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Eine der bedeutendsten Kaiserregierungen ist zugleich die dunkelste aller, weil unsere Spezialquellen plötzlich versiegen. Mit dem gänzlichen Aufhören der Historia Augusta verläßt uns auch, infolge der schon erwähnten Lücke, Zosimus. Da bleiben nur die allgemeinen Quellen, vor allem die Epilomatoren, welche für diese Zeit, deren Genossen der ältere Victor de Caesaribus und Eutrop selbst waren, jedoch bedeutender sind, und die Chroniken. NAME="voe1210_Anm1">Die wichtigsten der uns erhaltenen Chroniken sind:
1) Das Chronicon paschale, welches in einer Ausgabe vom Jahre 1616 unter dem, wiewohl unbegründeten, Titel Chronicum Alexandrinum erschien, daher häufig auch so zitiert wird. Dasselbe hat nach der gelehrten Vorrede des berühmten Du Fresne du Cange, der solches herausgab, zwei Verfasser (Bonn. Ausg. 11, S. 16). Die Arbeit des ersteren schloß mit dem Jahre 354. Der zweite führte dasselbe bis zum Jahre 624 weiter. Die Chronologie in diesem ist wunderlich verschoben, wie man namentlich aus der Vergleichung der Kaiserjahre mit den sehr authentischen und aus einer guten Quelle geschöpften Konsularfasten sieht; der Anfang der Regierung eines Kaisers fällt sehr oft viele Jahre später, als das im Jahre nach der Thronbesteigung angetretene Konsulat. Die Osterchronik hat das mit den meisten Byzantinern gemein: sie haben richtige Angaben über die Regierungsdauer der einzelnen Kaiser, aus denen sie aber eine im ganzen falsche Chronologie zusammensetzen. Auch muß man wissen, daß ihre Olympiaden julianische Schaltperioden sind: Ol. 1, 1 ist = 777 v. Chr., Ol. 195, 4 = 1 v. Chr., Ol. 196, 1 = 4 n. Chr. und so fort, so daß allemal das erste Olympiadenjahr im julianischen Kalender ein Schaltjahr ist. Doch ist meistens nicht dieses, sondern das Konsulatsjahr das maßgebende, wenn es sich darum handelt, eine unter einem mit widersprechenden Charakterismen begabten Jahre stehende Notiz ihrem wahren Jahre zuzuweisen. Von Constantin an sind die Indiktionsjahre ein leidlich sicherer Anhalt: die früheren imaginären Indiktionen sind durch Rückrechnung gefunden. – Dagegen enthält im Chron. Paschale die Ausfüllung des Gerüstes durch politische Notizen, welche dem Verfasser minder wichtig gewesen sein dürften als die kirchengeschichtlichen, in denen er sehr ausführlich ist, ungemein viel der gröbsten Irrtümer, wovon z. B. der Abschnitt über die Regierung von Carus und dessen Söhnen I, 510 der Bonn. Ausg. einen schlagenden Beleg gibt, indem er Carinus, den er zu des Carus Neffen macht, von den Persern gefangennehmen und ausstopfen läßt, was eine offenbare Verwechslung mit Valerian ist, der nach ihm in der Schlacht blieb. Numerian aber, fährt er fort, habe ihn gerächt und die Perser besiegt. Daraus folgt aber doch nicht die Unglaubhaftigkeit aller anderen Nachrichten, namentlich derjenigen ganz kurzen, bei denen das chronologische Moment das hauptsächliche ist.
Hierher gehören namentlich die Epochenjahre lokaler Ären, die durchweg von den Münzen bestätigt werden.
2) Die Chronik des Hieronymus.
Diese ist teils eine Übersetzung der griechischen Chronik des Kirchenhistorikers Eusebius, die bis zum Jahre 326 reicht, mit einigen Zusätzen des Verfassers, teils eine Fortsetzung desselben bis zum Jahre 379 (381). Das Original des Eusebius ist verloren, jedoch in einer erst in neuerer Zeit aufgefundenen armenischen Übersetzung erhalten, mit deren Benutzung Mommsen eine treffliche Abhandlung über die Quellen des Hieronymus geliefert hat. (Verhandl. d. phil.-hist. Klasse d. Ges. d. Wissensch. zu Leipzig 1850, S. 667 ff.)
Derselbe sagt von ihm: »Als Zeittafel taugt er wenig, als Exzerpierender hat er den Wert seiner Quelle.« Für Diokletians Zeit kann dies, da sich in dieser nach Mommsens gründlicher Erörterung kein Zusatz aus andern Quellen findet, lediglich der Kanon der Chronik des Eusebius, der, im Jahre 264 geboren, Zeitgenosse war, und für einzelne Nachrichten Eutrop gewesen sein.
Die Chronologie des Hieronymus in der besten Ausgabe desselben (im VIII. Bande der Ausgabe der Opera Hieron. durch Vallarsius), von Christi Geburt an, weicht um ein bis drei Jahre von der richtigen ab, was seinen Grund darin zu haben scheint, daß derselbe oder ein späterer Abschreiber sie mit der Regierungsdauer der einzelnen Kaiser in Verbindung bringen wollte, hierbei aber für die Bruchteiljahre volle rechnete. Von Tiber bis Claudius beträgt die Differenz ein Jahr, bei Domitian schon zwei Jahre, von M. Aurelius bis Septimius Severus nur ein Jahr, bei Severus Alexanders Tode wieder zwei Jahre. Philippus gibt er, statt ungefähr fünf, sieben Jahre Regierungsdauer, und setzt daher des Decius Regierung um vier Jahre zu spät an. Von Valerian bis Diokletian mindert sich der Fehler wieder auf drei Jahre. Man kann daher die von ihm angegebenen Jahre der christlichen Ära, die vor dem sechsten Jahrhunderte überhaupt nur eine gelehrte, nicht eine wirklich gebräuchliche war, auf keine Weise benutzen. Diese sind überhaupt lediglich eine Zutat des Hieronymus, oder gar nur eines späteren Abschreibers. Allein die stets angeführten Regierungsjahre des betreffenden Kaisers bestimmen dessen Zeitangaben.
Nach diesen berechnet aber stimmt die Einreihung der bei jedem derselben aufgeführten Ereignisse mit der richtigen Chronologie in der Hauptsache überein, wenn man eine Ausnahme macht. Nämlich die aus Eutropius entlehnten, sehr zahlreichen, durch wörtliche Übereinstimmung leicht kenntlichen Notizen können keine eigne Autorität beanspruchen. Hieronymus hat sie – ziemlich leichtfertig – unter beliebige Jahre versetzt, ohne dafür eine andere Quelle als den Eutropius zu haben; dieser nennt aber bekanntlich fast nie ein bestimmtes Jahr. Diesen Nachweis verdanken wir Mommsen in der angeführten Abhandlung, wo sich S. 673 mehrere schlagende Stellen dafür angezogen finden.
3) Die übrigen Chroniken, von denen Roncalli in seiner Ausg. Vetust. lat. scrip. Chronica, Padua 1787, fünfzehn aufführt, sind, soweit gleichzeitig, insgesamt, selbst die von Cassiodor, nur Ausschriften aus Hieronymus, daher nur für die spätere Zeit von 379 an von Interesse. Nur die dem Idatius beigelegten Fasten unter dem Titel Descriptio consulum haben selbständigen Wert.
Hinzu kommen die Kirchenväter und Panegyriker: erstere durch leidenschaftlichen Haß und eben solche Vorliebe in ihren Urteilen mindestens stets verdächtig, letztere, deren Lobhudelei rhetorische Phrase mehr gilt als historische Treue, ungenügender, als man von deren Sachkenntnis und Geist erwarten könnte. Die Panegyriken (jetzt nach der Ausgabe von Baehrens s. den Anhang):Dabei ist die Zeit folgender Reden zweifelhaft:
NAME="Anm2a" ID="Anm2a">a) II. Genethliacus. Daß dieser nicht vor dem Jahre 291 gehalten worden, wird von allen Forschern anerkannt. Erwägt man aber die Fülle der dann zuerst erwähnten Ereignisse, namentlich (c. 16 u. 17) die Kriege der Barbaren unter sich in allen Teilen des Reichs, so wird es höchst unwahrscheinlich, daß diese alle in nur zwei Jahren von 289 bis 291 vorgefallen sein sollen. Auch erscheinen die Worte (c. 17, 1): Furit in viscera gens effrenata Maurorum, und ebenda (c. 4): Blemyes illi, ut audio, adversus Aethiopas quaerunt, quae non habent arma, wenngleich auf innere Zerwürfnisse bezüglich, doch den Beginn der Unruhen und des allgemeinen Aufstandes in jenen Provinzen anzudeuten, zu dessen Unterdrückung Maximian dahin abgehen mußte, was doch erst einige Zeit nach dem 1. März 293 geschehen konnte. Nun beruht aber der einzige Grund, weshalb diese Rede schon in das Jahr 291 gesetzt wird, darauf, daß der Ernennung der Cäsaren, die nach der gewöhnlichen Meinung am 12. März 292 erfolgte, darin keine Erwähnung geschieht (Jäger in seiner Ausgabe der panegyr. Nürnberg 1771, S. 102). Ganz abgesehen davon aber, daß letzteres Datum selbst nach den neuesten Forschungen unrichtig sein dürfte, würde dadurch deren Haltung im Januar und Februar 292 keinesweges ausgeschlossen sein. Sollte nun die von Schwarz in dessen prolegomena zu dieser Rede (s. Jägers Ausg. S. 98–108) S. 101 ausgesprochene Ansicht, Maximian habe seinen Geburtstag auf den des Herkules verlegt, der am 12. Februar gefeiert ward, begründet sein, so würde obiger Einwand sofort wegfallen.
Unter allen Umständen halten wir den Anfang des Jahres 292, wo nicht gar 293, für wahrscheinlicher.
NAME="Anm2b" ID="Anm2b">b) Die Einweihungsrede der Schule zu Autun wird von allen auf das Jahr 296, von Manso sogar (Leben Const. d. Gr. S. 283) auf das Jahr 295 gesetzt.
Abgesehen davon, daß es unwahrscheinlich ist, Constantius werde seinen Magister sacrae Memoriae, einen Unterstaatssekretär, der nicht weniger als 300 000 HS., selbst unter großer Reduktion des Münzwertes mindestens 30 bis 36 000 Mark, jährlichen Gehalt empfing, gerade vor dem britannischen Feldzug oder während dessen entlassen haben, so beweist die Stelle c. 18, wo er Britannien mit der in alter Zeit aus dem ägäischen Meere plötzlich aufgetauchten Insel Delos vergleicht, namentlich in den Worten: haec ipsa (i. e. Britannia) quae modo desinit esse barbaria unwiderleglich, daß jene Rede erst nach der Wiedereroberung Britanniens gehalten worden ist.
Auch ergibt sich (aus c. 21,2), daß Galerius damals schon im persischen Kriege begriffen war, seinen Hauptsieg aber, worin alle übereinstimmen, noch nicht erfochten hatte.
Daß aber jener Krieg nicht vor dem Jahre 296 begonnen habe, wird ebenfalls allgemein anerkannt. So auffällig daher auch ein solches Übersehen seitens aller bisherigen Herausgeber und Forscher ist, so halten wir es doch für zweifellos, daß der fragliche Panegyricus, bei dem Constantius übrigens nicht selbst gegenwärtig war, in keinem Falle vor der letzten Hälfte des Jahres 296 gesprochen worden sein kann. Man hat dann anzunehmen, daß Constantius den Eumenes nach der Wiedereroberung Britanniens im Frühjahr 296 und der inzwischen im Wesentlichen erfolgten Wiederherstellung Autuns dahin absandte, um die Einrichtung und Einweihung der neuen Schule zu leiten. Ein völlig sicheres Argument dafür, daß er, wie allgemein angenommen wird, der am 1. März 297 gehaltenen Lobrede de recepta Britannia (IV) vorausgegangen sei, findet sich aber darin nirgends, obwohl dies durch die Abwesenheit des Kaisers bei Haltung das Paneg. III wahrscheinlich wird.
NAME="Anm2c" ID="Anm2c">c) Die Zeit des Panegyricus VI ist mit Sicherheit nicht zu bestimmen. Offenbar hat Manso a. a. O. S. 291 darin Recht, daß die Stelle c. 20, 3 auf Maximians Tod (im Jahre 310) hindeute. Andrerseits ist Tillemont (S. 568) beizustimmen, wenn er es unerklärlich findet, daß diese die faktischen Vorgänge bis zur Belagerung und Übergabe Marseilles so vollständig angebende Rede damit schließe, ohne des erneuerten Aufstands und Mordversuchs des alten Maximian auch nur mit einem Worte zu gedenken. Sollte jene Stelle daher nicht vielleicht ein späterer Zusatz bei Veröffentlichung dieser Rede sein können?
Was über Diokletian vorhanden ist, hat Tillemont mit ungemeiner Gründlichkeit und Gibbon, der gerade hierin vortrefflich ist, mit so viel Geist zusammengestellt, daß wir in allem, was die äußeren Ereignisse seiner Regierung betrifft, im Wesentlichen ihnen folgen können, wenngleich in Nebensächlichem deren Darstellung hier und da der Berichtigung und, was Gibbon betrifft, der Vervollständigung bedarf. Andrer neuerer Hilfsmittel wird an den betreffenden Orten gedacht werden. (S. den Anhang.)
Die wichtige Staatsreform im Innern, die von ihm ausgegangen ist, behalten wir uns im folgenden Kapitel darzustellen vor.
Diokles – denn so hieß er nach dem Namen seiner Mutter und seiner Geburtsstadt Dioklea in Dalmatien – war niedriger Herkunft. Gibbon sucht die verschiedenen Angaben der Quellen über letztere dahin zu vereinigen, daß nicht er selbst (Aur. Vict. Epit. 39, 1), sondern nur sein Vater ein Freigelassener des Senators Anulin und nachher Schreiber gewesen sei, was sehr wahrscheinlich ist. Als Kaiser nannte er sich, römischer lautend, Diokletianus.
Diokletian war kein Held wie seine letzten vier Vorgänger, ja Lactantius (de mortibus persec, c. 7, 8, 9) nennt ihn sogar furchtsam. Der Kirchenvater aber ist nicht unbefangen und ein Krieger solcher Herkunft hätte bei offenbarer Mutlosigkeit nie so hoch steigen können. Unzweifelhaft aber war es nicht Tapferkeit, sondern die seltenste anderweitige Brauchbarkeit und geistige Tüchtigkeit, der er seine Erhebung verdankte. Seit Menschengedenken war keine Thronumwälzung so harmlos verlaufen als diese.
Niemand ward des Lebens, ja selbst der Freiheit, der Güter und Würden beraubt und die Welt atmete froh auf, als sie dem Blutvergießen, der Verbannung und der Konfiskation bei solchem Anlaß ein Ziel gesetzt sah. In Rom hatte Carinus neben sich seinen Praefectus Praetorio Aristobul zum Konsul ernannt: Diokletian, an jenes Stelle tretend, behielt den ersten Beamten seines Feindes als eignen Kollegen bei.
Wir behandeln zuerst die Zeit vom Jahre 285 bis zur Ernennung der beiden Cäsaren im Jahre 293, aber überall nur die Geschichte des Westens.
A. Vom Jahre 285 bis zum Jahre 293.
Es ist kaum zu bezweifeln, daß des gefürchteten Probus Ende der Anfang eines neuen Einbruchs der nimmer rastenden Alemannen und Franken war. Dafür spricht, daß Carus sogleich seinen unstreitig kriegerischen Sohn Carinus nach Gallien absandte. Nach Mamert. Paneg. Maximian. A. scheint zwar der Zeitpunkt, da alle barbarischen Völker ganz Gallien den Untergang drohten, erst später, etwa 286, eingetreten zu sein, wir sind aber überzeugt, daß schon bei Diokletians Antritt nicht nur der sogleich zu erwähnende innere, sondern auch der äußere Feind dringend zu fürchten war.
Darum war es eine der ersten Regierungshandlungen des weisen Diokletian, sich zum Schutze des Westens einen Mitherrscher, seinem Haupte den Arm eines tapferen Schwertes beizugesellen.
Seine Wahl fiel auf Maximianus, einen alten Freund und Landsmann, rohen Krieger ohne Weisheit und Milde, der aber alle Fehler eines solchen Naturells durch die seltene Treue und Fügsamkeit, die er Diokletian bewährte, mindestens diesem gegenüber, wieder gutmachte. Beider Verhältnisse – Geist und Kraft – kennzeichnet sich auch dadurch, daß Diokletian nach Jupiter sich Jovius, Maximian aber Herculius nannte (Aur. Vict. de Caes. c. 39, 18). (Über Zeit und Form dieser Erhebung s. Anm. Tillemont nimmt nach der gründlichsten Erörterung (IV, Note 5, S. 500–504) an, daß Maximian, was auch Eutrop (IX, 20) bestätige, im Jahre 285 zum Cäsar, 286 aber zum Augustus ernannt worden sei. Gibbon folgt ihm: auch scheinen die Gründe allerdings überzeugend. Man muß aber solchesfalls auch annehmen, daß zwei im Cod. Just, vorkommende Rescripte vom Jahre 285 (V, 71, 8 und VI, 34, 2, letzteres sogar vom Monat Januar 285) falsche Überschriften führen, da sie Impp. Dioclet. et Maximian. A. A. überschrieben sind. Obwohl dies nun allerdings dadurch veranlaßt worden sein kann, daß die Sammler die spätere Doppelzeichnung ohne Prüfung auch auf frühere Rescripte übertrugen, so steht doch auch wieder der Mangel an Münzen, worin Maximian als Cäsar aufgeführt wird, Tillemonts Meinung entgegen, da die einzige dieser Art bekannte sich, nach Eckhel (VIII, p. 16), wahrscheinlich auf Galerius Maximilianus bezieht. Gewiß ist nur, daß Diokletian sogleich nach des Carinus Tod im Jahre 285 Maximian nach Gallien, wo eines Herrschers Gegenwart so dringend Not tat, absandte, und es ist ziemlich gleichgültig, unter welchem Titel dies geschah. Tillemonts Chronologie verwickelt sich auch in der folgenden Note über die Zeit der Unterdrückung der Bagauden (S. 505) durch die Rücksicht auf die christliche Martyrologie, welche nach einer Quelle des siebenten Jahrhunderts das sogenannte Martyrium des h. Mauritius auf den 22. September 286 setzt.
Wir behaupten nicht, daß die Geschichte von der Niederhauung einer ganzen von Diokletian abgesandten Legion völlig erdichtet sei, halten diese aber für Entstellung und Übertreibung eines ungleich unwichtigern Vorganges, können mindestens nicht begreifen, wie man das von einem so späten Schriftsteller angegebene Datum, das an sich etwas Gleichgültiges war, nur um deswillen für unfehlbar ansehen kann, weil dieser ein christlicher ist, während wir doch bei den Profanhistorikern, selbst bei den besten, so viel chronologische Irrtümer finden.
)Schon zu Cäsars Zeit (d. b. Gall. VI, 13) war der Zustand der untern Volksklasse in Gallien ein sehr gedrückter, der Sklaverei ähnlicher (paene servorum habetur loco). Während der Zeit der keltischen Freiheit gereichte ihr die gegenseitige Eifersucht der Häupter und Mitglieder des Adels zu einigem Schutze. Unter Roms Herrschaft konnte sie solchen nur bei der Regierung finden. Mochte dieser immer schon, zumal unter schlechten Kaisern und Statthaltern, ein mangelhafter gewesen sein, wie hilflos mußte der arme Landmann insbesondere seinen harten Grundherren während jener zwanzig Jahre von 254 bis 274 preisgegeben sein, als ganz Gallien der stete Schauplatz germanischer Einbrüche und des Bürgerkrieges zwischen dem Kaiser und den Tyrannen des Westens war.
Hatte sich unter Aurelian und Probus der Zustand vielleicht etwas gebessert, wie mag er sich unter Carinus, der selbst ein Vertreter des Frevels, nicht der Gerechtigkeit, war, wieder verschlimmert haben.
Die Verzweiflung des höchsten Elends, das nichts mehr zu verlieren, nur zu gewinnen hat, trieb zum Aufruhr, der aber in diesem Falle doch nur dadurch Halt und Zusammenhang erhielt, daß ein Paar ehrgeizige Römer, von Herrschaftsgelüst ergriffen, Amandus und Aelianus, sich an die Spitze stellten und mit ihren Haufen das flache Land plünderten, ja selbst die Städte bedrohten. Man nannte die Aufständischen Bagauden, eine im fünften Jahrhundert wiederkehrende Bezeichnung, deren Etymologie unsicher ist.
Gegen diese zog nun sofort, wohl schon im Jahre 285, Maximian, der durch Waffen und Milde den Aufstand mit Leichtigkeit dämpfte. (Eutr. IX, 20; A. Vict. de Caes. c. 39, 16; Mam. Paneg. I. Maxim. A. 9, 4; Incerti Pan. V. Maxim. et Constan. § 8.)
Darauf wandte er sich gegen die äußeren Feinde, indem, nach der schwülstigen Phrase des Rhetors (Mam. I, 5) sämtliche barbarische Völker ganz Gallien mit Untergang bedrohten. Unzweifelhaft waren diese nicht nach, sondern schon vor den Bagauden, mindestens während der Kämpfe mit diesen, im Felde erschienen. Im einzelnen erwähnt nun Mamertin a. a. O. nur der Burgundionen, mit denen schon Probus am Rheine focht, und Alemannen, welche der Kaiser mehr durch Klugheit als durch Gewalt bezwungen, indem ihnen ihre eigene große Anzahl (Abermals ein Zeugnis für deren nach schweren Verlusten immer neu anwachsende Zahl. D.) verderblich geworden und in Folge von Abschneidung der Lebensmittel Hunger und Seuche bei ihnen ausgebrochen, daher aber deren Bewältigung leicht geworden sei.
Nahe liegt hier der Gedanke, der Führer der Burgunder, welchen sich die Alemannen angeschlossen, habe, des kleinen Raubkrieges, in welchem letztere es zu solcher Virtuosität gebracht, noch unkundig, mit zu großer Masse operiert (? D.), welche er, da nach der allgemeinen Defensivmaxime jener Zeit alles Landvolk mit Vieh und Lebensmitteln in feste Städte oder sichere Verstecke flüchtete, nicht genügend zu ernähren vermochte.
Hierauf griff Maximian mit wenigen Kohorten eine jedenfalls nur kleinere Schar von Chaibonen (und Herulern) an und schlug sie dergestalt auf das Haupt, daß kein Flüchtling übrig blieb, der Weibern und Kindern in der Heimat die Trauerkunde überbringen konnte, wobei Mamertins Posaune den Kaiser alles persönlich tun läßt. (Paneg. I, c. 5.)
Die Übertreibung liegt auf der Hand: das Ereignis aber ist höchst wichtig, da hier unstreitig Völker, die später unter dem Namen der Sachsen vorkommen, zuerst nach Westen vordringend in der Geschichte erscheinen. Mamertin nennt sie ihrer Kraft nach die ersten, ihren Wohnsitzen nach die letzten aller Barbaren.
Diese lagen nun unstreitig zwischen Elbe und Ostsee, wo Tacitus (G. 40) schon Avionen nennt, während Mamertin selbst an einem andern Orte (Paneg. genethlic. II, c. 1) dieselben als Cavionen bezeichnet. Wegen der Heruler Die Heruler zählen zu den Goten, nicht zu den späteren Sachsen. Die Sachsen aber senden später immer häufiger ihre gefürchteten Raubschiffe in die französischen Ströme: dies ist wohl nicht die erste ausgeführte Raubfahrt einer später zu den Sachsen gehörigen Völkerschaft, nur die erste genauer berichtete. ( D.) auf S. 220 verweisend, bedarf es kaum der Erwähnung, daß die daselbst erwähnten östlichen mäotischen damals nicht in Gallien aufgetreten sein können.
Wir haben es daher hier wohl mit den nordischen Herulern, Raubfahrern von der See her, zu tun, welche, an der belgischen Küste gelandet, von Maximian mutmaßlich schon tiefer im Innern betroffen und aufgerieben wurden.
In allen diesen Kämpfen hatte sich der Menapier Carausius hervorgetan. Da um dieselbe Zeit Franken und Sachsen (Eutrop. IX, 21) den ganzen Kanal von der Bretagne bis zur Rheinmündung raubfahrend durchschwärmten, übertrug der Kaiser diesem, der früher als Steuermann und Schiffskapitän auf Handelsschiffen gedient hatte, wohl schon zu Anfang des Jahres 286 den Befehl. Carausius aber vollführte sein Werk zu eigenem Nutzen.
Landung und Raub behinderte er gar nicht, lauerte jedoch den heimkehrenden Schiffen geschickt auf, nahm ihnen die Beute ab und behielt diese dann, größtenteils wenigstens, für sich. Als der Kaiser, dies wahrnehmend, dessen Tötung befahl, nahm er gegen Ende des Jahres 286 oder zu Anfang 287 den Purpur und bemächtigte sich Britanniens (Eutrop. IX, c. 21). Die dort stehende Legion und die Auxilien unterwarfen sich ihm: sein Gold, ebenso gewiß aber auch sein Ruf und seine Persönlichkeit führten ihm zahlreiche Barbaren zu. Vor allem vermehrte er durch Neubau seine Flotte und bildete diese zu hoher Überlegenheit über die römische aus. (Eumenes Paneg. V; Constant. Caes. c. 12.)
Maximian machte die größten Anstrengungen zu dessen Unterdrückung. Am 21. April 289 sagt Mamertin in seinem wahrscheinlich zu Trier gehaltenen ersten Panegyricus c. 12: schon seien die im Lande während des ganzen Jahres 288 erbauten Flotten auf allen Flüssen, durch die Gnade der Götter begünstigt (als ob die Wässer im Frühjahr nicht naturgemäß anschwollen), zur See gelangt, so daß dem Piraten, wenn ihn nicht die Erde oder ein Seestrudel verschlinge, keine Zuflucht mehr bleibe. Aber der Erfolg beschämte den Prahler. Wissen wir auch über den Krieg (aus Eutrop. IX, c. 22) nur, daß er fruchtlos versucht worden (bella frustra tentata), so können wir hiernach doch nicht zweifeln, daß jene großartige Flotte nichts erreicht hat.
Gewiß ist, daß Diokletian und Maximian mit dem Anmaßer bald darauf, man vermutet im Jahre 290, Frieden schlossen, und ihn als Mitkaiser für Britannien anzuerkennen sich genötigt sahen (Eutr. a. a. O. u. Aur. Vict. c. 39, 39), was durch seine zahlreichen Münzen bestätigt wird, worin er jene als Brüder (fratres) aufführt.
Die Geschichte des Carausius, der ein kraftvoller Mann gewesen sein muß, wird dadurch anziehend, daß England hier zum ersten Male in der stolzen Rolle einer für ganz Europa uneinnehmbaren Seefestung auftritt, die es zwar später gegen sächsische, dänische, normannische Kraft nicht zu behaupten vermochte, schon seit dem sechzehnten Jahrhundert aber wiederum so glänzend eingenommen hat. Gibbon spricht darüber vortrefflich.
Finden wir einen ferneren Anklang an die spätere Geschichte darin, daß Carausius, wie sich weiter unten ergeben wird, den Hafen von Boulogne, wie die Engländer so lange Zeit Calais, auf der gallischen Küste inne hatte, so ist kaum zu zweifeln, daß ihm dies als Friedensbedingung, wogegen er dem Seeraub entsagte, zugestanden ward.
Über die Ereignisse der Jahre 287 und 288 im Westen wissen wir nur folgendes:
Die germanischen Waffen können, obiger Niederlagen unerachtet, Gallien nicht verschont haben, da Mamertinus in gedachtem Panegyricus (I, c. 6) von unzähligen Schlachten und Siegen in der ganzen Provinz, und dabei namentlich von einem am 1. Januar 287 – dem Tage, wo Maximian sein erstes Konsulat antrat – und zwar in der Nähe von Trier (nach den Schlußworten) erfochtenen berichtet.
Auch mag deren Vertreibung aus der Provinz endlich gelungen sein, da Mamertin schon Kap. 7 den Rheinübergang Maximians erwähnt und dabei in der Lobhudelei so weit geht, zu versichern, »daß dieser zuerst unter allen Kaisern der Welt bewiesen habe, wie Roms Grenze so weit reichet als dessen Waffen.« Und dies sprach er im siebenten Jahre nach dem Tode des großen Probus, des wahrhaftigen Germanenbezwingers (von Drusus und Germanicus zu schweigen! D.).
Diese Offensive scheint mit einer gleichen des von Osten her anrückenden Diokletian kombiniert worden zu sein, da dieser gleichzeitig (c. 9) in Rätien über die Donau ging, wobei die Imperatoren sich vorübergehend vereinigten. Der Feldzug muß zu einem Friedensschluß geführt haben, da (nach c. 10) der König Gennobaudes sein Reich zurück, ein zweiter, Esatech (welches Stammes? doch wohl alemannischen D.), Geschenke empfing. Unstreitig ist dieser Krieg der nämliche, von welchem Eumenes (Paneg. Constant. Caes. c. 2), der daran selbst teilnahm, handelt: er erwähnt dabei eines gefangenen Königs und der Verwüstung ganz Alamaniens von der Rheinbrücke bis zu dem Donauübergange bei Guntia, Günzburg (im M. S. steht statt Guntiensem Contiensem). Letzterer erfolgte sonach drei Meilen unterhalb Ulm nicht in altgermanisches, sondern in altrömisches Gebiet diesseits des Limes.
Was war nun des ganzen Krieges (welchen Mamertin Scipios Übergang nach Afrika im zweiten punischen Kriege und Alexanders Zuge nach Indien gleichstellt) Ergebnis? Etwa die Wiedereroberung des über zweihundert Jahre lang in unbestrittenem römischen Besitze verbliebenen Zehntlandes, wie diese noch vor kurzem Probus so glorreich vollführt hatte? Gewiß nicht: wie dies jener Friede, das beredte Schweigen der Lobredner und die Geschichte der Folgezeit außer allen Zweifel setzen.
Ja man sprach, in schmählichem Vergessen der Vergangenheit, gar nicht mehr von der römischen Provinz, sondern nur noch von »Alemannien« und ließ dies, nach jenem strafenden Verwüstungszuge, großenteils wenigstens in ruhigem Besitze der Alemannen und Juthungen: ( diese sind nicht mehr Räuber, sondern Bauern in diesem Lande – bald, fünfzig Jahre später, sogar auf dem linken Rheinufer: in dieser Zeit hat das lang versuchte Vordringen der Germanen an und über den Rhein in der Absicht dauernder Niederlassung einen starken Fortschritt erzwungen. D.).
Dawider ist auch nicht einzuwenden, daß Mamertin in seiner zweiten zu Anfang Februar 292 (s. Anm. 210) zu Maximians Geburtstage gehaltenen Rede (II. Pan. genethl. c. 5, 4) nächst den in der Mitte des Barbarenlandes (in media barbaria) errichteten Trophäen vorübergehend auch der Vorrückung des Limes nach einer plötzlichen Niederlage der Feinde gedenkt, da die Sprache der Übertreibung zumal in so abgerissenen Phrasen kein sicheres Anhalten bietet, bleibende Behauptung der gesamten früheren Provinz aber ganz andern Ausdruck gefunden hätte. (Vergl. hierüber weiter unten.)
Die Franken scheinen schon vor dieser Zeit das alte römische Klientelgebiet in Batavien besetzt und daselbst, vielleicht auch über einen Teil der alt-friesischen Gaue sich verbreitend, eine selbständige Herrschaft gegründet zu haben. Die Nähe der See und die Mithilfe ihrer neuen Untertanen ließen ihnen den Seeraub, wobei man, die Grenzbesatzungen umgehend, an der gelegensten und unerwartetsten Stelle einfallen konnte, vorteilhafter erscheinen als die Einbrüche zu Land (Eutr. IX, c. 21; Mamert. II, Pan. genethl. c. 7, 2), obwohl sie, so lange Carausius für Rom focht, auch zur See nicht selten hart gezüchtigt worden sein mögen.
Noch im Jahre 288, mindestens vor dem April 289 ward jedoch durch einen der Generale Maximians auch zu Lande ein Vorteil über sie erfochten, wobei (Pan. I, c. 11, 4) jenes Volk zwar nicht genannt, aber durch den damals fast technischen Ausdruck des trügerischen (lubrica fallaxque) deutlich bezeichnet wird. Das römische Heer muß dabei bis zur Seeküste vorgedrungen sein, da (a. a. St. unter 7) von dem an dieser vergossenen Blute der Feinde die Rede ist.
Auf denselben Vorgang dürften sich Mamertins Worte (im II. Panegyr. c. 5, 4) beziehen: »ich übergehe die mit ihrem Könige um Frieden bittenden Franken.« Es ist ein aus Mangel an geographischer Anschauung hervorgegangener arger Irrtum des verdienten Tillemont, wenn er unter den pan. II, 5, 4 erwähnten Königen der Franken die im pan. I, 10, 2 genannten Könige Genobon und Esatech versteht, deren am letztern Orte bei dem Feldzuge in Alemannien gedacht wird, bei welchem doch ein fränkischer König sein Land, wie I, 10, 2 bemerkt wird, nicht verlieren und zurückerhalten konnte, indem das Gebiet der Franken bei der an letzterer Stelle genau beschriebenen Operationslinie gar nicht berührt ward. Auch wird in Pan. II, 5, 4 jener fränkischen Könige gar nicht in Verbindung mit den hopaea Germanica und dem limes Raetiae hostium promotus (d. i. dem alemannischen Feldzuge), sondern erst später nach zwei Zwischensätzen gedacht. Nicht minder wird die durch Maximian bewirkte Kolonisation von Laeten (laeti, welcher später zu erörternde Ausdruck hier zum ersten Male vorkommt) im Gebiete der Nervier und Trierer, obwohl sie erst in Eumenes (Paneg IV. Constant. vom Jahre 297 c. 21) erwähnt wird, eine Folge desselben gewesen sein. In der Tat scheint hiernach jener Krieg mit den Franken sehr erfolgreich gewesen und von dem Lobredner nur um deswillen so schwach betont worden zu sein, weil Maximian dabei nicht persönlich mitwirkte.
Von Diokletian erfahren wir nur, daß er um obige Zeit (288) Sarmatien, d. i. das Jazygen-Land, wahrscheinlich auf dem Rückmarsch von Rätien verwüstete (Mam. Pan. genethl. II, c. 5, 4; 7, 1 und 16, 1), was eine wegen Räubereien verwirkte Züchtigung voraussetzen läßt.
Die Ereignisse der Jahre 289 bis mit 292 sind der Gegenstand eben dieser zu Maximians Geburtsfeier gehaltenen Rede.
Unwichtig ist dabei die, wie man glaubt, im Jahre 290 stattgehabte feierliche Zusammenkunft beider Kaiser zu Mailand (Paneg. II, c. 11), aus welchem Orte sich indes ergibt, daß der Westen des Reichs, wohin sich Diokletian dazu begab, damals gefährdeter gewesen sein muß als der Osten.
Ungleich bedeutender sind die (c. 16 und 17 erwähnten) Zerwürfnisse der Germanen unter sich. Der Redner sagt dabei im Wesentlichen folgendes:
»So groß, Imperatoren, ist euer Glück, daß sich nun die Barbaren überall untereinander selbst zerfleischen und vertilgen, und die im sarmatischen, rätischen und überrheinischen Gebiet erlittenen Niederlagen verdoppeln und erneuen. Heiliger Jupiter und Herkules, endlich habt ihr die Tollheit des Bürgerkriegs unter jene Völker geschleudert, die vom äußersten Osten bis zum äußersten Westen in ihr eignes Blutvergießen stürzen.«
Darauf fährt er wörtlich also fort:
»Die Goten vertilgen gründlich die Burgunder. Für die Besiegten waffnen wieder die Alemannen. Die Thervingen, ein andrer Teil der Goten, durch Mannschaft der Thaifalen unterstützt, kämpfen gegen Vandalen und Gepiden. Die Burgundionen haben die Äcker der Alemannen eingenommen, aber sie haben sie zu ihrer Niederlage gewonnen. Die Alemannen haben das Land verloren, aber sie nehmen es wieder. O große Macht unsrer Gottheit.«
Diese Stelle bedarf mehrfacher Erläuterungen.
Die Zeile 1 erwähnten Goten sind wohl Ostgoten, weil die Thervingen, d. i. Westgoten, mit ihren westlichen Nachbarn Gepiden und Vandalen besonders erwähnt werden.
Die Burgunder sind die oben behandelten östlichen (? D.), welche damals in der Nähe der Ostgoten gesessen haben müssen.
Der Name des den Burgundern zu Hilfe kommenden Volkes Alemannen ist unzweifelhaft irrig (Die Schwierigkeiten sind hier sehr groß. Wie einerseits Goten, andrerseits Burgunder und Alemannen Nachbarkriege sollen haben führen können, ist unverständlich: die »östlichen« Burgunder sind ein bloßer Notbehelf: es gab nicht zweierlei Burgunder. Eine bloße Vermutung ist folgende Annahme, die aber den sonstigen, namentlich auch den späteren Verhältnissen (noch Valentinian hetzt die Burgunder auf ihre West-Nachbarn, die Alemannen) entspricht und die Stelle erklären würde. Die Goten, welche die Burgunder besiegen, sind ein von Osten die Donau herauf gewandelter Volksteil – eine erste Bewegung der Art, welche später die (gotischen) Vandalen an den Rhein führte. Nach Besiegung der Burgunder durch die von Osten andringenden Goten sehen sich der Burgunden westliche Nachbarn, die Alemannen, bedroht und waffnen gegen die angreifenden Goten, zugleich in eignem wie in der Burgunder Interesse. Nach Abwehr der gotischen Angreifer geraten Burgunder und Alemannen selbst in einen der häufigen Kriege um Grenzland, wie sie das Ausbreitungsbedürfnis unablässig hervorrief. – Diese Auffassung ist wenigstens möglich und nicht unwahrscheinlich. »Vertilgt« sind die Burgunder durch den gotischen Angriff so wenig, daß sie alsbald den volkreichen Alemannen ihre Grenzländer wegnehmen können. D.), und wahrscheinlich Fehler eines Abschreibers, der aus Alanen (? D.), eine Abkürzung vermutend, die ihm bekannten Alemannen machte. Darüber sind alle Forscher von Valesius (Paneg. Vet. ed. Jäger zu d. Stelle S. 199) bis Zeuß (S. 466) einig. Wie konnten auch die zweihundert Meilen von den Ostgoten entfernten Alemannen den Krieg gegen erstere aufnehmen, während Alanen (s. oben) allerdings in der Nähe ersterer heimisch waren.
Darauf, daß Mamertin bald Burgundiones, bald Burgundios nennt, ist kein Wert zu legen.
Das Außergewöhnliche, die Bedeutung und selbst wohl die Gleichzeitigkeit dieser Kämpfe dürfte mehr oder minder Übertreibung des Alles für seinen Zweck ausbeutenden Rhetors sein.
Die Zerwürfnisse der Germanen im ersten Jahrhundert (s. oben 1. Buch, 5. Kap.) sind uns bekannt, weil wir für diese Zeit Tacitus haben. Für das zweite und dritte fehlen uns alle Quellen über die innern Zustände Germaniens: deshalb wissen wir auch nichts von deren Kriegen unter sich, welche naturgemäß niemals ganz aufgehört haben, (vielmehr jetzt bei der notwendig versuchten Ausbreitung aller Völkerschaften erst recht häufig geworden sein müssen; wenige Jahrzehnte später erzählt Ammian wiederholte Angriffe der Ostnachbarn der Alemannen auf diese, daher deren beständiges Vordringen nach Westen: sie wurden selbst von Osten her gedrängt. D.). Nur von den Ostvölkern erfahren wir aus Jordanis (c. 17) die Kriege der Gepiden zuerst mit den Burgundern und dann mit den Goten.
Die wichtigsten Ereignisse der Jahre 289 und 290, die Niederlage zur See durch Carausius und der Frieden mit ihm, werden von den Lobrednern ihrem Charakter treu verschwiegen.
B. Von der Ernennung zweier Cäsaren im Jahre 293
bis zu Diokletians Thronentsagung 305.
Wir kennen mit Sicherheit den Tag (1. März), aber nicht das Jahr des Ereignisses, mit welchem wir obige Epoche beginnen. Die Chroniken sind durchaus widersprechend, Hieron. hat 289, Idatius 291, Chr. Paschale 293, die andern Quellen geben keine Data, sondern nur ein (mehr oder minder unsicheres) Anhalten für Berechnungen. Tillemont nimmt in seiner Note S. 513–515 das Jahr 292 an. Wir würden uns jedoch schon, weil Constantius und Galerius zuerst im Jahre 294 zu Konsuln ernannt wurden und mehr noch aus allgemeinen historischen Gründen unbedingt für das Jahr 293 entscheiden, wenn dies nicht durch Mommsens Forschung (s. dessen Abhandl. über Diokletians Taxedict m. den Ber. über d. Verhandl. d. K. S. Ges. d. Wissensch. zu Leipzig. Band 1851, S. 51 auf Grund des Eingangs jenes Edikts) beinahe zur Gewißheit erhoben worden wäre.
Gewiß war es (wie Eutrop. IX, 22 u. Aur. Vict. c. 39, 24 ausdrücklich sagen) die Lage des Reichs, welche Diokletian bestimmte, durch Annahme mehrerer Regierungsgehilfen Schutz und Fürsorge zu steigern. Ob aber die von diesen speziell angeführten Ereignisse damals insgesamt schon wirklich eingetreten waren, ist nicht zu ermitteln.
Wir sind überzeugt, daß der Aufstand in Afrika, der Maximians persönliche Gegenwart erforderte, bereits ausgebrochen oder doch mit Sicherheit vorauszusehen war, Gallien aber, besonders wegen des gefährlichen Carausius Nähe, eines tüchtigen Hauptes nicht entbehren konnte. Im Osten dagegen mochte der scharfblickende Diokletian einen Krieg mit Persien früher oder später für unvermeidlich erkennen und darum seinem Haupt ein tüchtiges Schwert beizugesellen für nötig halten.
So wurden denn am 1. März Constantius, dem der Vulgärname Chlorus (der Bleiche) beigelegt ward, und Galerius, dessen zweiter Name Maximus in Maximianus umgewandelt ward, zu Nikomedien feierlich zu Cäsaren ernannt und mit dem Purpur bekleidet.
Männer gleichen Vaterlandes, Illyricum: aber sehr verschiedenen Schlages. Constantius von guter, mütterlicherseits sogar hoher Geburt, weil dessen Mutter Crispa die Nichte des Kaisers Claudius war: Galerius ein Bauernsohn, mit dem Beinamen der Hirte (armentarius); jener bei mäßiger Bildung hohen und edlen Sinnes, als Mensch und Feldherr gleich ausgezeichnet: dieser ein tapferer, aber roher Krieger, wenn auch nicht so schlecht als Lactantius ihn darstellt.
Um durch Familienbande mit den Kaisern verknüpft zu werden., mußten beide ihre Frauen verstoßen, Constantius, um mit Maximians Stieftochter Theodora, Galerius, um mit Diokletians Tochter Valeria sich zu vermählen.
Zugleich wurden, wie man annehmen muß, beide von den Schwiegervätern adoptiert, wobei sie auch die Beinamen Herculius und beziehentlich Jovius empfingen (Eumen. Paneg. III. d. restaur. Schol. c. 8; Lactant. d. m. pers. 52 und Münzen bei Eckhel, p. 30 und 36).
Eine faktische Teilung des Verwaltungsbereichs mag schon vorher unter den beiden Kaisern stattgefunden haben: jetzt erst scheint eine solche für die vier Regenten auch amtlich und zwar dahin verkündet worden zu sein, daß Constantius das Land jenseits der Alpen und des Rheins, Maximian Italien und Afrika, Galerius die Donauländer bis zum Pontus und Diokletian das Übrige erhielt (Aur. Vict. d. Caes. 39, 30). Hiernach würde außer dem Orient, wozu Ägypten gerechnet ward, auch Makedonien und Griechenland letzterem verblieben sein (was von Tillemont S. 37 jedoch, wiewohl auf zweifelhaftem Grunde, Galerius mit zugewiesen wird).
Eine wirkliche Reichsteilung erfolgte aber keineswegs: gesetzliche und gewiß auch andere gemeingültige Bestimmungen ergingen, und zwar ohne Erwähnung der Cäsaren, im Namen beider Kaiser fortwährend für das Ganze, dessen Haupt und Seele übrigens Diokletian unverändert blieb. Auch die Konsulate galten für das Gesamtreich.
Wir gehen nun auf die einzelnen Verwaltungsbezirke über, und zwar
1) den des Constantius.
Ungewiß ist das damalige Verhältnis der Zentralgewalt zu Carausius in Britannien. Setzen wir aber auch des Constantius Antritt erst auf den 1. März 293, so kann doch des Carausius Tötung nach Eutrop (IX, 22) und selbst nach Aurelius Victor (c. 39, 40) kaum dem vorausgegangen sein. War daher des Constantius erstes im Fluge unternommenes Werk in Gallien der Angriff von Gesoriacum (Boulogne), so muß um jene Zeit dringender Anlaß zum Kriege gegen Carausius vorgelegen haben. Derselbe mag diesen ihm so wichtigen Hafenplatz mit ebensoviel Kunst als Aufwand auf der Landseite fast uneinnehmbar gemacht haben, weil der Cäsar, ohne dessen Belagerung von hier aus auch nur zu versuchen, sofort zu der Absperrung des Hafens schritt. Eumenes, der zweimal (in Paneg. IV, Constant. c. 5 und in VI. Constantin. c. 5) darüber berichtet, ist zu rednerisch, um ganz klar zu sein. Wahrscheinlich hatte der Hafen von der See her nur einen schmalen, auch bei der Ebbe passierbaren Zugang, an dessen beiden Enden sich eine Untiefe fand, in welcher während der Ebbe ein Damm unbehindert aufzuführen war, nach dessen Vollendung auch die tiefere mittlere Stelle durch Versenkung von Felsstücken, Schiffen etc. der Schiffahrt versperrt werden konnte.
Kaum denkbar erscheint mindestens, daß Angesichts der feindlichen Kriegsflotte, deren an der Stelle ausdrücklich gedacht wird, ein derartiger Damm in einer für dieselbe zugänglichen Tiefe ungestört ausgeführt werden konnte.
Nach Vollendung des Werks scheint die Besatzung, für die nun weder Entsatz noch Proviantzufuhr möglich schien, bald kapituliert zu haben. Vermutlich trat sie, mit Milde behandelt, in des Siegers Heer ein. Kaum aber war der Erfolg erreicht, als eine Sturmflut das Werk wieder zerstörte.
In demselben Jahre, und zwar nach sechs (Aur. Vict. c. 39, 40 und 41) bis sieben Jahren (Eutrop. IX, 22) seiner Herrschaft, ward der Kaiser Britanniens, den der Lobredner nur den Erzpiraten nennt, durch Allectus, seinen Praefectus Praetorio, aus Furcht vor der eignen durch Schandtaten verwirkten Lebensstrafe ermordet. Da wir selbst den faktischen Beginn seiner Herrschaft in keinem Falle vor den letzten Monaten des Jahres 286 annehmen können, so würden beide Angaben, wenn man das siebente Jahr Eutrops noch nicht für vollendet ansieht, auf das Jahr 293 zusammenfallen. Der Erbe seiner Macht, aber nicht seiner Kraft, nahm, wie dessen, wiewohl seltenere, Münzen außer Zweifel setzen, ebenfalls die Kaiserwürde an, die er drei Jahre lang (Eutr. a. a. O.) behauptete. Die Klugheit erforderte zunächst dessen Beobachtung sowie die allersorgfältigste Vorbereitung eines Seeangriffs auf Britannien, weshalb es nichts als rednerische Phrase ist, wenn Eumenes (Pan. IV, c. 7, 3) sagt: der Cäsar habe ihm nur so viel Zeit gegönnt, als zum Schiffsbaue erforderlich gewesen sei.
Zunächst wandte sich nun Constantius gegen die Franken, was schon um den Tyrannen Britanniens dieser Bundesgenossen zu berauben notwendig gewesen sein mag.
(Unzweifelhaft lag Eroberung mit im Ziel jener neuen Gruppen und die Erwerbung dauernder ausreichender Sitze. D.)
Die Alemannen gewannen solche bald im römischen Zehntlande, aus dem sie nur zweimal durch Maximin 235–237 und durch Probus vorübergehend wieder vertrieben, von Diokletian und Maximian aber nach obigem zum größten Teile mindestens in dessen Besitze gelassen worden waren: (bald finden wir sie bei Augst, ja im Elsaß dauernd als Ackerbauer seßhaft. D.).
Für die Franken nun bot sich zunächst nur in dem römischen Klientelgebiete Bataviens jenseits der Waal eine ähnliche Gelegenheit dar, dessen sie sich daher unstreitig bereits vor längerer Zeit, wahrscheinlich schon unter Gallienus, bemächtigt hatten Eumenes sagt (in pan. VI) vom Jahre 309 oder 310, von des Constantius Taten redend (5, 3): qui terram Bataviam, sub ipso quondam alumno suoa diversis Francorum gentibus occupatam, omni hoste purgavit. Möge sich der Ausdruck alumnus auf Carausius beziehen, wie man gewöhnlich annimmt, oder nicht, so könnte die Besitznahme Bataviens durch die Franken, wenn sie unter Constantius erfolgte, immer nur eine neuere gewesen sein. Wenn aber die Franken nach Eutrop (IX, 21) schon vor dem Jahre 286 die belgisch-gallischen Küsten durch argen Seeraub heimsuchten, so müssen sie schon längere Zeit vorher am Meer, also in Batavien, gesessen haben. Unstreitig hat daher Carausius als römischer Befehlshaber nichts getan als die Ausbreitung und Befestigung der fränkischen Eroberung daselbst, um dies Volk für sich zu gewinnen, zu begünstigen, woraus der Rhetor, dem es nur um effektvolle Phrasen zu tun war, obige Stelle gemacht hat., sich von da aus auch über das Gebiet der Yssel (Ysala) ausbreitend, dessen Bewohner, die Friesen, ja früher mindestens ebenfalls unter römischer Schutzherrschaft standen. Von hier aus trieben sie denn auch den oben erwähnten Seeraub, der ihnen trefflich geglückt sein mag, bis sie von dem damals römischen Admiral Carausius hart gezüchtigt wurden. (Domitis oppressa Francis bella piratica. Mam. Paneg. II. genethl. c. 7, 2.)
Über den Krieg gedenkt der Rhetor (Pan. IV, c. 8) zuvörderst nur der unglaublichen Terrainschwierigkeiten (man erinnere sich dabei des Aufstandes des Civilis, s. oben) und des Endergebnisses in schwülstigen Phrasen. »Auf allen Plätzen gallischer Städte, sagt er c. 9, saßen Scharen gefangener Barbaren: Mütter und Weiber sahen die Schmach ihrer Söhne und Männer in Fesseln, nur die Kinder schwatzten in heimischer Mundart. Diese alle aber wurden unter die Provinzialen verteilt, um die Stätten, welche sie vielleicht einst selbst verwüstet hatten, wieder anzubauen. Mir, fährt er fort, pflügt nun der Chamave und Friese, mir arbeitet im Schmutze seines Berufs jener schweifende Räuber, bringt Vieh und Getreide auf meine Märkte zum Verkauf. Zur Rekrutierung eilt er herbei, zu pünktlichem Gehorsam: wenn nötig durch ermüdende Schläge abgerichtet wünscht er sich Glück, Soldat zu werden.«
Aus dem Schluß derselben Rede (c. 21) ersehen wir, daß die Kolonisation teils in dem heutigen Nordfrankreich in den Gebieten der Somme und Oise (Ambiani et Bellovaci), teils in der Gegend von Troyes, Langres und Dijon (Tricasses et Lingones), wahrscheinlich aber auch in der des benachbarten Autun (Eum. VII. grat. actio c. 4, 3) erfolgte.
Von dem nämlichen Vorgange heißt es (in Incerti Paneg. V. Max. et Constantin. c. 4, 2), daß Constantius »viele Tausend Franken, welche Batavien und andre Länder diesseits des Rheins eingenommen gehabt, getötet, vertrieben, gefangen und abgeführt habe.«
Gewiß war dies eine gründliche Niederlage dieser Erzfeinde Roms. Daß aber deren Gebiet bleibend wieder besetzt und durch Festungen gesichert worden sei, ist weder irgendwo gesagt noch auch nach den Ereignissen der Folgezeit anzunehmen. Die Franken haben sich viel mehr, wenn auch geschwächt und gedemütigt, in jener Gegend, von der sie später den Namen der Salier (d. i. an der Ysala = Sala? seßhaften) empfingen und wo wir sie neunzig Jahre später noch antreffen, auch fernerhin behauptet.
Bald nach diesem Ereignis, das wir nicht später als 294 setzen können, scheint Constantius den Wiederaufbau des im Jahre 268/269 nach siebenmonatlicher Belagerung völlig zerstörten Autonodunums, der Hauptstadt der Äduer (Autun), begonnen zu haben. (S. Eum. Pan. VII. grat. act. 4, 2.) Aus zwei Stellen der Panegyriker ergibt sich, daß die Zerstörung Autuns im Jahre 268 oder 269 nicht etwa durch Germanen, sondern durch gallische Rebellen erfolgt ist. In der Einweihungsrede (III, 5, 1) heißt es von dieser Stadt: cum latrocinio Batavicae rebellionis oppressa, wofür die neuern Herausgeber: Bagaudicae setzen zu müssen geglaubt haben. In der Danksagungsrede (VII, 4, 2) sagt derselbe Eumenes von den Aeduern, daß sie erst nach sieben Monaten irrumpendas rebellitus Gallicanis portas reliquerunt. Wir erklären uns die Sache so: Im Jahre 268 herrschte Tetricus und zwar erst seit kurzem in Gallien. Diesem muß sich Autun aus irgendeinem speziellen lokalen Grunde nicht haben unterwerfen wollen, und gegen diesen rief es Claudius zu Hilfe, der wegen der Gotengefahr nicht kommen konnte, damals aber schwankte, ob er nicht, statt gegen diese, gegen Tetricus ziehen solle. Wie wären die Aeduer dazu gekommen, statt des nahen, zu ihrem Schutze gegen innere und äußere Feinde verpflichteten, gallischen Kaisers Tetricus, den fernen, im Westen nie anerkannten Claudius herbeizurufen, wenn nicht eben jener selbst ihr Gegner gewesen wäre? Die Stelle III, 4, 1 ist sicherlich verderbt, das batavicae unverständlich, die dafür vorgeschlagene Lesart bagaudicae zwar paläographisch ansprechend, aber historisch völlig unhaltbar, was kaum der Ausführung bedarf. (Siehe Baehrens. D.)
Hätte das zusammengelaufene Landvolk, das erst im Jahre 285, unter Führung römischer Tyrannen, viele gallische Städte zwar nicht einzunehmen vermochte, aber doch zu bedrohen wagte (Aur. Vict. C. 39, 17), schon im Jahre 269 die Macht gehabt, eine der bedeutendsten Städte Galliens nach siebenmonatlicher Belagerung zu erobern und auch (was sicherlich nicht im Interesse von Rebellen, die eines Zufluchtsorts bedurften, gelegen hätte) zu zerstören, würden da nicht Aurelian oder mindestens Probus diesem Aufruhr ein Ende gemacht haben, welches dessen Wiederaufleben nach nur wenigen Jahren gründlich verhindert hätte?
Die unglückliche Stadt hatte den Kaiser Claudius damals um Hilfe gefleht, welche dieser, um gegen die Goten zu ziehen, verweigert hatte.
Da mag es Constantius als einen Akt der Pietät gegen seinen Großoheim betrachtet haben, sie wiederherzustellen.
Inzwischen war (im Jahre 296) der Angriff Britanniens reif geworden.
Dieser ward mit großem Geschick angelegt. Maximian stellte sich, aus Afrika herbeieilend, am Rheine auf, den Rücken gegen die Alemannen zu decken. Durch Ausrüstung verschiedener Flotten ward ihr Feind über den Angriffsplan unsicher gemacht.
Die Hauptflotte vor Boulogne scheint schon, zur Abfahrt bereit, auf der Reede vor Anker gelegen zu haben, als die auf der Seine (über Le Havre) herabgekommene, welche der Cäsar, Mut einflößend, selbst besuchte, an einem Regentage bei starkbewegter See und ungünstigem Seitenwinde auslief. Bei der Insel Wight war die britannische Flotte, von welcher des Carausius Geist gewichen sein mag, zur Beobachtung aufgestellt: ein starker Nebel aber entzog die römische, welche der tapfere Asclepiodotus führte, ihren Blicken.
Die Landung erfolgte glücklich und sogleich wurden (als Zeichen der Zuversicht auf den Sieg) die Schiffe verbrannt. Allectus scheint Constantius, der an der Spitze der Boulogner Flotte stand, unfern Dover, an der engsten Stelle des Kanals, erwartet zu haben, verließ aber sogleich seine feste Stellung, um gegen den etwa bei Brighton gelandeten Asclepiodotus zu ziehen. Noch vor der Schlacht muß auch Constantius selbst den britischen Boden erreicht haben. Allectus griff, vielleicht weil er sich durch ein zweites Korps den Rücken gegen Constantius decken wollte oder weil er nicht allen seinen Truppen traute, nicht mit dem gesamten Heere, sondern nur mit den alten Verschwörungsgenossen des Carausius, die vermutlich keinen Pardon hofften, und den germanischen Söldnern, meist gewiß Franken, stürmisch an, ward aber auf das Haupt geschlagen. Fast nur Barbaren oder Römer in deren Tracht deckten das Schlachtfeld: unter ihnen auch Allectus selbst, jedes Zeichens seiner Würde entkleidet. Der Rest seines Heeres flüchtete nach London, hielt sich aber noch mit dessen Plünderung auf, als eine Flottenabteilung, wohl von der des Cäsars, im Nebel von ihrem Kurse abgekommen, in die Themse einlief und jene großenteils niederhieb. Constantius ward als Befreier im Triumph empfangen.
So ward nach zehn Jahren, im Jahre 296, Britannien wieder gewonnen, wahrscheinlich im Frühjahre, wie der leichtere Transport auf der Seine und die nebelige stürmische Jahreszeit vermuten lassen. (Eumenes Paneg. IV. Constant. c. 13–19.) Mit der im Texte enthaltenen, fast wörtlich Eumenes Rede (IV, de recepta Britannia) entnommenen Geschichtserzählung scheint eine Stelle in dessen zwölf bis dreizehn Jahre späterem Panegyricus VI. auf Constantin den Großen (c. 5, 4) in Widerspruch zu stehen, nach welcher Constantius bei so ruhigem Meere nach Britannien geschifft sei, daß die See, durch einen so hohen Schiffahrer erschreckt (tanto vectore stupefactus), selbst der gewohnten Bewegung entbehrt habe.
Dies charakterisiert sich aber zu sehr als Phrase, um dessen früherem, vor dem Eroberer Britanniens selbst gesprochenen, detaillierten Berichte entgegengestellt werden zu können und hat vielleicht darin einigen Grund gehabt, daß die See später, namentlich bei des Constantius persönlicher Landung, sich wieder beruhigt hatte.
Im nächsten Frühjahr nun ward bei des Siegers Rückkehr nach Gallien die Lobrede, welcher wir obige Nachrichten verdanken, in Trier gehalten.
Die weitere Regierungsgeschichte des Cäsars ruht in größerem Dunkel.
Wir wissen daraus nur, daß die Alemannen, wahrscheinlich seine Abwesenheit in Britannien benutzend, mit großer Macht tief in Gallien eindrangen. Im Gebiete der Lingonen, bei dem jetzigen Langres, traf sie der herbeigeeilte Feldherr. Er mag, dem Heere vorausgehend, mit einer kleinen Abteilung den heranziehenden Feind rekognosziert haben, als er von diesem mit solchem Ungestüm angegriffen ward, daß er sich kaum noch in die Stadt, die ebenfalls Lingones hieß, retten konnte.
Die Besatzung, von Schreck erfüllt, schloß die Tore so eilig, daß der (die am meisten gefährdete Nachhut persönlich führende) Cäsar, abgesperrt, nur noch an einem Seile über die Mauer gezogen werden konnte. Fünf Stunden darauf langte die Hauptarmee an, welche er dem Feinde sogleich entgegenführte: er gewann den glänzendsten Sieg, wobei er selbst verwundet ward, 60 000 Alemannen aber gefallen sein sollen. (Eutrop. IX, 23 und Eum. Paneg. VI. Constant. c. 6, 3.) Dies geschah nach der Chronik des Hieronym. im dreizehnten Regierungsjahre Diokletians, also, je nach Berechnung von dessen Anfang im Jahre 297 oder 298. Wir wissen nicht, ob Hieronymus die Zeitangabe der Schlacht von Langres aus Eusebius geschöpft, oder dies aus Eutrop entnommene Ereignis nur willkürlich in das dreizehnte Regierungsjahr Diokletians gesetzt habe. Auch aus Pan. VI, 6, 3 erhellt über die Zeit nichts Sicheres. Da jedoch Constantius im März 297 in Gallien, das er gewiß so bald nicht wieder verließ, anwesend war und der Angriff auf dasselbe sicherlich erst nach dessen abermaliger Entfernung, wohl nach Britannien, erfolgte, so ist das Jahr 298 unbedingt das wahrscheinlichere, ja selbst ein späteres nicht unmöglich. Eines großen, nur durch den damaligen Stand der Kritik erklärlichen, Irrtums macht sich Gibbon (c. 13, Anm. 36) dadurch schuldig, daß er, gestützt auf den griechischen Text des Eusebius, die Zahl der getöteten Alemannen statt zu 60 000 nur zu 6000 angibt.
Dieser vermeintliche griechische Text ist aber kein alter, sondern bekanntlich eine von Scaliger durch Übersetzung des Hieronymus, unter Benutzung Syncells, gefertigte neuere Arbeit, die mit Auffindung des Urtextes in armenischer Sprache allen Wert verloren hat.
Die einzig zuverlässige Quelle über jene Schlacht ist Eutrop, der sexaginta fere millia angibt, was freilich eine große Übertreibung, die den römischen Bulletins überhaupt eigen ist, nicht ausschließt.
Noch einmal müssen die Alemannen, in gerade östlicher Richtung nach dem Rheine fliehend, bei dem etwa fünfundzwanzig Meilen entfernten Vindonissa (Windisch bei dem Einfluß der Aar in den Rhein) Stand gehalten haben, weil Eumenes (a. a. O. und vorher c. 4, 2) einer zweiten Niederlage derselben allda gedenkt.
Unmittelbar darauf (VI, 6, 3) erwähnt der Lobredner der Gefangennehmung einer ungeheuern Menge (immanem multitudinem) Germanen aus verschiedenen Völkern, welche sich einer Insel auf dem zugefrorenen Rheine bemächtigt hatten, durch dessen plötzlichen Aufbruch aber abgeschnitten und, durch die Rheinflotte umzingelt, zu Gefangenen gemacht wurden. Dieser Zusammenhang rechtfertigt die Vermutung, daß jene Insel dem oberen Rheine angehörte und dies Ereignis in dem auf obige Kampagne folgenden Winter stattfand.
Unzweifelhaft war Constantius auch in Britannien für Ordnung und Sicherheit der Provinz höchst tätig, worüber uns jedoch bis auf dessen letzten Feldzug, der einer späteren Epoche angehört, alle Nachrichten fehlen.
2) Maximians Reichsteil.
Von diesem wissen wir so gut als nichts.
Maximian muß sich nach Ernennung der Cäsaren sogleich nach Afrika begeben haben, da dessen in der Lobrede auf Constantius (IV.) kaum zu übergehender Anwesenheit in Gallien von 293 bis vor 296 nirgends gedacht wird, dessen (in c. 13, 3) erwähnte eilige Ankunft zur Rheinhut im Jahre 296 aber offenbar mehr auf eine Reise aus Afrika als aus Italien hinweist.
3) Über den Reichsteil des Galerius haben wir nur einzelne , unzusammenhängende Nachrichten.
Nächst demjenigen, was bereits oben über die sarmatischen Feldzüge berichtet ward, sagt
a) Eutrop (IX, 25) von Diokletian und Galerius:
»Verschiedene Kriege wurden von ihnen nacheinander (deinceps), teils gemeinsam, teils einzeln geführt. Die Carpen und Bastarnen wurden unterworfen, die Sarmaten besiegt, ungeheure Mengen von Gefangenen dieser Völker in römisches Gebiet versetzt.«
b) Aurelius Victor (d. Caes. c. 39, 43), nachdem er die Eroberung Britanniens berichtet, fährt fort:
»Während des (interea) wurden die Markomannen besiegt (caesi Marcomanni) und das ganze Volk der Carpen auf unsern Boden übergeführt, was mit einem Teile derselben schon vorher durch Aurelian geschehen war.«
c) Eumenes sagt in seiner Lobrede auf Constantius vom Jahre 296:
aa) (3, 3.) »Dakien ward wieder hergestellt. Der Limes in Germanien und Rätien bis zur Donauquelle vorgerückt.«
bb) (10, 4.) Den Gegensatz zwischen der Zeit des Gallienus und der Gegenwart schildernd, von letzterer:
»Nun Alemannien so oft (toties) zerstampft, Sarmatien so oft zertreten, die Juthungen (in den Handschriften Vithungi), Quaden, Carpen so oft geschlagen.«
cc) In der Einweihungsrede der Schule zu Autun (c. 18, 4):
»Wie kann ich all die befestigten Reiter- und Fußvolklager aufführen, durch welche am ganzen Rhein, der Donau und dem Euphrat die Grenzwehr wieder hergestellt ward.«
d) Hieronymus bemerkt in seiner Chronik unter dem achten Regierungsjahre Diokletians (292/93): »Die Völker der Carpen und Bastarnen wurden auf römisches Gebiet übergeführt.«
e) Idatius in seinen Fasten (descriptio Consulum in Vet. lat. Script. Chronica ed. Roncalli. II, p. 84) bemerkt
aa) Vom Konsulat des Constantius und Maximian (Galer.) im Jahre 294:
»Unter diesen Konsuln wurden in Sarmatien Acinco (Ofen) und Bononia (oberhalb Semlin bei Neusatz) gegenüber befestigte Lager errichtet.« (His coss. castra facta in Sarmatia contra Acinco et Bononia.)
bb) Von dem des Fuscus und Anulinus (295):
»Unter diesen ergab sich das ganze Volk der Carpen in römisches Gebiet« (in Romania se tradidit).
cc) Von dem des Diokletian VII und Maximian VI, 299:
»Unter diesen wurden die Markomannen besiegt.«
f) Zonaras II (c. 33, p. 623 d. Bonn. Ausg.) führt an, daß Constantius von Galerius in einer Schlacht gegen die Sarmaten zur Bekämpfung des Anführers beauftragt worden sei.
g) Lactantius (d. morte persec. c. 38 a. Schl.) endlich berichtet, daß zur Zeit der zwanzigjährigen Regierungsfeier Diokletians ein Volk von den Goten vertrieben worden sei, aus welchem Galerius vorzugsweise seine Leibwächter und Trabanten genommen habe.
Aus diesem allen können wir mit hinreichender Sicherheit abnehmen:
Erstens, daß diese Ereignisse, mit Ausnahme der unter e) cc) und g) bemerkten, hauptsächlich in die Zeit von des Galerius Erhebung zum Cäsar 293 bis zu dessen Abgange nach Persien im Jahre 296 fallen dürften, was besonders durch Aurelius Victor und Idatius bestätigt wird, während sich in Eutrop das »deinceps« offenbar nicht auf den vorhererwähnten Persersieg im Jahre 297, sondern auf die Reihenfolge der gesamten nacheinander in Illyricum stattgehabten Kriege bezieht, daher auch die von Diokletian allein vor dem Jahre 293, sowie möglicherweise später (d. i. nach 296) geführten umfassen dürfte;
Zweitens, daß unter Sarmaten und Sarmatien die Jazygen und deren Gebiet gemeint sind, jenseits dessen Acinco und Bononia an der Donau lagen;
Drittens, daß unter c) aa) nicht vom alten jenseitigen, sondern nur von Neudakien die Rede sein kann, wohin
Viertens wahrscheinlich die Reste der Carpen und Bastarnen behufs ihrer Ansiedlung übergeführt wurden: und zwar wohl nicht als Kriegsgefangene im engern Sinne, sondern nur als deditii, d. i. auf Grund eines Unterwerfungsvertrags, der freilich durch Waffengewalt oder Drohung, also durch Operationen auf dem jenseitigen Donauufer, herbeigeführt worden sein mag. Dagegen müssen
Fünftens die den Sarmaten (d. i. Jazygen) westlichen Völker, also Quaden, Markomannen (b) und Juthungen, welche ersteren mutmaßlich beistanden, vollständig bekriegt und besiegt worden sein.
Was endlich
Sechstens die unzweifelhaft einer späteren Zeit angehörenden Notizen unter e) cc) und g) betrifft, so scheint sich erstere (victi Marcomanni) auf ein abermaliges isoliertes größeres Gefecht mit den Grenznachbarn Rätiens zu beziehen. Das von Lactantius erwähnte, durch die Goten vertriebene Volk (gens) muß nicht notwendig eine politische Gesamtheit bezeichnen, sondern kann füglich auch nur ein Teil einer solchen gewesen sein. Nach der dabei gerühmten, vorzüglichen militärischen Tüchtigkeit war es vielleicht ein germanisches, ein etwa in Folge Bürgerzwists ausgewiesener Teil des gotischen selbst.
Das Gesamtergebnis dieser niemals vollständig zu entwirrenden Nachrichten besteht sonach darin, daß in den östlichen Donauprovinzen die schon unter M. Aurelius begonnene und besonders durch Probus betriebene Kolonisation derselben durch Barbaren (s. oben) eifrig fortgesetzt, in den westlichen aber die Donaugrenze sorgfältig geschützt, durch neue Festungen verstärkt, zugleich jedwede Feindseligkeit der Grenzvölker nachdrücklich geahndet, durch dies alles aber Roms Defensivstellung gegen die Barbaren behauptet, dabei aber an irgendwelche bleibende Eroberung jenseits des Stromes nicht gedacht ward. Selbst die in Sarmatien jenseits der Donau angelegten Festungen nämlich [s. oben e) aa)] können nur den Defensivzweck gehabt haben, die Jazygen durch den stets gesicherten Übergang in ihr Gebiet von Räubereien und Einfällen in das Römische abzuschrecken.
Nur von dem alten Zehntlande scheint der südlich der Donau gelegene Teil, nach den oben unter c) aa) angeführten Worten des Eumenes: »porrectis usque ad Danubiae caput Germaniae Rhaetiae limitibus«, wieder besetzt worden zu sein: doch sind solche Phrasen des Rhetors, wenn auch sicherlich nicht ganz erfunden, viel zu unzuverlässig, einen irgendwie sichern Schluß zu verstatten. Wahrscheinlich bezieht sich die Nachricht auf einige zum Schutz Augsburgs, das gewiß behauptet ward, und der so wichtigen, oft erwähnten Militärstraße von der Donau nach Gallien, an der oberen Donau zwischen Ulm und Sigmaringen neuangelegte Lagerburgen, welche noch in der not. dign. (II, p. 101) aufgeführt werden. Sicherlich blieb aber der bei weitem größte Teil des gesamten Zehntlandes im unangefochtenen Besitze der Germanen, wie dies auch aus der erwähnten Aufstellung Maximians am Rhein hervorgeht. Obiges »porrectis«, »vorgerückt«, kann sich daher keineswegs auf die Linie des alten Limes, sondern nur auf eine relative – d. i. im Gegensatze zu der Zeit vor Diokletian – bewirkte Hinausschiebung desselben beziehen.
Wir kommen
4) zu dem von Diokletian unmittelbar verwalteten Reichsteile, dem Orient.
Im Jahre 296 erfolgte ein Angriff der Perser. Dagegen hatte Diokletian Galerius aus Illyricum berufen. Dieser traf die Perser in den Ebenen Mesopotamiens zwischen Carrhae und Callinikum, erlitt aber eine schwere Niederlage.
Ein neues Heer ward gesammelt, wozu Galerius nach Jordanis (c. 21) besonders Goten anwarb, mit welchen, da sie während Diokletians Regierung unter den Feinden Roms niemals genannt werden, damals ein Bundesverhältnis bestanden haben muß.
Jetzt erfocht Galerius einen glänzenden Sieg. In dem Friedenschluß mußte Persien fünf Landschaften in dem heutigen Kurdistan, südlich des Euphrat und teilweise nordwestlich des Tigris, abtreten.
Das neunzehnte Regierungsjahr Diokletians war angebrochen. Länger, zugleich ruhmreicher und glücklicher hatte seit Antoninus Pius kein Herrscher regiert. Welch unermeßlicher Abstand aber zwischen dessen Rom und dem gegenwärtigen! Wie furchtbar war Zahl und Macht der innern und äußern Feinde seitdem gewachsen!
Im sechsten Monate dieses Jahres (303, vom September 302–303 gerechnet) begann jene Verfolgung der so lange mit weiser Milde behandelten Christen, welche unten ausführlicher besprochen werden wird.
Im November des Jahres 303, also zu Beginn seines zwanzigsten Regierungsjahres, begab sich Diokletian nach Rom, das er als Kaiser wahrscheinlich nie zuvor, gewiß wenigstens nur auf Tage, betreten hatte, um daselbst in Gemeinschaft mit Maximian die Feier seiner zwanzigjährigen Regierung und zugleich den Triumph zu begehen, den beide durch so viele (eigne und ihrer Cäsaren) Siege verdient hatten.
Glanzvoll, aber mit bemessener Sparsamkeit (Fl. Vopisc. Carin. c. 20) war die Feierlichkeit: Gefangene, zahlreicher Völker wurden vor dem Triumphwagen aufgeführt.
Schon damals war wohl in Diokletians Seele der Entschluß feststehend oder mindestens gereift, den er am 1. Mai 305 zur Ausführung brachte – der in Rom bisher noch unerhörten freiwilligen Thronentsagung. War das Weisheit oder Furcht, Freiheit oder Zwang? Ersteres versichern mit Entschiedenheit, wenn auch nur kurz und fragmentarisch, die Profanhistoriker (Eutr. IX, 21 und 28. Aur. Vict. c. 39, 48. Epitom. Aur. Vict. c. 39, 5 und 6. Incerti Paneg. V. Maxim, et Const. c. 8–11), Letzteres Lactantius allein (d. m. pers. c. 18 und 19).
Diesem folgt Tillemont (S. 80–82), in einer Zeit schreibend, in welcher die Anschauung im Bereich der Theologie, der man auch die Kirchengeschichte beizählte, noch eine streng gebundene war.
Gibbon, seiner Richtung nach in das entgegengesetzte Extrem abschweifend, folgt einfach den Profanhistorikern und berührt nicht einmal den Streitpunkt.
Wir tragen kein Bedenken, die Meinung des Lactantius geradezu für ganz unbegründet Bestätigung findet unsre Ansicht in Manso, Leben Const. d. Gr. Wien 1819, S. 11 und 227, und Burkhard, die Zeit Constant. d. Gr. Basel 1853, S. 46; auch in allgemeinen neueren Geschichtswerken haben wir Diokletians Thronentsagung überall nur als eine freiwillige bezeichnet gefunden, wie dies vor allem auch dessen spätere Weigerung, ihn wieder einzunehmen, beweist. zu erklären.
Es legten am 1. Mai 305 beide Kaiser, Diokletian in Nikomedien, Maximianus in Mailand, vor feierlicher Heeresversammlung die Regierung nieder, um mit der Würde der seniorum Augustorum der Muße des Privatlebens zu pflegen, Diokletian mit Überzeugungsfreudigkeit zu Salona in Dalmatien, Maximian unwillig in Lucanien.
Noch zeugen die Ruinen von Diokletians Palaste bei Spalatro von dessen großartiger, aber freilich auch verschwenderischer Bau- und Prachtliebe. Noch lange baute er hier mit Behagen seinen Kohl, hochgeehrt, aber auch schwere Kränkung und Kümmernis erlebend, die auf seinen (nach der Epitome des Aur. Vict. im achtundsechzigsten Jahre um 313 erfolgten) Tod nicht ohne Einfluß gewesen sein mögen. Darüber, ob dies ein natürlicher oder freiwilliger war, schwanken die Quellen, zum Teil höchst unsichern Ausdrucks; wir glauben indes mit Eusebius (Supplem. zu Buch VIII. de Martyr. Palaest. c. 1) das erstere annehmen zu müssen.
Auf Diokletian und Maximian folgten als Auguste Constantius in seinem Reichsteile und Galerius in allem übrigen. Als Cäsaren ernannte letzterer für Italien und Afrika den Severus und Maximius Daza, seinen Schwestersohn, für den Orient.
Zu den vier Herrschern gesellte sich im Jahre 306 eigenmächtig ein fünfter, indem Maxentius, Maximians Sohn und des Galerius Schwiegersohn, zu Rom die Herrschaft an sich riß. Im Jahre 306 starb Constantius und dessen Sohn erster Ehe, Constantin der Große, ward zu dessen Nachfolger ausgerufen.
Im Jahre 307 ward der gegen Maxentius ausgesandte Cäsar Severus von seinem Heere verlassen und bald darauf getötet.
An dessen statt berief Galerius den Licinius und zwar sogleich als Augustus.
Im Jahre 311 starb Galerius.
Im Jahre 312 besiegte Constantin den Maxentius, der in der Schlacht blieb.
Im Jahre 313 ward Maximin durch Licinius besiegt und starb bald darauf.
Schon im Jahre 314 brach der Krieg zwischen den nunmehrigen Alleinherrschern Constantin und Licinius aus, ward aber durch Friedensschluß und neue Teilung des Reichs beendigt.
Im Jahre 323 begann der zweite Krieg zwischen diesen, der mit Constantins Siege endigte, so daß dieser von 324 bis zu seinem Tode 337 das gesamte Reich allein regierte.