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Fünfzehntes Kapitel.
Constantin des Großen Söhne als Gesamtherrscher und Constantius als Alleinherrscher

Zu den uns schon bekannten Quellen kommen für Constantius hinzu: die Lobreden Julians, seines Nachfolgers, und des Rhetor Libanius in Antiochien, vom Jahre 353 aber Ammianus Marcellinus.

Jede Zeit hat ihre Mode und Manier. Die unmäßige Eitelkeit der vornehmen Römer, welche sie Hunderttausende für den leeren Namen Konsul ausgeben ließ, hatte das Gewerbe der Lobrednerei aufgebracht. Die Lateiner dieser Zunft haben wir bereits kennengelernt, auf die Griechen kommen wir nun. Sicherlich sind diese die Meister, d. h. die griechische Schwatzhaftigkeit hat das leere Phrasengeklingel der Lateiner noch zu überbieten gewußt. Es ist unmöglich, sich eine schlechtere Manier zu denken: Prunken mit historischer Gelehrsamkeit, die, bei den Haaren herbeigezogen überall eingemischt (wie z. B. die Belagerung von Nisibis mit der Trojas verwebt wird), dazu absichtliche Verschweigung von Namen-, Orts- und Zeitangaben, weil die Zuhörer diese zu ergänzen wußten, unklare Bezeichnungen, selbst oft ein Verschmähen der Logik der Zeitfolge charakterisieren diese Lobreden. Von Ehre und Gewissen war dabei gar keine Rede: auf Bestellung oder zum eignen Nutzen ward mit einer Kindlichkeit der Unverschämtheit geschmeichelt, welche man damals, gleich einem gewöhnlichen Handwerksvorteile, ganz selbstverständlich gefunden haben mag.

Doch müssen wir in jeder Beziehung Julian immer noch über Libanius setzen. Hat jener doch in seiner ersten Rede den abscheulichen Verwandtenmord des Jahres 337 nicht verschwiegen, wenn gleich er Constantius vorsichtig nur die unterlassene Verhinderung desselben vorwirft. Dies kann übrigens, weil dann schon p. 73 und 88 des Magnentius Tod erwähnt wird, nicht vor den letzten Monaten des Jahres 353 geschrieben sein, während die zweite aus der ersten Hälfte 355 sein muß, da p. 182 des Silvanus Tod im Winter 354/5 darin vorkommt. Beiden würde übrigens, wenn sie vor Julians Ernennung zum Cäsar geschrieben wurden, wie wir dies glauben, das an sich löbliche Streben zum Grunde gelegen haben, sich aus scheinbar geehrter Untätigkeit, ja selbst Gefangenschaft, zu würdiger Wirksamkeit zu erheben.

Jedenfalls ist hiernach dasjenige, was wir oben über die Zeit der Abfassung dieser Reden gesagt haben, zu beurteilen.

Daß nun aber in Quellen wie Julians und des Libanius Lobreden nicht jede Phrase für Tatsache zu nehmen ist, versteht sich.

Über Ammian, dessen großes Verdienst als Historiker der Text hervorhebt, ist hier nur zweierlei noch zu erwähnen und zwar zunächst, ob er Christ oder Heide war. Ersteres behaupten die älteren gelehrten Ausleger Petrus Pithoeus und Chiffletius († 1660), letzteres Hadrian Valesius, der die nach der ersten Ausgabe Ammians fortgesetzten unschätzbaren Arbeiten seines Bruders Heinrich, über diesen Schriftsteller erst nach jenes Tode herausgab. (S. Henr. Vales. praefatio in Gronovs Ausg., S. 4.) Weder Heinrich Valesius selbst übrigens noch Gronov in seiner neuern Ausgabe, Amsterdam 1693, haben sich über obige Frage ausgesprochen. Unsere Ansicht darüber ist folgende:

Es gab zu jener Zeit im römischen Reiche zahllose Namen- und Scheinchristen. Die schlechtern derselben folgten nur der Mode oder weltlichen Antrieben, die besseren erkannten zwar mehr oder minder dunkel oder fühlten mindestens die ewige Wahrheit und Reinheit des Christentums, hatten sich aber von den alt überlieferten heidnischen Anschauungen, vor allem von dem darin wurzelnden Aberglauben noch nicht losmachen können. Man vergesse doch nicht, daß letzteres ja auch dem Christentum selbst nicht vollständig gelungen ist und daß die Weissagung aus Vogelflug und Eingeweideschau ebenso berechtigt oder vielmehr unberechtigt war, als die aus vielen andern später aufgekommenen Dingen.

Daß auch Ammian zu den Christen dieser Gattung gehörte, ergeben die drei von Adrian Val. zu Begründung seiner Meinung angeführten Stellen XV, 11, XVI, 5 und XXI, 1, von denen die zweite völlig nichtssagend, die letzte die bedeutendste ist. Aus dieser erhellt allerdings dessen Glaube, daß Gott oder der Allgütige (deus, benignitatis numen) solcher Mittel sich bedienen könne, um den Menschen Zukünftiges zu offenbaren. Auch in diesen philosophisch-theologischen Exkursen aber hebt er mehrfach hervor, was die alten Theologen (theologi veteres) lehren, worunter er offenbar die heidnischen versteht.

Uns bestimmen nächst mehreren andern hauptsächlich diejenigen Stellen, worin Ammian ein mehr oder minder entschiedenes eignes Urteil ausspricht, das ein Heide nicht fällen konnte, und zwar folgende:

1. II, 10 a. Schl. und XXV, 4, II, wo er den von ihm so hoch bewunderten Julian deshalb tadelt, weil er den Christen untersagt habe, Grammatik und Rhetorik öffentlich zu lehren, was doch ein Heide unmöglich rügen konnte.

2. XXII, 11, wo er das Amt der Bischöfe »ein nur Gerechtigkeit und Milde empfehlendes« nennt. (Professionis suae oblitus, quae nihil nisi justum suadet et leae.)

3. Ebenda, wo er von den Märtyrern folgendes sagt: »Diejenigen, welche, indem sie durch Zwang von ihrem Glauben abgebracht werden sollten, qualvolle Strafen erduldeten und bis zu ihrem ruhmvollen Tode in unbeflecktem Glauben beharrend, nun Märtyrer genannt werden« (adusque gloriosam mortem intemerata fide progressi, et nunc Martyres appellantur). Man vergleiche, was der edle und weise M. Aurelius über die christlichen Märtyrer sagte und frage sich, ob ein heidnisches Bewußtsein deren Tod einen ruhmvollen nennen, deren Beharren in unbeflecktem Glauben hervorheben konnte. Ferner:

4. XXII, 3, wo er den Luxus der römischen Bischöfe tadelnd, von einigen Provinzialbischöfen sagt: quos tennitas edendi potandique parcissime, vilitas etiam indumentorum, et supercilia humum spectantia, perpetuo numini verisque ejus cultoribus ut puros commendant et verecundos, worin die Ausdrücke: die ewige Gottheit und dessen wahre Verehrer keines Kommentars bedürfen. (Obige Stellen scheinen mir nicht entscheidend: sie enthalten nur Zeugnisse der kühlen objektiven Würdigung der Staatsreligion. Nirgends findet sich ein warmes Bekenntnis zu spezifisch Christlichem. Ammian war innerlich nicht Christ; ob er getauft war, ist ziemlich gleichgültig, aber unwahrscheinlich; er war Heide nach der jetzt herrschenden Ansicht. Vergl. Teuffels Lit.-Gesch. D.)

Die Unvollständigkeit von Ammians Werk in seiner jetzigen Gestalt wird allgemein anerkannt. Hadrian Valesius führt in seiner Vorrede, welche in der Gronovschen Ausgabe leider nicht paginiert ist, p. 11 vor deren Schluß mehrfache Belege dafür an, denen wir selbst aus der Geschichte der gallischen Kriege noch andere hinzufügen könnten.

Unerwähnt aber läßt er die hier und da dann vorkommenden Widersprüche, welche gewiß nicht dem trefflichen Historiker, nur der Verstümmelung des Textes zuzuschreiben sein dürften.

Abgesehen nämlich von denjenigen Lücken, welche die uns erhaltenen Handschriften darbieten, die daher auch in den gedruckten Ausgaben angedeutet, glücklicherweise aber doch nur unbedeutend sind, muß die gegenwärtige Fassung des Werkes einem weit älteren Abschreiber oder Herausgeber zur Last fallen. Möge nun deren Unvollständigkeit unverschuldet oder verschuldet sein, so hat derselbe doch auch ersteren Falls darin sehr gefehlt, daß er die Lücken seiner Quelle nicht nur nicht angegeben, sondern sogar noch verdeckt hat, was ohne kleine Einschaltungen und Abänderungen nicht möglich gewesen sein dürfte.

Noch ist hinsichtlich der zu den frühern Quellen gehörigen Epitomatoren zu bemerken, daß diese, selbst der von uns so geschätzte Eutrop, von Constantius mit eigentümlicher Schonung, ja zum Teil ungerechtfertigtem Lob sprechen. Doch erkennen die wichtigsten derselben, Eutrop und Aur. Vict. d. C. (die sogenannte Epitome ist unvollständiger), dessen Fehler an: daher liegt die Vermutung nahe, daß eine gewisse Pietät gegen ihren Dienstherrn, vielleicht Wohltäter, auf die Milde ihres Urteils eingewirkt habe,

Dürftig, mehr noch dunkel durch anscheinenden oder wirklichen Widerspruch sind die Quellen über Constantins Nachfolger während sechzehn langer Jahre.

Da tritt plötzlich mit dem Jahre 353 Ammianus Marcellinus auf, der erste lateinische Geschichtsschreiber nach Tacitus, dem großen Meister zwar nicht an Geist und Gemüt vergleichbar, ja demselben durch seine schwülstige, gesuchte und schwerverständliche Sprache höchst unähnlich, in Darstellung der Fülle selbst erlebter Ereignisse aber so vollständig, treu und lebendig, daß man nicht nur mit Überzeugung, sondern auch mit Freude ihm zu folgen sich gedrungen fühlt.

Dieser in keiner andern Regierungsgeschichte so grell hervortretende Gegensatz zwischen Dunkel und Licht wird es entschuldigen, wenn wir die ersten sechzehn Regierungsjahre des Constantius, zumal sie germanische Verhältnisse wenig berühren, kürzer, die letzten acht aber ausführlicher behandeln. Ammians Unbefangenheit und Wahrheitsliebe ist von keinem uns bekannten Historiker in Zweifel gezogen worden.

Der so streng katholische Leopold Graf von Stolberg sagt (in seiner Gesch. d. Relig. J. Chr. XII, Abschn. 45, S. 88) über ihn folgendes:

»So erzählt Ammianus Marcellinus, dessen Zeugnis einige gern entkräften möchten, durch die ihm angeschuldigte Parteilichkeit gegen die Christen. Diesen Vorwurf scheint er mir nicht zu verdienen, vielmehr das Lob einer seltenen Unbefangenheit, welche nicht auf die Person sieht, sondern die Taten seiner Zeit berichtet.«

Von Ammians trefflichem Werke sind nur die letzten achtzehn Bücher, in welchen er die Ereignisse vom Jahre 353 bis 379 als Zeitgenosse beschreibt, uns erhalten, die dreizehn ersten aber, welche die Zeit vom Jahre 98 bis 353 ungleich kürzer behandelt haben müssen, verloren. Kaum aber vermag der christliche Geschichtsschreiber den Wunsch zu unterdrücken, daß diese Ungunst des Schicksals, mußte sie einmal stattfinden, auch das vierzehnte und fünfzehnte Buch noch verschlungen haben möge.

Zuerst tritt uns nämlich dann ein durchaus christlich erzogener Kaiser entgegen, der, obwohl fanatischer Dogmatiker, doch jedes christliche Gefühl so entschieden verleugnet, daß er uns die Greuel eines Caligula, Domitian und Commodus zurückruft. Und nicht einmal die Macht großartiger Leidenschaft, nur die Schwächen gemeiner Seelen: Argwohn, Furcht, Neid und Eifersucht sind es, die ihn dazu treiben.

Erst nach des Vaters Tode kam Constantius in Nikomedien an. Der glanzvollen Ausstellung und Bestattung des Verewigten folgten nun Begebenheiten, über denen zwar ein undurchdringlicher Schleier ruht, die jedenfalls aber mehr eine türkische als eine christliche Thronfolge kennzeichnen.

Umgestoßen ward Constantins Reichsteilung und letzter Wille NAME="voe1215_Anm2">Daß Constantin ein Testament hinterlassen habe, gründet sich allein auf Sokrates (I, 39) und Sozomenos (I; 34), wird aber selbst von Eusebius nicht erwähnt. Möglich, ja nicht unwahrscheinlich, daß nur die Übergabe dieses letzten Willens an einen der eifrigsten arianischen Priester, der ihn Constantius aushändigte, die Anführung jener an sich in dieser Form wenig glaublichen Tatsache veranlaßt habe. Ist sie aber auch begründet, so muß doch entschieden angenommen werden, daß jenes Testament die frühere Reichsteilung nicht umgestoßen, vielmehr bestätigt habe, da eine Erklärung von solcher Wichtigkeit in der Geschichte, namentlich bei des Constantius Lobrednern, nicht verschwunden wäre.

Dagegen ist das Anführen des spätern Arianers Philostorgius (II, 16), Constantin habein jener Schrift den Verdacht der Vergiftung durch seine Brüder ausgesprochen und seinen Sohn zur Rache aufgefordert, offenbar ein Märchen.

, ermordet Dalmatius der Cäsar und Hannibalianus der König von Pontus, ja deren ganze Sippe, das gesamte Haus zweiter Ehe des edlen Constantius Chlorus, zwei noch lebende Söhne und sechs Enkel, einschließlich obiger, hingeschlachtet, darunter des Mörders eigner Schwiegervater und Schwager. (Julian ad Athen, p. 497.) Daß Constantius der Urheber dieser Greueltaten war, ist unbezweifelt: wir wollen jedoch gern glauben, daß der zwanzigjährige Jüngling von bösen Ratgebern – dem Fluch seines ganzen Lebens – dazu verleitet und von diesen die Sache mit Geschick so eingeleitet ward, daß der Schein der Schuld auf die Eigenmacht der Soldaten geschoben werden konnte, da einige Quellen, namentlich Eutrop (X, 9) ausdrücklich sagen: er habe solche mehr zugelassen als befohlen (sinente magis quam jubente).

Ganz abgesehen von entgegenstehenden Zeugnissen aber waren Constantins Legionen keine zuchtlose Rotte: und Dalmatius namentlich, den Eutrop von den glücklichsten Anlagen und dem Oheim nicht unähnlich nennt, ward sicherlich nicht von den Seinigen, sondern, verräterisch nach Konstantinopel gelockt, durch die Tücke des Constantius umgebracht. Dies scheint uns durch des Zosimus Ausdruck II, 40: καὶ Δαλματίω τω̃ καίσαρι ράπτει τὴν ομοίαν επιβουλὴν, der offenbar auf hinterlistige Nachstellung deutet, außer Zweifel gesetzt.

Nur ein zwölf- bis dreizehnjähriger kränklicher Knabe, Gallus, und ein sechs- bis siebenjähriges Kind, Julian, Söhne von Constantins Bruder, Julius Constantius, wurden verschont: dafür aber gingen der mächtige Praefectus Praetorio Ablavius, vermutlich weil die Ratgeber ihn fürchteten, und der Patricius Oplatus, anscheinend mit Anastasien, einer Schwester Constantins, vermählt, in demselben Blutbade unter. Gregor von Nazianz (s. Anm. 322) sagt Orat. 4 § 21 über diese Ereignisse folgendes: tum scilicet, cum exercitus, rerum novarum metu res novas moliens, adversus proceres arma cepit, ac per novos praefectos aulicae res constituebantur. Dies verstehen wir so: Constantius ernannte zuerst neue Oberbefehlshaber, welche aus Furcht vor den alten, namentlich dem so mächtigen Ablavius, dem Heere vorspiegelten, daß eine von letzterem begünstigte Thronrevolution zugunsten der für legitim zu erklärenden Nachkommen aus des Constantius Chlorus zweiter Ehe zu besorgen sei, welcher nur durch die gewaltsame Tötung letzterer zu begegnen sei.

Daß des Constantius Schuld, sollte sie auch nur eine passive gewesen sein, dadurch irgend vermindert werde, finden wir nicht.

Die Zeit dieser Ereignisse ist ebenso unbekannt, als die – gewiß höchstens mittelbare – Mitwirkung von des Constantins Brüdern. Daß diese nach des Vaters Tod in Konstantinopel gewesen seien, ist zwar wahrscheinlich, aber nirgends bezeugt.

Da jedoch die Erhebung der drei Brüder zu Kaisern nach des Idatius Chronik erst am 9. September 337 durch den Senat öffentlich proklamiert ward, so dürfte des Dalmatius und des Hannibalian Tötung dem unstreitig vorausgegangen sein, obwohl andere Quellen diese erst in das Jahr 338 setzen (s. Tillemont IV, Not. 2, p. 1086).

Die endliche Reichsteilung, über die wir in gleichem Dunkel sind, scheint erst im Sommer 338 bei einer Zusammenkunft der drei Kaiser zu Sirmium in Pannonien erfolgt zu sein.

Unzweifelhaft erhielt von des Dalmatius Ländern Constantin der Jüngere, als der älteste der Brüder, Thrakien mit der Hauptstadt, Constans die Diözese Dakien, und Constantius das Gebiet Hannibalians in Kleinasien.

Ob die Diözese Makedonien schon seit 330 zu des Dalmatius oder zu des Constantius Anteile gehörte, wissen wir nicht. Wäre ersteres der Fall gewesen, so dünkt uns eine Teilung derselben zwischen Constantius und Constans wahrscheinlicher als deren volle Abtretung an erstern.

Die augenfällige Ungelegenheit der Provinz Thrakien für Constantin, den Herrscher des Westens, mag diesen jedoch bewogen haben, sie schon nach Verlauf eines Jahres (Chron. Paschale, p. 534) an Constantius abzutreten, welcher dafür unstreitig einen Teil von Griechenland an Constans überlassen und dieser wiederum Constantin den Jüngern in Afrika entschädigen sollte, wo ihm Tingitanien, das zu Spanien gerechnet ward, bereits gehörte. Über letzteres, weniger wohl über den Grundsatz als über die Ausführung, entbrannte jedoch Hader zwischen den Fürsten. Constantin wollte sein Recht erzwingen und rückte im Frühjahr 340, aus Gallien über die Alpen ziehend, gegen Constans in Dakien vor.

Unfern Aquileja Dies erhellt daher, daß er bei Aquileja fiel. gegen Anfang April stieß er auf dessen Vorhut, griff unvorsichtigen Kriegsmuts diese in Person an, ließ sich bei deren Verfolgung in einen vorher gelegten Hinterhalt locken, durch welchen er im Rücken und zugleich von den wieder Standhaltenden in der Front angegriffen, umzingelt und niedergestoßen ward. Die Epitome Aur. Vict. braucht von Constantins des Jüngeren Angriff den Ausdruck: latrocinii specie, der, vom Raubkrieg entlehnt, den Sinn hat, daß er nicht an der Spitze seiner Armee, sondern an der eines kleinen Haufens unvorsichtig angriff. Die Quellen schweigen über die Persönlichkeit des jungen Kaisers, der schon im sechzehnten Jahre im Gotenkriege gesiegt hatte und wohl die persönliche Kampflust, aber nicht die Besonnenheit des Vaters geerbt haben mag.

Dessen Reichsteil nahm Constans, als durch Eroberung erworben, an sich. Julian schreibt in seiner zweiten Lobrede auf Constantius der Weisheit und Großmut dieses letzteren einen Verzicht auf Gebietserweiterung zu, der aus dessen Unvermögen, in den tiefsten Nöten des Perserkrieges seinem Begehr Nachdruck zu geben, natürlicher zu erklären sein dürfte.

Um diese Zeit nämlich wütete der Krieg in Osten, der, vom Jahre 337 bis 350 dauernd, großes Blutvergießen, unendliche Landesverwüstung, aber nicht den geringsten politischen, ja nicht einmal militärischen Erfolg herbeiführte, da ein solcher weder irgendwo angeführt noch den Umständen und der Geschichte der Folgezeit nach anzunehmen ist.

Die genaue Geschichte dieses Kriegs würde, selbst wenn sie an sich mit einiger Sicherheit möglich wäre, nicht hierher gehören. Das Zusammenhängendste darüber, obwohl mit merklichen Irrtümern (oder Textverfälschungen), enthält der Epitomator Sextus Rufus, nach welchem neun Schlachten, und zwar zwei unter des Constantius persönlicher Führung, im Laufe desselben stattfanden.

Aus dem Westen wissen wir bis zum Jahre 350 nur, daß Constans im Jahre 341 einen harten Kampf mit fränkischen Scharen zu bestehen hatte, so wechselnden Erfolges (vario eventu), daß ihm deren völlige Besiegung erst im Jahre 342 gelang (Hieronymus und Idatius).

Libanius, der wortreiche Rhetor Antiochiens, schildert in seiner Lobrede auf Constantius (Or. 3, p. 138 der Pariser Ausgabe vom Jahre 1647), wenn auch nicht gerade bei diesem Anlaß (wie Tillemont IV, 2, S. 676 meint), die Franken in folgender Weise:

»Untätigkeit ist ihr höchstes Unglück, der Krieg der Gipfel ihres Glücks, so daß sie verstümmelt noch mit dem gesunden Teile des Leibes fortfechten; im Siege findet die Verfolgung keine Grenze und wenn sie einmal geschlagen werden, wird das Ende der Flucht zum Anfange des neuen Angriffs.

»Ihnen gegenüber gibt es keine Rast: nicht ohne Waffen in der Hand ist zu essen, nicht mit abgelegtem Helme zur Ruhe sich zu legen erlaubt.

»Wie bei stürmischer Meerflut, wann die erste Woge sich am Damme gebrochen, dieser sogleich die zweite, dann die dritte nachfolgt und der Anprall nicht eher aufhört, als bis der Wind sich gelegt hat, so folgen sich, hat der Kriegsdurst sie einmal zur Tollwut gereizt, Schlag auf Schlag die Angriffe der Franken.«

Man sieht hieraus, wie diese gefährlichsten Bewerber um Gallien bis in den tiefen Osten hinein gekannt und gefürchtet waren.

Constans hatte noch unreif, siebzehn Jahre alt, den Thron bestiegen. Zunächst waltete die gute Natur in ihm vor, die sich in Kriegstüchtigkeit und Tapferkeit, in Strenge ohne Grausamkeit gegen die Soldaten wie in Kraft und Gerechtigkeit bewährte. Der Tod und die Beerbung seines Bruders Constantin aber, der die Feindseligkeit allerdings begonnen, erzeugte Übermut und Gehenlassen. Leidende Gesundheit, weit mehr aber noch schlechte Freunde – die so gewöhnliche Klippe jugendlicher Imperatoren – führten ihn schweren Lastern zu, unter denen die verwerflichste Wollust und übermäßige Jagdpassion genannt werden. Er ward den Untertanen unerträglich und verlor selbst die Anhänglichkeit des Heeres (Eutrop. X, 9; Aur. Vict. d. C. 41, 23; Zosimus II, 42 u. Ammian VI, 7). Ungleich günstiger lauten die bei Tillemont IV, S. 716 zusammengestellten Urteile der orthodoxen Kirchenväter über Constans.

Da diese jedoch von Parteinahme fast nie frei sind, des Constans Tod aber für die Rechtgläubigen, die in ihm ihren einzigen Beschützer gegen die Arianer fanden, ein schwerer Verlust war, so haben wir dem Urteile der unbefangenen Profanhistoriker beizupflichten.

Die Großen, an deren Spitze Marcellin der Finanzminister stand, konspirierten wider den Tyrannen. Magnentius, der Befehlshaber der Jovianer und Herculianer, ward zum Nachfolger ersehen. Bei einem schwelgerischen Nachtmale, das dieser zu Autun den Ersten des Hofes und Heeres gab, entfernte er sich und kehrte, als die Gemüter vom Wein erhitzt waren, im kaiserlichen Purpur zurück, worauf er von den Anwesenden sogleich als Herrscher begrüßt wurde. Das Volk und was von Truppen und Führern in der Nähe war, fiel ihm zu. Constans floh nach den Pyrenäen, ward aber von den unter Gaiso nachgesandten Verfolgern eingeholt und am 18. Januar 350 niedergestoßen. (Idat. Fast.)

Magnentius war der Sohn eines »Laeten«, wohl eines Franken, und hatte sich durch kriegerisches Verdienst schon unter Constantin (Jul. Caes., p. 20 d. Paris. Ausg.) emporgeschwungen. Wenn man, wie Tillemont, aus Julians Reden (S. 61 und S. 177) ableiten will, daß Magnentius selbst durch Constantin den Großen oder dessen Vater zum Gefangenen gemacht worden sei, so lassen die keinesweges historisch-präzisen Ausdrücke jener Lobreden füglich auch die Deutung zu, daß Magnentius als Kind eines Gefangenen, der Laete wurde, diesem gefolgt sei. Dies ist auch den Jahren nach gar nicht anders möglich, da er bei seinem Tod erst nahe an fünfzig Jahre alt war (Epit. Aur. Vict. G. 42, 6), folglich selbst bei Constantins letztem Feldzug im Jahre 303 noch nicht zehn Jahre erreicht gehabt haben könnte. Auch nennt ihn Julian selbst (or. 1, S. 67) jugendlich und blühend.

Wie die meisten Heere, wenn es zum Kaisermachen kam, nicht der fremden Wahl beizustimmen, sondern eine eigne zu treffen pflegten, so rief auch diesmal das illyrische sogleich seinen Oberbefehlshaber Vetranio zum Imperator aus, einen zwar hochbejahrten und ganz ungebildeten, aber höchst würdigen Mann, so erprobten Kriegsglücks als wohlwollenden Gemüts.

Constantius, sich als legitimen Nachfolger seines Bruders betrachtend, lehnte würdig jede Verhandlung über den Kronraub ab, scheint sich aber mit Vetranio, den er nach Julian (or. 1, p. 55) sogar durch Geld und Truppen unterstützte wider Magnentius, verständigt zu haben. Die Rüstung zum Krieg und die Vorkehrungen zum Schutz der Ostlande gegen Persien verzögerten indes Aufbruch und Abmarsch. Vetranio, schwankenden Sinnes, war inzwischen von Magnentius gewonnen worden und Beider Gesandten trafen Constantius in Konstantinopel, wo sie, das Übergewicht der vereinten Macht ihrer Herrscher hervorhebend, demselben nochmals Frieden, gegenseitige Verschwägerung und ruhigen Besitz seines Reichsteils anboten. Im Gefühl seiner Schwäche ward er erschüttert: der Traum der nächsten Nacht aber, in welchem sein Vater ihn zur Sühne des an Constans verübten Mordes gemahnt haben soll, ermutigte ihn; er beschloß, der guten Sache und dem Schwerte zu vertrauen. (Petrus Patric. p. 129–131 ed. Bonn.) Unzweifelhaft war dies der größte Moment in des Constantius Leben.

Im Dezember erreichte er Vetranio, in welchem die Ehrfurcht vor dem Sohne seines gewaltigen Kriegsherrn noch nicht ganz erloschen gewesen sein kann, bei Naissus Dieser Ort wird von Hieronymus in seiner Chronik bezeugt, ist auch ungleich wahrscheinlicher als Sirmium im inneren Lande, was Sokrates II, 28 und auch Sozomenos, der jedoch unstreitig nur ersterem folgt, angeben. Gibbons Annahme von Sardica wird von keiner Quelle bestätigt. in Dakien. Von Constantius als Kollege anerkannt bot er die Hand zum Frieden und gestattete willig eine gemeinsame Beratung vor der Versammlung beider Heere. Den Vorwand zu dieser öffentlichen Beratung kann nur der Abschluß des Friedens und des Offensivbündnisses gegen Magnentius überhaupt gegeben haben, was häufig vor einer Heeresversammlung verhandelt ward, keinesweges aber der spezielle Kriegsplan des Feldzuges selbst. Dies ist auch der betreffenden Stelle des Zosimus (II, 44): »σκέμμα κοινὸν des Krieges« keinesweges unbedingt widersprechend.

In dieser sprach der legitime Kaiser zuerst, nicht gegen Vetranio, nur gegen Magnentius donnernd, von seines Vaters Größe, Ruhm und Wohltaten gegen die Soldaten, wie von der heilig gebotenen Bestrafung jenes verruchten Mordes. Das wirkte zündend auf die Gemüter der Truppen, von denen viele der Führer freilich vorher schon durch Geld, Versprechungen und sonst gewonnen waren (Zosimus II, 44): »Fort mit den unrechtmäßigen Imperatoren, Du allein sollst herrschen,« rief das Heer. Vetranio sah sich verraten, legte aber, durch des Constantius Güte aufgerichtet, am 24. Dezember 350 (Idatius) willig den Purpur ab und beschloß in unbelästigter, ehrenvoller Zurückgezogenheit nach sechs Jahren zu Prusa in Bithynien sein Leben, glücklicher unstreitig als auf dem Throne.

Nun war noch Magnentius übrig, der inzwischen bereits in einem Nebenakte gesiegt hatte.

Rom hatte ihm scheinbar gehuldigt, mag aber mehr Constantius als dem Ursurpator geneigt gewesen sein. Dies benutzte Nepotianus, ein Sohn von Constantins des Großen Schwester Eutropia, und ließ sich durch eine Bande zusammengerafften Gesindels am 3. Juni 350 zum Kaiser ausrufen. Siegreich gegen die von des Magnentius Stadtpräfekt, Anicetus, in Ermangelung regulärer Truppen gegen ihn ausgesandten Scharen gleichen Schlages erlag er schon nach achtundzwanzig Tagen dem oben erwähnten von Magnentius selbst wider ihn abgeschickten Marcellinus, der zum Magister officiorum ernannt worden war. Nepotians Tode folgte ein furchtbares Blutgericht, das nicht nur Hochgestellte, namentlich alle weiblichen Nachkommen und Verwandten Constantins des Großen, sondern auch Viele des Volkes traf. (Sokr. II, 32; Jul. or. 2, p. 107/8.)

Zu dem nun folgenden schweren Kriege zwischen Constantius und Magnentius bereiteten sich beide zuvörderst dadurch vor, daß sie für die von ihnen verlassenen Reichsteile Cäsare ernannten: Constantius am 15. März 351 (Idat. Chr.) seinen bei dem Verwandtenmord im Jahre 337 verschonten Vetter Gallus, den er mit seiner Schwester Constantia, Hannibalians Witwe, vermählte, für den Orient: und Magnentius seinen Bruder Decentius für Gallien. (Eutrop X, 12; Aur. Vict. d. C. 42, 8.)

Der Krieg selbst wird von Zosimus (II, 45–63) sehr umständlich, jedoch gewiß nicht ohne geographischen Irrtum beschrieben. Zosimus erwähnt (c. 45) zuerst des nahen Zusammentreffens beider Heere bei Sirmium, dann des Hinterhalts in den adranischen Pässen, hierauf der Verhandlung über den Kampfplatz bei Siscia und endlich der Niederlage der Constantianer in jenem Hinterhalte.

Auf den alten Karten findet sich nur ein Adrans in Kärnten zwischen Aemona und Celeja (Laibach und Cilly), etwa vier Meilen unterhalb des erstern, das von Sirmium unweit des Einflusses der Save in die Donau gegen fünfzig Meilen entfernt ist. Der betreffende Paß muß auch, wie dies besonders aus der Natur des Kampfes hervorgeht, nach welcher Steine auf die Constantianer hernieder geworfen wurden, im Felsgebirge gelegen haben, kann also, sollte es auch ein anderes, uns unbekanntes Adra oder Adrana gegeben haben, kaum viel weiter unterhalb, wo das Flußtal ebener wird, gesucht werden.

Jene erste Annäherung der Heere bei Sirmium ist daher offenbarer Irrtum, wahrscheinlich aus dem Versuche, die Angabe einer zuverlässigen, aber ganz allgemeinen Quelle, welche des Kampfes Ende vor Augen hatte, mit denen einer andern speziellen zu vereinigen, hervorgegangen, wobei dem Griechen seine bekannte geographische Unkunde der Länder des Westens einen üblen Streich gespielt hat. Hiernach erscheint der im Text angenommene Verlauf des Krieges, in der Hauptsache wenigstens, der einzig denkbare. Auch ergibt eine wichtige Stelle Julians (or. 1, S. 65), daß Constantius sich vor der Schlacht aus dem Gebirge (δυσχωρία) in die Ebene (ευρυχωρία) zurückgezogen habe, weshalb er notwendig schon gegen Kärnten vorgerückt gewesen sein muß.

Wir denken uns den Verlauf so. Beide Feldherren operierten an der Save: Constantius mag mit der Hauptarmee oberhalb Siscia (Sisseck am Einfluß der Culpa in die Save), Magnentius noch aufwärts von Laibach gestanden haben. Da verhandelte letzterer über freies Vorrücken bis Siscia So ungewöhnlich auch eine solche Verhandlung der Feldherren über die Wahl des Kampfplatzes erscheint, so nötigt uns doch des Zosimus ausdrückliche Versicherung (c. 45), eine solche anzunehmen., worauf Constantius, der seines Übergewichts an Reiterei wegen ebenfalls die Ebene suchte, gern ein und nach Siscia zurück ging.

Eine starke Vorhut des letzteren muß aber schon gegen Magnentius im Anzug und bis in die Nähe von Laibach vorgerückt gewesen sein.

Diese geriet nun bei ihrem Rückzug in einen in den Gebirgspässen von Adrans ihr gelegten Hinterhalt und erlitt schweren Verlust, der Magnentius um so mehr zu entschlossenem Angriff ermutigte. In der Nähe von Siscia traf ihn des Constantius Friedensbote, zugleich aber auch Späher: Philippus. Durch Marcellin eingeführt durfte dieser vor der Heeresversammlung reden und wußte das Angebot des westlichen Reiches für Magnentius gegen Abtretung aller übrigen, das ursprüngliche Erbe des Constans bildenden Länder so geschickt durch Erinnerung an den großen Constantin einzuleiten, daß die Wiederholung der Szene von Naissus nahe war, als Magnentius, noch im rechten Augenblicke seine Zustimmung zum Frieden erklärend, die Versammlung aufhob, Philippus aber zurückbehielt. Tags darauf gelang es ihm jedoch, zunächst die Führer, dann auch die Soldaten wieder für sich und des Krieges Fortsetzung zu gewinnen.

Bei Siscia, das Constantius besetzt hielt, wollte das ihm feindliche Heer über die Save gehen, muß damit auch bereits begonnen haben, als es durch einen kräftigen Angriff mit großem Verluste zurückgeschlagen und zum Teil in den Fluß geworfen ward. Entmutigung ergriff es; schon drängten die Constantiner verfolgend über die Brücke nach, als Magnentius in der äußersten Gefahr mit Zeichen und Wort erklärte, nicht Krieg, sondern Frieden auf des Philippus Bedingungen wolle er und darüber mit Constantius verhandeln, worauf dieser auch wirklich die Seinigen zurückrief. Dabei soll zugleich dessen Wunsch, bei Cibalis zu schlagen, wo sein Vater einst Licinius besiegt und er eine treffliche Stellung gewählt und vorbereitet hatte, mitgewirkt haben.

Nach fruchtloser Verhandlung, weil Magnentius nunmehr des Constantius ganzes Reich forderte, mag letzterer sich nach Cibalis zurückgezogen haben, worauf ersterer sofort Siscia nahm und bis Sirmium (bei Mitrowitz, sieben Meilen oberhalb Semlin) den Fluß hinabzog, von diesem Hauptplatz aber abgewiesen wurde. Nun wandte er sich, an Constantius, den er vermutlich in jener Stellung nicht angreifen wollte, vorbei marschierend, nach Mursa (bei Esseck) an der Drave, das er mit größter Heftigkeit, wiewohl vergeblich, angriff, wodurch er aber doch Constantius aus seiner sichern Stellung zum Entsatz hervorlockte. Ein letzterem für die bevorstehende Schlacht gelegter Hinterhalt ward ihm von der Stadt her entdeckt und endete mit dem Niederhauen der ganzen von Magnentius dazu detachierten Truppe, an vier Bataillonen Gallier.

Vor der Schlacht noch ging Silvanus, ein geborner Franke, mit seinem Reiterkorps zu Constantius über, wodurch dessen Übergewicht in dieser Waffe noch verstärkt wurde.

Über das Treffen selbst, das nach Idatius, übereinstimmend mit Julian (or. 1, p. 69) Die lateinischen Übersetzer haben in dieser Stelle οπώρα, was unseren Hundstagen sich anschließt, ganz falsch durch autumnus wiedergegeben., am 28. September 351 stattfand, ist Zosimus sehr kurz. Nach Julian (or. 1, p. 65 und 2, p. 105 u. folg.) habe Constantius, der, den rechten Flügel an die Drave lehnend, seine ganze Reiterei auf dem linken vereinigt hatte, mittelst dieser sogleich den rechten feindlichen geworfen und umgangen, worauf Magnentius alsbald geflohen sei, während dessen Fußvolk im Mitteltreffen noch mit so viel Tapferkeit angriff und mit solchem Verzweiflungsmute Stand hielt, daß die Entscheidung hier lange schwankte.

Die Germanen, deren Magnentius viele geworbene, namentlich Franken und Sachsen, bei sich hatte, formierten sich zuletzt noch in kleinere, geordnete Massen und brachten, entschlossen bis auf den letzten Mann zu kämpfen, der nationalen Waffenehre freudig Blut und Leben dar.

Endlich sprengten wiederholte Kavallerieangriffe, namentlich der Panzerreiter (Kataphrakten), die noch Stand haltenden Haufen. Alles wandte sich nun zur Flucht, wobei viele in der Drave, durch welche sie sich retten wollten, umkamen, darunter wahrscheinlich auch Marcellin, der, noch zuletzt auf dem Schlachtfelde gebietend, nie wieder gesehen ward.

Des Magnentius voreilige Flucht ist unstreitig Phrase des Lobredners des Constantius, da sie gewiß erst nach dem Verluste jeder Siegeshoffnung erfolgte.

Eben so unbegründet dürfte die Angabe des Sulpicius Severus, eines sechzig bis siebzig Jahre späteren Kirchenhistorikers sein, daß Constantius während der Schlacht in einer Kirche bei Mursa gebetet habe (Tillemont, p. 744 und 1110). Kein Held wie sein Vater, hat er doch vor- und nachher in Schlachten und Gefechten kommandiert. Die kirchlichen Geschichtsschreiber behandeln das Weltliche als Nebensache, mithin häufig ohne Kritik, wovon sich viele Beweise finden. Daher ist auch dies einzige Zeugnis für eine an sich so unwahrscheinliche Tatsache um so weniger für begründet zu halten, als alle übrigen Schriftsteller, selbst die dem Constantius als Christen und beziehentlich Arianer so gehässigen, darüber schweigen.

So viel Römer- und Bundesgenossenblut, dessen das Reich gegen seine äußeren Feinde dringend bedurfte, war seit zweihundertundfünfzig Jahren, seit des Septimius Severus Schlachten im Bürgerkriege nicht vergossen worden, was Constantius noch während des Kampfes tief erschüttert haben soll. (Zosim. II, 51.)

Erst gegen Mitte des Jahres 352 setzte letzterer den Krieg fort, nachdem er vorher Italien, Afrika und Spanien, wohin er Flotten abgesandt, wieder gewonnen, den Senat nach Pannonien berufen und die Germanen – zu seiner Schande sei es gesagt – durch Gold zu Einfällen in Gallien aufgereizt hatte. (Julian or. 1, p. 73, 74, 77, 78, 88 u. or. 2, p. 180 u. Zosim. II, 53.)

Eine den Alpenpaß sperrende Festung nahm Constantius im Flug, anscheinend durch Kriegslist, ein (Jul. or. 2, p. 132), worauf Magnentius aus Aquileja, wo er bis dahin verweilt, floh und sich in Italien, unerachtet eines am Ticin über des Constantius Truppen erlangten Vorteils, nicht behaupten konnte.

Erst spät im Jahre 353 ward er wieder angegriffen, nachdem er vorher im Rücken umgarnt und seiner Hilfsmittel selbst in Gallien, wo sich Trier wider ihn erklärte, großenteils beraubt worden war. Er verlor noch eine Schlacht in den cottischen Alpen (Jul. or. 2, p. 137) und kam im Anfang August durch Selbstmord seiner Gefangennehmung zuvor. Eben so endete der Cäsar Decentius.

Des Magnentius Eigenschaften mögen mehr blendend als wertvoll gewesen sein; Aurelius Victor (d. C. 41, 26) sagt, er habe es dahin gebracht, daß man Constans zurückgewünscht und die Epitome läßt ihn große Furchtsamkeit unter dem Scheine von Kühnheit verstecken.

Mit dessen Tod mag Ammians verlornes XIII. Buch aufgehört haben: von nun an ist der treffliche Mann unser Leiter, auf dessen Grund wir zunächst das zu Anfang dieses Kapitels über Constantius ausgesprochene Urteil zu rechtfertigen haben.

Zu seinem schweren Unheil ward dieser Sohn eines der größten Kaiser im Purpur geboren und hatte sogleich nach der Muttermilch das Gift der Schmeichelei eingesogen. Im siebenten Jahre schon ward er Cäsar. Trefflich seine Erziehung: aber was M. Aurelius bei Commodus nicht vermochte, gelang auch Constantin bei Constantius nicht. Noch mehr verdarb ihn sein Glück im Bürgerkriege, welches er allerdings auch der eignen Geschicklichkeit zum Teil zu verdanken hatte.

Wie er, scharfen Verstandes, die bösen Neigungen der Menschen durchschaute, so fürchtete er, schwachen Herzens, wie einst Dionys, der Tyrann von Syrakus, überall Verrat und Empörung. Von dieser Seite faßte ihn die verworfene Camarilla, deren Haupt ein Verschnittener, der Oberkammerherr Eusebius war, von welchem Ammian (XVIII, 4) ironisch sagt, daß der Kaiser allerdings viel über ihn vermocht habe. Auf seiner Person beruhe ja, hohnredeten die Schmeichler, das Wohl des Erdkreises: daher sei deren Schutz die höchste und heiligste Pflicht gegen die Menschheit.

Für diesen sorgte nun im Dienste jener Camarilla eine Bande verworfener Späher, Verleumder und Angeber, die, blutgierigen Spür- und Hatzhunden gleich, auch die Unschuld verfolgten.

Hatten sie ein Wild erjagt, so folgten Fesseln und Kerker, falsche, durch die furchtbarste Folter erzwungene Geständnisse oder Zeugnisse, endlich Tod oder mindestens Verbannung, in beiden Fällen aber Einziehung des Vermögens, mit dem die Ruchlosen, Herren wie Diener, sich mästeten.

Nur zwei Fälle der Art mögen hier Platz finden.

Obwohl Constantius nach der Schlacht bei Mursa, offenbar in eignem Interesse, eine allgemeine Amnestie verkündet hatte (Jul. or. 1, 2, p. 69 u. 107), so scheint doch, nachdem durch des Magnentius Tod volle Sicherheit erlangt war, schwere Verfolgung der Anhänger desselben eingetreten zu sein, wiewohl unstreitig nur derjenigen, welche sich in Folge jenes Aufrufs nicht sogleich unterworfen hatten.

Da ward (Ammian XIV, 5) aus dem Hauptquartier zu Arles, nach der dreißigjährigen Regierungsfeier des Constantius (von seiner Ernennung zum Cäsar 323 an gerechnet) zu Anfang Oktober 353 der Notar Paulus, der den Beinamen die: »Kette«, »catena«, führte, einer der schlimmsten jener Rotte, als kaiserlicher Kommissar nach Britannien abgesandt, um einige Militärs aus obigem Grunde zu verhaften. Dieser aber, viel weiter gehend, schmiedete aus Raubgier erdichtete Verbrechen und schlug auch Schuldlose in Fesseln. Da erhob sich entrüstet Martinus, der Vicar von Britannien, wider die Unbill, bat dringend um Schonung der Unschuld und drohte schließlich, seinen Posten zu verlassen.

Das hatte aber nur die Folge, daß der Bluthund nun auch den Landeschef selbst und dessen oberste Beamte gefesselt an das Hoflager zu schleppen drohte. Solchem Untergange zuvorzukommen, wollte ihn Martinus niederstoßen, traf aber den Frevler nicht zum Tode und hatte nur noch so viel Kraft, die eigne Brust zu durchbohren. Wohl ihm: denn Folter, Tod oder mindestens Verbannung traf die Unglücklichen alle, welche der verwundete Paulus mit zurückschleppte. Nicht leicht, fügt Ammian am Schluß hinzu, wird man sich erinnern, daß unter Constantius irgend jemand, wo auch nur ein Gemurmel wider ihn vorlag, freigesprochen worden sei.

Noch scheußlicher folgendes (nach Ammian XV, 5):

Der um Constantius so verdiente Silvanus war als Magister peditum zur Verteidigung des hart bedrängten Galliens abgeordnet worden und wirkte dafür mit gutem Erfolge.

Dynamius, ein bei dem Train angestellter Zahlmeister, bittet ihn vor dem Abgange um Empfehlungsbriefe an einige seiner Freunde und erhält sie. Darauf verbindet er sich mit dem Praefectus Praetorio Lampadius und zwei Genossen desselben, dem früheren Domänenminister Eusebius und dem früheren Praefectus memoriae Aedesius, welche nach dem Konsulat strebten, zu folgender Niederträchtigkeit. Der Inhalt jener Briefe wird bis auf die Unterschrift mit Kunst vertilgt und ein anderer, jene Freunde zur Mitwirkung bei beabsichtigtem Thronumsturz einladender, darauf gebracht. Diese Schreiben werden im Geheimenrate vorgelesen und sogleich Befehle zu Verhaftung der entfernten Adressaten erteilt.

Zugleich wird auf Vorschlag Arbetios, des zweiten, von Neid gegen Silvanus erfüllten Generals der Reiterei, Apodemius, ein ähnlicher Bube, mit einem kaiserlichen Schreiben, welches Silvanus an das Hoflager beruft, an diesen abgesandt: derselbe gibt das aber nicht ab, sondern spioniert und intrigiert dort nur unter der Hand gegen Silvanus, der nichts ahnend auf seinem Posten bleibt.

Da schreibt, um den Beweis zu verstärken, Dynamius einen neuen falschen Brief im Namen Silvans und seines Stammgenossen Malarich, Befehlshabers der Gentilen, welcher schon im Geheimenrate sich des ersteren angenommen hatte, an den Vorstand der Waffenfabrik zu Verona: er möge das Nötige schleunigst vorbereiten.

Dieser aber sendet den ihm unverständlichen Brief durch denselben Boten, von einem Soldaten begleitet, zur Aufklärung an Malarich zurück. Entrüstet erhebt dieser nun, auf die zahlreichen Franken am Hofe gestützt, seine Stimme wider solche Verruchtheit. Der Kaiser befiehlt Untersuchung, bei welcher der als Minister officiorum fungierende Florentius endlich die Spuren der in Silvans ersten Briefen vertilgten Schrift und somit den ganzen Betrug entdeckt. Nun soll gegen dessen Urheber mit der Folter verfahren werden, welcher der Praefectus Praetorio jedoch, obwohl bei Majestätsverbrechen sonst kein Rang davon befreite, durch das Zusammenwirken aller Großen noch entgangen zu sein scheint. Eusebius dagegen soll das Verbrechen gestanden, Aedesius aber durch Leugnen obgesiegt haben. Die Stelle ist schwer verständlich: jedenfalls aber bedeutet, nach des Valesius Anmerkung p. 87 der Gronovschen Ausgabe, das suspensus nicht gehängt, sondern nur suspensus in eculeo. Schließlich aber wurden doch, was kaum glaublich scheint, weiter unten aber erklärt werden wird, alle Angeschuldigten freigesprochen, ja der verruchte Dynamius, unstreitig als eins der geschicktesten Werkzeuge, ward sogar zum Gouverneur der Tuscischen Provinz ernannt.

Nichtsdestoweniger ward der unglückliche Silvanus ein Opfer dieser Büberei. Er erfuhr endlich die ihm drohende Gefahr, noch nicht aber den Ausgang der Untersuchung. Wissend, daß Unschuld keine Rettung sichere, dachte er diese durch Flucht zu seinen Volksgenossen, den Franken, zu finden. Einer seiner Offiziere desselben Stammes stellte ihm aber vor, daß ihn diese als Abtrünnigen (Es ist dies ein seltener Ausnahmsfall. Meist finden die Germanen keinen Frevel in dem Eintritt in römischen Waffendienst, auch wenn dieser gegen Stammgenossen geleistet wird. Silvan muß den Franken stark geschadet haben. D.) entweder töten oder für Geld ausliefern würden. Da erblickte er das einzige letzte Rettungsmittel in Vollziehung der Tat, deren man ihn fälschlich beschuldigt hatte. Er nahm den Purpur.

Das schlug wie ein Blitz in des Constantius Seele. Nun galt es, einen Mann zu finden, den man Silvan entgegenstelle: und man verfiel auf einen der tüchtigsten im Reiche, auf den Magister der Reiterei Ursicinus.

Er war bitter gehaßt von der Camarilla und seinem unwürdigen Kollegen Arbetio: diese hatten bereits zu Anfang des Jahres 354 seine Abberufung aus dem Orient und ein heimlich zu vollstreckendes Todesurteil wider ihn ausgewirkt, als der Kaiser in einer Anwandlung besseren Gefühls dies noch zu vertagen beschloß (Ammian XV, 2, S. 45.). Ursicinus machte den Ungrund jener Beschuldigung des Silvanus geltend, ward aber von Constantius in geschickter Rede bedeutet, daß bei der gegenwärtig so dringenden und gefährlichen Sachlage darauf nicht weiter zurückzukommen sei. Mit einem Schreiben, worin der Kaiser, des Vorgefallenen sich noch unkundig stellend, Silvanus freundlich einlud, den Befehl an Ursicinus abzugeben und zu ihm zurückzukehren, so wie mit gemessener geheimer Instruktion reiste letzterer ab, mit ihm auch unser Ammian. Silvanus empfing ihn inmitten eines starken Heeres in Köln und nahm ihn, wissend, daß auch dieser Mann zu den am Hofe Gehaßten gehöre, freundlich auf. Nach peinlichster Verlegenheit, wie er seinen Auftrag erfüllen könne, gelang es Ursicinus endlich, einen Haufen der Braccaten und Cornuten zu gewinnen, welche für ein großes Geldgeschenk Silvanus niederstießen.

So endete der würdige, um Constantius so hochverdiente Mann. Neue Nahrung gewannen nun Übermut und Schmeichelei.

Folter und Blutgericht gegen des Silvanus Freunde, wobei sich der »höllische« Paulus (tartareus ille delator) wieder hervortat, schlossen die Tragödie.

Wir vermuten nun, daß die allmächtige Camarilla Silvans wirkliche Empörung benutzt habe, um, den richtigen Blick des Dynamius und seiner Genossen hervorhebend, die Freisprechung dieser Schurken vom Kaiser zu erlangen.

Nach dieser Abschweifung kehren wir zum Faden der Zeitgeschichte zurück.

Im Orient hatte der Cäsar Gallus, nachdem er im Jahre 362 eine Empörung der nimmer rastenden Juden unterdrückt hatte (Aur. Vict. d. C. 42, 10 u. a.), nichts zu tun, da sich die Perser bis auf Streifereien ruhig verhielten. (Amm. XIV, 2 u. 3.)

Aber im Müßiggange zu Antiochien übte er sehr argen Mißbrauch der Gewalt; neben ihm seine Gemahlin Constantia, des großen Constantinus Tochter, die, wie Ammian sagt, einer sterblichen blutgierigen Megäre gleich, den ohnehin Wilden unablässig anfeuerte.

Sein Praefectus Praetorio versuchte nichts gegen diese Mißwirtschaft, setzte aber Constantius davon in Kenntnis. (Amm. XIV, 1.)

Und nicht mit Offenheit und Kraft, sondern mit abscheulichster Heimtücke schritt dieser ein, übrigens nicht wegen der »Frevel« des Gallus, welche seinen eigenen weit nachstanden, sondern vor allem weil er, damals noch ohne jeden Grund, Empörung seines Cäsars fürchtete. Er suchte deshalb, unter dem Vorwande des Mangels an Beschäftigung, des Gallus Heer zu mindern (Wie später Julians. D.), und sandte an die Stelle des verstorbenen einen neuen Praefectus Praetorio, Domitian, in den Orient, den oft eingeladenen Cäsar durch arglistige Freundlichkeit nach Italien zu locken. Domitian aber verging sich gegen diesen gröblich in der Form und forderte ihn endlich mit drohenden Worten zur sofortigen Abreise auf, worauf ihn der Cäsar verhaften ließ. Mißbilligend äußerte sich über diesen Schritt der Quästor Montius gegen die Offiziere der Garde. Da wiegelte Gallus unter der Klage, Montius habe ihn der Rebellion beschuldigt, die zusammengerufenen Soldaten wider jenen auf und er sowohl als bald darauf auch Domitian wurden unter Mißhandlungen umgebracht. (XIV, c. 1.)

Gallus mag nun ängstlich geworden sein, ließ daher seine Gemahlin, die der tückische Bruder wiederholt auf das Zärtlichste eingeladen hatte, abreisen. Als diese aber unterwegs plötzlich verschied, wuchs seine Furcht auf das Höchste. Schwankend zwischen offener Empörung (von welcher das Gefühl, vom Volk gehaßt zu sein, abmahnte) und Nachgiebigkeit, ward er endlich doch durch die glatten Worte eines dazu abgeordneten Meisters der Schmeichelei und Lüge zur Abreise bewogen. Je mehr er sich von seinem Gebiet entfernte, um so mehr ward er als Gefangener behandelt, bald des Purpurs beraubt, endlich von der Straße bei Pötobium (Petiau in Steiermark) abwärts nach Pola geschleppt und daselbst gegen Ende 354 unter Vorhalt seiner Missetaten enthauptet.

Verwerflich war sonder Zweifel die heimtückische Form, verdient aber das Todesurteil, was Julian (des Gallus Bruder) selbst (ad Athen, p. 500) nicht ganz in Abrede stellt, so hart er auch des Constantius Arglist anklagt.

Des Gallus Freunde und Diener traf das gewöhnliche Los: ja selbst Julian, der bereits nach Como transportiert worden war, wäre dem nicht entgangen, wenn nicht die Kaiserin Eusebia dies verhütet und seine Entlassung nach Athen durchgesetzt hätte. Mit dieser schönen, edlen Frau hatte sich Constantius, nach dem Verluste der ersten, des Gallus und des Julian Schwester, Ende 352 oder Anfang 353 vermählt.

Zunächst ist nun zweier Feldzüge gegen die Alemannen zu gedenken.

Im Frühjahre 354 zog der Kaiser gegen die Alemannenkönige Gundomad und Vadomar, Brüder, die von Basel abwärts am obern Rheine sitzen mochten, um sie für das unausgesetzte Eindringen in Gallien zu züchtigen.

Das bei Châlons sur Saone versammelte Heer rückte nach Augst (Augusta Rauracorum) bei Rheinfelden an den Rhein, der Brückenschlag aber ward durch den Geschoßhagel der am jenseitigen Ufer in Masse aufgestellten Germanen gehindert.

Ein Ortskundiger zeigte für Lohn eine Furt, durch die man während der Nacht hätte übersetzen und den Feind umgehen können.

Ob dies, wie man vermutete, durch höhere römische Offiziere germanischer Abkunft ihren Volksgenossen verraten ward oder ob nur ungünstige Anzeichen die Germanen schreckten, bleibt dahin gestellt; genug, sie baten durch Gesandte um Verzeihung und Frieden, der ihnen auch, mit Zustimmung des darum befragten Heeres, gewährt und in Form eines Bündnisses feierlich abgeschlossen ward. Dabei soll, wie Ammian meint, auf Seite der Truppen die Erwägung mitgewirkt haben, daß Constantius zwar wohl im Bürgerkriege, niemals aber gegen äußere Feinde Glück gehabt habe. (XIV, 10.)

Etwas ernster verlief der Feldzug des Frühjahrs 355, der gegen die östlichen Nachbarn obiger Könige, die Linzgauer Der Linzgau lag am Nordufer des westlichen Bodensees und mag einen großen Teil des jetzigen Badenschen Seekreises umfaßt haben. Alemannen (Lentienses) unternommen ward, weil auch diese häufig weit in das Römische hinein heerten (collimitia saepe Romana latius irrumpentibus). Wie für die westlichen Alemannen der Elsaß, so mag für diese, die zwischen dem Bodensee und der Aare über den Rhein gingen, der heutige Kanton Aargau Tummelplatz gewesen sein.

Nicht um eine gewöhnliche Streiferei aber – denn wegen kleiner Dinge erhob sich Constantius nicht –, sondern um eine ernstere Besorgnis muß es sich damals gehandelt haben. Wahrscheinlich, ja gewiß suchten sich die Alemannen in dortiger Gegend bleibend festzusetzen, was dann die Hauptplätze Vitodurum (Winterthur) und Vindonissa (bei Baden), vor allem aber die so wichtige Militärstraße von Rätien nach Gallien südlich des Bodensees gefährdet haben würde.

(Die Germanen suchten eben nicht mehr bloß Beute: – Land suchten sie in Gallien. D.)

Daher zog der Kaiser in Person nach Rätien, blieb aber anscheinend in der Nähe von Bregenz stehen und schickte von da den schon genannten Arbetio, magister equitum, voraus, um am Ufer des Sees, d. i. auf der Militärstraße von Bregenz über Rheineck (ad Rhenum) bis Arbon (Arbor felix) etwa vier Meilen weit vorzugehen und von hier aus die Barbaren anzugreifen.

Über den nun folgenden Kriegsverlauf sind wir, weil im Manuskript eine vier Zeilen lange Lücke (nach den Worten: ad usque ... confinia) ist, unvollständig unterrichtet. Der Hergang scheint folgender gewesen zu sein. Arbetio verließ etwa in der Richtung von Winterthur die Militärstraße, den Feind aufzusuchen. Dabei mag seine Vorhut (denn gewiß nur von dieser, nicht vom Hauptcorps ist die Rede) unvorsichtig vorgegangen und dadurch in einen Hinterhalt gefallen sein, wo sie von allen Seiten so ungestüm angegriffen ward, daß sie nicht zu widerstehen, nur durch Flucht in völliger Auflösung sich zu retten vermochte, was die eingebrochene Nacht und der Wald erleichterten, so daß viele am Morgen im Hauptkorps sich wieder einfanden. Der Verlust muß aber, da allein zehn Tribunen blieben oder vermißt wurden, sehr groß gewesen sein.

Arbetio verblieb nun in dem verschanzten Lager, das die Feinde täglich, besonders im Frühnebel, herausfordernd umschwärmten, ohne jedoch einen offenen Sturm zu wagen, dem die germanische Taktik und Bewaffnung nicht gewachsen waren.

Da gingen eines Tages die Schildträger (scutarii, eine der scholae der Garde) gegen die feindliche Reiterei vor, wurden aber zurückgedrängt und riefen die Ihrigen zum Succurs. Allein die Erinnerung des erlittenen Unfalls und Arbetios zaudernde Besorgnis lähmten den Mut. Da stürzten endlich drei entschlossene Tribunen, Arintheus, Seniauchus und Bappo, mit ihren Scharen, anscheinend ebenfalls Reiterei (? D.), heraus und führten einen so gewaltigen Stoß auf die Alemannen, daß diese, völlig zersprengt, in wilde Flucht gejagt wurden. Nun beteiligten sich auch die zurückgeblieben Truppen an der Verfolgung, welche für die Germanen um so vernichtender wurde, da Terrainhindernisse (impediti, vielleicht durch dichtes Gestrüpp) sie zum Teil aufhielten, wobei auch die römischen Reiter auf Abteilungen des feindlichen Fußvolks (barbaram plebem) stießen.

Jedes derartige Handgemenge aber war für die nackten, mit genügenden Schutzwaffen nicht versehenen Germanen höchst mörderisch.

Mit diesem Ausgange, der allenfalls der Waffenehre genügte, aber ohne allen politischen Erfolg war, kehrte der Kaiser hochvergnügt nach Mailand zurück. (XV, 4.)

Solcher Art waren des Constantius Feldzüge gegen die Germanen: wahrlich denen seiner großen Ahnen nicht vergleichbar und nicht geeignet, Feinde in Schreck und Zaum zu halten, die, den sturmgepeitschten Wogen gleich, ohne Rast und Furcht gegen die römische Grenzwehr und weit über sie landein drangen.

Für Gallien überhaupt war mit des Constans Tode 350 der Wendepunkt eingetreten. Ihn fürchteten noch, wie Ammian (XXX, 7) sagt, die Germanen. Als aber Magnentius, der Truppen für den Bürgerkrieg bedürftig, die Grenzbesatzungen schwächte, als des Constantius verwerfliche Politik vor allem die Germanen zum Angriff einlud und bezahlte –: da trat jener Zustand ein, den Zosimus (III, 1) und Julian (ad Athen, p. 511 und 512) im Jahre 356 also schildern: »Alemannen, Franken und Sachsen schwärmten heerend im Lande; fünfundvierzig Städte – kleinere Burgen und Kastelle ungerechnet – waren zerstört und ein gegen acht Meilen breiter Grenzstreif vom Ursprunge des Rheins bis zum Ozean im festen Besitze (– man bemerke dieses Sichseßhaftmachen wohl – D.) der Barbaren, von dem aus sie das Innere verwüstend durchzogen. Zahllose Einwohner waren in die Sklaverei geführt, unermeßliche Beute fortgeschleppt, andere Städte noch vor dem Angriffe aus Furcht verlassen.«

Wird es doch von Silvanus, den Constantius nach des Magnentius Sturz zuerst in diese Provinz sandte, als besonderes Wagnis und Glück berichtet (Amm. XVI, 2), es sei ihm gelungen, mit nur 8000 Mann auf waldigen Pfaden (die Hauptstraße muß also in Feindeshand gewesen sein) von Autun (Saone et Loire) nach Rheims (Marne), also im Herzen Frankreichs, mühevoll durchzudringen. Doch scheint es unter diesem tüchtigen Mann auf besserm Wege gewesen zu sein; da verfiel durch dessen Tod all es aufs neue, zumal auch Ursicinus das Kommando bald wieder verloren haben muß (Ammian. XVI, 2, S. 84); ja selbst das feste Köln ward nunmehr von den Germanen im Jahre 355 erobert und (teilweise D.) zerstört.

Rettung erblickte Constantius, eigne Übersiedlung nach Gallien nicht ohne Grund für bedenklich erachtend, unstreitig aber auch seine Unfähigkeit fühlend, einzig in der Ernennung eines Cäsars: er verfiel dabei auf Julian, seinen letzten noch übrigen Verwandten. Die Camarilla bot alles auf, ihn sowohl von der Idee überhaupt als von dieser Wahl insbesondere abzubringen und möchte wohl obgesiegt haben, wenn nicht die vielvermögende Kaiserin Eusebia mit richtigem Blick für das Gemeinwohl den Gemahl entschieden hätte.

So ward denn der fünfundzwanzigjährige junge Mann am 6. November 355 zu Mailand vor feierlicher Heerversammlung zum Cäsar ernannt und wenige Tage darauf mit des Kaisers Schwester Helena vermählt. Nur so viel vermochte der Haß der Camarilla über die kleinliche Seele ihres Herrn, daß Julian von seinen Freunden und Dienern getrennt und von Spähern umgeben sowie durch offene wie geheime Instruktionen an die unter ihm dienenden Generale zu einem fast willenlosen Werkzeuge herabgedrückt werden sollte.

Am 1. Dezember reiste er ab.

Wir unterbrechen hier die Zeitfolge und behalten des Cäsars glänzenden Heldenlauf in Gallien, der zum Teil an den des großen Julius erinnert, dem folgenden, dieser merkwürdigen Persönlichkeit ausschließlich gewidmeten Kapitel vor.

Nur so viel daher an diesem Orte, daß Julian in wenig mehr als vier Jahren nicht nur Gallien vollständig von den Barbaren befreite, sondern auch die Alemannen und Franken jenseits des Rheins so nachdrücklich bezwang und demütigte, wie dies seit Probus nicht geschehen war.

Die Hochverratsprozesse, in deren einem Arbetio verwickelt, aber doch losgesprochen ward (Amm. XVI, 6), und alles, was sonst noch nur zu des Constantius Charakteristik dient, übergehend – gedenken wir zunächst seines, wie man annehmen muß, ersten Besuchs in Rom, wo er am 28. April 357 Nach Idatius, während die Annahme des Jahres 356, nach dem Chronicon Paschale, durch Ammian unzweifelhaft widerlegt wird. S. Tillem., Not. 39, p. 1128. Auch die Gronovsche Ausgabe des Amm. Marc, der des Valesius folgend, irrt in der für die Kap. 7, 8, 9 und 10 angegebenen Chronologie, weil im Kap. 11 das Konsulat von 357 erwähnt wird. eintraf. Es gibt nichts Anziehenderes, als Ammians Bericht darüber (XVI, 6): der asiatische Prunk des Einzugs, die unbewegliche, einem Erzbilde gleiche Haltung des Kaisers, vor allem aber die monumentalen Wunderwerke der ewigen Stadt und deren erschütternder Eindruck auf diesen.

Als Constantius, von dem Riesenbau des trajanischen Forums ergriffen, nur das den unsterblichen Helden tragende Roß nachbilden zu wollen erklärte, bemerkte der am Hofe weilende, persische Prinz Hormisdas: »Wohl, so schaffe aber auch denselben Stall dafür, damit Dein Roß so weit vorschreite, als dieses.«

Um dieselbe Zeit ward Barbatio der an Silvans Stelle zum Magister militum ernannt worden war, gegen die in Rätien eingedrungenen Juthungen gesandt, welche Ammian hier einen Teil der Alemannen nennt. Sie versuchten, was sonst nicht geschehen war, sogar der festen Plätze sich zu bemeistern. Wenn Ammian sagt: Juthungi Alamannorum pars, Italicis contermina tractitus, so kann er unter Tractus Italici hier nur Rätien selbst verstanden haben, das damals eine Provinz Italiens war. Völlig undenkbar nämlich ist, daß sie in Noricum bis zu den carnischen und julischen Alpen gesessen hätten.

Der Feldherr war verzagt: aber der auflodernde Kriegsmut der Truppen riß ihn fort: die Juthungen wurden auf das Haupt geschlagen; nur ein kleiner Teil derselben entrann verzweifelnd in die Heimat. (Amm. XVII, 6.)

Wie verräterisch derselbe Barbatio sich gegen Julian benahm, werden wir im nächsten Kapitel sehen; wie er bald nachher dem Verhängnisse seiner Zeit als – damals wenigstens – schuldloses Opfer fiel, ergibt Ammians XVIII. Buch, Kap. 3.

Ein Bienenschwarm hatte sich in seinem Hause angesetzt; das bedeute Großes, versichern die von seiner abergläubischen Frau befragten Zeichendeuter.

Von Wahn ergriffen schreibt diese dem Gemahl im Felde, ihn beschwörend, sie doch ja nicht um der schönen Kaiserin Eusebia willen zu verstoßen, wenn er nach des Constantius Tode zur Herrschaft gelange. Dies schrieb sie durch die Hand einer Sklavin, welche verräterisch dem Arbetio Abschrift des Briefes zustellt. Sofort wird Barbatio, der den Empfang des Schreibens nicht leugnen kann, und mit ihm die Frau enthauptet, der Folter furchtbares Spiel aber gegen die vermeinten Mitschuldigen in Tätigkeit gesetzt, von denen der völlig unschuldige und unwissende Valentinus, nachdem er die mehrmalige Marter überlebt, zur Entschädigung zum Kommandierenden (dux) in Illyrien ernannt wird. (Amm. XVIII, 2.)

Wie die Alemannen und Juthungen am Rhein und der obern Donau, so hausten die Sarmaten (Jazygen) und Quaden an der niedern in Pannonien und Mösien. Constantius verlegte deshalb sein Hauptquartier nach Sirmium, wo er den Winter 357/8 verbrachte, um im Frühjahr gegen diese Feinde zu ziehen. Leider bietet Ammians so ausführliche als lebendige Darstellung der Feldzüge des Jahres 358 die größten Schwierigkeiten.

Die Knechte der Jazygen, welche von Ammian und überhaupt in den späteren Quellen immer nur mit dem Stammnamen »Sarmaten« bezeichnet werden, hatten das Joch ihrer Herren gebrochen und diese vertrieben. Schon damals zerfielen jene Sarmaten in zwei Sonderstaaten: die südlichen führten den Namen Limiganten. Von diesen entwichen die verjagten ehemaligen Herren, 300 000 an der Zahl, in das nahe römische Gebiet, Obermösien, worauf sie in geeigneten Provinzen kolonisiert wurden. Aus dem nördlichen Volk aber flohen dieselben zu den zwar nicht ganz nahen, aber doch gewiß durch kein Zwischenvolk geschiedenen Viktofalen, die in Oberungarn an der oberen Theiß und deren Zuflüssen zu suchen sind.

Dort aber mögen sie sich nicht behaglich gefühlt haben; wir ersehen mindestens, daß sie ihre Wiederaufnahme in der Heimat erlangten.

Diese Wiedervereinigung beider Teile ist es nun, auf deren Grund Ammian die nördlichen Sarmaten fortwährend als freie, liberi, die südlichen aber, weil sie eben nur noch aus den alten servi bestanden, nur als servi bezeichnet.

Wie es aber kommt, daß Ammian in seiner Darstellung der Feldzüge des Jahres 358 der Viktofalen gar nicht weiter, sondern neben den Sarmaten nur der Quaden gedenkt, ist mit Sicherheit nicht zu erklären.

Im Frühjahre 358 ging Constantius, noch ehe die Hochwasser ganz verlaufen waren, mit einem starken Heer über die Donau, vermutlich in der Nähe von Kecskemet.

Die Sarmaten, welche den Angriff nicht so früh erwartet, flohen so eilig, daß nur deren wenige noch von den Verfolgern niedergehauen werden konnten. Darauf systematische Landesverwüstung, sowohl nordwärts nach Pest, als ostwärts nach der Theiß zu. Nach Amm. sowohl in dem Teile, der an das zweite Pannonien, als in dem, der an die Provinz Valeria stieß. Das brach den weitern Fluchtplan der Sarmaten. Sie rückten in drei Kolonnen dicht an das römische Heer heran, mit ihnen die Genossen wie der früheren Raubfahrten so nun der Gefahren – die Quaden. Nachdem aber in der hierauf erfolgten Schlacht Viele niedergehauen worden, floh der Rest in das benachbarte Hügelland. (Dieses findet sich erst in der Gegend von Erlau.) Darauf rückte Constantius gegen die Quaden, welche, durch den Unfall erschüttert, demütig um Frieden baten.

Bei der vor dem Kaiser hierzu festgesetzten Verhandlung erschien nun auch Zizais, königlichen Geblüts (regalis: vielleicht »Kleinkönig« D.), der die in Schlachtreihe aufgestellten Sarmaten zum Bitten anwies. Sie stürzten sich plötzlich, die Waffen wegwerfend, zu Boden. Er selbst konnte vor Schluchzen kaum zu Worte kommen, bis er, durch Zuspruch ermutigt, kniend um Verzeihung bat, worin denn sogleich das ganze Volk, an Demut den Führer noch überbietend, einstimmte. In seinem (als des Vornehmern) Gefolge (duxerat potior) waren, nebst den übrigen Sarmaten, auch die untergeordneten Häuptlinge (subreguli), Zinafer und Fragiled, und die meisten Optimaten. Auch diese boten ihr Alles, Land und Habe, ja Weib und Kind den Römern willig dar.

Allein: »Billigkeit und Milde herrschten bei Constantius vor«; sie sollten ihr Land behalten und nur die Gefangenen herausgeben. Sogleich erfolgte die Stellung der verlangten Geiseln und das Versprechen schleuniger Folgeleistung.

Durch diesen Vorgang ermutigt eilten nun auch die Scharenführer Arahar und Usafer herbei, ebenfalls regales: königlichen Geschlechts (vielleicht: Kleinkönige D.), unter den Vornehmsten hervorragend, von denen jener Quaden, dieser Sarmaten führte.

Der Kaiser, fürchtend, daß das gemeine Volk letzterer (quorum plebem veritus, wo offenbar die Jazygen gemeint sind) unter dem Vorwande des Friedens zu den Waffen greife, sonderte die Verhandlung und hieß die Wortführer der Sarmaten abtreten.

Darauf erhielten die Quaden gegen Stellung von Geiseln, was von diesen noch nie zuvor geschehen war, Verzeihung und Frieden. Als nun Usafer, der Sarmatenführer, vorgelassen ward, widersprach Arahar heftig, weil der ihm bereits bewilligte Friede auch diesem, als seinem Untergebenen, ohne weiteres zugute kommen müsse.

Bei Erwägung der Frage aber fand man (d. i. der Kaiser), daß die Sarmaten, da sie stets der Römer Klienten gewesen, fremder Botmäßigkeit ganz zu entziehen seien; sie wurden daher für sich Geiseln, als Pfand des Friedens, zu stellen angewiesen.

Hierauf strömten, durch Arahars Beispiel veranlaßt, noch eine Menge Scharen (maximus numerus catervarum) anderer Völker und Könige herbei, welche gleichen Frieden empfingen und dafür die aus dem Innern herbeigeholten Söhne der Vornehmen als Geiseln stellten.

Demnächst beschäftigte sich der Kaiser mit bleibender Feststellung der Verhältnisse der Sarmaten, » welche mehr Mitleid als Feindschaft verdienten und denen dies Ereignis zur Quelle unglaublichen Vorteils ward.« Daß sich diese Worte nun lediglich auf die im Jahre 334 vertriebenen Herren beziehen können, deren Stellung immer noch eine sehr prekäre gewesen sein mag, ist nicht nur an sich klar, sondern wird auch noch mehr durch die nun folgende Stelle außer Zweifel gesetzt, welche deren ganze frühere Geschichte und spätere Wiederaufnahme berichtet.

Den Sarmaten ward nun der durch Ansehen der Geburt und sonst dazu geeignete Zizais als König vorgesetzt, der sich auch in der Folgezeit tüchtig und treu bewährte.

Keinem dieser Völker aber ward, vor Rückgabe der Gefangenen, die Heimkehr gestattet.

Nachdem dies im Lande der Barbaren vollbracht worden, wandte sich der Kaiser nach Bregetium (Comorn), dem Herzen des Quadengebiets gegenüber, um auch die dort wohnenden Quaden, welche am Kriege Teil gehabt, zu züchtigen.

Als aber das Heer deren Boden betrat, warfen sich Vitrodor, der Sohn des Königs Viduar, der Häuptling (subregulus) Agilimund und die andern Optimaten, so wie die den verschiedenen Völkern vorgesetzten Richter den Soldaten zu Füßen, erlangten auch bedingte Verzeihung, stellten ihre Kinder als Geiseln und beschworen auf ihre Schwerter, »die sie als Götter verehren«, den Frieden. (Amm. XVII, 12.)

Wir erkennen in dieser Darstellung mehrfach die Spuren des römischen Bulletinstils und dürfen wohl annehmen, daß die Beweise der Furcht und Demut der Barbaren übertrieben sind, obwohl es deren stehende Politik war, der Gefahr eines großen Kriegs, dem sie sich nicht gewachsen fühlten, durch Unterwerfung, für den Augenblick wenigstens, sich zu entziehen.

(Das Gesamtvolk der Quaden erscheint hier, ganz wie die Alemannen, gleichzeitig unter einer Vielzahl von Königen, deren größere (mehrere Gaue) oder kleinere (einen Gau) umfassende Macht durch die lateinischen Ausdrücke rex, regalis, subregulus angedeutet wird: Unterordnung der kleineren ist aber nur bei dem Sarmaten-Häuptling gegenüber dem Germanen Arahar deutlich wahrnehmbar. D.)

Nachdem dies glücklich vollbracht, wandte sich Constantius, wovon Kap. 13 handelt, gegen die südlichen Sarmaten, die er Servi nennt, die Limiganten. Diese saßen im Südwinkel des Landes zwischen Donau und Theiß bis zu deren Zusammenfluß, sicherlich aber auch teilweise jenseits letzterer. Sie waren so gefährliche Räuber, daß die kaiserliche Politik sogleich deren gänzliche Entfernung von der Grenze in das Auge faßte.

Unstreitig marschierte nun das römische Heer von Bregetium (Comorn) durch Pannonien wieder in die Nähe von Sirmium und ging dort, was zwar nicht angeführt, aber unzweifelhaft ist, über die Donau.

Als das Heer auf ihrem Gebiet erschien, erklärten sich die Limiganten zu jeglicher Unterwerfung, selbst Tributzahlung und Rekrutenstellung, bereit, verweigerten aber entschieden die Auswanderung aus ihrem trefflich gelegenen, durch Sümpfe geschützten Schlupfwinkel.

Der Kaiser beschied sie auf das linke Theißufer, wo sie sich auch, aber mehr drohend und trotzig als unterwürfig, einfanden: er hatte, deren Stimmung erkennend, seine Truppen geschickt zur Umzingelung aufgestellt. Von einer Erhöhung herab suchte der Kaiser durch milde Worte, worin er Meister gewesen sein mag, sie zu beruhigen und zu lenken.

Schwankenden Sinnes zuerst hörten sie ihn: aber bald gewannen Wut und Trotz die Oberhand. Weithin, nach ihm zu, schleuderten sie ihre Schilde d. h. vorwärts, »um unter dem Vorwande der Wiederaufnahme derselben vorzudringen.« (So argwöhnten die Römer, die aber selbst zuerst offen die Treue brachen, angeblich, um zuvorzukommen. D.)

Da griffen die Römer, »zumal schon der Tag sich neigte« (!), von allen Seiten plötzlich die Sarmaten an. Diese aber ließen sich nicht abhalten, wutentbrannt auf den Kaiser einzudringen, wozu sie sich in keilförmige Schlachtordnung formierten. Die Garde wehrte indes tapfer ab und das römische Fußvolk von der Rechten, die Reiterei von der Linken drangen so kräftig ein, daß die Schlacht bald ein ungeheures Schlachten wurde. Kein Sarmate aber bat um Gnade, keiner warf die Waffen weg: lieber Tod als Unterwerfung war die Losung. Nur eine halbe Stunde dauerte das Morden, worauf Weiber und Kinder aus den nahen Hütten hervorgezogen und zu Sklaven gemacht wurden.

Am andern Morgen ging die Verfolgung weiter mit Schwert und Feuer, die Strohhütten wurden angezündet, die Unglücklichen verbrannt oder niedergestoßen; von denen, die sich schwimmend über die Theiß retten wollten, ertranken Viele.

Darauf gingen die Römer zu Schiff über den Fluß und setzten auch dort das Mord- und Zerstörungswerk fort.

So das Los der einen Gruppe sarmatisch-limigantischer Gaugemeinden, der Amicensen; nun ging es gegen die zweite, die Picensen, welche schon mehr in oder nahe den Bergen der Militärgrenze nach Siebenbürgen hin gesessen haben mögen. Gegen sie wurden zugleich deren nördliche Nachbarn, die freien Sarmaten, und deren östliche, die (Gotischen) Taifalen, zum Angriff gewonnen, so daß dieser von drei Seiten her erfolgte.

Schwanken der Verzweiflung, bis der Rat der Ältesten die Hochbedrängten zur Unterwerfung bestimmte. Sie kamen aus ihren Bergen in das römische Lager mit Hab und Gut, Weib und Kind und ergaben sich in ihre Versetzung in eine für Rom minder gefährliche, für sie aber gesicherte Gegend. Wo diese lag, erfahren wir nicht, vermuten aber, daß das Land zwischen Donau und Theiß gänzlich eben so ein breiter Grenzstreif nördlich der Donau geräumt werden mußte, die Hauptumsiedlung aber mehr nach Osten erfolgte, wo gewiß noch wüstes Grenzland die Sarmaten und Taifalen trennte. Das von erstern geräumte Gebiet ward den freien Sarmaten überlassen. Die Kap. 12 und 13 des XVII. Buchs von Ammian bieten beinahe unlösliche Schwierigkeiten. Er muß über die jazygische Revolution im Jahre 334 eine gute Quelle, nicht minder genaue militärische Berichte über die Feldzüge des Jahres 368 gehabt haben, keinerlei nähere Nachrichten aber über die ferneren Schicksale sowohl der im Jahre 334 vertriebenen »Herren«, als der »Knechte«, welche ihr Joch damals gebrochen, in der Zwischenzeit.

Während er jene c. 12 im Jahre 334 zu den Viktofalen entweichen läßt, ist daselbst bei den Ereignissen des Jahres 358 nur von Quaden und deren Verbindung mit, ja teilweise Herrschaft über Sarmaten die Rede.

Wir haben es hier mit zwei getrennten Völkerschaften oder Gemeinwesen der Sarmaten (d. i. Jazygen) zu tun: a) mit den nördlichen, b) mit den südlichen, welche Ammian Limigantes nennt.

Letztere bezeichnet er nun (c. 13, Z. 2) ausdrücklich als Sarmatae servi, erstere aber viermal (ebenda, sowie in des Konstantius Rede: Zizaim praefecimus liberis) als liberi.

Was ist dieses Unterschiedes Sinn? Frei waren durch jene Revolution nach Vertreibung ihrer Herren sowohl die nördlichen als die südlichen geworden. Umgekehrt sogar erscheinen bei den Ereignissen des Jahres 358 gerade letztere, die Limiganten, als völlig unabhängig, während die erstern, teilweise wenigstens, unter quadischen Führern stehen. Unzweifelhaft beziehen sich daher jene Bezeichnungen nicht auf die politischen Zustände jener Volksschaften im Jahre 358, sondern lediglich auf deren historische Verhältnisse im Jahre 334. Die Limiganten bestanden immer noch aus den ursprünglichen servis, deren Herren sich, 300 000 an der Zahl, auf römisches Gebiet geflüchtet hatten und daselbst festgehalten wurden.

Hinsichtlich der Würden haben wir anzunehmen, daß wenn Cäsar, ja selbst Tacitus den Ausdruck: princeps nicht in einem festbestimmten, technischen, sondern in allgemeinem, Verschiedenartiges umfassenden Sinne brauchten, Ammian noch viel weniger mit den Bezeichnungen regales, subreguli, optimates, judices, populi, nationes einen staatsrechtlich klaren Begriff verband. Gerade dieser Historiker setzt einen gewissen Stolz darein, über Geographisches, Ethnographisches und Althistorisches seine Gelehrsamkeit in besonderen Exkursen auszukramen, von denen sein Werk wimmelt. Wir dürfen daher mit Sicherheit annehmen, daß er auch das für Rom so wichtige germanische Volks- und Staatsleben zum Gegenstand eines solchen gemacht haben würde, wenn er davon irgendwie genauer unterrichtet gewesen wäre. Diese Unkunde legt sich auch offen zu Tage, wenn er vor Schl. d. Kap. 12: judices variis populis praesidentes anführt, während doch hier das einzige Volk der Quaden in Frage war, jene populi daher nichts als Gemeinden von Gauen gewesen sein können, denen ein Richter vorstand.

Ammian selbst wohnte jenen Feldzügen nicht bei: er benutzte nur die Militärberichte, deren Verfasser ohne alle weitere Kritik diejenigen Bezeichnungen brauchten, welche sie etwa von den Germanen vernahmen oder sonst passend erachteten.

(Regalis bezeichnet wohl in der Regel »königlichen oder auch nur fürstlichen Geschlechts«, ist jedoch gewiß nicht immer gleichmäßig angewandt, vielmehr manchmal wohl = regulus.

Unter Subreguli haben wir Gaukönige zu verstehen, welche, nur im Kriege einem »Herzog« untergeordnet, im Frieden unabhängig nebeneinander stehen. D.)

Zu letztern müssen auch jene Rumo, Zinafer und Fragiled gehört haben, weil sie selbständig Frieden erbaten und erhielten.

Unter optimates können nur diejenigen gemeint sein, welche ihrem auf Geburt beruhenden Ansehen nach den Königen zunächst standen: alter Volksadel.

Arahar wird von Ammian dux Transjugitanorum Quadorumque genannt, welches erstere wir durch Überkarpatische übersetzt haben. Da das alte freie Volk der Quaden auch jenseits der Karpaten saß, sich vielleicht auch von Oberschlesien (Teschen) aus nach Krakau zu ausgedehnt hatte, so können jene Übergebirgischen eben sowohl diesem als einem andern Volke, etwa dem der Buren, angehört haben.

Nach Gronov (Anm. 6, p. 193 von dessen Ausg.) findet sich in einer Handschrift statt Transjugitanorum: Transfugitanorum. Sowohl der eine, wie der andere dieser Ausdrücke findet sich übrigens bei keinem sonstigen lateinischen Schriftsteller (s. Forcellinis Wörterbuch): sie müßten daher, wie so manche andere, von Ammian selbst gebildet oder vielmehr aus der Vulgär-Sprache entlehnt worden sein.

Die Ausdrücke: aliena potestate eripi Sarmatae jussi, ut semper Romanorum clientes, sowie: nulli nisi sibi ducibusque Romanis parere praecepit, können sich nur auf die Befreiung von derjenigen Obergewalt beziehen, welche der unmittelbar vorhererwähnte Arahar über einen Teil dieses Volkes, der unter Usafer stand, beanspruchte.

Den neuen König Zizais bezeichnet wohl sein Name als Jazygen.

Die auch von Tillemont (S. 831) und Gibbon (c. 19 vor Note 48) anerkannte Tatsache, daß das von den Limiganten abgetretene Gebiet den freien Sarmaten angewiesen ward, ist zweifellos, wenngleich der Wortlaut der betreffenden Stelle Ammians XVII, 13 nicht ohne Dunkelheit ist. Namentlich können unter den: exules populos et tandem reductos in avitis sedibus collocavit, schlechterdings nur die im Jahre 334 zu den Viktofalen entflohenen domini gemeint sein.

So ward alles wohl geordnet und der Kaiser vom Heere zum zweiten Male (vom ersten Male wissen wir nichts) zum »Sarmatischen« ausgerufen (secundo Sarmaticus appellatus), was er bei glänzender Parade durch eine Lob- und Dankrede erwiderte; darauf trat er der Rückmarsch nach Sirmium an. (Ammian XVII, 13.)

Geendet aber war das Kriegsdrama damit noch nicht, vielmehr fiel dessen letzter Akt erst in das Jahr 359. (Amm. XIX, 11.)

Übertriebene Strenge beugt, aber bindet nicht. Schon im folgenden Winter begannen die Limiganten der Grenze sich wieder zu nähern, ja darüber hinauszuschweifen. Constantius rückte zuerst nordwärts an der Donau herauf, wo einzelne ihrer Scharen über das Eis gegangen sein mögen, stellte sich aber schließlich diesseits der Donau bei Aciminicum (Neusatz) auf und beschied die Sarmaten zu sich. Sie kamen auch willig, nur von Frieden und Unterwerfung redend, ja selbst zur Übersiedlung in fernes römisches Gebiet sich geneigt erklärend: doch ließ der Kaiser vorsorglich durch einen Teil der eingeschifften Truppen den Strom besetzen. Hier erneuert sich nun die vorjährige Szene nur mit dem Unterschiede, daß sofort, als der Kaiser von hohem Throne herab seine Friedensworte beginnen will, einer der Tollsten unter dem Kriegsrufe »Marrha, Marrha!« seinen Schuh nach ihm schleudert und die ganze Masse darauf mit Geheul blitzschnell auf ihn eindringt. Schon ist die Garde durchbrochen, das Waffengedränge um des Kaisers Person furchtbar, so daß er kaum noch, sich auf ein Roß werfend, mit verhängtem Zügel entfliehen kann, während die Barbaren den leeren Thron erbeuten. Wie aber das römische Heer seines Kriegsherrn Gefahr wahrnimmt, stürzt es sich auf die verräterischen Feinde und haut sie, wie Ammian wohl übertrieben sagt, alle nieder.

Damit schließt dieser Feldzug und Constantius kehrt, nachdem er den nach solchem Schlage wohl erleichterten Grenzschutz geordnet, nach Sirmium zurück. (Amm. XIX, 11.)

Wir haben aus des Constantius Leben, das sich nun seinem Ziele nähert, nur noch zwei Ereignisse ohne strenge chronologische Sonderung kurz zu berichten: den persischen Krieg und Julians Erhebung zum Kaiser.

Gegenüber Persien bestand seit 350 nur Waffenstillstand, weil Sapor anderweit beschäftigt war, nicht Friede, den Rom dringend wünschte.

Auf eine schon im Jahre 357 (Amm. XVI, 9) durch den Praefectus Praetorio des Orients angeknüpfte Unterhandlung erwiderte im Jahre 358 Sapor, der Großkönig, der Sonne und des Mondes Bruder, hochfahrend: statt des ganzen Orients bis Makedonien, seiner Ahnen Erbe, wolle er sich mit Mesopotamien und Armenien begnügen, was mit Würde zurückgewiesen ward (XVII, 5).

Sofort, noch in demselben Jahre, rüstete Sapor und eroberte Amida am Tigris.

Gleich nach dem erwähnten zweiten Feldzuge gegen die Limiganten im Jahre 359 war Constantius nach Konstantinopel gegangen, das er jedoch, teils mit Julians Erhebung, teils mit Verstärkung des Heeres beschäftigt, erst spät im Jahre 360 verlassen haben kann.

Ebenso groß als grundlos war die Furcht vor dem nächsten Feldzuge 361, weil Sapor, durch hindernde Anzeichen geschreckt, das schon am Tigris aufgestellte Heer wieder in die Heimat zurückführte, so daß er schließlich von ganz Mesopotamien nichts als Bezabda behielt.

Wir kommen nun auf Julian.

Von Konstantinopel aus sandte Constantius gegen Ende des Jahres 359 den tribunus et notarius Decentius nach Paris, Julians Winterquartier, mit dem Befehl, ihm eine Verstärkung und zwar von Elitetruppen zuzuführen. Ammian (XX, 4) schreibt dies (mit Recht D.) der Eifersucht des Kaisers gegen den jugendlichen Helden zu, dessen Ruf nur Begeisterung durch die Völker aller Zungen erscholl, so wie der geheimen Einflüsterung von des Cäsars eignem Praefectus Praetorio, Florentius, was auch Julian (ad Athen, p. 518) bestätigt.

Allerdings: Constantius bedurfte der Verstärkung gegen Sapor und Gallien war durch herrliche Siege geschützter als je zuvor seit Constantin. Daher hätte der Geschichtsschreiber den guten und lautern Grund, mag auch der unlautere vorgeherrscht haben, nicht verschweigen sollen. (Übrigens zeigte sich sehr bald, daß man den Rhein, auch nach allen Siegen Julians, nicht entblößen konnte, ohne Alemannen und Franken wieder eindringen zu sehen. D.)

Die Befehle waren direkt an Florentius und den Magister Equitum Lupicinus Ammian nennt ihn XX, 1 Magister armorum, ebenda aber. c. 4, Z. 6 v. u. magister equitum. gerichtet, Julian nur nachrichtlich mitgeteilt. Der Kaiser verlangte vier Kohorten Auxilien: die Heruler, Bataver, Petulanten und Kelten und 300 Mann auserlesene Krieger aus allen Scharen. Überdies sollte Julians Stallmeister Sintula die tüchtigsten Freiwilligen aus den Scutariern und Gentilen der dortigen Garde ausheben und sofort herbeiführen. Der Cäsar fügte sich zwar, hob aber dringend hervor, daß der Marschbefehl ein schweres Unrecht gegen diejenigen Überrheinischen enthalte, welche nur unter der Bedingung, nicht jenseits der Alpen zu dienen, eingetreten seien: solcher Wortbruch werde fernerer freiwilliger Werbung hinderlich sein.

Decentius aber beharrte: und die Elitetruppen unter Sintula marschierten ab, während Julian den Aufbruch der verlangten vier Kohorten noch verzögerte, indem er die Abwesenheit des damals in Vienne beschäftigten, reglementsmäßig aber dazu notwendigen Präfekten und die des Lupicinus, der vorher mit den Herulern und Batavern nach England gesandt worden, (wohl mit Recht D.) als Hindernis anführte.

Laut murrten die abberufenen Truppen, wie das Volk: (beide mit bestem Recht D.). Jene (aus Zorn über den Vertragsbruch und D.) aus Furcht vor dem fernen ihnen unheimlichen Orient, diese wegen der Schwächung ihrer Schutzmacht. In dieser Stimmung wurden die Petulanten noch mehr durch ein anonymes Schreiben aufgewiegelt, das namentlich das Verlassen von Weib und Kind und die Gefahren dieser hervorhob, worauf sie der Cäsar durch Gestattung von deren Mitnahme und Gestellung von Wagen hiefür zu beruhigen suchte. Bei der Beratung über die Marschroute schlug Julian die Umgehung von Paris vor (unstreitig auf weiterem, beschwerlicherem Wege), während Decentius auf der über Paris bestand, was von entscheidender Wichtigkeit ward.

Bei der Ankunft der Truppen in Paris redete der Cäsar sie lobend und ermunternd an und behielt die Offiziere zu Tisch, die, mit größtem Wohlwollen aufgenommen, mit tiefem Schmerz von ihrem Helden schieden. Inzwischen schwoll die Gärung immer höher; in der Nacht (nach Julian ad Athen, p. 521 wegen des inneliegenden Rasttags erst in der zweiten) rückt die Truppe aus ihrem Lager vor den Palast und verlangt mit furchtbarem Geschrei den Cäsar. Bis gegen Morgen läßt er sie warten und redet sie dann mit herbem Tadel, aber auch wieder besänftigend an. »Das Vaterland zu verlassen, die weite Fremde fürchtet ihr. Nun wohl: so bleibt denn: ich will es bei dem so besonnenen und weisen Kaiser verantworten.«

Vergebens, der Sturm wird immer wilder; sie heben ihn auf einen Schild, rufen ihn – keine Kehle schweigt – zum »Augustus« aus, und setzen ihm, weil er nichts diademähnliches im Hause zu haben versichert, die mit Edelsteinen besetzte Kette eines Offiziers auf das Haupt.

Julian versprach ihnen ein Geschenk, zog sich aber unmittelbar darauf, tief erschüttert, in das innerste Gemach zurück, wo er sich, selbst das Dringendste nicht besorgend, den ganzen Tag über verbarg.

Abends oder Nachts berichtet ein Palastbeamter den Petulanten und Kelten, der neue Kaiser (weil er ihn wohl nicht sah) sei heimlich ermordet. Darauf stürzen sie mit gezückten Waffen in den Palast, stoßen die nächsten Wächter nieder, indes die höhern entfliehen, verlassen aber die Stelle nicht eher, bis sie den Kaiser im Amtsgewande mit seinen Räten gesehen haben.

Tags darauf beruft dieser die Heeresversammlung, der sich auch das von Sintula abgeführte, auf die Nachricht des Aufstandes aber sogleich zurückgekehrte Detachement anschließt, redet sie mit dem Preise ihrer Tapferkeit und Taten, aber auch mit der Erwartung an, daß sie ihn, wenn es dessen bedürfen sollte, auf gleiche Weise verteidigen würden und schließt mit der feierlichen Versicherung, daß er nie anders als nach Verdienst Zivil- und Militärbefehlshaber ernennen, Verwendungen aus willkürlicher Gunst aber zu ahnden wissen werde.

Letzteres zielte auf den Hauptvorwurf gegen Constantius, dessen er übrigens, während »Tyrannen« sonst immer den Gegner zu schmähen pflegten, mit keiner Silbe gedachte. (Amm. XX, 4 u. 5 und Julian ad Athen, p. 518–524.)

Also erfolgte Julians Erhebung auf den Thron. Es bedurfte der Prüfung, ob Ammians Bericht nicht vielleicht aus Julians Schreiben ad Athen., das er unzweifelhaft benutzen konnte, entnommen sei, was selbstredend dessen Glaubhaftigkeit wesentlich mindern würde. Abgesehen aber von der verschiedenartigen Darstellung, welche bei Julian nur subjektiv rechtfertigend, bei Ammian rein objektiv ist, beweisen auch die von letzterem angeführten Tatsachen, welche sich bei Julian nicht finden, wie die Bewilligung der Mitnahme der Soldatenfamilien und die Rücknahme der kaiserlichen Marschordre zur Stillung des Aufruhrs, daß derselbe eine andere und zwar spezielle Quelle benutzt haben muß.

Tillemont, der in Kenntnis der Kirchenväter unübertroffen ist, versichert (S. 863), Gregor von Nazianz und Theodoret bezeichneten Julians Erhebung geradezu als Empörung, ja Zonaras versichere, daß er die Soldaten durch die Offiziere für sich aufgewiegelt habe. Auch Theodoret und Sozomenos schienen (paroissait) Julian zu verdammen.

Was nun zuvörderst letztern, an sich nichtssagenden Anschein betrifft, so wird jeder, der die von Sozomenos angeführte Stelle (V, 1) unbefangen liest, sich sogleich überzeugen, daß hier nur eine subjektive Vermutung Tillemonts, aber keinerlei objektive Begründung derselben vorliegt.

Ein Jahrhunderte späterer Schriftsteller, wie Zonaras, dessen Unzuverlässigkeit bekannt, kann gleichzeitigen Quellen gegenüber gar nicht beachtet werden; auch Philostorgias ward, Anm. 296 als unzuverlässig anerkannt.

Dagegen erschien Gregor von Nazianz, dessen Charakteristik wir der Anm. 322 vorbehalten, als Zeitgenosse beachtungswert. In dessen vierter Rede (nach der Pariser Ausg.: Perisse frères 1842, in den ältern orat. 3) finden sich aber nur zwei hierauf bezügliche Stellen (§ 21 und 109), worin er Julians Erhebung als ανάστασις (Aufstand) bezeichnet und § 46, nach welcher er sich selbst das Diadem aufgesetzt habe. Die beiden ersten sind sonach völlig einflußlos, da die Tatsache des Aufstands zweifellos und lediglich dessen Anlaß in Frage ist, die letztere aber ist eine so allgemeine Phrase, daß sie, da Gregor keine Tatsache anführt und die Pariser Vorgänge ganz mit Stillschweigen übergeht, ebenfalls keine Rücksicht verdient.

Wollte man auf das Sprichwort: qui s'excuse s'accuse Wert legen, so würden, nächst dem Schreiben an die Athener, auch Julians Briefe (13 und 38, zum Teil auch 23) wider ihn anzuführen sein. Es liegt aber auf der Hand, daß solche Vermutungen gegen eine so spezielle, gleichzeitige und zuverlässige Quelle, wie Ammian, nicht angezogen werden können, zumal dieser auch durch die Epitom. (42, 15): hic a militibus gallicanis Augustus pronunciatur einfach bestätigt wird, während des Eutropius Worte (X, 15): Neque multo post, quum Germaniciani exercitus a Galliarum praesidio tollerentur, consensu militum Julianus Augustus factus est, zwar gewiß auch keinen andern Sinn haben, aber doch einer verschiedenen Deutung fähig sind. Hätten sich überhaupt beweisende Tatsachen für Julians Absicht und Hinterlist ergeben, die doch des Constantius Sendboten wahrnehmen mußten, so würden die ersterem so gehässigen Kirchenhistoriker sie wahrlich nicht verschwiegen haben.

Der Beiname »Apostata« hat das Andenken dieses großen Mannes in der Geschichte getrübt, das Urteil über ihn befangen. Gewiß hatte er, wie das folgende Kapitel ergeben wird, vollen und gerechten Grund zu bitterer Unzufriedenheit über Constantius: gewiß hielt ihm sein erlaubtes Selbstgefühl, vielleicht auch seine unleugbare Eitelkeit, vor, daß er dem Reich ein würdigeres Haupt sein werde als jener. Gleichwohl hat er ihm lange Zeit redliche Pflichttreue bewährt: aber allerdings nicht bis zur äußersten möglichen, sondern nur bis zu einer gewissen Grenze hin (pflichtgemäß hätte er den Tod der Krone vorziehen sollen. D.).

Einst hatte unter gleichen Umständen im Jahre 14 n. Chr. Germanicus, unter dringender Lebensgefahr (Tac. Ann. I, 36), mit Erfolg widerstanden. Daß diese, der Wildheit einer entzügelten Soldateska gegenüber, auch für Julian vorhanden war, läßt sich eben so wenig leugnen als deren Grad genau ermessen.

Daß er den Aufstand und den Purpur ganz gewiß nicht wollte, beweist vor allem der Rat, die Truppen nicht über Paris marschieren zu lassen, den Decentius, vielleicht eben nur, weil er von Julian kam, aus Mißtrauen verwarf: wie auch die tiefe Erschütterung eines verletzten Gewissens aus seinem Verhalten am Tage nach der Erhebung hervorgeht.

Doch zweifeln wir keinesweges, daß er sich nach diesen Skrupeln der Entscheidungsstunde nicht nur beruhigt, sondern auch im Stillen des Machtgewinnes später erfreut haben werde.

Von Rache gegen seine geheimen Feinde und Verräter keine Spur. Dem entwichenen Florentius sandte er seine zurückgelassene Familie auf Staatskosten nach. Nur den aus Britannien zurückberufenen Magister armorum Lupicinus mit drei Offizieren behielt er, ohne weitere Ahndung, zunächst in vorsorglicher Haft.

Den Inhalt des Schreibens, welches Julian hierauf und zwar, wie er selbst (a. a. O. p. 524) sagt, zugleich im Namen des Heeres an Constantius erließ, teilt uns Ammian (XX, 8) mit. Er erbietet sich darin unter anderm, dem Kaiser Reiter aus Spanien und Laeten zur Aufnahme unter die Gentilen und Scularier zu senden, auch einen Praefectus Praetorio von ihm anzunehmen, behält sich aber die Wahl aller andern Befehlshaber, so wie der Gardemannschaften vor und lehnt die weitere Lieferung gallischer Rekruten für den Orient aus ansprechenden Gründen ab. Unzweifelhaft auch ergibt sich hieraus, wenngleich dies nicht Ammian, sondern nur Julian selbst (ad Athen, p. 524) ausdrücklich sagt, daß er sich mit dem ihm als Cäsar bereits überwiesenen Reichsteile begnügen wolle. Auch unterzeichnete sich derselbe, nach seiner Versicherung an der eben angeführten Stelle, nur als »Cäsar«.

Diesem offenen Schreiben soll jedoch ein vertrauliches beigefügt gewesen sein, das noch Vorwürfe bitteren Tones enthalten habe.

Erst spät im Sommer 360 erreichten die überall aufgehaltenen Überbringer den Kaiser zu Cäsarea in Kappadokien. Im höchsten Grade gereizt ließ dieser die Gesandten gar nicht vor, schickte aber seinen Quästor Leonas mit der Erwiderung an Julian ab, daß er ihm nur unter der Bedingung, sich mit der Cäsarwürde zu begnügen, verzeihen werde, wobei er zugleich dessen eignen bisherigen Quästor Sebridius zum Praefectus Praetorio, aber auch andere hohe Würdenträger an dessen Hof ernannte.

Julian ließ die Antwort vor einer Heeres- und Volksversammlung verlesen, die bei der Stelle, welche ihm die Anerkennung als Augustus verweigerte, in ein furchtbares Geschrei für den von Volk und Heer erwählten Imperator ausbrach, worauf Leonas wieder abreiste, Nebridius aber als Präfekt angenommen ward. (Amm. XX, 9.)

So war der Würfel gefallen: nur das Schwert noch konnte entscheiden. Julian begab sich indes zunächst in das Winterquartier nach Vienne, wo er seine fünfjährige Regierungsfeier beging und aus Weissagungen und Träumen (Amm. XXI, 1 u. 2) des Constantius nahen Tod erkannt haben soll. Eifriger mögen politisch-militärische Erwägungen und die Wahrnehmung von des Constantius Plänen und Vorbereitungen gegen ihn denselben beschäftigt haben.

Ein unerwartetes Zwischenspiel beschleunigte die Tat.

Alemannen aus Vadomars Gau hatten plündernd Rätiens Grenze überschritten, was deren Fürsten etwas verdächtig machte, zumal dieser nebst seinem Bruder Gundomad nach dessen Tode er allein herrschte, seit 354 in einem Bündnis mit Constantius stand. Der gegen die Eingedrungenen ausgesandte Comes Libino griff sie unweit Sanctio zwei bis drei Meilen oberhalb Basel am Rhein unvorsichtig an und blieb im Beginn des Gefechtes, worauf dessen Truppe, wenn auch unter tapferem Widerstand und mäßigem Verluste, zum Rückzuge genötigt ward. Bald darauf ward ein Sendbote Vadomars, der im Rufe geheimen Verständnisses mit Constantius stand, gefangen, bei welchem sich ein Schreiben des ersteren an den Kaiser fand, worin die Worte vorkamen: »Dein »Cäsar« hat keine Zucht«, während er sonst Julian im direkten Verkehr nur »Augustus« und »Gott« nannte.

Dies hatte die Absendung des gewandten Notar Philagrius an den Rhein zur Folge mit versiegelter, nur Angesichts Vadomars diesseit des Flusses zu erbrechender Instruktion. Der Alemannenfürst, von dem Verdachte nichts ahnend, kam voll Friedenvertrauens zu Philagrius, ward aber von diesem, auf Grund des nun eröffneten Befehls, sofort verhaftet und in Julians Lager geschickt, der ihn ohne weitere Belästigung, nur um den gefährlichen Mann nicht im Rücken zu lassen, nach Spanien sandte (Julian, der Heide, war nicht blutdürstig wie der »heilige« Constantin. D.). Darauf ging derselbe mit größter Beschleunigung in der Stille der Nacht über den Rhein, dem er sich schon sehr genähert haben mochte, und überfiel jene Alemannen so überraschend, daß deren mehrere niedergehauen wurden, andere sich samt ihrer Beute ergeben mußten, die übrigen auf ihr Bitten Frieden empfingen. (Anm. XXI, 14.)

Die Entscheidungsstunde schlug. Kräftigen Worts (Amm. XXI, 5) sprach der neue Kaiser zum Heere: »Sein Rat und Wille sei, in das schwachbesetzte Illyricum vorzurücken und an Dakiens Grenze über das Weitere Beschluß zu fassen. Darauf ihm den Eid treuen Gehorsams zu leisten, vor allem aber sich nie an Privateigentum zu vergreifen, bitte er sie: denn nicht der Feinde Niederlage, sondern des Landes Schonung sei des Kriegers höchster Ruhm.«

In wildem Zustimmungsjubel und Schildgetöse schworen zuerst die Soldaten, dann die Offiziere Treue. Nebridius allein, der Präfekt, weigerte, durch den alten Eid an Constantius gebunden, den neuen zu leisten – ein seltenes Beispiel würdiger Gesinnung in schlechter Zeit. Sofort wollten ihn die Nächststehenden niederstoßen: Julian aber deckte ihn selbst mit seinem Kriegsmantel und entließ ihn ungehindert in seine Heimat nach Tuscien.

Nach schleuniger Ordnung des Notwendigsten, wobei dem an des Nebridius Stelle zum Präfekten ernannten Sallust Galliens Hut übertragen ward, erfolgte der Aufbruch in drei Corps. Das erste, von Julian selbst geführt, zog gerade durch den Schwarzwald und Alemannien unstreitig auf der Straße über Rotweil nördlich der Donau, deren obere Strecke damals jedoch sicherlich nicht mehr in römischem Besitz war, an die Donau.

Das zweite unter dem neuen Magister equitum, Nevitta, schlug die Straße südlich des Bodensees über Bregenz ein, was in den Quellen nicht genau angegeben, aber unzweifelhaft ist. Das dritte unter Jovinus marschierte über den Mont Cenis nach Italien.

Über Marschzeit und Heeresstärke gibt uns nicht Ammian, sondern nur Zosimus Kunde, der jene (III, 10) erst in den Sommer versetzt, wofür wir jedoch, zumal die Angabe etwas vage ist, spätestens den Monat Mai annehmen möchten. Vor Wien unstreitig schiffte Julian sich mit 3000 Mann ein und ließ 20 000 zu Land nach Sirmium marschieren, welche jedoch nur aus dem Reste des ersten und dem ganzen zweiten Corps bestanden haben können. Es ist nicht denkbar, daß Julian vom Rhein aus nur mit 3000 Mann seinen Marsch, noch dazu quer durch alemannisches Gebiet, angetreten haben solle.

Vermutlich fand er aber an der Donau, etwa bei Lanliacum (Lorch), wo eine Donauflottille stationiert war (s. Not. dign. II, p. 251), nur für 3000 Mann Schiffe, ließ daher den Rest seiner Truppen zurück, um sie dem zweiten Corps anzuschließen, dessen Marschlinie bei Regensburg ebenfalls an die Donau führte. Jedes der drei Corps dürfte kaum unter 10 000 Mann stark gewesen sein, was den 20 000 des Zosimus entsprechen dürfte, wenn sich dessen Nachricht nur auf das zweite und dritte beziehen sollte, was nicht unwahrscheinlich ist. Jedenfalls war sein Gesamtheer, denen Illyricums und des Orients gegenüber, ein ungemein schwaches, was sich durch die Notwendigkeit der Bewachung Galliens durch angemessene Streitkräfte erklärt.

Mit Blitzesschnelle traf Julian schon am Abend des elften Tages zu Bononia etwa vier Meilen von Sirmium ein, was bei achtzig bis hundert Meilen Weges nach dem schnellen Laufe der Donau nicht unmöglich scheint, und sandte, obwohl das Landheer noch weit zurück gewesen sein muß, noch in derselben Nacht den Dagalaif, Obersten der Leibwächter, nach Sirmium ab, wo der nichtsahnende Militärbefehlshaber Lucillianus (nach der Inhaltsanzeige zu Buch XXI, Kap. 9 Befehlshaber der Reiterei) im Schlaf überfallen und gefangen zu Julian geführt wurde, der nun sogleich vor Sirmium rückte, wo ihm Volk und Truppen bekränzend und glückwünschend entgegenkamen.

So war mit einem einzigen Marsche, der durch seine Kühnheit an den großen Cäsar erinnert, der erste wichtige Akt des Krieges glorreich und ohne Blutvergießen vollbracht. Gleicher Weise ward auch Italien gewonnen, da die Konsuln des Jahres, Taurus und Florentius Florentius war der in Folge von Julians Erhebung entwichene Präfekt Galliens, der vorher nach Amm. XXI, 6 zum Praefectus Praetorio Illyricums ernannt worden war, welche Stelle während dessen Berufung zum Konsulat vielleicht durch Lucillianus als Propräfect verwaltet ward. (Amm. XXI, 9.), des Constantius treue Anhänger, auf die bloße Kunde des anziehenden Heeres aus Rom flohen, was das Aufgeben von ganz Italien außer Zweifel setzt, wie denn auch sogar Sizilien (nach Amm. XXI, 7) von Julian besetzt ward.

Ohne Schwertstreich bemächtigte er sich hierauf der wichtigen Pässe von Succi an der Grenze Niedermösiens und Thrakiens (jetzt Serbiens und Rumeliens zwischen Sofia und Philippopel) und harrte nunmehr zu Naissus der weiteren Schritte des Gegners.

Hier ernannte er unter andern den von uns vorstehend so oft angeführten Geschichtsschreiber Aurelius Victor zum Gouverneur von Nieder-Pannonien und erließ Rechtfertigungs-Manifeste und Schreiben an die Heere, Provinzen und verschiedene Städte, von denen das an Senat und Volk der Athener uns erhalten ist. Ruhig und einfach, zwar ohne Schonung, aber auch ohne Schmähung entwickelt er darin des Constantius ganzes Verhalten wider ihn, von seines Vaters und seines ganzen Hauses Ermordung im Jahre 337 an bis zu jener durchaus unfreiwilligen Erhebung zum Cäsar und der neuerlichen Verweigerung eines billigen Friedens. Mit politischem Geschick verfaßt macht dies Aktenstück im Wesentlichen den Eindruck treuer Wahrheitsliebe, was auch Julians Geist entspricht und durch Ammian bestätigt wird.

Dagegen muß der gleichmäßige Erlaß an den Senat zu Rom, der in diesem den Ausruf: »wir bitten Dich doch um Ehrfurcht gegen Deinen Wohltäter« hervorrief, gegen des Constantius Politik im Allgemeinen gerichtet und in härteren Ausdrücken abgefaßt gewesen sein, da Ammian selbst wenigstens eine Stelle desselben tadelt. (Amm. XXI, 10: aber nur den wider Constantin gerichteten Vorwurf. D.)

Bei so heiterem Himmel zog sich plötzlich ganz unerwartet ein gefahrdrohendes Ungewitter zusammen. Julian hatte zwei Legionen seines Gegners nebst einem Bataillon Bogenschützen von Sirmium nach Gallien gesandt, teils weil er ihnen nicht traute, teils um das dortige Heer zu verstärken. Darüber unzufrieden gaben sie sich der Aufwiegelung eines aus Mesopotamien gebürtigen Schwadronskommandanten Nigrinus hin, bemächtigten sich auf dem Marsch des festen Aquileja, wo das gemeine Volk für Constantius war, und suchten von da aus das italische Nachbarland ebenfalls für diesen zurückzugewinnen.

Diese Erhebung im Rücken, welche ganz Italien von Julian abschnitt, war an sich schon, weit mehr aber noch im Falle eines künftigen Angriffs durch Constantius in der Fronte höchst gefährlich, weshalb Julian das bereits in Noricum angelangte dritte Corps unter Jovinus, den er zum General der Reiterei ernannt haben muß, sogleich nach Aquileja zurücksandte. So nachdrücklich dieser aber auch Belagerung und Sturm betrieb, so hatte er doch eben so wenig Erfolg wie einst Maximin vor diesem Platze.

Die Kunde von Julians Vordringen bis Sirmium mag den über 200 Meilen davon entfernten Constantius um dieselbe Zeit erreicht haben, als er sich durch Sapors Rückzug von der Perser-Gefahr erlöst sah. Sofort von Edessa aufbrechend forderte er zu Hierapolis auf dem Wege nach Antiochien das versammelte Heer zu kräftiger Unterstützung wider den undankbaren Empörer auf, was freudige Zustimmung fand. Nachdem er sogleich leichte Truppen, zum Teil zu Wagen, vorausgeschickt, verließ er, von bösen Anzeichen und Träumen beängstigt, Ende Oktober Antiochien, erlitt schon zu Tarsus in Kilikien einen leichten Fieberanfall, erreichte zwar noch das wenige Meilen entfernte Mopsukrene am Fuß des Taurus, ward aber hier von einem so schweren hitzigen Fieber ergriffen, daß er bald darauf, am 3. November, verschied, im fünfundvierzigsten Alters- und fünfundzwanzigsten Regierungsjahre (von 337 an).

Seine würdige zweite Gemahlin Eusebia war ihm im Jahre 359 oder 360 vorausgegangen, die dritte, Faustina, mit der er sich Anfangs 361 vermählt hatte, genas nach seinem Tod einer Tochter, welche später als Gratians Gemahlin den Thron bestieg.

Nach den Kirchenvätern (s. die bei Tillemont p. 880/6 gesammelten Stellen) soll er vor seinem Ende durch einen arianischen Bischof die Taufe empfangen haben.

Daß er selbst Julian letztwillig zu seinem Nachfolger ernannt, erwähnt Ammian zuerst (XXI, 15) zwar nur als unverbürgtes Gerücht, später (XXII, 2) aber als amtliche Versicherung der Abgeordneten. Jedenfalls scheinen die Ersten des Hofes und Heeres, der Intrigen des Oberkammerherrn Eusebius für eine andere Wahl unerachtet, sofort entschieden gewesen zu sein und sandten deshalb die Comites Theolaif und Aligulf, Germanen, sogleich mit der Anzeige des Todesfalls und der Unterwerfungswilligkeit des Orients an Julian ab.

Des Constantius Charakteristik widmet Ammian (XXI, 16) mehrere Seiten. Er hatte gute geistige und körperliche Anlagen, die sorgfältig ausgebildet waren. Meister jeder sinnlichen Begier zeichnete er sich durch Mäßigkeit und Keuschheit aus. Die Ordnungsliebe trieb er bis zur Pedanterie, den Kultus der Majestät bis zu äußerster Steifheit. Popularität verschmähte er, duldete keinerlei Anmaßung und Überhebung, namentlich der Soldaten, wahrte auch sorgsam gute Ordnung im Staatsdienste, namentlich im Beförderungswesen. Er verstand sich auf milde und einnehmende Rede, wußte sie mit großem Geschick anzuwenden. Die Treue vieler seiner Diener bürgt für eine gewinnende Behandlung derselben. Er war kein Held, aber gewiß nicht gerade feig und auch im Kriege richtigen Blickes.

Das war des Stoffes genug, um, wo nicht einen großen, doch einen guten und tüchtigen Herrscher zu bilden.

Aber dafür ist nicht das Talent, sondern der Charakter entscheidend.

Und darin lag des Constantius Unheil. Er war schwach, kleinlich, furchtsam (maßlos eifersüchtig und argwöhnisch D.). Verdorben durch frühzeitige Schmeichelei gab er sich besonders zwei höchst verderblichen Richtungen hin. Glaubte er bei irgend jemand, sagt Ammian a. a. O., selbst auf leichten, ja falschen Verdacht hin, Herrschaftsgelüste zu wittern, so wütete er, Recht und Unrecht gleich achtend, unmenschlicher als Caligula, Domitian und Commodus –: das ist viel gesagt.

Die kindische Furcht vor Nachstellungen hatte er mit Tiberius, besonders in dessen letzter Zeit, gemein: dieser aber, dem überdies die Schwäche des Greisenalters und ein namenlos tragisches Schicksal zu einiger Entschuldigung gereichten, strafte doch nur nach Urteil und Recht, wenn er auch dies meist zu lenken wußte, während Constantius die formloseste Willkür übte.

Nachteiliger noch für das Gemeinwesen war seine Hingabe an Eusebius und dessen unwürdige Genossen. Nicht an Geisteskraft zur Selbstbestimmung jedoch, die er in großen Augenblicken bewährt hatte, sondern nur an Willen dazu gebrach es Constantius; es war ihm bequemer geführt zu werden als zu führen. Nur hätte er eine schlechtere Wahl nicht treffen können. Alleinherrschaft und Bereicherung waren die Losung der Camarilla, darum nur unterwürfige Kreaturen von ihr geduldet, Verdienst und Tüchtigkeit verhaßt und verfehmt. Aus dieser trüben Quelle entsprang die Schmach und das Unglück der Perserkriege in den Jahren 359 und 360.

Anziehend ist Ammians Urteil über des Constantius christliches Wirken, das frei übersetzt Die Stelle lautet: Christianam religionem absolutam et simplicem anili superstitione confundens: in qua scrutanda perplexius, quam componenda gravius excitavit discidia plurima. etwa so lautet: »Indem er die festen und einfachen Lehren des Christentums mit dem Aberglauben eines alten Weibes durcheinander warf und mehr verwirrend darüber grübelte als mit besonnenem Ernste ordnete, rief er vielfache Streitigkeiten hervor.«

Wohl darf auch der christliche Fürst den Lauf des Rechts gegen Hochverräter nicht hemmen noch um der fünften Bitte willen das Begnadigungsrecht gegen seine Schuldiger rücksichtslos üben. Wenn es aber eben nicht die Justiz, sondern nur persönliche Willkür ist, welche ihn aus Furcht, Haß, Rachsucht zu blutdürstiger Verfolgung auf die frivolsten Verdachtsgründe hin fortreißt, so kann von irgendwelchem wahren Christentume solches Fürsten und seiner Ratgeber nicht die Rede sein. Und doch waren gewiß auch letztere, wenigstens dem Namen nach, alle dem neuen Glauben zugetan.

Das Empörendste in des Constantius Regierung ist die Freisprechung, ja Belohnung jenes Dynamius und seiner Genossen, die, nach Entdeckung der niederträchtigsten Büberei, nur um deswillen erfolgte, weil er die Schuldigen für vorzüglich geschickte und nützliche Spürhunde hielt.


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