der Frau Prinzessin sagen,« sagte er mit seinem gewöhnlichen Lächeln, »an wen sie gedacht hat, als sie den Hals des armen Tieres durchbohrte?« – »Ja, Lenet, sprecht, Ihr macht mir ein Vergnügen.«

»Sie dachte an Herrn von Mazarin, und hätte es gern gesehen, wenn er an der Stelle des Hirsches gewesen wäre.«

»Ja, so ist es,« rief die Prinzessin, »und ich schwöre Euch, ich hätte ihn ohne Mitleid erstochen; aber in der Tat, Lenet, Ihr seid ein Zauberer.« Dann wandte sie sich der übrigen Gesellschaft zu und sagte: »Nun, da die Jagd vorüber ist, meine Herren, habt die Güte, mir zu folgen. Es ist jetzt zu spät, um einen andern Hirsch zu lanzieren, und überdies erwartet uns das Abendessen.«

Die Prinzessin begab sich nun in den großen Empfangssaal und setzte sich unter den Thronhimmel, neben ihr saß ihr Sohn.

Bald erhob sie sich und nahm das Wort zu einer die Anwesenden hinreißenden Rede.

»Meine Herren!« schloß sie ihre Worte, »die Mitwirkung Eurer Tapferkeit, das Anerbieten Eurer Ergebenheit ist es, was diese Waise hier von Eurem edlen Herzen fordert. Ihr seid unsere Freunde, Ihr habt Euch wenigstens als solche hier eingefunden; was könnt Ihr für uns tun?«

Dann begann nach kurzem feierlichen Stillschweigen eine höchst großartige und zugleich rührende Szene.

Einer von den Edelleuten verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor der Prinzessin und sagte: »Ich heiße Gérard von Montalent und bringe vier Edelleute, meine Freunde, mit mir. Wir haben fünf gute Schwerter und zweitausend Pistolen, die wir dem Herrn Prinzen zur Verfügung stellen. Hier ist unser Beglaubigungsschreiben, unterzeichnet von dem Herrn Herzog von Larochefoucault.«

Die Prinzessin verneigte sich ebenfalls, nahm das Beglaubigungsschreiben aus den Händen des Gebers, reichte es Lenet und machte den Edelleuten ein Zeichen, auf ihre Seite zu gehen.

Diesem Beispiel folgten alle Edelleute. Jeder kam mit einem Beglaubigungsschreiben entweder von Herrn von Larochefoucault, oder von Herrn von Bouillon, oder von Herrn von Turenne, übergab den Brief und ging zur Rechten der Prinzessin. Als die rechte Seite voll war, hieß die Prinzessin die Edelleute sich zu ihrer Linken aufstellen.

So entleerte sich der Hintergrund des Saales allmählich. Schließlich blieben nur noch Cauvignac und seine Leute als einsame Gruppe zurück, nach der jeder mißtrauisch murmelnd einen Blick des Zornes und der Drohung richtete.

Lenet schaute nach der Tür. Die Tür war auf sein Geheiß wohl verschlossen. Er wußte, daß sich dahinter ein Kapitän mit zwölf bewaffneten Leuten hielt. Dann sein Auge wieder auf die Unbekannten lenkend, fragte er: »Und wer seid Ihr, meine Herren? Werdet Ihr uns die Ehre erweisen, Euch zu nennen und uns Eure Beglaubigungsschreiben zu zeigen?«

Bang schauten Ferguzon und die andern vier auf ihren Führer; dieser aber blieb, majestätisch in seinen Mantel drapiert, ganz unempfindlich.

Auf Lenets Aufforderung machte er zwei Schritte vorwärts, verbeugte sich anmaßend und sagte: »Madame, ich heiße Roland von Cauvignac und bringe für den Dienst Eurer Hoheit diese fünf Edelleute, die den ersten Familien der Guienne angehören, aber das Inkognito zu bewahren wünschen.«

»Ihr seid wohl nicht nach Chantilly gekommen, ohne von irgend jemand empfohlen worden zu sein, meine Herren,« sagte die Prinzessin, indem sie mit Mißbehagen an den Lärm dachte, den die Festnahme dieser sechs Verdächtigen erregen mußte. »Wo ist Euer Beglaubigungsschreiben?«

Cauvignac verbeugte sich wie ein Mensch, der die Richtigkeit einer Forderung anerkennt, durchwühlte sein Wams und zog ein viereckig gefaltetes Papier hervor, das er Lenet mit der tiefsten Verbeugung übergab.

Lenet öffnete, las, und der freudigste Ausdruck entrunzelte sein zusammengezogenes Gesicht.

»Madame,« sagte er, sich an das Ohr der Prinzessin neigend, »schaut, welch ein Glück, ein Blankett von Herrn von Epernon!«

»Mein Herr!« rief die Prinzessin mit dem anmutigsten Lächeln, »Dank, dreifachen Dank für meinen Gemahl, Dank für mich, Dank für meinen Sohn!«

Das Erstaunen machte alle Zuschauer stumm.

»Mein Herr,« sagte Lenet, »dieses Schriftstück ist zu kostbar, als daß es Eure Absicht sein kann, es uns ohne Bedingung abzutreten. Diesen Abend nach dem Essen sprechen wir darüber, wenn es Euch gefällig ist, und Ihr werdet uns sagen, wie wir Euch angenehm sein können.«

Damit steckte Lenet das Blankett ein, das Cauvignac zart genug war, nicht zurückzuverlangen.

»Zu Tische, meine Herren!« rief die Prinzessin.

Die Flügel der Seitentüren öffneten sich bei diesen Worten, und man sah ein herrliches Abendessen in der großen Galerie des Schlosses aufgetragen.

Das Mahl war ebenso lärmend als prächtig, und ein Hoch nach dem andern auf die Prinzessin, ihren Gemahl, die Prinzessin-Witwe und den Herzog von Enghien durchbrauste den Saal.

Gegen neun Uhr entfernte sich die Prinzessin mit dem Herzog von Enghien und ließ so den Gästen die Freiheit, den Schmaus bis zu einer beliebigen Stunde der Nacht zu verlängern. Lenet hatte ihr zugeflüstert: »Eure Hoheit wolle nicht vergessen, daß wir um zehn Uhr aufbrechen.«

Es war also Zeit sich vorzubereiten.

Währenddessen wechselten Lenet und Cauvignac einen Blick. Lenet stand auf, Cauvignac tat dasselbe; Lenet entfernte sich durch eine kleine Tür in der Ecke der Galerie, Cauvignac verstand ihn sofort und folgte ihm.

Nachdem sie hier Platz genommen hatten, sagte Lenet, um mit einem Schlag das Vertrauen Cauvignacs zu gewinnen, »ich gebe Euch hier vor allem Euer Blankett zurück. Es gehört wohl Euch, nicht wahr?«

»Mein Herr,« antwortete Cauvignac, »es gehört dem, der es besitzt, da, wie Ihr sehen könnt, kein anderer Name darauf steht, als der des Herzogs von Epernon.«

»Wenn ich Euch frage, ob es Euch gehört, so frage ich, ob Ihr es mit der Bewilligung des Herzogs besitzt?« – »Ich habe es von seiner eigenen Hand.«

»Es ist also weder entwendet, noch durch Gewalt erpreßt – ich sage nicht durch Euch, sondern durch irgend einen, von dem Ihr es etwa empfangen habt. Ihr habt es vielleicht nur von zweiter Hand.«

»Es ist mir, sage ich Euch, von dem Herzog gegeben worden, freiwillig und als Austausch gegen ein Papier, das ich ihm zugestellt habe.«

»Habt Ihr gegen den Herzog in bezug auf die Verwendung des Blanketts eine Verbindlichkeit übernommen?« – »Ich habe gegen den Herrn Herzog von Epernon keinerlei Verbindlichkeit übernommen.«

»Wer es besitzt, kann also in voller Sicherheit davon Gebrauch machen?« – »Er kann es.«

»Warum benutzt Ihr es dann nicht selbst?« – »Weil ich, wenn ich es behalte, nur ein Ding zu gewinnen vermag, während ich, wenn ich es abtrete, zwei dadurch gewinnen kann.«

»Worin bestehen diese zwei Dinge?« – »Einmal in Geld, sodann in einem Grade in der Armee der Prinzen.«

Schließlich wurden die beiden dahin handelseins, daß Cauvignac sofort zehntausend Livres empfing sowie das Patent, wonach er ermächtigt wurde, für die Prinzen eine Kompanie auszuheben.

In dem Augenblick, wo Lenet das für ihn so kostbare Dokument in der Kasse verschloß, trat atemlos ein Diener ein und meldete, man verlange nach ihm in einer höchst wichtigen Angelegenheit.

Lenet und Cauvignac verließen das Kabinett, Lenet um dem Diener zu folgen, Cauvignac um in den Bankettsaal zurückzukehren.

Mittlerweile traf die Prinzessin ihre Vorbereitungen zur Abreise, die darin bestanden, daß sie ihr Staatsgewand gegen ein Amazonenkleid vertauschte, das zugleich für den Wagen wie für das Pferd paßte, daß sie ihre Papiere auslas, um die unnötigen zu verbrennen und die kostbaren mitzunehmen, daß sie ihre Diamanten zusammenlegte, um bei dringender Gelegenheit Gebrauch davon zu machen.

Die Augen auf die Pendeluhr gerichtet, die fünf Minuten vor zehn Uhr zeigte, stand die Prinzessin bereits auf und ging auf den Herzog von Enghien zu, um ihn bei der Hand zu nehmen, als sich plötzlich die Tür öffnete und Lenet ins Zimmer stürzte.

Sobald die Frau Prinzessin sein bleiches Gesicht und seinen verstörten Blick wahrnahm, erbleichte sie ebenfalls.

»Oh! mein Gott,« sagte sie, ihm entgegengehend, »was habt Ihr, was gibt es?«

»Ich habe zu melden,« stammelte Lenet mit einer vor Aufregung zusammengepreßten Stimme, »daß ein Edelmann angekommen ist . . . und Euch im Auftrag des Königs zu sprechen verlangt.«

»Großer Gott!« rief die Prinzessin, »wir sind verloren! Mein lieber Lenet, was ist zu tun?« – »Nur eines.«

»Was?« – »Wir müssen den Herzog von Enghien sogleich auskleiden und seinen Milchbruder Pierrot seine Kleider anziehen lassen.«

Trotz seines Sträubens mußte sich der junge Herzog sofort dem gebietenden Worte Lenets fügen.

»Zum Glück,« sagte Lenet, »ist die Frau Prinzessin-Witwe hier, sonst wären wir von Mazarin geschlagen.«

»Wieso?«

»Weil der Bote mit einem Besuch bei der Frau Prinzessin-Witwe anfangen mußte, in deren Vorzimmer er sich in diesem Augenblick befindet.«

»Aber dieser Bote des Königs ist ohne Zweifel nur ein Aufseher, ein Spion, den uns der Hof schickt?« – »Eure Hoheit hat es gesagt.«

»Dann hat er den Befehl, uns streng zu bewachen?« – »Ja, aber was ist Euch daran gelegen, wenn er nicht Euch bewacht!«

»Ich begreife Euch nicht, Lenet.«

»Wie? Wenn man einen falschen Herzog von Enghien gefunden hat, so wird man auch eine falsche Prinzessin von Condé finden.«

»Oh, vortrefflich! jetzt begreife ich, mein guter Lenet, mein lieber Lenet; aber wer wird mich vorstellen?«

»Seid unbesorgt, Madame,« antwortete mit unzerstörbarem Gleichmut ihr Rat, »die Prinzessin von Condé, deren ich mich bedienen will, und deren Bewachung ich für den Spion des Herrn von Mazarin bestimme, hat sich soeben in aller Eile ausgekleidet und begibt sich in diesem Augenblick in Euer Bett.«

Man vernehme, wie sich dies zugetragen hatte.

Während das Festmahl im vollen Gange war, hatte sich ein Reiter mit einem Lakaien am Haupttor des Schlosses gezeigt und geläutet.

Der Portier öffnete, aber hinter dem Portier fand der Ankömmling den uns bekannten Hellebardier.

»Woher kommt Ihr?« fragte dieser.

»Von Nantes,« antwortete der Reiter.

Bis dahin ging alles gut.

»Wohin geht Ihr?« fuhr der Hellebardier fort.

»Zu der Frau Prinzessin-Witwe von Condé, sodann zu der Frau Prinzessin und endlich zu dem Herrn Herzog von Enghien.«

»Man darf nicht herein,« sagte der Hellebardier und streckte seine Hellebarde quer vor.

»Befehl des Königs!« erwiderte der Reiter und zog ein Papier aus der Tasche.

Bei diesen furchtbaren Worten senkte sich die Hellebarde, die Schildwache rief, ein Offizier des Hauses lief herbei, der Bote übergab sein Beglaubigungsschreiben und wurde ungesäumt in die fürstlichen Gemächer eingeführt.

Zum Glück war Chantilly groß und die Gemächer der Herzogin-Witwe lagen fern von der Galerie, wo der Schmaus stattfand.

Hätte der Bote zuerst die Prinzessin und ihren Sohn zu sehen verlangt, so wäre wirklich alles verloren gewesen. Aber der Etikette gemäß mußte er vorher die Prinzessin-Mutter begrüßen. Der erste Kammerdiener ließ ihn also in ein großes, an das Schlafgemach Ihrer Hoheit anstoßendes Kabinett eintreten.

»Wollt entschuldigen, mein Herr,« sagte er zu ihm, »aber Ihre Hoheit fühlte sich vorgestern plötzlich unwohl, und man hat ihr vor nicht ganz zwei Stunden zum dritten Male zur Ader gelassen. Ich will ihr Eure Ankunft melden und werde in einer Minute die Ehre haben, Euch einzuführen.«

Der Bote machte ein einwilligendes Zeichen mit dem Kopfe und blieb allein, ohne wahrzunehmen, daß durch das Schlüsselloch drei Köpfe hintereinander neugierig sein Benehmen belauerten und ihn zu erkennen suchten.

Es war zuerst Lenet, dann Vialas, der Stallmeister des Prinzen, und endlich La Roussière, der Jagdkapitän. Falls der eine oder der andere den Boten erkannt hätte, so wäre er unter dem Vorwande, ihm Gesellschaft zu leisten, eingetreten und hätte ihn angeredet, um ihn zu unterhalten und so Zeit zu gewinnen.

Aber keiner kannte den Boten. Es war ein hübscher junger Mann in Infanterie-Uniform; er betrachtete mit einer Gleichgültigkeit, die fast wie Abneigung gegen seine Sendung aussah, die Familienporträts und die Ausstattung des Kabinetts, wobei er besonders vor dem im glänzendsten Augenblick ihrer Schönheit und Jugend gemalten Porträt der Witwe stehen blieb, bei der er eingeführt werden sollte.

Seinem Versprechen getreu, suchte der Kammerdiener nach Verlauf von wenigen Minuten den Boten wieder auf, um ihn zu der Prinzessin-Witwe zu führen.

Diese empfing den Boten, in ihrem Bette liegend, in der ungnädigsten Weise.

Während der herben Worte, die sie ihm zurief, heftete sie ihren Blick fester auf den Boten, dessen Züge ihr so angenehm erschienen, daß sie den bittern Empfang etwas milderte, den sie einem solchen Befehl schuldig zu sein glaubte.

»Ich wußte,« sagte sie fortfahrend, »daß Herr von Mazarin vieler schändlichen Gewalttaten fähig ist, aber ich hielt ihn nicht für so furchtsam, daß er vor einer alten kranken Frau, vor einer armen Witwe und einem Kind angst haben könnte, denn ich setze voraus, daß der Befehl, dessen Überbringer Ihr seid, auch die Prinzessin meine Schwiegertochter und den Herzog meinen Enkel betrifft.«

»Madame,« erwiderte der junge Mann, »ich wäre in Verzweiflung, wenn mich Eure Hoheit nach der Sendung beurteilen sollte, die ich unglücklicherweise zu erfüllen genötigt bin. Ich kam in Nantes als Überbringer einer Botschaft für die Königin an. Die Nachschrift des Sendschreibens empfahl den Boten Ihrer Majestät; die Königin hatte sodann die Gnade, mich in ihrer Nähe bleiben zu heißen, da sie höchst wahrscheinlich meiner Dienste bedürfen würde. Zwei Tage nachher schickte mich die Königin hierher; aber wenn ich auch, wie es meine Pflicht war, die Sendung übernahm, mit der mich Ihre Majestät zu beauftragen geruhte, so wage ich doch zu bemerken, daß ich nicht darum nachgesucht hatte, und daß ich sie sogar ausgeschlagen hätte, wenn die Könige Widerspruch duldeten.«

Nach diesen Worten verbeugte sich der Offizier zum zweiten Male ehrfurchtsvoll.

»Eure Erklärung betrachte ich als ein gutes Vorzeichen, und ich hoffe, seitdem Ihr sie mir gegeben habt, in Ruhe krank sein zu können. Doch keine falsche Scham, mein Herr, sagt mir sogleich die Wahrheit! Wird man mich sogar in meinem Zimmer bewachen, wie man es mit meinem armen Sohne in Vincennes tat?«

»Madame,« antwortete der Offizier, »hört den Befehl, den die Königin mir selbst zu geben die Gnade gehabt hat:

»›Geht,‹ sagte Ihre Majestät, ›versichert meine Base Condé, ich werde für die Herren Prinzen alles tun, was die Sicherheit des Staates mir zu tun gestattet. Ich bitte sie durch diesen Brief, einen meiner Offiziere zu empfangen, der als Vermittler zwischen mir und ihr für die Botschaften dienen mag, die sie mir zukommen lassen will. Dieser Offizier‹, fügte die Königin hinzu, ›werdet Ihr sein.‹

»Dies, Madame,« fuhr der junge Mann stets in derselben ehrfurchtsvollen Weise fort, »sind die eigenen Worte Ihrer Majestät.«

Die Prinzessin sah in diesen Worten das bestätigt, was sie von vornherein angenommen hatte, nämlich daß es sich in der Tat um eine Späherei handle. Bitter bemerkte sie zu dem Sendling der Königin, er sei nun Herr hier, habe namens der Königin zu befehlen und sie sei seine Dienerin. Fest und bescheiden wies der junge Offizier diese Rolle von sich, ohne die Dame besänftigen zu können, die ihn ärgerlich entließ.

Der Edelmann fand im Vorzimmer den Lakaien, der ihn eingeführt hatte.

»Mein Herr,« sagte dieser, sich dem Boten nähernd, »die Frau Prinzessin von Condé, von der Ihr Euch eine Audienz im Auftrage der Königin erbeten habt, willigt ein, Euch zu empfangen. Wollt mir folgen!«

Hinter dem Kammerdiener die Gemächer durchschreitend, gelangte der Sendling zu der Tür des Schlafzimmers der Prinzessin.

Hier wandte sich der Kammerdiener um und sagte: »Die Frau Prinzessin hat sich bei ihrer Rückkehr von der Jagd zu Bette begeben, und da sie sehr müde ist, so wird sie Euch liegend empfangen. Wen soll ich Ihrer Hoheit melden?«

»Meldet den Herrn Baron von Canolles im Auftrage Ihrer Majestät der Königin-Regentin,« erwiderte der junge Edelmann.

Bei diesem Namen, den die angebliche Prinzessin von ihrem Bette aus hörte, machte sie eine Bewegung des Erstaunens, die ihre Identität leicht hätte gefährden können. Sie schlug rasch mit der rechten Hand den Spitzenbesatz ihrer Haube auf die Augen vor, während sie mit der linken die reiche Decke ihres Bettes bis an das Kinn zog, und rief mit bebender Stimme: »Laßt ihn eintreten!«

Der Offizier trat ein.



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