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Fünftes Kapitel.
Rom und die Germanen vom Tode Caracallas bis zum Tode des Gallienus

Nach dem Tode des vom Heere tief betrauerten Caracalla ward Macrinus Kaiser: ihn betrifft eine ziemlich unklare Nachricht Xiphilins LXXVIII, 27, nach welcher

»die Daken einen Teil Dakiens verwüstend noch weiter gekriegt hätten, nachdem sie die Geiseln, welche Caracalla zu Bekräftigung des Bundes- und Hilfstruppen-Vertrags von ihnen empfangen, zurück erhalten.«

Es handelt sich hier wohl um einen Einfall der Gebirgsdaken, derselben, die schon unter Commodus unruhig waren, welche gerade umgekehrt vielleicht durch Rückgabe der Geiseln und ein nie fehlendes Geldgeschenk wieder beruhigt worden sein dürften.

Von seinem Nachfolger Heliogabal erfahren wir (Lampridius c. 9), daß er die Markomannen bekriegen wollte, wozu es aber nicht gekommen zu sein scheint.

Die Quellen über seinen Nachfolger Severus Alexander sind ungenügend. Dio verläßt uns mit ihm. Herodian, der, wie immer anziehend, klar, voll scharfer Charakteristik ist, steht Lampridius gegenüber, der in fünfundsechzig Kapiteln voll des Edlen und Lobenswerten freilich meist kleinlicher Details nur vier Zeilen Tadel hat.

Während der Kaiser durch die persischen Gefahren im Osten voll in Anspruch genommen war, wurde ihm von Illyrien gemeldet: die Germanen hätten Rhein und Donau überschritten und durchzögen räuberisch verheerend das römische Gebiet, die dortige Streitmacht sei der Abwehr nicht gewachsen, seine und des ganzen Heeres Gegenwart daher unerläßlich. In der Tat mochte die Schwächung der Grenzarmeen für den Bedarf gegen die Perser jene Angriffe erleichtert haben.

Da der Krieg gegen die Germanen, zu dem Alexander im Jahre 234 auszog, und dessen Beendigung durch den Nachfolger, unten im Anschluß an die über das Zehntland und die Alemannen gewonnenen Resultate besonders zu behandeln ist, genügt hier die Bemerkung, daß der Kaiser, als er auf dem linken Rheinufer stand Herodian IV, 7. Wenn er an das Rheinufer rückte (επέστη τοι̃ς του̃ ‘Ρήνου όχθαις), so kann dies nur von Gallien her geschehen sein. Die Germanen auf dem linken Ufer mögen vor ihm zurückgewichen sein, er aber über den Rhein zu verfolgen gezögert haben., mehr verhandelnd, auf Erkauf des Friedens bedacht, als kraftvoll handelnd auftrat, was die Soldaten gegen ihn einnahm. Die Mißstimmung hatte noch andere Gründe. Das durch Septimius Severus und Caracalla verwöhnte Heer hätte die gerechte Strenge, welche Alexander übte, einem kriegerisch siegreichen Führer vielleicht nachgesehen: gegen den unkriegerischen Jüngling murrte es: das Weiberregiment der überall gegenwärtigen, sich in alles mischenden Kaiserin-Mutter empörte es.

Dies benutzte der Thraker Maximin, der durch seltene Körperstärke und Mut zu den höchsten Militärwürden sich emporgeschwungen hatte, von Alexander insbesondere geehrt und erhoben und zuletzt mit der obersten Leitung der Ausbildung der zahlreichen Rekruten, unter denen sich viele seiner Landsleute befanden, betraut worden war. Diese riefen den als tapferen Haudegen, wenn auch nicht als Feldherrn Bewährten zum Kaiser aus, was Maximin, dem Worte nach, widerwillig annahm; aber in der Tat marschierte er sofort gegen Alexander, der von den ihn umgebenden Truppen, die er vergeblich zu seiner Verteidigung aufrief; verlassen, in den Armen der Mutter mit dieser und allen seinen Anhängern niedergestoßen ward. Dies geschah, nach Lampridius (c. 58), »in Britannien, oder, wie andere wollen, in einem Dorf Galliens, das Sicila hieß«; nach Aurelius Victor in einem Dorf Britanniens, Namens Sicila. Man hat diesen Widerspruch mit der geschichtlichen Wahrheit, da Severus Alexander zweifellos damals am Rhein stand, dadurch erklärt, daß das Dorf Bretzenheim eine halbe Stunde von Mainz, am linken Rheinufer, welches vormals Vicus britannicus (vermutlich von dahin verpflanzten Briten angelegt) genannt worden, dessen Todesstätte gewesen sei (s. Lehne im rheinischen Archiv nach Luden, G. d. d. Volks. II, S. 81 u. 486).

Maximinus soll (perhibetur) nach Capitolin (c. 1) in einem thrakischen Dorf von einem gotischen Vater und einer alanischen Mutter geboren, zuerst Viehhirt gewesen und dann zur Reiterei ausgehoben worden sein.

Leider ist Capitolin unzuverlässig und da er die gotische Abstammung Maximins nicht einmal mit Sicherheit anführt, so würde die Tatsache hiernach als feststehend nicht zu betrachten sein. Jordanis (c. 15) aber, der sie fast mit denselben Worten anführt, versichert, dieselbe aus der Geschichte des Symmachus entnommen zu haben, was sonach vielleicht gleicher Weise von Capitolin geschehen sein dürfte. Dieser Schriftsteller (der mit dem späteren Rhetor, welcher beinahe ein Jahrhundert nach Capitolin lebte († 403), nicht zu verwechseln ist) ist uns freilich völlig unbekannt.

Da es den Römern aber, namentlich durch Dexippus, an Quellen über die Ankunft der Goten nicht gefehlt haben kann, so muß jener Schriftsteller es mindestens der Zeit nach für möglich gehalten haben, daß Maximins Vater Micca Gote gewesen sei. Das Geburtsjahr dieses Kaisers, der nach dem Chron. Paschale ed. Bonn I, 501, im 65., oder nach Zonaras XII, 16 dieser Ausg., p. 579, im 74. (was jedoch minder richtig scheint) Jahre starb, fällt hiernach auf das Jahr 173, wo nicht gar schon 164, woraus sich zweifellos ergibt, daß dessen Vater schon unter Marc Aurel in Thrakien einwanderte, wonach am wahrscheinlichsten wird, daß er sich unter den von Marc Aurel im Reich angesiedelten Germanen (s. oben) befunden habe.

Unzweifelhaft läge hierin ein neuer Beweis Indessen, abgesehen von der Möglichkeit, daß Micca von seinem Volke getrennt, als einzelner Gefolgsgenosse unter Viktofalen oder Vandalen gedient habe, steht doch die gotische Abstammung durchaus nicht fest genug, um darauf gebaute Schlüsse zu tragen. Verwechslung von Goten mit Geten und andern nordöstlichen Barbaren ist häufig genug. »Micca« wäre allerdings auf gotisch »mikils«, »groß«, zurückzuführen. Maximin, d. h. »der Große«, maß angeblich acht Fuß; sein Vater Micca war vermutlich auch »mikils«. D.) für die schon oben ausgesprochene Vermutung, daß die Ankunft der Goten am Pontus bereits längst vor deren erster Erwähnung in den Quellen um das Jahr 215 erfolgt sei.

Nach einem Verheerungszug in Germanien zog Maximin im Herbst 237 (Herod. VI, a. Schl. u. Eckhel p. 291: s. das Folgende) nach Sirmium in Pannonien (Petrovitz) an der niedern Save Die Wahl dieses Hauptquartiers beweist, daß die gefährlichsten Feinde damals zwischen Donau und Theiß – dem Lande der Jazygen – standen. und ging mit Kriegsplänen gegen die nördlichen Barbaren, die er ganz vernichten wollte, um, als die Aufstände gegen ihn ausbrachen, in denen er im Jahre 238 unterging.

Schwerfällig näherte sich Maximins Heerzug, für den nichts vorbereitet war, der Grenze Italiens, die Gegenkaiser zu vernichten. Eine große Menge germanischer Reiter, wohl meist von suebischen Völkern für Geld gestellte Hilfstruppen (σύμμαχοι), folgte ihm.

Schon von Aemona (Laibach) an fand das Heer nur eine menschenleere Wüste, alle Lebensmittel und Fourage, selbst die Hausgeräte und Türen, fortgeschleppt oder verbrannt.

Noch einmal erfüllte der unverteidigt gefundene Übergang über die julischen Alpen Maximin mit Hoffnung, als ein neues schweres Hindernis sich entgegenstellte.

Die Bürger der reichen und großen Stadt Aquileja, den Widerstand der Verzweiflung schimpflicher Flucht vorziehend, versperrten dem Heere den Weg. Die Geschichte der Belagerung dieser Stadt wird von Herodian anziehend erzählt. Zwei dahin abgesandte Senatoren, Crispinus und Menophilus, leiteten die Verteidigung, in der Mut und Kunst wetteiferten, so daß alle Stürme mit dem größten Verlust der Belagerer zurückgeschlagen wurden.

Dem Heere aber mangelte es an allem, weil der Gegenkaiser Pupienus zu Ravenna, Meister der Flotte, jede Zufuhr zu Wasser wie zu Lande abschnitt.

Endlich machte ein Haufe italienischer Soldaten ein Ende, indem sie Maximin nebst seinem schon im Jahre 235 zum Cäsar ernannten Sohn unter Mittag in seinem Zelt niederstießen.

Aber der Triumph der »Senatskaiser« war ein kurzer, da die Prätorianer dieselben bald ermordeten, was der innere Zwiespalt beider erleichterte, indem Balbinus die Herbeiziehung der Pupienus treuen germanischen Söldner gehindert hatte. Nur drei bis vier Monate hatte deren Herrschaft gedauert.

Wir stellten oben die Vermutung auf, das neue, gegen Rom zusammengetretene Bundesvolk der Alemannen sei durch Caracalla im Jahre 213 nicht vollständig aus dem Zehntlande wieder vertrieben worden, jedenfalls aber doch das Land zwischen Rhein, Main und Neckar wieder in ruhigen römischen Besitz gelangt. Dasselbe gilt unzweifelhaft von Rätien südlich der Donau.

Im VI. Buch Kap. 7 berichtet nun Herodian folgendes:

»Severus Alexander glaubte die persischen Angelegenheiten friedlich beigelegt zu haben und eine Erneuerung des Kriegs nicht besorgen zu dürfen, als ihm plötzlich (im Sommer 233) von den Provinzialstatthaltern in Illyricum die Meldung zuging, die Germanen hätten wiederum Rhein und Donau überschritten, und verheerten das römische Gebiet Lampridius sagt Alex. Sev. c. 58: Germanorum vastationibus Gallia diripiebatur. Dies ist zwar nicht notwendig auf Gallien im engern Sinne zu beziehen, weil Germ. prima rechts und links des Rheins im weiteren Sinne auch zu Gallien gerechnet wurde, wahrscheinlich aber doch hiernach, daß Germanen auch bis in das Innere des eigentlichen Galliens drangen., indem sie sowohl die an den Flüssen bestehenden Festungslager als Städte und Dörfer mit großer Macht durchstreiften. Die illyrischen Provinzen, aber auch das benachbarte Italien, seien in nicht geringer Gefahr, seine Gegenwart samt dem ganzen bei ihm jetzt befindlichen Heere daher nötig.«

Die Militär- und Kurierstraße vom Rhein zum Orient ging längs der Donau über Byzanz. Die Befehlshaber in Obergermanien und Rätien können sich zunächst an die von Illyricum, das in dieser weiteren Bedeutung westlich nur noch Noricum umfaßte Dies wird für spätere Zeit gegen Ende des fünften Jahrhunderts durch die Not. dign. ed. Boecking II, p. 10, 65 und 66 außer Zweifel gesetzt. Damals gehörte Rätien unter den Vicarius von Italien., um Hilfe gewendet, und diesen die Meldung an den Kaiser überlassen haben. Herodian, der, zumal in Nebendingen, nicht immer genau ist, könnte aber auch hier die gesamten Donauprovinzen, wozu Rätien gehörte, zu den illyrischen gerechnet haben, die Meldung daher auch von hier aus erfolgt sein.

Wie vormals der markomannische Krieg durch den parthischen, so dürfte auch der gegenwärtige Angriff der Germanen zum Teil durch den Abzug der römischen Hauptmacht gegen die Perser veranlaßt worden sein.

»Diese Nachricht, fährt Herodian nun fort, beunruhigte nicht nur den Kaiser, der schon für Italien fürchtete, in hohem Grade, sondern auch die Soldaten aus jenen Provinzen, welche ohnehin schon über die mangelhafte Führung des persischen Krieges murrten. Ungern befahl er den Abmarsch. Nachdem er die zum Schutz der römischen Ufer nötigen Streitkräfte zurückgelassen, Standlager und Kastelle sorgfältig befestigt und jedes mit Besatzungen versehen hatte, eilte er mit dem übrigen Heere nach Germanien.«

Herodian verschweigt hierbei die Rückkehr über Rom, wo Severus Alexander Ende September 233 triumphierte (s. Lamprid. c. 56 und Eckhel, p. 276). Dies macht es um so zweifelhafter, ob in der letzten von Sicherstellung der Reichsgrenze handelnden Stelle die östliche gegen die Perser oder die nördliche an der Donau gemeint ist. Erscheint ersteres dem Wortlaute entsprechender, so ist doch der Kaiser vom Orient keineswegs direkt nach Germanien marschiert, am wenigsten geeilt (ηπείγετο), da er nach der von Eckhel, p. 277 beschriebenen Münze vielmehr erst im nächsten Jahre 234, unstreitig sobald es die Jahreszeit erlaubte, dahin abging.

Es ist daher leicht möglich, daß sich obiger Satz bereits auf den neuen Feldzug bezieht, der sonach zunächst mit Sicherung der Donaugrenze begonnen haben würde.

»Den Weg mit großer Eile zurücklegend stellte er sich am Rheinufer auf, und bereitete alles zum Krieg gegen die Germanen vor. Dazu hatte er eine große Menge maurischer, osroënischer und parthischer Bogenschützen mitgebracht, welche den nackten Leibern der Germanen besonders gefährlich waren, selbst den Römern in geordneter Schlacht sich entgegen zu stellen wagten und ihnen nicht selten die Waage hielten. Obwohl so gerüstet, fand Alexander doch für gut, durch Gesandte wegen Frieden zu verhandeln.

Alles, was die Germanen verlangten und Geld in Menge sollte ihnen gewährt werden, was die geldgierigen, stets den Frieden von den Römern zu erkaufen gewohnten Germanen am meisten lockte.

Alexander wollte lieber den Weg der Verhandlung als den der Kriegsgefahr versuchen.

Die Soldaten nahmen es jedoch übel auf, daß derselbe nutzlos die Zeit verliere, nichts Entschlossenes und Mutvolles für den Krieg tue, vielmehr statt die Feinde anzugreifen und zu züchtigen, mit Wagenrennen und Wohlleben sich abgebe.«

Hiermit schließt das siebente Kapitel, worauf im achten Alexanders Ermordung und Maximins Erhebung, erst im VII. Buche Kap. 2 aber der fernere Kriegsverlauf folgendermaßen berichtet wird:

»Mit dem gesamten Heer furchtlos die Brücke überschreitend, betrieb Maximin eifrigst den Krieg gegen die Germanen. Eine große Menge Volks, fast die ganze römische Streitmacht, führte er mit hinein. Darunter in sehr bedeutender Zahl maurische Speerwerfer und Bogenschützen, so wie Osroëner und Armenier, sowohl Auxilien als Bundesgenossen, ja selbst Parther, teils geworbene, teils Überläufer und Gefangene. Die hauptsächlich schon von Alexander zusammengebrachte Armee war von ihm noch vermehrt, besonders aber für den Krieg geübt worden. Jene Speerwerfer und Bogenschützen schienen gegen die Germanen durch ihr Geschick für plötzlichen unvorgesehenen Angriff und leichten Rückzug besonders geeignet.

In Feindesland angelangt, durchzog er einen weiten Landstrich (πολλὴν γη̃ν), da die rückweichenden Barbaren nirgends Stand hielten. Er verwüstete das ganze Land, da das Getreide schon reif war. Die Dörfer wurden verbrannt und der Plünderung preisgegeben. Leicht aber verzehrt das Feuer die Städte, welche sie haben, und alle Häuser: denn an Steinen und gebrannten Ziegeln fehlt es. Die baumreichen Wälder gewähren des unerschöpfliche Material, durch dessen Zusammenfügung und Bearbeitung sie ihre Häuser bauen. So rückte Maximin lange vor, Beute wegführend, und die Herden, welche man traf, dem Heere überlassend. Die Germanen aber zogen sich aus den Ebenen und baumlosen Gegenden zurück, und bargen sich in Wäldern und Sümpfen, von wo sie, in dem verwachsenen Gestrüpp gegen Wurfspeere und Pfeile einigen Schutz findend, zum Kampf hervorbrachen. Besonders wurden die tiefen Sümpfe den Römern wegen Unkunde der Örtlichkeit gefährlich, indes die Germanen, welche die grundlosen und festern Stellen zu unterscheiden wußten, sie bis an das Knie watend leicht durchzogen.

Auch im Schwimmen sind sie geübt, da sie sich der Flüsse allein als Bad bedienen.

Nur an solchen Stellen aber kam es meist zu Treffen. Einmal zogen sich die Germanen in einen sehr großen Sumpf (ελος) zurück, und da die Römer ihnen dahin nachzudringen zögerten, stürzte sich Maximin selbst auf seinem Roß hinein und tötete, obwohl dies bis über den Bauch einsank, sofort die nächsten Feinde, so daß die Scham, den für die Soldaten fechtenden Kaiser im Stich zu lassen, das Heer zur Nachfolge trieb. In diesem Kampf, in welchem er sich vor allen hervortat, blieb von beiden Seiten viel Volkes, von den Germanen aber beinahe die ganze anwesende Streitmacht, so daß der Sumpf mit Körpern angefüllt, das Wasser mit Blut gefärbt wurde und eine Landarmee das Schauspiel eines Seegefechts gewährte. Diese Schlacht und sein eignes Heldentum brachte der Kaiser nicht allein schriftlich, sondern auch bildlich zur Kunde des Senats und Volkes, indem er es in großen Schildereien im Senatspalast ausstellen ließ, welche der Senat jedoch nach dessen Sturz nebst allen andern Ehrenzeichen desselben wieder entfernte.

Auch noch andere Gefechte kamen vor, in denen Maximin sich überall, mit eigener Faust fechtend, großen Ruhm erwarb.

Nachdem er viel Gefangene und Beute gemacht, zog er bei dem Herannahen des Winters nach Pannonien ab. In Sirminum, der größten Stadt der Provinz, wo er sein Hauptquartier nahm, bereitete er alles zum Frühjahrsfeldzuge vor.

Denn er drohte und beabsichtigte wirklich, alle germanischen Barbaren bis zum Ozean zu vernichten und zu unterwerfen.«

Spartian, der in c. 12 und 13 offenbar Herodians Werk benutzt hat, sagt kaum etwas Neues, außer daß auf einer Strecke von sechzig bis achtzig deutschen Meilen die Dörfer verbrannt worden. Übrigens spricht er von unzähligen (innumeris) Gefangenen, und Bereicherung der Soldaten, und schließt Maximins Bericht an den Senat mit den Worten: »Wir würden bis an die Wälder gelangt sein, wenn nicht die Tiefe der Sümpfe uns den Durchzug gewehrt hätte.« (Pervenissemus ad silvas, nisi altitudo paludum nos transire non permisisset.)

Obiger Darstellung ist nur weniges beizufügen.

Aus dem, was bei Herodian, der zwar stets in chronologischer Ordnung, aber ohne Zeitangabe, schreibt, weiter erzählt wird, sowie aus den Münzen ersehen wir, daß der Marsch nach Pannonien im Spätjahr 237 erfolgte, jener Krieg also gegen zwei Jahre gedauert hatte.

Daß die nächsten und Hauptfeinde, wenn gleich stets nur »Germanen« genannt werden, die Alemannen waren, ist zweifellos. Denn da dieselben im Jahre 213 (s. oben) am Oberrhein und Niedermain mit Caracalla fochten, da Alexander an letzterer Stelle ihnen gegenüber bei Mainz sein Hauptquartier hatte, sie auch nur wenig über zwanzig Jahre später unter Gallienus daselbst wieder genannt werden, hauptsächlich aber die aus des Severus Alexander Zeit herrührende Peutingersche Tafel dieselben hinter dem Schwarzwald aufführt, so ist über deren fortwährendes Beharren im oder am Zehntland Ungewißheit nicht möglich.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß Maximin die Alemannen nicht bloß bis zum Limes, sondern noch über diesen hinaus verfolgt habe, wie dies nicht nur durch die Worte: feindliches, barbarisches Land (εν τη̃ πολεμία, barbarici soli) angedeutet, sondern auch durch die Ausdehnung des Verheerungszuges bestätigt wird. Unter den Wäldern (silvis) aber, bis zu denen derselbe, wenn nicht die Sümpfe ihn behindert hätten, vorgedrungen sein würde, können wir nur den großen waldigen Gebirgszug verstehen, der nördlich vom Harz herab durch den Thüringer Wald, Fichtelgebirge und Böhmerwald bis gegen Linz nach der Donau hinläuft. Dies führt uns zu der Vermutung, der erste Feldzug im Sommer 235 werde gegen die Westgermanen bis gegen die Werra hin, der der Jahre 236 bis 237 aber, vielleicht nach Verheerung der alemannischen Ansiedlungen im südlichen Zehntlande, besonders gegen die Alemannen und die angrenzenden Völker in Franken, der Oberpfalz, Nordschwaben und Niederbayern gerichtet gewesen sein, wobei denn etwa bei Regensburg (Reginum) oder Passau (castra Batavorum) 236 bis 237 überwintert wurde. Daß Maximin auf seinen Zügen zwischen Schuldigen, Zweifelhaften und Unschuldigen irgendwie unterschieden und mit der Strenge auch Mäßigung am rechten Orte gepaart habe, erhellt nirgends, und ist nach dessen Gemütsart zu bezweifeln. Es hat sich bei Oehringen eine Inschrift mit dessen Namen vom Jahr 237 oder 238 teilweise erhalten, eine zweite ward bei Tübingen gefunden, welche diesen zwar nur unvollständig angibt, aber doch wahrscheinlich auf Maximin beziehen dürfte. Daß derselbe auch für Wiederherstellung des gewiß im höchsten Grade verwüsteten römischen Zehntlandes, so wie des Limes, wenn auch nicht viel, doch einiges getan, dürfte, wenngleich durch irgendetwas sonst nicht weiter angedeutet, wohl anzunehmen sein. Nur eine vollständigere Erneuerung des Limes hat damals unstreitig nicht stattgefunden, da dies ebenso, wie es später von Probus bemerkt wird, auch von Maximin wohl nicht verschwiegen worden sein würde.

Von nun an verläßt uns nicht nur Herodian, der, unerachtet einiger vorstehend gerügten Mängel, dennoch in der langen Zeit von Tacitus bis Ammian Marcellin, da wir Dio nur unvollständig besitzen, der einzige Historiker ist, sondern großenteils selbst die Historia Augusta, von der alle Biographien von Philippus bis Valerian verloren sind, so daß wir für letztere ausschließlich auf Zosimus, der nun etwas ausführlicher zu werden beginnt, und die späteren Epitomatoren beschränkt sind.

Von Maximins Gegner, Pupienus, sagt Capitolin (Max. Balb. c. 5), daß er in Illyricum die Sarmaten geschlagen und von da an den Rhein versetzt und gegen die Germanen glücklich operiert habe (rem contra Germanos feliciter gessit). Dies Anführen ist jedoch sowohl dem Sinne als der Zeit des Ereignisses nach zu unsicher, um es weiterer Betrachtung zu würdigen.

War derselbe im Jahre 238 bereits vierundsiebzig Jahre alt, wie freilich nur der so viel spätere Zonaras (XII, 17) sagt, so könnte dies füglich im Jahre 213 unter Caracalla geschehen sein.

Ungleich wichtiger ist die Stelle desselben (Max. Balb. c. 16): »Sub his pugnatum a Carpis contra Maesos fuit et Scythici belli principium et Histriae excidium eo tempore: ut autem Dexippus dixit, Histricae civitatis.«

Unstreitig hat Dexippus sein Werk über die skythischen Kriege (τα Σκυθικά) im Wesentlichen mit diesem Ereignis begonnen. Derselbe versteht unter Skythen sämtliche barbarische Völker nördlich und östlich der Donau, ohne die Nationalität streng zu unterscheiden, hauptsächlich aber die Goten.

Spartian, der die ganze Stelle unzweifelhaft aus diesem Schriftsteller entlehnt hat, sagt nun: Unter jenen Kaisern hätten die Carpen gegen die Mösier gestritten; zu derselben Zeit sei die Zerstörung Histriens oder, wie Dexippus sage, der histrischen Stadt erfolgt.

Der Ausdruck »Histrien« enthält, da an die istrische, damals zu Italien gehörige Halbinsel, hier nicht zu denken ist, wiederum eine von Capitolins gerade in dieser Biographie so zahlreichen Sonderbarkeiten. Es ist Istropolis, die istrische Stadt am schwarzen Meere in Mösien, unfern dem heutigen Kostendsche, etwa fünfzehn Meilen nördlich von Varna, die hier gemeint, damals also erobert worden sein muß.

Die Carpen (Carpi), über die sich Zeuß (S. 697–700) sehr gründlich verbreitet, waren unzweifelhaft ein thrakisches Volk und gehörten zu den Geten oder Daken im weitern Sinne.

Ptolemäus nennt sie anscheinend zweimal: 1) als Karpianen (Καρπιανοί) zwischen den Peukinen und Bastarnen III, 5, 24; 2) als Arpier (’Άρπιοι) zwischen der nördlichen Donaumündung und dem Dnjepr III, 10, 13).

Es ist vermutet, daß die Benennung der Karpaten, ohne Zweifel thrakischen Ursprungs, diesem Volksnamen verwandt sei.

Jedenfalls waren sie Nachbarn der schon oben erwähnten Costuboken und standen wohl gleich diesen seit Dakiens Eroberung unter nomineller römischer Herrschaft, oder mindestens Klientel.

Da jedoch die Costuboken, welche nach dem ersten markomannischen Krieg von den Asdingen zwar geschlagen, aber kaum ganz vertilgt wurden (Dio LXXI, 12), in der Geschichte später nicht Dieselben werden allerdings von Amm. Marc. XXII, 8 in einer Beschreibung Thrakiens und der Pontusküsten noch erwähnt. Da diese indes unzweifelhaft einem älteren geographischen Werk entlehnt sind, so kann daraus mit Sicherheit wenigstens nicht gefolgert werden, daß sie noch zu Ammians Zeiten daselbst saßen. wieder erscheinen, so ist auch ein Aufgehen dieses Volkes unter den Carpen, zumal in einer Zeit, da die Volksnamen so viel Wechsel erfuhren, möglich, ja wahrscheinlich.

Den Zusammenhang obiger Nachricht Capitolins mit der Folgezeit werden wir später zu erörtern versuchen.

Derselbe Verfasser bemerkt Gord. III, c. 26 folgendes: »Fecit iter in Moesiam, atque ipse in procinctu quicquid hostium in Thraciis fuit delevit, fugavit, expulit, atque submovit.«

Damit ist die Gordian nach Capitolin a. a. O. c. 34 gesetzte Grabschrift in Verbindung zu bringen:

»Divo Gordiano victori Persarum, victori Gothorum, victori Saramatarum, victori Germanorum, sed non victori Philipporum.« Hierauf bemerkt er: »Quod ideo videtur additum, quia in campis Philippicis (d. i. bei Philippopel in Thrakien) ab Alanis tumultuario praelio victus abscesserat: simul etiam quod a Philippis videbatur occisus.«

Es liegt sehr nahe, in dieser Inschrift eine Mystifikation Capitolins zu vermuten, da die durch ein großartiges Denkmal (was nach Amm. Marc. a. d. o. a. Stelle nicht zu bezweifeln ist) bekundete Absicht, Gordian zu ehren, mit der Ironie und doch zugleich Unwahrheit des Nachsatzes, da er mit den Bewohnern jener Stadt selbst doch gar nicht gekriegt hatte, schwer zu vereinigen ist. Wenn Capitolin aber ausdrücklich hinzufügt, daß diese Inschrift in griechischer, lateinischer, persischer, jüdischer und ägyptischer Schrift, um allen verständlich zu sein, angebracht worden sei, was den Glauben an deren Echtheit zu erhöhen scheint, so ist es doch wohl möglich, daß sie aus einer Laune der Soldaten, welchen Philippus nicht entgegentreten mochte, wirklich in obigen Worten verfaßt worden ist.

Beruhte sie aber auch auf Erfindung, so würde diese doch gewiß die historische Wahrheit nicht verleugnet haben. Wir haben daher eine, wenn auch nicht sehr erhebliche Besiegung der Goten durch Gordian allerdings anzunehmen, welche im Jahre 242 auf dem Marsch nach Asien durch Mösien und Thrakien, der über Philippopel führte, erfolgt sein muß, da ein anderer Feldzug desselben weder bekannt, noch irgendwie vorauszusetzen ist.

Sarmaten und Germanen mögen sich unter den damals in das römische Gebiet eingebrochenen Scharen ebenfalls befunden haben, obwohl der Sieg über Germanen sich auch auf irgendeinen kleinen Vorteil, der von einem Legaten Gordians anderwärts erlangt ward, beziehen könnte. Überhaupt aber ist von einer Inschrift solcher Art wie die obige strenge ethnographische Genauigkeit nicht zu erwarten.

Noch wichtiger ist ein Fragment des Petrus Patricius (ed. Bonn. Corp. Scr. hist. Byz. I, p. 124):

Die Carpen, die Goten wegen der Subsidien, welche diese von Rom empfingen, beneidend, schickten eine Gesandtschaft an den Tullius Menophilos, mit Anmaßung Geld fordernd. Dieser war Befehlshaber in Mösien und ließ seine Truppen täglich exerzieren. Von der Anmaßung der Gesandten unterrichtet, ließ er sie viele Tage lang gar nicht vor, gestattete ihnen aber, die Übungen der Truppen mit anzusehen. Nachdem er durch Verzug ihren Übermut gedämpft zu haben glaubte, empfing er sie auf hohem Feldherrnstuhl, um den die Ersten des Heeres standen, schien sie aber wenig zu beachten, sprach vielmehr während ihres Vortrages in der Mitte der Truppen mit andern, als ob er wichtigere Geschäfte habe. Sich so übersehen fühlend, sagten diese schließlich nichts anderes als: »Wenn die Goten Subsidien von Euch empfangen, warum erhalten wir nicht auch solche?« Darauf Menophilos: »Weil der Kaiser vieler Gelder Herr ist, so schenkt er deren auch denen, die ihn darum bitten.« Jene wiederum: »So nehme er denn auch uns unter die Bittenden auf und gewähre uns dasselbe, denn wir sind stärker (κρείττωνες) als die Goten.«

Lachend erwiderte Menophilos: »Darüber muß ich dem Kaiser berichten, holt Euch daher nach vier Monaten die Antwort wieder ab,« und ließ hierauf die Soldaten wieder exerzieren.

Nach vier Monaten kamen die Carpen wieder, wurden in gleicher Weise empfangen, jedoch auf weitere drei Monate vertröstet. Hierauf empfing er sie vor einer andern Legion und gab ihnen den Bescheid: daß der Kaiser in der Form eines Vertrags schlechterdings nichts bewillige. Wollten sie aber mit einexerziert und zusammengeschart werden In Übertragung der Worte συγκρότησις und συγκροτη̃ναι war in der ersten Ausgabe der lateinischen Übersetzung gefolgt und geirrt worden., möchten sie sich dem Kaiser zu Füßen werfen und ihn darum bitten, worauf sie wahrscheinlich ein Geschenk erhalten würden.«

Darauf zogen sie unwillig ab und blieben drei Jahre lang während Menophilos Verwaltung dieser Provinz ruhig.

Die Zeit dieses Ereignisses läßt sich mit annähernder Sicherheit bestimmen, da die Exzerpte in dem auf Befehl Constantins Porphyregenitus (zu Anfang des zehnten Jahrhunderts) verfaßten Werke de legationibus, welchem wir die Bruchstücke aus Petrus Patricius verdanken, streng chronologisch geordnet sind, und das Fragliche hiernach in die Zeit zwischen Marc Aurel und Sapor fällt, der bis 272 lebte.

Wenn aber die Erwähnung der Goten im römischen Gebiete an sich schon auf die Zeit nach Caracalla schließen läßt, so scheint auch der Menophilos des Petrus Patricius mit dem von Herodian (III, 2) erwähnten Myniphilos (nach Capitol. Max. c. 21 Menophilos), der sich bei Verteidigung Aquilejas so auszeichnete (s. oben), identisch zu sein.

Von Philippus (Arabs) endlich berichtet Zosimus (I, 20), daß er einen Feldzug gegen die Carpen unternahm, welche schon die Gegenden an der Donau verwüsteten.

In einem Treffen geschlagen flohen sie in ein Kastell, wo sie belagert wurden. Da sie aber die zerstreuten Ihrigen sich wieder sammeln sahen, faßten sie neuen Mut und griffen ausfallend das römische Heer an. Weil sie dem Angriff der Mauren nicht widerstehen konnten, verhandelten sie um Frieden, worauf Philippus leicht einging und wieder abzog.

Eckhel nimmt nun (p. 320) an, dieser Feldzug habe bereits im Jahr 245 begonnen und bis in das Jahr 247 gedauert.

Allein die (daselbst beschriebene) Münze aus dem zweiten Jahr der Tribunicia potestas bezeichnet durch das Kriegsgewand nur einen Ausmarsch, noch nicht den Beginn des Krieges. Auch die Münzen des Jahres 246 enthalten keinen unfehlbaren Beweis eines solchen, indem erst auf denen des Jahres 247 der Sieg über die Carpen (Vict. Carp.), und im Jahre 248 die Beinamen Germ. Max. und Carpic. Max. erscheinen.

Vielleicht ist daher anzunehmen, daß der Ausmarsch des Kaisers erst im Spätjahr 245 erfolgte, das Winterquartier bei Sirmium oder in dortiger Gegend genommen ward, das Jahr 246 über Kämpfen mit germanischen Scharen diesseit oder jenseits der Donau verging, die kaum von großem Belang gewesen sein dürften, der von Zosimus erwähnte Krieg mit den Carpen sowie der Friede aber in das Jahr 247 fielen, worauf der Senat dem Sieger erst jene im Jahre 248 erscheinenden Ehrennamen verlieh.

Auf Grund obiger Vorgänge Allerdings scheint auch noch das sechzehnte Kapitel des Jordanis auf die erwähnten Ereignisse sich zu beziehen. Diese höchst unzuverlässige Quelle wird jedoch später noch gewürdigt werden. ist nun folgende Vermutung aufzustellen.

Es war im Jahre 232 oder 233, als Severus Alexander die Nachricht eines allgemeinen gefährlichen Aufstandes der germanischen Völker an Rhein und Donau erhielt. Am Oberrhein muß die Gefahr am dringendsten gewesen sein, weil Alexander zuerst dahin zog: daß aber auch an der mittleren und niedern Donau die Feinde im römischen Gebiet hausten, beweist Maximins Marsch nach Sirmium im Jahre 237, dessen Vorbereitung zu einem neuen Feldzug und die Drohung, die Germanen bis zum Ozean zu vernichten.

Mit jenem allgemeinen Aufstand nun scheint Dexippus seine Geschichte der skythischen Kriege begonnen zu haben. Jedenfalls gehören die oben bemerkten Kämpfe in Mösien der ersten Hälfte des Jahres 238 an, sind daher noch als Folge desselben zu betrachten, der übrigens mehr in räuberischen Einfällen einzelner Völker oder Scharen, als in einem großen Bundeskrieg bestanden haben mag. Daß auch die Goten hierbei beteiligt waren, ist um deswillen vorauszusetzen, weil Dexippus die Geschichte seiner »skythischen« Kriege, in denen sie unbezweifelt die Hauptstelle einnahmen, schon mit obigem Ereignis begonnen hat; ja es dürfte kaum gewagt sein, ihnen die Eroberung und Zerstörung von Istropolis zuzuschreiben, das wahrscheinlich auch von der See her angegriffen wurde, deren sie ja, wie die Vor- und Folgezeit beweisen, kundig waren.

Was hierauf geschah, wissen wir nicht, finden aber schon vier Jahre später, im Jahre 242, wiederum und zwar viel tiefer im Lande, diesseit des Hämus in Thrakien Feinde – wohl dieselben –, welche diesmal aber durch Gordian gründlich geschlagen und vertrieben worden sein sollen. Vermutlich wirkte nun hierbei jener Menophilos mit, der sich in Aquileja so ausgezeichnet hatte, und behielt nachher den Befehl in der Provinz. Gordian aber mochte noch vor seinem Abzug mit den nach der Inschrift: »Victor Gothorum« zwar besiegten, aber immer noch gefährlichen Goten einen Friedens- und Subsidienvertrag geschlossen haben. Hierüber erbittert, sandten die Carpen die berichtete Gesandtschaft ab.

Die drei Jahre der Verwaltung des Menophilos, während deren sich diese nach Petrus Patricius ruhig verhielten, mußten nun Ende 245 oder Anfang 246 abgelaufen sein. Gerade um diese Zeit oder wenig später trat aber Philipps Krieg gegen die Carpen ein, der mit deren Besiegung endigte. Die Goten mögen damals, mit ihren jährlichen Subsidien zufrieden, ruhig geblieben sein: auch dürfte schon die Stellung des Philipp verliehenen Ehrennamens Germanicus vor Carpicus auf vorhergehende Kämpfe desselben mit germanischen Völkerschaften schließen lassen, die er hiernach also weiter aufwärts an der Donau, d. i. westlicher, getroffen haben müßte, während die Goten damals unzweifelhaft noch östlicher saßen.

Noch im Jahre 248 brachen Aufstände im Innern aus. Im Orient ward Jotapianus Nach Aur. Vict. c. 19. Nach Zosimus I, 20. Papianus., von dem mösischen und pannonischen Heer aber Marinus zum Kaiser ausgerufen. Als Philippus in solcher Bedrängnis den Senat um Hilfe oder, im Falle der Unzufriedenheit, um Annahme seiner Abdikation anging, erhob sich nur der durch Geburt, Amtswürde und jegliche Tugend gleich ausgezeichnete Decius, die Gefahr für gering erklärend. Der Erfolg bestätigte dies: die Nebenbuhler wurden ohne große Anstrengung beseitigt. Da jedoch Philippus die Zuchtlosigkeit der mösisch-pannonischen Legionen kannte, übertrug er Decius deren Befehl, den dieser im Vorgefühl der Folgen ablehnte: er ward aber zu dessen Übernahme gezwungen und – wohl mit einem neuen Heer – zur Züchtigung der Anhänger des Marinus dahin abgesandt.

Die Truppen, ihrer Schuld bewußt, glaubten der Strafe am sichersten zu entgehen und zugleich dem Reich einen großen Dienst zu leisten, wenn sie den ungleich tüchtigeren Decius zum Kaiser ausriefen, was dieser widerwillig annahm.

Philippus zog sogleich wider ihn aus. Bei Verona trafen sich die Heere. Das seine war das stärkere, aber Mut und bessere Führung bei den Gegnern. Philippus blieb, sein Sohn ward in Rom getötet. Decius bestieg den Thron. (Zosimus I, 20–22. Eutrop. IV, 3. Aurel. Vict. 28.)

Decius war in einem pannonischen Dorfe Bubalia bei Sirmium geboren, jedoch, wenn Zosimus wahr redet, von guter römischer Familie.

Seine Geschichte ist, mehr durch Widerspruch als durch Mangel der Quellen, ein mit Genauigkeit nicht zu lösendes Problem.

Nach dem Sieg bei Verona begab er sich, wie dies in der Natur der Sache lag und sowohl durch Aurelius Victor c. 29 als durch die von Eckhel, p. 342 beschriebene Münze bestätigt wird, nach Rom, wo er sogleich seinen Sohn Herennius Etruscus zum Cäsar ernennen ließ.

Von der Geschichte seiner Kriege berichtet Jordanis im sechzehnten Kapitel, nachdem er, wie gewöhnlich, eine Lobpreisung der Macht, der Gebietsausdehnung und des Heldentums der Goten vorausgeschickt, welche Vandalen, Markomannen und Quaden besiegt und zu Sklaven gemacht hätten, folgendes:

Unter des Philippus Regierung seien die Goten durch Entziehung der bisher genossenen Subsidien zum Losbruche gegen Rom bewogen worden.

Obwohl nämlich entfernt unter ihren Königen lebend, seien sie doch der römischen Republik verbündet (föderiert) gewesen und hätten jährliche Subsidien empfangen. Als nun deren König Ostrogotha, die Donau überschreitend, Mösien und Thrakien geplündert habe, sei der Senator Decius von Philippus zu dessen Zurücktreibung gesandt worden.

Nachdem dieser hierauf die Soldaten wegen Vernachlässigung ihrer Pflichten dadurch gestraft, daß er sie, des Militärdienstes sie entbindend, als Privatleute habe leben lassen (milites proprios exemptos a militia fecit vita privata degere), sei er zu Philippus zurückgekehrt.

Die Soldaten, hierüber erbittert, seien zu Ostrogotha übergegangen, der hierauf, von ihnen angetrieben, ein Heer von 30 000 Mann zur Schlacht geführt habe, worunter auch Thaifalen und Asdingen nebst 3000 Carpen gewesen seien.

Goten und Peukinen von der Insel Peuke unter sich vereinend habe er hierauf Argait und Guntherich, den Edelsten seines Volkes, deren Führung übertragen, welche bald auf einer Furt (?) durch die Donau gehend, Mösien geplündert und dessen Hauptstadt Marcianopel (etwa fünf bis sechs Meilen westlich von dem heutigen Varna und dem schwarzen Meer) belagert hätten, aber, da die Belagerten sich losgekauft, wieder abgezogen seien.

Im siebzehnten Kapitel beschreibt nun Jordanis den Krieg zwischen den stammverwandten Gepiden und Goten.

Fastida, König der Gepiden (s. oben), nachdem er sein Reich bereits durch Eroberung vergrößert, die Burgundionen auf das Haupt geschlagen, auch einige andere Völker bezwungen, habe vom Könige Ostrogotha, welchem damals sowohl die Ost- als Westgoten, desselben Namens Völker, unterworfen gewesen, durch Gesandte gefordert, daß er ihm entweder Land abtrete, weil das seinige, von rauhen Gebirgen und dichten Wäldern umschlossen, dem Volke nicht genüge Auch diese Stelle zeigt wieder höchst lehrreich, wie Mangel an Land oder wenigstens an dankbar und leicht zu bebauendem Land eine Hauptursache zur gewaltsamen Ausbreitung der Völker war, wobei Stammverwandtschaft den Frieden nicht gegen die Folgen des Hungers schützen konnte: das halb Sagenhafte des Berichts hebt diese Bedeutung desselben nicht auf. ( D.), oder sich auf Krieg gefaßt halte.

Der Gotenkönig erwiderte, so schrecklich ihm auch ein Krieg mit Stammbrüdern sei, so werde er doch kein Land abtreten.

Hierauf hätten die Gepiden den Krieg begonnen und sei es bei der Stadt Galtis am Fluß Aucha zur Schlacht gekommen, in der beide Teile mit gleichem Mut gefochten, die bessere Sache und der lebendigere Geist aber für die Goten, daher das Gepidenheer bereits im Nachteil gewesen sei, als die Nacht die Streitenden getrennt habe. Fastida sei hierauf, so beschämt als vorher übermütig, in seine Heimat zurückgekehrt, auch das Gotenvolk aber, mit diesem Abzug zufrieden, so lange Ostrogotha regierte, ruhig in seinen alten Sitzen verblieben.

Wir bemerken hierbei, daß die Beschreibung des Sitzes der Gepiden deutlich auf Siebenbürgen hinweist, das sie jedoch nur teilweise innegehabt haben können, da die festen Plätze mindestens und gewiß auch deren nächste Umgebungen bis zu Aurelian in den Händen der Römer blieben.

Im achtzehnten Kapitel fährt nun Jordanis also fort:

Nach Ostrogothas Tod teilte dessen Nachfolger Kniva das Heer in zwei Teile, schickte ein Korps (nonnullos) zur Verwüstung der durch die nachlässigen Kaiser von Truppen entblößten Provinz Mösien ab und rückte selbst mit 10 000 Mann vor ad Novas (an der Donau auf dem rechten Ufer, eine Meile westlich des Einflusses des Iatrus). Von hier durch den dort kommandierenden Gallus abgetrieben, marschierte er nach Nikopolis am Iatrus, etwa fünf Meilen südlicher. Als ihm hier der Kaiser Decius entgegenrückte, zog sich Kniva in den nahen Hämus zurück und durch dessen Pässe gen Philippopolis (das heute noch diesen, von Philipp, Alexanders des Großen Vater, herrührenden Namen führt), zu dessen Belagerung er alles vorbereitete. Auch Decius überschritt nun, zum Entsatz der Stadt, den Hämus und kam bei Berroe, zehn Meilen nordöstlich von Philippopel an (das in den Vorbergen des Hämus am Slujudere, etwa 44° 16' nördl. Br. und 43° 28' östl. Länge gelegen haben soll). Hier stürzte sich Kniva mit den Goten wie ein Blitz auf ihn, und trieb, nachdem er das Heer zerstreut hatte, den Kaiser mit den wenigen, die entkommen konnten, wieder über die Berge nach Mösien zurück, wo Gallus als Verteidiger des Limes (Donau) mit zahlreichen Truppen stand. Hier sammelte Decius, selbst feindliche Scharen anwerbend, wiederum ein Heer. Kniva nahm indes das lange belagerte Philippopel mit vieler Beute ein und verband sich gegen Decius mit dem darin kommandierenden Priscus.

Als es zur Schlacht kam, ward sogleich des Decius Sohn, schon durch einen Pfeilschuß verwundet, getötet, worauf der Vater gesagt haben soll: »Traure Niemand! Der Verlust eines Soldaten schwächt den Staat nicht.«

Gleichwohl habe er, von Vaterschmerz ergriffen, sich auf die Feinde geworfen, um Tod oder Rache zu suchen, und sei, übereilt in eine mösische Stadt dringend, von den Goten umringt und getötet worden.

Wir lassen hierauf des Zosimus Bericht folgen, der (I, 23) also lautet:

»Da durch Philipps Verwahrlosung alles in größter Zerrüttung war, gingen die Skyten über die Donau Zosimus nennt hier den Tanais (Don), der gegen hundert Meilen vom Kriegsschauplatz entfernt ist, wobei die Namensverwechslung außer allem Zweifel steht. und verheerten, Beute machend, die Umgegend Thrakiens.

Decius aber griff sie an, blieb Sieger in allen Schlachten, nahm ihnen die gewonnene Beute wieder ab und beabsichtigte nun, ihnen den Rückweg abzuschneiden und sie dadurch, zu Verhütung neuer Einfälle, gründlich zu vernichten. Nachdem er demgemäß den Gallus mit hinreichenden Streitkräften an der Donau aufgestellt hatte, rückte er mit dem Rest des Heeres den Feinden entgegen. In dieser günstigen Lage der Dinge wandte sich Gallus zu Verrat und Herrschaftsgelüsten und lud die Barbaren ein, sich mit ihm zur Hinterlist gegen Decius zu verbünden, worauf diese begierig eingingen, indes Gallus das Donauufer bewachte.

Die Goten stellten hierauf ihre Armee in drei Treffen, deren erstes durch einen Sumpf in der Front gedeckt war. Nachdem Decius viele derselben getötet, rückte das zweite vor. Nachdem auch dieses gewichen, ließen sich nur wenige des dritten in der Nähe des Sumpfes wahrnehmen. Hierauf bewog Gallus den Kaiser, auch diese sofort anzugreifen, worauf derselbe, des Terrains unkundig (das er wohl durch jenen rekognosziert glaubte), unvorsichtig einging, sogleich aber mit den Seinigen im Morast stecken blieb und, von den Barbaren allerseits beschossen, samt seinem Heer, von dem keiner entfliehen konnte, umkam.«

Aus Aurelius Victor (c. 29) wissen wir nur, daß Decius durch Verrat umkam, dessen Urheber er Brutus nennt, was entweder Irrtum oder ein Nebenname des Gallus gewesen sein muß, der auf dessen Münzen jedoch nicht vorkommt; auch führt derselbe die vorstehend aus Jordanis berichtete Erzählung von des jüngeren Decius früherem Tod an, welche letzterer vielleicht aus ersterem entlehnt haben dürfte.

Der zweite Victor in der Epitome bestätigt nur des Decius Tod in einem Sumpf.

Syncellus (Chronographie, p. 705 der Bonn. Ausg.) läßt Decius auf der Verfolgung der rückweichenden Goten bei der Stadt Abrytus, genannt Forum Terebronu, während der Nacht getötet werden. Letzteres läßt sich mit den andern Berichten vereinigen, da die Schlacht bis in den Abend hinein gedauert haben kann. Die genauere Lage des sonst unbekannten Abrytus aber ist nicht zu ermitteln.

Noch darf hier ein Zeugnis des Ammianus Marcellinus nicht übergangen werden. Nachdem dieser die schwere Niederlage des Lupicinus durch die Goten (nicht lange vor der Schlacht bei Adrianopel im Jahre 378, in welcher Kaiser Valens blieb) berichtet hat, bemerkt er, um den Irrtum seiner geschichts-unkundigen Zeitgenossen, daß solche Unfälle früher nicht vorgekommen, zu berichtigen, bis auf die Kimbrern und Teutonen zurückgehend (XXX, c. 5) von den Goten weiterhin folgendes:

»Nachdem die Scharen skytischer Völker mit 2000 Schiffen durch den Bosporus (den thrakischen) und die Propontis geschifft waren, brachten sie uns allerdings zu Land und zu Wasser schwere Niederlagen bei, kehrten aber, nach Verlust des größten Teils der Ihrigen, wieder zurück. Im Kampf mit den Barbaren fielen die Kaiser Decius, Vater und Sohn.

Belagert wurden die Städte Pamphiliens, viele Inseln geplündert, Makedonien durch Feuer verheert, Thessalonich von der ganzen Menge umschlossen, und ebenso Kyzikus, Anchialus und zu gleicher Zeit Nikopolis, das Trajan als Siegesdenkmal gegen die Daken gründete, eingenommen. Nach vielen und grausen erlittenen und erteilten Niederlagen ward auch Philippopolis zerstört, in dessen Mauern, wenn die Jahrbücher wahr reden, 100 000 Menschen hingeschlachtet wurden. Zügellos schweiften die auswärtigen Feinde durch Epirus, Thessalien und ganz Griechenland. Als aber Claudius, der ruhmreiche Feldherr, zur Herrschaft gelangte und nach dessen frühem ehrenvollen Tode Aurelian, der Rächer der Unbilde, ihm folgte und sie vertrieb, blieben sie lange (per secula ist Phrase) unbeweglich, nur daß noch Räuberscharen, aber seltener und zu eignem Verderben, die Nachbargegenden heimsuchten.«

Ammian schreibt hier nicht die Geschichte seiner Zeit, worin er so zuverlässig ist, sondern schweift in einem historischen Rückblick auf frühere Ereignisse ab, bei welchen er auf Detailgenauigkeit überhaupt keinen Wert legte, daher auch streng chronologische Aufführungen derselben entweder nicht nötig erachtete oder aus eigner Unkunde darin fehlte, was bei den Geschichtsquellen der Alten, die genauer Zeitangabe meist entbehren, so leicht möglich war.

Offenbar nämlich gehört jener großartige Einfall zur See erst der spätern Zeit des Gallienus an, so daß des Decius Fall, welchen Ammian gleichwohl erst nachher erwähnt, diesem umgekehrt voraus ging. Ebensowohl könnte daher auch die wenngleich zuletzt aufgeführte Einnahme Philippopels dieselbe sein, welche Jordanis als schon unter Decius geschehen berichtet, was dadurch unterstützt wird, daß die Quellen einer solchen weiterhin nirgends gedenken.

Des Jordanis Hauptquelle, Cassiodors Geschichte der Goten, war nicht unbefangen, sondern Tendenzschrift, enthielt aber, soweit derselbe nicht mit Absicht verschwieg oder entstellte, reiches und treffliches Material. Diese hat Jordanis, zum Behufe seines Auszugs, nur drei Tage in Händen gehabt, und (da er von einem vollständigen, in solcher Zeit an sich unmöglichen Exzerpt derselben nicht spricht) im Wesentlichen gewiß nur aus dem Gedächtnis benutzt, die Lücken und Unsicherheiten seiner Erinnerung aus andern griechischen und lateinischen Schriftstellern zu ergänzen gesucht, dabei aber groben Mangel an Kritik bewiesen.

Zosimus war ein gebildeter Grieche und Staatsmann, da er zu der teils der zweiten, teils der dritten Rangklasse angehörigen Zivil- und Militärwürde eines Comes gelangt war. Er lebte unter Theodosius d. J. (der 450 starb) oder nach einer andern, jedoch anscheinend minder begründeten Meinung unter Anastasius (von 491 bis 518) und schloß seine Geschichte um das Jahr 410, war also über hundert oder mindestens gegen fünfzig Jahre jünger als Jordanis. Sein Werk in sechs Büchern: Neue Geschichten (ιστορίαι νέαι) beginnt im ersten Buche von Octavian bis Diocletian in äußerster Dürftigkeit, wird aber, je mehr er sich, im zweiten, dem vierten Jahrhundert nähert, um so reichhaltiger, daher zu einer der wichtigsten Quellen für dieses.

Die von Jordanis (c. 16) erwähnte Sendung des Decius gegen die Goten durch Philippus ist in keinem Fall mit der von Zosimus (c. 21) berichteten im Jahre 248 oder 249 identisch, da ersterer, nach Jordanis, wieder zurückgekehrt, nach letzterem aber, was auch sonst unzweifelhaft, sogleich zum Kaiser ausgerufen wird, vor allem aber auch zwischen 248 oder Anfang 249 und 250, wo der große Krieg gegen die Goten unzweifelhaft entbrannte, der von Jordanis im siebzehnten Kapitel erzählte Krieg zwischen den Gepiden und Goten, Ostrogothas Tod und Knivas Regierungsantritt keinen Raum finden könnten.

Der wahrscheinlichste Zusammenhang ist, daß Philippus, durch Besiegung der Carpen im Jahre 246 mutvoller geworden, die Subsidienzahlung an die Goten, die ja auch durch Petrus Patricius bezeugt wird, gekündigt oder doch geschmälert und bald darauf, da sich die Goten zu regen anfingen, Decius in einem außerordentlichen Auftrag an das Heer gesandt, dieser aber einige der zuchtlosen Soldaten mit Kassation bestraft habe, in dessen Folge diese zu den Goten überliefen. Um diese Zeit, etwa Ende 247 oder 248, mag aber auch der Krieg der Gepiden gegen die Goten ausgebrochen sein und letztere von den Feindseligkeiten gegen die Römer abgezogen haben, so daß diese erst im Jahre 250 wirklich begannen.

In der Geschichte des Kriegsverlaufs sind beide Schriftsteller im Wesentlichen übereinstimmender, als es auf den ersten Blick scheint.

Daß Jordanis die Goten stets siegen läßt, kann nicht auffallen, indes mögen andererseits auch die römischen Quellen, welche Zosimus benutzte, nicht unbefangen gewesen sein.

Dagegen wird – und das ist das Wesentlichste – der von Zosimus angegebene großartige Operationsplan des Kaisers, den Goten ihre Rückzugslinie abzuschneiden und sie dadurch vollständig zu vernichten, durch die von Jordanis angeführten Tatsachen vollkommen bestätigt. Mit strategischer Klugheit ließ er die Feinde durch den Hämus vor Philippopel ziehen, um sie dort sich schwächen zu lassen. Jordanis' Sieg der Goten bei Berroe mag höchst übertrieben sein. Philippopel aber, auf dessen feste Haltung Decius mit Grund rechnen durfte, ist nach Jordanis offenbar durch des Priscus Dies war selbstredend nicht des Philippus Bruder, der im Orient kommandiert hatte und wahrscheinlich getötet, jedenfalls nach jenes Sturz außer Dienst war, sondern nach Aurelius Victor a. a. O. der Legat von Makedonien, Julius Priscus, dem dieser sogar die Kaiserwürde übertragen läßt, was, wenn überhaupt wahr, nur ganz ephemer gewesen sein könnte. Verrat übergegangen, was auch durch Aurelius Victor, obwohl dieser hierin etwas dunkel ist, bestätigt wird.

Die Geschichte der Entscheidungsschlacht wird in beiden Quellen verschieden, aber ohne inneren Widerspruch, berichtet. In des Zosimus ausführlicherem Bericht fällt es auf, daß ein Sumpf die Front der ersten Schlachtlinie der Goten gedeckt habe und doch wieder die dritte d. i. die Reserve (also im Rücken der ersten) in oder hinter einem Sumpf gestanden habe.

Das aber war ja eben die mit Gallus verabredete Hinterlist, daß Decius bei Aufstellung der beiden ersten Treffen zwischen zwei Sümpfen, durch das leichte Passieren oder Umgehen des vorderen sicher gemacht, von der Leidenschaft des Sieges fortgerissen und des Gallus verräterischer Meldung vertrauend, in den hinteren, ungleich gefährlicheren, sich stürzen sollte, worin er denn auch seinen Untergang fand.

(Für den Aufschwung des germanischen Angriffs sind unzweifelhaft der markomannische Krieg und die Zuwanderung der Goten eine entscheidende Steigerung, der Untergang des Decius mit seinem Heer ein bedeutsames Zeichen gewesen. D.)

Immer noch aber waren selbst um diese Zeit die Germanen der Kriegskunst Roms nicht gewachsen: nur im Verein mit dessen steigender innerer Verderbnis, Zuchtlosigkeit der Soldaten und Verrat der Führer, vermochten sie jetzt schon zu siegen. In anderem daher, nämlich in der Vielseitigkeit und Zahllosigkeit ihrer stets erneuerten Angriffe, gegen welche die römischen Grenzwehren und Streitkräfte unzureichend waren, äußerte sich deren Überlegenheit.

Dies selbst durch die glänzendsten Siege nicht aufzuhebende Mißverhältnis zwischen der Unermüdlichkeit des Angriffs und der aufreibenden Verteidigung war es, woran Rom bald immer tiefer sank: (diesen unermüdlich wiederholten Angriff aber bewirkte die Not, die stärkste aller Göttinnen. D.).

Gallus Über Gallus sind die Quellen teils ganz dürftig, teils widersprechend. Hinsichtlich der schwankenden Chronologie s. Eckhel, p. 364–365. erntete die Frucht seines Verrats, dem bald aber die verdiente Vergeltung erfolgte. Er schloß sogleich mit den Goten den schimpflichsten Frieden. Freier Abzug mit aller Beute und allen Gefangenen, unter denen von der Einnahme Philippopels her viele edle Römer waren, und ein jährlicher Tribut ward ihnen bewilligt, mit welchen Trophäen er – so tief war Rom gesunken – im Jahre 252 in die Stadt zurückkehrte. (Zosimus I, 24 u. 25.)

Neue Einfälle der Barbaren, wohl der in den Gotenfrieden nicht mit eingeschlossenen oder sich unter Vorwänden davon lossagenden, trafen das unglückliche, zugleich durch die Pest verheerte Mösien. Da suchte Aemilianus, der Befehlshaber daselbst, zunächst mit aller Anstrengung den tiefgesunkenen Mut der Soldaten wieder aufzurichten, überfiel hierauf plötzlich eine Schar der Feinde, hieb sie größtenteils nieder und verfolgte sie in ihr Land (gewiß nur über die Donau), wo er unvermutet anlangend deren noch viele vernichtete.

Infolgedessen ward er gegen Ende Juli 253 oder Mitte Oktober dieses Jahres von seinem Heer zum Kaiser ausgerufen, worauf er sogleich nach Italien marschierte, wo er gegen Ende des Jahres angelangt sein soll. Gallus zog ihm nicht nur selbst entgegen, sondern berief auch den bereits unter Decius erwähnten Valerianus aus Gallien zu Hilfe. Doch war dieser noch nicht heran, als sich die Heere schon bei Interamnae (dem heutigen Terni, etwa zehn Meilen von Rom) trafen. Da erntete Gallus, was er gesäet. Seine eignen Soldaten, obwohl an Zahl dem Feind überlegen, ihren Herrscher aber verachtend, stießen ihn mit seinem Sohne nieder und gingen zu Aemilianus über. Schon aber rückte Valerianus mit den gallischen und germanischen Legionen aus Rätien heran, da ward auch Aemilianus, weil er nach Zosimus »mehr militärisch als kaiserlich« regierte, von seinen eignen Truppen getötet.

So gelangte Valerian, dem sogleich alles zufiel, zur Herrschaft.

Als Beweis von des Jordanis Unwissenheit in allem, wo er nicht abschrieb, sei hier noch angeführt, daß er am Schluß des neunzehnten Kapitels nach des Gallus Tod sogleich Gallienus den Thron besteigen läßt, also Valerians so merkwürdige sechsjährige Regierung völlig ignoriert.

Über die nun folgende Regierungszeit des Valerian und des Gallienus sind, wie schon der alte Mascov sagt, die Quellen gerade so verworren, wie die Zustände des Reichs in dieser Periode.

Willig erkannte der Senat Valerian, in dem sich edle Geburt mit hohem Verdienste vereinigte, etwa im April 254 als Kaiser an.

Die Lage des Reiches war sehr übel. Aufgeregt durch die Deciusschlacht drängten von außen allerseits die Barbaren heran, im Westen Franken, Alemannen, Markomannen, von Norden her die Goten, denen sich stammverwandte und fremde Völker als Raubgenossen anschlossen, von Osten her der Sassanide Sapor mit unermeßlicher Heeresmacht. Dazu im Innern die Pest.

Da erschien Teilung der Aufgabe die nächste Pflicht. Valerian übertrug seinem bald zum Mitherrscher ernannten vierunddreißigjährigen Sohne Gallienus den Befehl in Europa, vor allem die Abwehr der Germanen vom Rhein, gegen welche derselbe in Begleitung des Vaters noch im Jahre 253 selbst schon im Feld gestanden hatte.

Ungleich dringender war die Gefahr in Osten, wo der Verlust herrlicher Provinzen, vielleicht ganz Asiens zu drohen schien. Darum behielt der Kaiser die Abwehr Sapors, daneben aber gewiß auch die Oberleitung des Ganzen, namentlich die Wahl der Provinzialstatthalter und Feldherren, sich selbst vor.

In den nächsten zwei Jahren schien der Sohn seine Aufgabe besser zu erfüllen, als der Vater.

Unterstützt durch den ausgezeichnet tüchtigen Postumus, welchen Valerian ihm als leitenden Ratgeber beigegeben hatte, und durch Aurelian, aus dem damals schon die künftige Größe hervorleuchtete, beschirmte er im Wesentlichen die Rheingrenze, schlug die Eindringlinge und nahm wohl sogar einen Teil des bereits von den Alemannen besetzten Zehntlandes, wahrscheinlich bis zum Neckar, an welchem die Festungen hergestellt wurden, wieder ein. Aber als die Feinde, gewiß meist Markomannen und Alemannen, auch in Italien einbrachen, war Gallienus dem Widerstände mit seinem geschwächten Heere nicht mehr gewachsen. Einige Ruhe gewann er durch Vertrag, indem er von dem Markomannenkönig Attalus, gegen Abtretung eines Teils von Oberpannonien, den Frieden und die Hand von dessen Tochter Pipa einhandelte, die von dem an als zweite Gemahlin, geliebter, aber nicht so geehrt als die Kaiserin Salonina, ihm zur Seite stand.

Auch im Norden scheint die Abwehr der Barbaren von der Donau im Wesentlichen wenigstens gelungen, das jenseitige Dakien aber, wo nicht ganz, doch größtenteils schon in deren Händen gewesen zu sein. Es findet sich in den Quellen dieser Zeit keine Spur, daß die Herrschaft der Römer damals noch über die Donau hinaus sich erstreckt habe. Doch ergibt sich aus den Berichten über Aurelian, daß dieser bei Aufgebung der Provinz Dakien die römischen Bewohner weggeführt habe. Wahrscheinlich waren daher die festen Plätze Siebenbürgens, das den Römern wegen seiner Goldbergwerke so wichtig war, nebst den nächsten Umgebungen noch in deren Besitz. In keinem Falle kann diese Frage übrigens durch die vage Äußerung Eutrops IX, 8, der von Gallienus' Zeit sagt: Dacia amissa est, für entschieden angesehen werden, da aus allgemeinen Phrasen der Epitomatoren niemals mit Sicherheit auf die Richtigkeit der daraus abzuleitenden Details geschlossen werden kann.

Desto schlimmer stand es damals (254–256) im Osten vermöge der Fortschritte Sapors. In dieselbe Zeit fallen die gotischen Raubfahrten nach Kleinasien, die unten ausführlich zu berichten sind.

Das Jahr 258 fügte zu den schon vorhandenen Übeln, dem äußeren Feind und der Seuche, noch ein drittes: Empörung und Bürgerkrieg. Ingenuus, der Legat von Pannonien, ließ sich zum Kaiser ausrufen, ward aber von Gallienus, der flugs vom Rhein herbeieilte, geschlagen, und auch dessen Nachfolger in der Usurpation, Regalian, bald getötet. Kaum aber hatte jener den Westen verlassen, als sich ein tüchtigerer Mann wider ihn erhob, Postumus, den er aus Eifersucht durch Zurücksetzung erbittert haben mochte. Von dem rückkehrenden Kaiser sogleich bekämpft, oft geschlagen, aber nie überwunden, behauptete dieser zehn Jahre lang das Kaiserreich des Westens, wozu außer Gallien noch Spanien gehörte, bis er von seinen eignen Leuten, weil er ihnen die Plünderung von Mainz versagte, im Jahre 257 niedergestoßen ward. Die Quellen nennen ihn den Retter Galliens: aber nicht ganz mit Grund, weil dies während des Bürgerkrieges von dem äußeren Feind gewiß schlimmer heimgesucht ward, als wenn Postumus, in Treue beharrend, alle Kraft nur der Verteidigung zugewendet hätte.

Sein Empörungswerk durch des Gallienus Besiegung zu vollenden und zu legitimieren hat Postumus nie vermocht. In seinem Gebiet mag er geachtet, ja geliebt worden sein: die Kraft zu erfolgreichem Widerstand haben ihm nur germanische Söldner, vor allem Franken, gewährt.

In demselben Jahr 258 zog Valerian, um das unglückliche Bithynien von den plündernden und sengenden Goten zu befreien, nach Kleinasien zurück, fand sie jedoch nicht mehr und begab sich zu einer Beratung mit seinem Unterfeldherrn nach Byzanz. Bald darauf brach die Pest auf das Furchtbarste in seinem Heer aus und Sapor überzog wieder römisches Gebiet. Valerians letzte Schicksale sind in Dunkel gehüllt: wir wissen nur, daß er im Herbst 260, unzweifelhaft durch Verrat, von Sapor gefangengenommen wurde und bis an sein unbekanntes Ende in schmachvollen Fesseln blieb.

Das wirkte wie eine Wiederholung der Deciusschlacht. Gleichzeitig brachen die Franken in Gallien, die Alemannen durch Rätien, die Markomannen durch Noricum in Italien, die Goten mit ihren Raubgenossen in Mösien, Thrakien, Makedonien und Asien ein. Jene griffen die Armee, welche der zitternde Senat zum Schutze Roms rasch improvisiert hatte, gar nicht an, sondern begnügten sich, Ober- und Mittelitalien zu plündern, woraus sie endlich gegen Ende 261 der über die Alpen herbeieilende Gallienus wieder vertrieb.

Im Jahre 265 nahm der durch Gallienus bedrängte Postumus Victorinus als Mitregenten an. Gegen beide erhob sich aber im Jahre 267 Lälianus, der, von Postumus geschlagen, nach dessen Tode doch zur Herrschaft gelangt, nach wenigen Monaten von seinen eignen Leuten wieder getötet ward. So blieb Alleinherrscher des Westens Victorinus, den bald darauf ein Privatfeind niederstieß. Nun machte seine Mutter Victorina, ein so tüchtiges als intrigantes Weib, welche die Soldatengunst zu gewinnen gewußt hatte, die Kaiser des Westens, indem sie zuerst Marius, einen gemeinen Haudegen, Schmied seines Handwerks, und, als dieser bald ermordet ward, einen vornehmen Römer, den Senator Tetricus, dazu erhob, der die Macht bis zu Aurelians Regierung behauptete.

In derselben Zeit fielen die Heruler und Goten in Thrakien und Makedonien ein, wurden zwar, zu Lande und zur See geschlagen, nach Asien verdrängt, setzten aber bald wieder von da nach Griechenland hinüber, das sie diesmal fürchterlicher als je verwüsteten, Athen, Korinth, Argos und Sparta, die einst so blühenden Städte, in Brand steckend. Auf dem Rückzuge mit ihrer Beute aber wandte sich das Glück, indem der geschickte Feldherr der Athener, der Historiker Dexippus, ihnen eine tüchtige Niederlage beibrachte, welche der inzwischen zur Hilfe herbeigeeilte Gallienus noch vollendete, indem er einen Teil ihres Heeres an der Grenze Thrakiens und Makedoniens niederhieb.

Dies aber war die letzte seiner Taten.

Der gegen die »Tyrannen« des Westens bei Mailand stehende Aureolus, einer der tüchtigsten Feldherren, der Gallienus bisher die größten Dienste wider jene geleistet hatte, pflanzte nun auch die Fahne des Aufruhrs auf. Im Flug eilte der Kaiser herbei. Aber die Ersten der Generale, seiner überdrüssig, verschworen sich gegen ihn. Man läßt ihm melden, der Feind rücke heran: ungestümen Eifers sprengt er, fast unbegleitet, diesem entgegen, trifft aber auf die Mordschar, deren Führer, der dalmatische Reiteroberst Cecrops, ihn niederstößt. Dies geschah im März 268.

Nachdem Zosimus (c. 20), wo er zum ersten Mal der jenseits der Donau wohnenden Nordvölker gedenkt, nur die Carpen (s. oben) genannt hat, spricht er Kap. 23, 26, 28 u. 29 von den Skythen (griechische Gesamtbezeichnung jener Völker im Allgemeinen, weshalb auch in der Bibel (Brief an die Kolosser 3, 11) Ungriechen und Skythen den Griechen und Juden gegenübergestellt werden), sagt aber schon Kap. 27: die Goten, Boranen, Urugunden und Carpen fielen wiederum (αυ̃θις, obwohl er dieselben vorher noch nicht erwähnt hat) verheerend in Europa ein.

Die wichtigste dieser Stellen ist Kap. 26, worin er folgendes anführt: »Indes Gallus sorglos die Regierung führte, setzten die Skythen zuerst die ihnen benachbarten Völker in Schrecken; allmählich dann in ihrem Zug vorrückend verheerten sie alles bis zum Meer, so daß keins der den Römern unterworfenen Völker unverheert blieb, und jede durch Mauern nicht geschützte Stadt, aber auch viele der befestigten von ihnen eingenommen wurden.« Selbstredend sind hier nur die Völker und Städte Dakiens, insbesondere des östlichen, gemeint.

Dieser Bericht würde sinnlos sein, wenn man ihn nur auf die Ereignisse der ersten 1½ Jahre von Gallus' Regierung – denn im Sommer 253 wurden die Skythen wieder aus dem römischen Gebiete vertrieben (s. oben) – beziehen wollte.

Gibt doch, ohne bis auf Caracalla, Severus Alexander und Maximin (unter welchen letztern, nach Dexippus, der große skythische Krieg begann) zurückzugehen, die Kriegsgeschichte klare Funde, von deren Einfällen, Eroberungen und Siegen nicht nur in Dakien, sondern selbst in den altrömischen Provinzen Mösien und Thrakien. Wie hätte Zosimus, nachdem er im 23. Kapitel die Deciusschlacht berichtet, im 26. den Anfang der skythischen Einbrüche in die Zeit von Gallus setzen können?

Desto wichtiger wird diese Stelle, wenn wir darin nur einen kurzen – freilich etwas ungeschickt eingewebten – Abriß der Geschichte des Wachstums der gotischen Macht überhaupt erblicken.

Die Urbewohner des von den Goten eingenommenen Landes am Nordrande des Pontus westlich der Mäotis waren Skythen oder Sarmaten In der Regel nur verschiedene Bezeichnungen eines und desselben Hauptstammes (s. Plinius d. Ält. IV, 12 und Zeuß, S. 283), obwohl man solche bisweilen auch als Spezialnamen für verschiedene Zweige desselben Volkes gebraucht haben dürfte., die von ersteren meist verdrängt, teilweise aber auch unterworfen Keine Unterwerfung römischer Art, nur eine gewisse politische Unterordnung mit Erhaltung nationaler Selbständigkeit. Regelmäßig mußten die Unterworfenen Land abtreten und Tribut zahlen. sein dürften, wohin wir namentlich einen Teil der Alanen und Roxalanen zu rechnen haben.

Von hier drangen jene, der Natur der Sache, wie der Geschichte zufolge, gen Westen vor.

Hier stießen sie zuerst auf thrakische Völker jenseits des Tyras oder Dnjestr, denen wir auch die Tyrigeten (am Tyras) lieber als den Sarmaten zuzählen möchten (vergl. jedoch Zeuß, S. 279–281).

Den Dnjestr in seinem mittleren oder unteren Lauf überschreitend gelangten sie in den östlichen Teil der römischen Provinz Dakien (Bessarabien und Moldau). Hier mögen die Völker großenteils nur in einem ziemlich losen Untertänigkeitsverhältnis zu Rom gestanden haben. Gewiß waren diese daher die von Zosimus erwähnten »benachbarten«, wider welche die Goten ihre Überlegenheit wandten, und sie, ohne jedoch deren nationale Unabhängigkeit zu vernichten, meistens dahin brachten, mit ihnen gegen Rom zu halten.

Dieser Teil Dakiens war es denn auch besonders, wo sie, nach Zosimus, alle Städte, bis auf einen Teil der befestigten einnahmen, welche letztere wohl meist von den Römern besetzt gewesen sein mögen.

So weit müssen die Goten aber bereits gewesen sein, als sie stärkere und wiederholtere Angriffe auf die römischen Provinzen jenseits der Donau richteten, was doch erst in den letzten Jahren von Severus Alexander, besonders aber unter Maximin und Gordian geschehen zu sein scheint.

Erst im 28. Kapitel läßt Zosimus (obwohl dessen Chronologie nie zuverlässig ist) nun anscheinend im Jahre 203 die Skythen auch nach Asien übersetzen.

Im 31. Kapitel nennt er die Boranen, Goten, Carpen und Urugunden. Er bemerkt von ihnen, daß sie keinen Teil Italiens und Illyricums unverwüstet gelassen hätten, da sich ihnen Niemand entgegengestellt habe, was nach der Reihenfolge seiner Erzählung, die freilich stets unsicher ist, in das Jahr 254 fallen würde.

Die angebliche allgemeine Verwüstung Italiens muß indes Übertreibung sein und sich höchstens auf Raubfahrten einzelner Piratenführer von den illyrischen Küsten aus beschränken, da Einfälle zu Lande über die julischen Alpen fast undenkbar sind, von Norden her zu jener Zeit vielmehr wohl nur die anwohnenden Alemannen und Markomannen in Italien einbrachen.

Hierauf fährt Zosimus nun also fort:

»Die Boranen versuchten auch den Übergang nach Asien. Dies bewirkten sie leicht durch die Bewohner des Bosporus (der Krim), die ihnen, mehr aus Furcht als freiem Willen, Schiffe gaben, auch die Überfahrt leiteten. So lange daselbst, in der Folge von Sohn auf Vater, Könige herrschten, beharrten diese, teils aus Treue, teils wegen der günstigen Handelslage ihrer Häfen, teils wegen der Geschenke, die sie jährlich von den Kaisern empfingen, in der Abwehr (διετέλουν είργοντες) der nach Asien übersetzen wollenden Skythen. Als aber, nach dem Untergang des königlichen Geschlechts, einige Unwürdige und Verächtliche die Regierung führten, gestatteten diese, aus Furcht für sich, den Skythen den Durchzug nach Asien, und führten sie sogar auf ihren eigenen Schiffen hinüber, welche sie dann wieder heimkehrend mit zurücknahmen.«

Auch dieser Bericht bezieht sich wiederum, wie der im 26. Kapitel, nicht allein auf den damaligen speziellen Fall, ist vielmehr nur eine hier eingeflochtene allgemeine Erzählung der Art und Weise, wie jene Völker den Übergang nach Asien ins Werk setzten. Hat doch Zosimus kurz vorher in demselben Kapitel schon einen früheren ähnlichen Einfall der Skythen in Asien berichtet.

Wir glauben sogar nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß es selbst den früheren bosporanischen Königen nicht vollständig gelungen sein dürfte, allen Raubfahrten nach Asien Einhalt zu tun. Eine Schar kühner Abenteurer fiel mit Blitzesschnelle in das Land ein Dies war nicht bloß über die Landenge bei dem jetzigen Perekop, sondern auch vom Asowschen Meer her über die Landenge von Arabat möglich., und warf sich, große Städte und alle Orte eines zu besorgenden stärkeren Widerstandes vermeidend, auf eine unbefestigte Hafenstadt, deren Bewohner dann gewiß froh waren, sich durch zeitweilige Überlassung von Schiffen, wofür vielleicht sogar ein Beuteteil versprochen wurde, von der Plünderung loszukaufen.

Mit dem 32. Kapitel beginnt nun die eigentliche Spezialgeschichte der Ereignisse jener Zeit in folgendem:

»Von den alles, was ihnen vor die Faust kam, ausplündernden Skythen zog ein Teil nach der Mitte der ihnen gegenüberliegenden Küste (etwa in die Gegend von Sinope), die aber stark befestigt war, ein anderer Teil griff Pithyus (an der Ostküste des Pontus im heutigen Imeretien, 43° 10' nördl. Br.) an, das durch eine starke Mauer geschützt war und einen trefflichen Hafen hatte. Der dortige Befehlshaber Successianus aber trat ihnen mit seinen Truppen entgegen und schlug sie in die Flucht.

Fürchtend, daß die Besatzungen der übrigen Festungen, dies wahrnehmend, in Gemeinschaft mit jenem gegen sie sich wenden möchten, rafften sie alle Schiffe zusammen und kehrten, nach starkem Verlust, mit der größten Gefahr in die Heimat zurück.

Froh der Errettung hofften die Küstenbewohner bereits, daß jene Räuber nicht wiederkehren würden. Als aber Valerian den Successian zum Praefectus Praetorio ernannte und zu Wiederherstellung Antiochiens dahin berief, fielen die Skythen in Schiffen der Bosporaner aufs neue in Asien ein, behielten aber diesmal die Schiffe bei sich zurück. Sie landeten in der Nähe des Dianentempels am Phasis, welchen sie vergeblich einzunehmen suchten, und zogen darauf wieder nordwärts nach Pithyus.

Kap. 33: Mit Leichtigkeit ward dies jetzt eingenommen und jeder Besatzung beraubt, worauf sie weiter schifften. Bei der großen Menge von Fahrzeugen, die durch ruderkundige Gefangene bedient wurden, und der günstigsten Seefahrt während des nun eingetretenen Sommers kamen sie vor Trapezunt (etwa vierzig Meilen von Pithyus) an. In diese große und volkreiche Stadt hatte sich zu der Besatzung noch eine zahllose Menge Volks geflüchtet.

Die Belagerung begann, die Einnahme dieser durch eine doppelte Mauer geschützten Stadt aber schien kaum im Traum möglich. Als die Skythen jedoch die Sorglosigkeit und Schwelgerei der Garnison wahrnahmen, die nicht einmal die Mauern mehr ordentlich besetzte, schafften sie Nachts dazu vorbereitetes Holzwerk heran und erstiegen in geringer Zahl an einem zugänglichen Orte die Mauer. So ward die Stadt genommen, indem die Besatzung im panischen Schrecken der Überrumpelung teils aus den Toren flüchtete, teils niedergehauen ward. Unsäglich war die Beute an Geld und Gefangenen, da sich die Umwohner der ganzen Landschaft dahin geborgen hatten. Tempel und Gebäude, wie alles, was zur Verschönerung und Großartigkeit gereichte, ward zerstört.

Nachdem sie hierauf noch die Umgegend plündernd und verheerend durchstreift hatten, zogen sie in einer großen Menge von Schiffen wieder heim.«

Wir haben hier den Verlauf der Geschichte durch die chronologische Erörterung zu unterbrechen.

Valerian kann nicht vor Mitte des Jahres 256 das von Sapor eingenommene und zerstörte Antiochien wieder besetzt, also kaum vor dem Herbst dieses Jahres den tapferen Verteidiger von Pithyus nach dem neunzig bis hundert Meilen entfernten Antiochien berufen haben. Überdies läßt die Gefahr, welche die Skythen bei der Rückfahrt von dem verunglückten Raubzug erlitten, auf das Einbrechen der Äquinoktialstürme schließen. Der zweite Feldzug fiel, wie Zosimus ausdrücklich anführt, in den Sommer.

Hieraus ergibt sich nun für den ersten mit Sicherheit das Jahr 256, anscheinend dessen letztere Hälfte, für den zweiten aber das Jahr 257.

Kap. 34: »Da die den Heimgekehrten benachbarten Skythen die mitgebrachten Reichtümer erblickten, ergriff sie die Begier gleicher Wagnis.

Sie ließen durch Gefangene und gedungene Lohnarbeiter (wahrscheinlich aus der Krim oder von andern Küsten) Schiffe bauen. Dennoch beschlossen sie, sich nicht wie die Boranen einzuschiffen, da der Weg lang, schwierig und die Gegend bereits zu verwüstet war, zogen vielmehr den Landweg vor. (Dies geschah offenbar, weil sich der Schiffbau bis über die Jahreszeit der Schiffahrt hinaus verzögert hatte.)

Mit Einbruch des Winters zogen sie daher zu Lande der linken Küste des Pontus entlang bei Istrus, Tomi und Anchialos Daß sie, wie Zosimus sagt, diese Städte zur Rechten gelassen, muß Irrtum sein, da es zwischen diesen Hafenplätzen und dem Meer sicherlich keine Straße gab. vorbei bis zu der Bucht von Philea (etwa sieben Meilen nordwestlich von Byzanz). Erfahrend, daß sich die dortigen Fischer mit ihren Fahrzeugen in den Sümpfen versteckt hätten, brachten sie es durch Verhandlung dahin, daß diese sich stellten und ihre Scharen über die Meerenge zwischen Byzanz und Chalkedon führten.

In Chalkedon selbst und dem am Eingang des Hafens gelegenen Tempel befand sich eine den Angreifern weit überlegene Besatzung.

Diese zog aber teilweise, unter dem Vorwande, dem vom Kaiser gesandten Feldherrn entgegen zu gehen, aus der Stadt heraus, teils ward sie von solcher Furcht ergriffen, daß sie auf die erste Nachricht des Anzugs der Feinde nach allen Seiten hin flüchtete.

So nahmen die Barbaren Chalkedon ohne irgendeinen Widerstand ein und machten die reichste Beute an Geld, Waffen und anderem Geräte.

Kap. 35: Von hier zogen sie nach dem großen, blühenden, durch Reichtum und Überfluß aller Art berühmten Nikomedien. Obwohl aber dessen Bewohner auf die erste Kunde der Gefahr mit allen Schätzen, die sie fortbringen konnten, geflohen waren, erstaunten die Barbaren doch über die Masse der noch vorgefundenen, und überhäuften den Chrysogonus, der sie zu dieser Unternehmung bewogen hatte, mit den größten Ehren.

Nachdem sie hierauf Nikäa, Eios, Apamea und Prusa auf völlig gleiche Weise heimgesucht hatten, rückten sie vor Kyzikus. Da sie aber den Fluß Rhyndakus wegen eingetretener Hochflut (unstreitig also im Frühjahr) nicht passieren konnten, gingen sie zurück, verbrannten Nikodemien und Nikäa, und traten, ihre Beute auf Wagen und Schiffe verladend, den Heimweg an.

So endete der zweite (eigentlich der dritte) Feldzug.

Kap. 36: Valerian, die Verwüstung Bithyniens vernehmend, wagte keinem seiner Feldherren eine Hilfsarmee anzuvertrauen, sandte daher nur Felix zum Schutz von Byzanz ab und marschierte selbst von Antiochien nach Kappadokien, von wo er, nach Erschöpfung der berührten Städte, wieder zurückkehrte.«

Hier finden wir nun Zosimus plötzlich, von seiner bisherigen guten Quelle verlassen, wieder in die gewohnte Dürftigkeit und Verwirrung zurückfallend, ersehen aber, daß sich Valerian von Kappadokien aus zu einer großen Musterung und Beratung mit seinen Feldherren nach Byzanz begab, wodurch denn, weil wir genau wissen, daß dies im Jahre 258 geschah, die Chronologie der vorhergehenden Ereignisse noch mehr gesichert wird.

Gewiß gewährt dieser Bericht ein lebendiges Bild sowohl der hohen Unternehmungskühnheit der Germanen, als der kaum glaublichen Zuchtlosigkeit und Feigheit der römischen Truppen, wo nicht ein Mann altrömischen Geistes, wie Successian, sie führte.


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