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Neuntes Kapitel.
Neue germanische Völkernamen

1) Greuthungen und Tervingen

Vom Don bis an Siebenbürgens Grenzen über ein Gebiet von mindestens vier bis fünftausend Quadratmeilen hatten sich, wenn auch nicht als einziges, doch als herrschendes Volk, die Goten verbreitet.

Die Steppenbewohner wurden von Griut (Grieß, Sand) Greuthungen, die Insassen der waldigern Gegenden westlich des Dnjestr zwischen Karpathen und Donau von Triu (Baum) Tervingen (Trivingen, Therwingen) genannt. Diese Namen verschwanden zwar später, besonders seit dem Abzuge der Goten von den Gestaden des Pontus, wurden aber, nachdem sich schon eine Zweigverschiedenheit beider Teile ausgebildet hatte, durch die entsprechenden der Ost- und Westgoten (Austrogothi et Wisigothi, auch -gothae) ersetzt, welche auch früher schon im Gebrauch (Denn König Ostrogotha (c. 250) hieß nach seinem Volk. D.) waren.

Kommen daher, wie bei Vopiscus Prob. (c. 6), beiderlei Bezeichnungen nebeneinander vor, so ist dies nur einem Irrtum des Schriftstellers zuzuschreiben, der synonyme Namen, wie Greuthungi und Austrogothi für dasselbe Volk vernehmend, daraus verschiedene Völker machte.

Die Begründung vorstehender Ansicht ist durch Zeuß, S. 406 bis 412 so überzeugend erfolgt, daß jedes weitere Wort darüber müßig wäre.

2) Juthungen

Die Juthungen sind ein um die Mitte des dritten Jahrhunderts zuerst genanntes Volk, in gleicher Weise und aus gleichen Antrieben wie Alemannen und Franken hervorgegangen.

Wir entnehmen des Dexippus interessantem Bericht folgendes: ihr eigentliches Gebiet lag jenseits der Donau, indem Aurelian sagt: »Bevor wir nicht, den Ister überschreitend, innerhalb eurer Grenzen Rache nehmen.« Sie waren Nachbarn der Alemannen und müssen sich neben und in Verbindung mit diesen sowohl vor ihrer Vertreibung durch Probus als nach dessen Tode wieder über das römische Zehntland, Rätien und Noricum verbreitet haben: denn ihre Operations- und Rückzugslinie ging von der Donau nach Italien und zurück und Aurelian sagt, daß sie zwischen den römischen Grenzen und dem Rhein eingeschlossen seien. Dexippus sagt p. 18 a. Schl. und 29 Z. 1: απείλητται γὰρ ’Ροδανου μὲν είσω καὶ ημετέσων τω̃ν ορίων. Daß die Germanen um jene, Zeit auch in der gallischen Provinz Maxima Sequanorum bis zur Rhone bei Genf hausten, ist nicht unwahrscheinlich. Gewiß aber hat Aurelian nicht eine so vorübergehende Durchstreifung oder selbst Besetzung und noch weniger die Bezeichnung des feindlichen Landes in der Richtung von Süd nach Nord im Sinne gehabt, weil die Römer nach Norden, d. i. jenseits der Donau, niemals ein Gebiet gehabt haben.

Offenbar hat derselbe vielmehr hier nur das Zehntland und das anstoßende Rätien, was damals im Wesentlichen gewiß schon seit zwölf bis fünfzehn Jahren in den Händen der Alemannen – teilweise vielleicht auch der Juthungen – war, als dasjenige Gebiet bezeichnen wollen, in welchem diese auf beiden Seiten, sowohl in Ost als West, von Rom umschlossen seien.

Man hat daher hier, in Folge eines bei Zosimus mehrfach vorkommenden Irrtums, eine Verwechslung des Rhone mit dem Rhein anzunehmen.

Die ebenfalls aufgetauchte Vermutung, daß für Rhodanus Eridanus, d. i. der Po zu lesen sei, ist noch unhaltbarer als der Rhone.

Indem wir in obigem mit Zeuß (S. 314, Anm.) übereinstimmen, vermögen wir doch dessen unmittelbar vorhergehender Bemerkung nicht beizupflichten, daß Dexippus auch die Alemannen unter den Skythen mitbegriffen habe. Wir halten nämlich die von Z. zitierte Stelle des Dexippus (p. 17, Z. 17): »τάς τε ’Αλαμανω̃ν (die Handschriften haben γαλμιόνων) συμφοράς« keinesweges für ein bloßes Anhängsel der vorher erwähnten großen Niederlage der Skythen (Goten) durch die Römer, glauben vielmehr, daß der Kaiser hier zwei Hauptsiege des Claudius angeführt habe, nämlich 1) den über die Goten bei Naissus, 2) den über die Alemannen am Gardasee. Die Bonner Ausgabe hat das offenbar richtige ’Αλαμανω̃ν hergestellt (die lateinische Übersetzung aber läßt das Subjekt des zweiten Satzes ganz weg und bezieht ihn ohne Weiteres auf die im ersten erwähnten Skythen (Goten), was entschieden irrig ist).

Dieselben damals in Italien einbrechenden Barbaren werden von Dexippus Juthungen, von Zosimus Alemannen und deren Nachbarn, von Vopiscus endlich Markomannen genannt, wonach anzunehmen ist, daß für alle diese Namen, wie sich sogleich ergeben wird, eine gewisse Begründung vorhanden war. Ammian aber bezeichnet die Juthungen (XVII, 6) um das Jahr 358 geradezu als einen Teil der Alemannen (Alamannorum pars).

Wenn die Gesandten mit Stolz hervorheben, daß ihr Heer »nicht aus gemischtem und schwachem Volke, sondern aus reinen Juthungen (αλλὰ ’Ιουθούγχων καθαρω̃ς) bestehen, die im Reitergefecht hoch berühmt seien«, so weist dies offenbar auf ein Volk hin, das von starkem kriegerischen Selbstgefühl erfüllt war.

Nicht minder ergibt sich, daß die Juthungen im Jahre 270 bereits lange schon als politischer Verband und zwar in einem Friedens- und Waffenbündnis mit Rom standen, weil ihre Gesandte Aurelian an das zwischen beiden Völkern stattgehabte alte Treubündnis (υπούδης καὶ παλαια̃ς αμφοι̃ν τοι̃ν γενοι̃ν πρός άλληλα πίστεως), an die den Römern geleistete Kriegshilfe und die dafür empfangene Geldzahlung ( HREF="#voe1207">2. Buch, 7. Kap.) erinnern.

Unsere Kunde der vorhergegangenen Zeit ist mangelhaft: doch ward uns der von Gallienus um das Jahr 256, also vierzehn Jahre vorher mit dem Markomannen-Könige Attalus geschlossene Friede überliefert (s. oben), der, wie fast alle derartige Verträge mit den Germanen, zugleich ein Födus war. Das » alt« der Gesandten würde dann freilich Phrase sein, immer aber könnte, sollte auch diese Vermutung irrig sein, das Waffenbündnis der Juthungen erst nach Maximins Verheerungskriege 235–237, also nicht vor Gordians Regierung 237–244 abgeschlossen worden sein, unter welchem es, wegen dessen Zuges nach Persien, der Politik allerdings entsprochen haben würde.

Es ist aber nicht zu bezweifeln, daß das Volk der Markomannen neben den Juthungen wohnte, da der ersteren auch später noch, namentlich von Amm. Marcell. XXII, 5, XXIX, 6 und XXXI, 4 gedacht wird: (sind sie doch die späteren Bayern. D.). Wenngleich nämlich die Möglichkeit denkbar ist, man habe die Namen Juthungen und Markomannen als nächster Nachbarn und oft Verbündeter für gleichbedeutend gebraucht, wie man Franken bisweilen auch als Sugambrer bezeichnete, so steht der Identität beider Völker doch ein anderer Grund entgegen: der nämlich, daß ein drittes, sonst großes und mächtiges Volk, das der Hermunduren, beinahe um dieselbe Zeit bis auf eine einzige Erwähnung (in Jordanis c. 22 zu Constantins Zeit), auf die wir sogleich kommen werden, für jetzt aus der Geschichte verschwindet, um später als Thuringi wieder aufzutreten. Selbst in der notitia dignitatum vom Ende des fünften Jahrhunderts, in welcher unter den römischen Hilfs- und Soldtruppen wohl fast alle Volksnamen jener Zeit vorkommen, finden sich zwar vielfach Markomannen, auch Juthungen (I, 308 und 392), nicht aber Hermunduren. Diese saßen aber gerade zwischen den Markomannen und denjenigen Westgermanen, welche in den Alemannen aufgingen, nördlich der Donau, haben daher wohl zu den neuentstandenen Juthungen ein starkes Kontingent gestellt. Sicherlich aber waren auch letztere ein Bundesvolk, das, nächst den Hermunduren, noch aus andern Sueben bestand, während einzelne hermundurische Gaue auch wieder den Alemannen beigetreten sein können. Man wende dawider nicht ein, daß die Hermunduren, die zuletzt im zweiten markomannischen Kriege 178–181 erwähnt werden, schon vierzig Jahre vor den Alemannen in der Geschichte nicht mehr vorkommen, da die Quellen gerade dieser Zeit die Verhältnisse des innern Germaniens nicht mit einem Worte berühren. Unstreitig bildeten sich die Juthungen bald nach den Alemannen und befanden sich schon unter denjenigen Germanen, welche im Jahre 233 unter Severus Alexander auf einmal so gewaltig gegen Rhein und Donau andrängten, von dessen Nachfolger Maximin aber besiegt wurden.

Aber keineswegs ist das Gesamtvolk der Hermunduren ohne Ausnahme unter den Juthungen aufgegangen. Vielmehr wichen viele Gaue des Volks weiter in das Innere zurück, indes sich die Juthungen zunächst der Donau sammelten. Wenn nun Jordanis (c. 22) zur Zeit Constantins des Großen der Hermunduren noch einmal nördlich der Vandalen in Oberungarn gedenkt, so ist hierbei zwar unstreitig einer der zahl- und zweifellosen Irrtümer desselben im Spiele, derselbe kann aber nicht (wie Zeuß, S. 448 annimmt) aus einer älteren Quelle geflossen sein, da Hermunduren früher niemals in den Karpathen um Kaschau und in Westgalizien, wohin jene Nachricht weisen würde, gesessen haben.

Ebenso unwahrscheinlich jedoch und des Jordanis, der sich zwar vielfach als konfuser Sammler, aber nirgends als Erfinder zeigt, ganzer schriftstellerischen Weise widersprechend würde hier die Annahme rein willkürlicher Erdichtung sein. Fand nun um jene Zeit, wie wir unten näher ausführen werden, vielfacher Platzwechsel, ein Hin- und Herschieben der innern Völker statt, so ist es nicht unmöglich, daß auch im Süden der Lugier, und im Norden der Markomannen und Quaden, die alle gegen Roms Grenze drängten, also im nördlichen Mähren und Oberschlesien bis gegen Krakau hin Wohnsitze frei und von einem Teil der Hermunduren eingenommen worden sein können, welchesfalls Gaue derselben damals, wenn auch nicht ganz im Norden, doch im Nordwesten der Vandalen gesessen haben würden. Allerdings ist dies reine Vermutung, unseres Bedenkens aber immer noch die wahrscheinlichste Erklärung jener sonst ganz unverständlichen Stelle.

Als Gesamsstaat der » Hermun«-duri ( Groß-, Gesamtduri) lebte der alte Verband nicht fort: manche seiner Gaugemeinden schlossen sich benachbarten Völkern: Juthungen, Alemannen an. Fest steht nur, daß »Hermunduren« mit diesem Namen in der Geschichte nicht weiter vorkommen: dies beweist aber nichts als daß sie mit Rom unter dem alten Namen nicht weiter kriegten, da es uns ja an jedweder sonstigen Kunde über das Volksleben der Germanen im inneren Lande gebricht: (in dem Hauptland der alten Hermunduren wohnen später die Thuringi – ein Name gleichen Stamms, nach Abstreifung des einen Sammelbegriff ausdrückenden Präfixes. D.).

Von der Mitte des dritten bis zu Ende des fünften Jahrhunderts fand nun jener merkwürdige Umbildungsprozeß der Germanen statt, in welchem alte Völkernamen verschwinden, neue Namen und Verbindungen entstehen, von dessen Ursprunge wir wenig, von dessen Fortgang wir gar nichts wissen, so daß fast überall erst die vollendete Tatsache an das Licht tritt. Mit dieser finden wir unter den Thüringern unzweifelhaft die alten Hermunduren wieder, vermögen aber nicht zu bestimmen, ob in dem Wogen und Drängen allgemeiner Zersetzung nicht auch Teile derselben andern neuen Gruppen zugespült worden sind.

Schließlich ist hier noch des Vorkommens der Juthungen auf der Peutingerschen Tafel zu gedenken, wo sich deren Name als: »Jutugi« in der Gegend von Regensburg bis Preßburg zwischen dem der Quaden hineingeschrieben findet.

Wir kennen ungefähr die Zeit des Ursprungs der Originalkarte, aber nicht diejenige der uns überlieferten, erweislich im einzelnen ihrer Zeit gemäß berichtigten Kopie, daher auch nicht die der fraglichen Einschreibung. Am leichtesten erklärt sich dieselbe durch die Vermutung, daß Quaden und Markomannen damals, von Vandalen, Gepiden und andern Goten gedrängt, schon etwas weiter nach Westen vorgerückt waren, erstere also in Niederösterreich über Wien herauf nach Passau zu saßen und zwar zunächst der Donau, wahrscheinlich südlich derselben aber das Volk der Juthungen, hinter diesen zunächst die Quaden.

Indes ist die Zuverlässigkeit jener Kopie zu gering, besonders aber deren Zeit zu ungewiß, um ein tieferes Eingehen auf diese mit Sicherheit ohnehin niemals zu erörternde Frage zu rechtfertigen.

3) Burgunder

Die »Völkerwanderung« hatte längst begonnen. Von allen Seiten her, vom Ozean bis zum Pontus, von den Mündungen des Rheins bis zu denen der Donau wogte stürmischer Andrang gegen Roms Grenze. Nicht allein die alten Nachbarn unter neuen Namen: Franken und Alemannen: nein, auch aus den fernen Nord- und Ostmarken her, wo sonst ein wüster Grenzstreif Germanen und Slaven schied, wogte alles heran, zuerst die Goten, Vandalen und ihre weitern Stammgenossen, nun auch Burgunder und Lugier. Diese aber, die Zuwandrer aus der Ferne, waren meist suebische Völker.

Sollte man nun nicht meinen, diese Bewegung habe Entleerung des Außenlandes und Überfüllung des innern an Rhein und Donau zur Folge gehabt? Ersteres nicht, da die Lücke bald wieder von nachdrängenden Slaven ausgefüllt ward, deren Trieb es war, den Germanen überall zu folgen, das von diesen verlassene Land mildern Himmels und meist gewiß auch besser angebauten Bodens in Besitz zu nehmen.

(Letzteres allerdings: und es ist die Möglichkeit, alle diese sich ausbreitenden Völkerschaften unterzubringen, nur damit gegeben, daß sie in großen, stets wachsenden Maßen in sehr verschiedenen Verhältnissen über die römischen Grenzen drangen. D.)

Daraus ergab sich die Besetzung der eroberten oder doch zeitweilig eingenommenen römischen Gebiete.

Von Gallienus bis Probus, nahe zwanzig Jahre lang, war nicht nur das Zehntland, an fünfhundert Quadratmeilen, fast durchaus in den Händen der Germanen, sondern auch ein großer Teil Galliens, wo die Franken und Alemannen ja sechzig Städte in Besitz oder Untertänigkeit hielten, nicht minder wahrscheinlich auch Rätiens und Noricums.

Dies aber war, jenseits des Rheins und der Donau wenigstens, noch nicht überall Eroberung: noch war nicht überall bereits Behauptung, manchmal noch nur Ausraubung der eingenommenen Lande des Krieges Zweck. Nach dem damaligen Kriegsrecht, wie es niemand furchtbarer übte als Rom, war die Zerstörung gegen das Volk unmittelbar, gegen Geld, Gut und Freiheit der Einzelnen gerichtet. Das machte jene Kriege so mörderisch, hatte daher auch starken Menschenverlust auf Seite der Germanen zur Folge. Wie ohnmächtig auch die römischen Provinzialen gegen sie waren, so mußte sich doch vielfache Gelegenheit bieten, zerstreute Plünderer, Marode und Verwundete besonders auf den bei so tollkühnem Vordringen so häufigen Rückzügen niederzumachen, was sicherlich überall mit dem Blutdurste heißer Rache geschah. Hauptsächlich aber bildete sich auch bei den Römern jenes, nicht auf Besiegung und Verdrängung, sondern auf gänzliche Vernichtung der Raubscharen berechnete Kriegssystem aus, was besonders Bocosus so geschickt betrieben haben soll. Abschneiden der Germanen von ihrer Rückzugslinie, Bildung fliegender leicht beweglicher Kolonnen, die sie aufsuchten, verfolgten und wo möglich konzentrisch angriffen – darin lagen Kunst und Erfolg der Römer, wo irgendein tüchtiger Feldherr sie führte. Rechnet man dazu deren taktische Überlegenheit besonders durch die den nackten Leibern der Germanen so gefährlichen orientalischen Bogen- und Speerschützen, so beweist nichts schlagender die ungemeine Tapferkeit und Kühnheit letzterer, als daß deren überhaupt noch einer zu entrinnen vermochte.

Denke man sich ein modernes strategisch und taktisch überlegenes Heer im Besitz der Festungen am Rheine aufgestellt, während 40- bis 60 000 feindliche Krieger, in einzelne Detachements aufgelöst, im Herzen Deutschlands oder Frankreichs umher schwärmen, wie würden sich letztere in ihr Vaterland durchzuschlagen und zu retten auch nur hoffen können? So aber stand es unter Probus. Was aber beweist schlagender die unter solchen Verhältnissen unabweisliche Notwendigkeit eines systematischen Vertilgungskrieges, als daß dieser Fürst ein Goldstück für jeden Germanenkopf zahlte?

Dazu kommt, daß der germanische Angriffskrieg gegen Rom jetzt nicht mehr ein zeitweiliger, sondern ein immerwährender war, da derselbe von Maximin bis Probus an vierzig Jahre lang, vorübergehende Friedensschlüsse mit einzelnen Völkern abgerechnet, nicht einen Augenblick ruhte. Waren auch die Germanen während dieser Zeit meist im Vorteile, so mußten sie, nach obigem, doch auch als Sieger, besonders durch die für sie so schwierigen Belagerungen, mannigfachen Verlust erleiden: wie viel mehr als Geschlagene, wie dies doch auch gegen Gallienus, Postumus, Lälianus häufig, unter Claudius, Aurelian und Probus immer ihr Fall war.

Auf die Zahlen der Geschichtsschreiber, nach welchen 150 000 Germanen gegen Claudius, 400 000 gegen Probus blieben, legen wir keinen sehr hohen Wert, daß aber deren Menschenverlust während jener vierzig Jahre ein ungeheurer war, wird niemand bezweifeln, wenn man zumal erwägt, daß jede irgendwie schwere Verwundung nach dem damaligen Zustande der Heil- und Verpflegungsmittel meist gewiß auch zum Tode führte.

Aber auch friedliche Überströmung der Übervölkerung Germaniens fehlte nicht: sie gewährte die zahlreiche Auswanderung und Kolonisation von Germanen im Römerreiche. Viele Fälle davon, besonders unter M. Aurelius und Probus, wurden bereits erwähnt, Irrtum würde es aber sein, diese für die einzigen zu halten. Längst hatte die kriegerische Bevölkerung in Rom abgenommen, auch die allgemeine mag durch die zwölf- bis fünfzehnjährige Pest, von Valerian bis Claudius, Raubfahrten und Bürgerkrieg furchtbar gesunken sein. Daher war es dringendes Gebot römischer Politik, dem Reiche neue vermehrte Volks-, besonders aber auch Wehrkraft zuzuführen, wodurch, mit doppeltem Gewinne, zugleich die feindliche vermindert wurde. Wunderbar aber entsprach dieser der Drang der durch Übervölkerung hungernden und darbenden Germanen nach den Ländern, über welche sie künftig herrschen sollten, wo ihnen unentgeltlich Grund und Boden, auch Geld und Getreide und zugleich Aussicht auf Krieg, Beute und Ruhm gewährt ward. Kein Zweifel daher, daß nicht nur in den Fällen, welcher die so dürftigen Quellen ausdrücklich gedenken, sondern auch noch in vielen andern, wenn auch nur in kleinen Haufen, dergleichen Übersiedlungen erfolgten. Nicht minder endlich zog der Solddienst viele Germanen nach Rom, für deren Schätzung es uns freilich an einem Maßstabe gebricht, deren Gesamtzahl aber sicherlich eine ungemein große und besonders durch die Auswanderung für immer und die fortwährende Rekrutierung aus der Heimat für letztere sehr fühlbar gewesen sein muß (s. w. u. die HREF="#voe1211">Kap. 11 erwähnte Militärreform). Außer dem erwähnten vor Aurelian mit den Juthungen bestandenen, von diesen aber einseitig gebrochenen Friedensbündnis findet sich keine Spur eines solchen in den Quellen.

Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß Alemannen und Franken seit Maximin 235 fortwährend im Kriegsstand gegen Rom waren. Nur des Probus siegreiche Feldzüge endigten unstreitig mit Unterwerfungsverträgen, welche jederzeit durch Stellung von Geiseln verbürgt wurden. Bald nach dessen Tode begannen jedoch die Feindseligkeiten wieder.

Wir wissen nicht, ob solchesfalls die Geiseln aufgeopfert wurden, vermuten aber, daß diejenigen Führer, deren Angehörige in römischen Händen waren, sich meist ruhig verhielten, die erneuten Angriffe aber von andern Häuptlingen ausgingen.

(Das bisher okkupierte Land genügte aber den Germanen um so weniger, als der friedliche Ackerbau durch den Andrang der Völker von Osten her jetzt ebenso erschwert wurde, wie vor zweihundertfünfzig Jahren zur Zeit Cäsars etwa durch den Andrang der Sueben den Ubiern der Ackerbau fast unmöglich gemacht worden war. D.)

Wie lose der Zentralverband, wie schwach das Zentralregiment in den einzelnen germanischen Völkern oder Staaten waren, ist oben genügend entwickelt worden. Nichts vor allem stand dem unbändigen Freiheitsstolze des einzelnen Germanen höher, als das Recht des Privatkrieges, der Erwerbung durch Blut auf abenteuerlicher Raubfahrt. Ein Irrtum daher ist es, jene Völker für fest und untrennbar verbundene Gesamtmassen (für Einheitsstaaten oder Bundesstaaten D.) zu halten: die nur im Ganzen ihre Politik bestimmt hätten. (Deutlich sehen wir vielmehr im vierten Jahrhundert noch, zumal bei Alemannen, gleichzeitig und nebeneinander einzelne Völkerschaften oder Gaue in Krieg, in Neutralität, in Bündnis mit Rom. D.)

Partielle Auswanderungen mit Übersiedlung in römisches Gebiet, deren soeben gedacht ward, kennen wir seit der der Kimbrer, Bataver, Sugambrer und Sueben im Jahre 7 v. Chr. (s. oben) viele. Es gebricht uns freilich an der Kunde der inneren Verhältnisse und Bewegungen in Germanien so sehr, daß wir nur wenige Fälle von Absonderung eines Volksteils von seinem Ganzen aus den Quellen beweisen können: so nur den jener Sachsen anzuführen wissen, welche (nach dem gleichzeitigen Gregor von Tours IV, 43 u. Paulus Diaconus III, 6) mit den Langobarden nach Italien gezogen waren: (so zogen nur ein Teil der Vandalen aus Pannonien und ein Teil der Alanen aus Gallien, nur ein Teil der Sueben mit beiden nach Spanien, ein Teil der Ostgoten nach Italien, ein Teil der Burgunder nach Savoyen. D.).

Waren doch aber auch die späteren Eroberungen und Niederlassungen der Sachsen, Angeln und Juten in Britannien wie der Normannen in Frankreich und Italien nichts anderes als ähnliche Aussonderungen eines Volksteils vom Ganzen. Daher muß man das Vorkommen desselben Namens in verschiedenen weit von einander entfernten Gegenden durch die Teilung des betreffenden Volks in verschiedene Massen erklären: (das Latein entbehrt der Artikel: man darf aber nicht »Marcomanni« stets mit die Markomannen, muß es oft mit »markomannische Scharen« übersetzen: von den spanischen Sueben z. B. wissen wir, daß sie nur ein sehr kleiner Volkssplitter waren, ebenso von den italienischen Sachsen: das gleiche ist aber offenbar sehr oft anzunehmen. D.).

Wir kehren nun zu den Burgundern zurück.

Die Fabel von deren römischer Abkunft Gemeinsames Nationalbewußtsein – von vorübergehender Vereinigung in der Gefahr wohl zu unterscheiden – fand bei den einzelnen germanischen Völkern nicht statt. Daß sich eines derselben daher mit dem Vorgeben römischer Abstammung brüstete, wie dies Amm. Marc. (XXVIII, 5) mit den Worten: Sobolem se esse Romanam sciunt, von den Burgundern erwähnt, war der Zeitidee, nach welcher Glanz und Macht allein an Roms Namen imponierend hafteten, völlig entsprechend, und wir ersehen aus Orosius (VII, 32), daß es das Wort: Burg war, welches die Fabel hervorgerufen hatte, das Volk der Burgunder sei aus den Burgmannen der von Drusus und Tiber in Germanien angelegten Kastelle hervorgegangen.

Indes wollen wir nicht behaupten, daß jene Fabel unbedingt germanischen Ursprungs sei, da sie auch wohl von irgend einem unkritischen Römer ausgegangen sein kann. Ausführliche Widerlegung derselben wird man von uns nicht erwarten. Es genüge, darauf merksam zu machen, daß, wenn wirklich die Besatzungen römischer Festungen in die Hände der Germanen fielen, diese entweder niedergestoßen oder zu Sklaven gemacht wurden. Im Inneren Germaniens kennen wir außer Arotaunum, das, am Limes gelegen, gewiß bis in das dritte Jahrhundert behauptet wurde, nur Aliso als bedeutenderen Platz, dessen Garnison bekanntlich während der Belagerung sich rettete. Außer Ptolemäus erwähnt übrigens bekanntlich auch Plinius der Burgunder, als einer Abteilung der östlichen, von Roms Grenze so fernen Völker. (Entscheidend ist die germanische Sprache; s. Wackernagel bei Binding. D.)

ist beiseite zu lassen, ihr Ursitz im zweiten Jahrhundert n. Chr. östlich der Semnonen nach der Weichsel zu steht nach des Ptolemäus (II, 11, 25) gerade hierin so bestimmtem Zeugnis unzweifelhaft fest. Zuerst erwähnt ihrer nun Jordanis (c. 17) unter dem Namen der Burgundionen wieder, anführend, daß Fastida, der tatendurstige König der Gepiden, die damals in einem Teile Siebenbürgens und oberhalb desselben in den Karpaten saßen (s. oben 2. Buch, 3. u. HREF="#voe1205">5. Kap.), sie beinahe gänzlich vernichtet (Burgundiones paene usque ad internecionem delevit), auch andere Völker bezwungen habe, was nach der a. a. O. bemerkten Zeit vor Philippus Arabs, also etwa unter Gordian 237–244 geschehen sein muß. So unzuverlässig Jordanis ist, so kann hier doch wahrlich an willkürliche Erfindung oder Verwechselung dieses Namens ebensowenig gedacht werden, als an eine bewußte Absicht Cassiodors, seiner Quelle. Lag es nun, wie oben bemerkt ward, ganz in der Natur der Sache, daß der gewaltige Völkerstrom, der im zweiten Jahrhundert von der Ostsee nach Roms Grenze heranwogte, auch die beweglichen Elemente der angrenzenden Völker (vielleicht meist die östlich der Weichsel wohnenden Teile D.) mit fortriß, führte er erweislich auch Vandalen mit sich: – was ist erklärlicher, als gleiches von Gauen der Burgunder, die neben den Vandalen saßen, anzunehmen? Dies liegt in der Tat so nahe, daß dessen Übersehen durch einen so scharfblickenden Forscher, wie Zeuß, eben nur durch die allgemein vorgefaßte Meinung erklärt werden kann, man habe es, wo irgendein Volksname in den Quellen vorkomme, überall nur mit der Gesamtmasse dieses Volkes zu tun.

Auf diesem Grunde werden nun auch die »Urugunder« des Zosimus (s. oben) sicher als Burgunder zu erkennen sein.

Den im folgenden Kapitel zu erwähnenden Konflikt der Burgunder mit den Goten hier übergehend, kommen wir nun auf deren berichteten Krieg mit Probus. Dieser ward nach Zosimus (I, 67) am Rhein geführt, indem er (c. 68) also fortfährt: »Nun ward in einer zweiten Schlacht gegen die Franken gekämpft. Nachdem dieselben durch des Kaisers Feldherrn auf das Haupt geschlagen worden, kämpfte dieser in Person gegen die Burgunder und Vandalen«, wobei die Verbindung der Franken mit letztern Völkern in einem Satz offenbar den nahen Zusammenhang dieser Ereignisse andeutet. Im Kriegsverlaufe selbst führt er zwar nicht den Rhein, wohl aber »beide Ufer des Flusses« an, und c. 69 beginnt er mit den Worten: »Nachdem der Krieg auf diese Weise am Rhein von ihm zu Ende geführt worden war«, worauf er des Probus Feldzug gegen die Rebellen in Isaurien berichtet. Zosimus hat sich anderwärts, wo er eben nur Fluß- oder Volks namen erwähnt, ohne an diese weitere spezielle Merkmale zu knüpfen, allerdings grober geographischer Irrtümer schuldig gemacht. Hier aber muß er (wie Anm. 193 ausgeführt ward) eine gute und zwar speziellere Quelle als Flavius Vopiscus vor sich gehabt haben.

Im Wesentlichen ist darin Klarheit, Zusammenhang und Übereinstimmung mit Vopiscus. Der Krieg begann auf dem linken Rheinufer gegen Alemannen und Franken und endete auf dem rechten gegen andere Völker, die ihnen zu Hilfe gezogen sein müssen.

Was tun nun die Historiker und Forscher, mit Ausnahme Tillemonts, der darüber (III, S. 1135) unsere Meinung teilt? Sie verschweigen entweder den Kampfplatz gegen die Burgunder und Vandalen gänzlich, wie Gibbon und Luden, oder verlegen ihn, wie Gatterer, Marcus (Hist. des Vandales. Paris 1836. I, 2, S. 33) und Zeuß S. 447, weil Zosimus unzuverlässig sei, ohne Weiteres an die Donau. An dieser aber saßen, wie wir aus obigem genau wissen, von Westen her Juthungen, Markomannen, Quaden, östlicher Vandalen und Jazygen. Nur erst im folgenden Jahre 278, da Probus nach Wiederherstellung des Limes von Rätien durch Illyricum gen Asien zog, hätte er allerdings auch in dortiger Gegend mit Vandalen und benachbarten Burgundern an der Donau kriegen können. Davon aber sagt Vopiscus (Prob. c. 16) ausdrücklich nur:

»In Illyricum setzte er die Sarmaten und übrigen Völker so in Schrecken, daß er fast ohne Krieg (prope sine bello) alles wieder erhielt, was diese geraubt hatten.«

Faßt man dies alles ins Auge, so kann hier nicht mehr die bloße Verwechselung eines Flußnamens, sondern nur noch die völlige Unwahrheit von des Zosimus gerade so militärisch spezieller Geschichtserzählung des gesamten germanischen Krieges in Frage sein.

So willkürlicher Erfindung aber hat noch kein Forscher diesen, wo es ihm nicht selbst an Quellen fehlte, nicht verwerflichen Historiker beschuldigt.

Widerspricht aber vielleicht die Geschichte der Folgezeit dessen Angabe? Gerade umgekehrt: ja Zeuß selbst sagt (S. 466): »Neben den Alemannen ... haben sich die Burgunder behauptet und über ein Jahrhundert ruhig und den Römern unschädlich zugebracht.« In der Tat finden wir, daß achtzig Jahre später der Cäsar Julian an deren Westgrenze sein Lager aufschlägt, wovon, wie von deren späterem Vorkommen am Rheine, weiter unten ausführlich die Rede sein wird.

Nach unserer Überzeugung waren daher diejenigen Burgunder, welche Probus und zwar am Rheine schlug, keineswegs jene einst mit Vandalen und Goten nach Roms Ostgrenze herangezogenen, von Fastida, dem Gepiden, besiegten, sondern vielmehr der damals in der Heimat zurückgebliebene Rest des Gesamtvolkes. Von der allgemeinen Strömung ergriffen hatte nun auch dies die alten Wohnsitze verlassen und sich dem gemeinschaftlichen Zielpunkt genähert, indem es sich in dem heutigen Franken an den Ufern des Mains neben Franken und Alemannen niederließ.

Zu welcher Zeit und in welcher Weise dies geschah, wissen wir nicht, halten aber für wahrscheinlich, daß sie auf der schon oben erwähnten alten (Nürnberger) Handels- und Militärstraße dahin vorrückten. In der Richtung der sächs.-bayerischen Eisenbahn, jedoch über Gera und Weida. Gewiß hat der Naturinstinkt der Urvölker so sicher wie unsere Ingenieure die bequemsten und natürlichsten Straßenzüge erkannt.

4) Vandalen

Von diesen, die auch von Zosimus a. a. O. nur in Verbindung mit den Burgundern erwähnt werden, gilt beinahe vollständig dasselbe, wie von letztern. Es ist daher hier nur weniges nachzutragen.

Daß Vandalen auch dem großen gotischen Völkerzuge (sie waren ja selbst Goten D.) sich angeschlossen hatten, steht nach obigem, besonders nach dem ausdrücklichen Zeugnis des zuverlässigen Dexippus außer allem Zweifel. Auch macht Commodus (nach Dio LXXII, c. 2) den Markomannen im Frieden zur Bedingung, daß sie weder mit den Jazygen noch mit den Buren und Vandalen Krieg führen sollen. Zunächst werden sie nun in dortiger Gegend von demselben Dexippus wiederum im Jahre 270 oder 271 mit Aurelian kämpfend und Frieden schließend erwähnt (s. oben).

Sie müssen damals in den Vorbergen der Karpaten etwa zwischen Schemnitz und Kaschau und südlich herab gesessen haben.

An derselben Stelle nun finden wir sie zweiundsechzig Jahre später, nur anscheinend der Donau noch etwas näher, nach Jordanis diesmal sehr genauer Bezeichnung c. 22 (vergl. Zeuß, S. 477 Anm. **) wieder. Jordanis sagt c. 22: »quo tempora erant (i. e. Vandali) in eo loco manentes, ubi Gepidae sedent; juxta flumina Marisia, Miliare, Gilpil et Grisin.«

Zeuß weist nun (S. 447) völlig überzeugend nach, daß Malisia die in fast genau westlicher Richtung aus Siebenbürgen kommende, bei Szegedin in die Theiß fließende Maros (Marosch) ist, Grisis aber die Kärös, deren oberer Zufluß aus der Gegend von Debreczin herabkommend sich ebenfalls in die Theiß ergießt, während die mittleren, vielleicht verstümmelten, Flußnamen nicht nachzuweisen sind.

Die Vandalen hätten also damals einen Landstrich von drei bis vierhundert Meilen zwischen Debreczin und Szegedin, Siebenbürgen und Theiß inne gehabt.

Nun aber sagt Cassius Dio (im 55. Buche c. 1, das er unstreitig erst unter Severus Alexander 218–235 schrieb), daß die Elbe in den vandalischen Bergen entspringe.

Man hat daraus, wohl nicht ohne alle Grund, geschlossen, daß die Vandalen damals in und am Riesengebirge saßen.

Will man nun durchführen, daß überall, wo Vandalen vorkommen, ein und dasselbe Volk gemeint sei, so muß man annehmen, daß sie entweder schon im Jahre 180 zugleich in Oberungarn bis zur Donau herab und im Riesengebirge ihren Sitz gehabt oder später zwischen 180 und 220 den früheren in den zwar auch bergigen, aber doch fruchtbarsten Gegenden Ungarns gelegenen, rückwandernd verlassen und mit dem unwirtbaren Riesengebirge vertauscht, nachher aber, vor dem Jahre 270, wiederum dieses, beinahe an das bekannte Kinderspiel des Kämmerchenvermietens erinnernde Manöver wiederholt und den zweiten Platz nochmals mit dem ersten gewechselt hätten?

Zeuß glaubt S. 445 um deswillen, weil sie nach den Quellen in der Nähe der Markomannen und Quaden saßen, denselben ihren Platz im Rücken dieser Völker anweisen zu müssen, erwägt aber nicht, daß sie östlich letzterer ebenfalls deren Nachbarn waren. Welches Interesse in aller Welt aber hätten des Commodus erfahrene Ratgeber gehabt, den Markomannen den Krieg mit rückwärtsliegenden Völkern zu verbieten, was doch, weil sie sich dadurch selbst schwächten, für Rom gerade das allerwünschenswerteste gewesen sein müßte? Im römischen Interesse wollte man Ruhe an der Grenze und diejenigen Völker, mit welchen man Friedens- und Waffenbündnisse geschlossen hatte oder schließen wollte, gegen Befehdung sichern, keineswegs aber im Interesse der Humanität die Segnungen des Friedens über das innere Germanien verbreiten.

Wir können daher nicht zweifeln, daß diejenigen Vandalen, welche wir seit dem markomannischen Kriege neben den Jazygen in dem heutigen Ungarn kennen, ebenso wie die unter 3) besprochenen Burgunder, nur in vom Hauptvolk abgerissenen Gauen, die sich der gotischen Wanderung angeschlossen hatten, bestanden. Wir kommen auf deren weitere Geschichte zurück.

Hiernach kann sich obige Angabe Dios nur auf das Hauptvolk beziehen, welches zu dessen Zeit in Niederschlesien bis zum Riesengebirge hin sich niedergelassen haben muß, von wo sie später durch die Grafschaft Glaz Die Straße über Freiburg, Waidenburg südlich des Riesengebirges in Schlesien nach Nachod in Böhmen ist ungleich offener und ebener als irgendein Paß durch das Erzgebirge. und Böhmen vielleicht in der Oberpfalz und Oberfranken mit den Burgundern zusammenstießen. Auf diese neuen Sitze des Hauptvolkes nun kann sich allein auch der Eintrag in die Peutingersche Tafel beziehen, wo sich der Name Vanduli zwischen dem der Markomannen in gleicher Weise hineingeschrieben findet, wie nach obigem der der Juthungen zwischen dem der Quaden. Dort (S. 204) mußten wir freilich annehmen, daß der eingeschriebene Name Jutugi sich auf das vorliegende Volk beziehe, während die westlichen Vandalen nur im Rücken der Markomannen gesucht werden können.

Diese ganze Quelle aber ist eine höchst unsichere. Unsere Kopie der Originalkarte ist offenbar eine merklich spätere, in welcher zwar Flüsse, Straßenzüge, Städte getreu nachgebildet, in den Namen und Sitzen der Völker aber spätere Veränderungen berücksichtigt worden sind, wobei uns über die Authentizität und Genauigkeit der Arbeit jedweder Nachweis fehlt.

Bei dem weitern Vorkommen von Vandalen in der Geschichte, wo sie bald eine große Rolle spielen, wird nun ebenfalls zwischen dem östlichen und westlichen Zweige Diese Annahme zweier getrennter Vandalengruppen vermag ich nicht zu teilen; auch die Hypothesen über die Scheidung der Burgunder sind sehr zweifelig. ( D.) derselben genau zu unterscheiden und dies seiner Zeit näher zu begründen sein.

5) Logionen

Da dieser Name in keiner Quelle erwähnt wird, der Grieche Zosimus aber, der sie allein (c. 67) anführt, die barbarischen Namen häufig unrichtig wiedergibt, so haben alle Forscher denselben bisher auf das Volk der Lugier bezogen, das in Mittel- und Oberschlesien zwischen Vandalen und Quaden seine Sitze hatte.

Dem ist um so mehr beizupflichten, als deren gleichmäßiges Vorrücken nach Westen um jene Zeit den Verhältnissen vollkommen entspricht, auch die Art und Weise, wie Zosimus ihrer (in c. 67) gedenkt, mehr auf einen Zuzug zu Gunsten der Alemannen als der Franken hinzuweisen scheint, weshalb wir auch den Kampf mit ihnen in die Gegend der oberen Donau verlegt haben. Sie würden hiernach, wie deren frühere Wohnsitze südlich der Vandalen lagen, auch in diesem Kriege südöstlich derselben aufgetreten sein.

Wie die Lugier unter allen bedeutenderen Völkern in der Geschichte am seltensten vorkommen und zwar früher nur bei Tacitus (XII, 29), wo sie am Sturze von Vannios Reiche Teil nahmen (s. oben) und in der ganz verderbten Stelle Dios LXVII, c. 5, so verschwinden sie auch in der Folgezeit gänzlich.

Ob die auf der Peutingerschen Tafel im fernen Osten erwähnten Lupionen eine dahin versprengte Abteilung von Lugiern, wie Zeuß (S. 443) annimmt, oder nach Schaffariks Ansicht (I, 407–409) Slaven seien, ist unerforschlich.


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