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Elftes Kapitel.
Die Staatsreform unter Diokletian und seinen Nachfolgern

Die Aufgabe der Geschichte kann nur darin bestehen, eine neue Verfassung ihren Grundzügen nach in möglichst lebendigem und klarem Bilde darzustellen, die Geschichte ihrer Entwicklung und das gesamte weitere staatsrechtliche und sachliche Detail gehört der Altertumskunde und der Rechtsgeschichte an.

Vgl. Tillemont, Gibbon (unzweifelhaft noch der Beste), Naudet (Changements dans l'administration de l'empire rome sous les regnes de Dioclet., Constant. etc. Paris 1817) und Manso (Leben Constant. d. Gr. Wien 1819).

Das Verdienstvollste, was wir über die diokletianisch-constantinische (Mommsens Darstellung reicht leider nicht so weit. D.) Staatsreform besitzen, sind die bewundernswürdigen Kommentare des Cujacius über einen kleinen Teil des justinianeischen und des Jac. Gothofredus über den ganzen theodosianischen Codex. Letztere sind ein Abgrund von Fleiß und Gelehrsamkeit, auch Verstand, nur das zu einem lebendigen Ganzen verbindende Band durch die Masse gehemmt, auch das rein sachliche Urteil hie und da mangelhaft.

Alle diese Forscher aber entbehrten noch einer neu aufgefundenen, erst im Jahre 1823 veröffentlichten Quelle, Lydus de magistratibus, die, obgleich verworren und häufig unklar, auch unstreitig nur mangelhaft herausgegeben, dennoch von großer Wichtigkeit ist, sowie eines unschätzbaren Hilfsmittels, der neuen Ausgabe der Notiatia dignitatum durch E. Böcking, Bonn 1839 bis 1853, ein deutschen Forscherfleiß ehrendes Werk, das namentlich in Beziehung auf alte Geographie einzig in seiner Art ist. Die Frage über die Zeit der Abfassung der Notiatia dignitatum ist nicht hierin, sondern in einer kleinen Schrift desselben Schriftstellers de N. D. utriusque imperii, Bonn 1834, behandelt. Dieselbe ist, unsrer entschiedensten Überzeugung nach, mit zweifelloser Richtigkeit auf das Ende des vierten und den Anfang des fünften Jahrhunderts bestimmt. Besonders beachtenswert ist das daselbst (S. 121) angeführte Urteil des trefflichen Schöpflin (Alsat. illust. I, p. 220 sqq. § 174). Hiernach ist kein Anlaß, tiefer auf die Sache einzugehen, wir würden jedoch deren Ursprung eher noch etwas früher als Böcking annehmen zu dürfen glauben, und vermuten, daß es eben die Reichsteilung gewesen sei, welche das Bedürfnis einer solchen Arbeit hervorgerufen habe.

Vgl. v. Bethmann-Hollweg im ersten Teile seines Handbuchs des Zivilprozesses, Bonn 1834, S. 19 bis 213; Burkhard, die Zeit Constantins d. Gr., Basel 1853.

Über drei jahrhundertelang hatte des Augustus Kunstwerk bestanden – die republikanische Form mit monarchischer Spitze. Von edlen Regenten geachtet, von geschickten, wie Tiber, als bequemes Werkzeug des Eigenwillens benutzt, von Tyrannen ignoriert, hatte die Scheinrepublik, in welcher der Senat als idealer Träger der Volkssouveränität figurierte, ruhig fortvegetiert. An grundsätzliche Änderung hatte noch kein Kaiser gedacht: die guten nicht, weil sie es nicht wollten, die schlechten nicht, weil sie es nicht der Mühe wert achteten, auch wohl das Geschick dazu nicht besaßen.

Eine Fortbildung des Räderwerks der Staatsmaschine in monarchischem Sinne hatte allerdings stattgefunden, doch sind wir von ihr, so weit sie nicht die neugeschaffenen kaiserlichen Behörden betraf, nur sehr unvollkommen unterrichtet.

Am meisten hat dafür so im Zivil als im Militär wohl der tätige und umsichtige Hadrian getan, der anscheinend zuerst geregelte stehende Bureaus, deren Geschäfte vorher meist Hausbediente – Freigelassene und Sklaven – des Kaisers und seiner Präfekten versahen, organisierte und Freigelassene darin anstellte (s. epit. Aur. Vict. c. 14, 11). Die wichtigste Änderung war unstreitig die Machterweiterung des kaiserlichen Konsistoriums, obwohl dies eigentlich doch nur einen engeren Ausschuß des Senats vorstellte.

Fortwährend hatte der Senat, wiewohl freilich nur unter besondern Umständen (s. oben) Kaiser abgesetzt, zweimal deren ernannt, Pupienus mit Baltinus und Tacitus, in allen Fällen aber deren Anerkennung und Bestätigung ausgesprochen.

So stand es unzweifelhaft noch unter Aurelian und Probus, die nach den Zeugnissen des Flav. Vopiscus (Aur. c. 26, 31; Prob. c. 11, 15 und Carus 1) mit dem Senat sich gut stellten. Auch ergibt sich nach demselben (Aurel. c. 20), daß damals noch eine bedeutende öffentliche Kasse unter dessen Verwaltung stand.

»Von des Probus Tod an,« sagt nun Aur. Vict. (de Caes., p. 37, 5), »galt nur noch die Militärgewalt und dem Senat ward das impenum (verfassungsmäßige Gewalt) und das Recht, den Fürsten zu ernennen (creandique jus principis) bis auf unsre Zeit (etwa 360) entrissen.«

Diese Phrase dürfte, wenn man sie noch auf Carus und dessen Söhne bezieht, unrichtig sein, da dieser, nach dem zuverlässigeren Fl. Vopisc. (Car. c. 5) sogleich an den Senat schrieb und sich dabei rühmte, diesem selbst anzugehören. Unzweifelhaft hat nun der Senat hierauf dessen und seiner Söhne Bestätigung ausgesprochen, was freilich, wie oft schon bemerkt ward, eine reine Formalität war.

Das Gewicht jener Äußerung, welche, weil sich Aurelius Victor darin noch auf seine Zeit beruft, nicht gänzlich unwahr sein kann, fällt daher lediglich auf Diokletians Regierungsantritt. Wenn gerade dieser aber, nach obigem, unter bisher nie erhörter Schonung und Milde erfolgte, so ist anzunehmen, daß der neue Kaiser die Formalität der Bestätigung mit Absicht nicht suchte und sich statt deren mit einer bloßen Anzeige begnügte.

Ungleich wichtiger als diese zweifelhafte Stelle ist das Zeugnis Eutrops, der, schon unter Constantin dem Großen Staatsbeamter, sowohl durch die beste Wissenschaft als durch die Unbefangenheit und Klarheit seines Urteils das meiste Vertrauen verdient. Dieser nun sagt (IX, 26):

»daß Diokletian zuerst im römischen Reiche mehr die Form des königlichen Brauchs statt der römischen Freiheit einführte« (qui imperio romano regiae consuetudinis formam magis quam romanae libertatis invexit).

Wir unterlassen durch Anführung anderer, minder entscheidender Stellen (wie z. B. Aur. Vict. de Caes. 30, 31, 32, 44 und 40, so wie Lactantius d. m. p. c. 7) die Ansicht:

daß Diokletian als der intellektuelle Urheber der großen Staatsreform gegen Ende des dritten Jahrhunderts zu betrachten ist, näher auszuführen, da wir uns bescheiden, daß ein sicherer Quellenbeweis namentlich für das Detail der Veränderung nicht möglich ist.

Diokletian war zwanzig Jahre lang Haupt und Seele des Gesamtreichs, mehr Regent als Feldherr und unstreitig ein seltener organisatorischer Kopf. Constantin der Große war sieben Jahre lang ein wesentlich beschränkter, dann zwar ein mächtigerer Teilfürst, erst in den letzten dreizehn aber Alleingebieter. Herrschsucht war seine Leidenschaft und als er sich die Welt unterworfen, suchte und fand er vor allem in großartigen Bauten und der Sorge für die neubegründete Hauptstadt und Kirche Befriedigung. Diokletian entäußerte sich der Herrschaft erst stückweise, dann gänzlich. Gewiß nun entspricht eine tiefe Planlegung, eine stille, allmähliche, geschickte Ausführung mehr dem beschaulichen Wesen dieses als dem gewaltigen stürmischen Tatendrange jenes Kaisers.

Gewiß hat Constantin die Ideen seines Vorgängers verfolgt, fortgebildet und so die neue Verfassung festgestellt: man hat sie daher nicht ohne eine gewisse Berechtigung dessen Werk genannt. Gleichwohl erkennen ältere und neuere Geschichtsschreiber, die so verfahren, ausdrücklich an, daß vieles, ja das Wichtigste, von Diokletian herrühre, wie Tillemont IV, S. 91 und 448, Gibbon V, v. Not. 71, 81, 99 und a. a. O. Manso, Leben Const. d. Gr., S. 103, 107 u. f. Burkhard, die Zeit Const d. Gr., S. 66–69.

Indes ist es eine unlösliche Frage, was und wieviel der neuen Einrichtungen diesem oder jenem Kaiser angehöre und wieweit sie überhaupt als neue Schöpfung oder nur als Fortbildung des Altbestehenden zu betrachten seien.

Welches waren die Gebrechen der römischen Staatsverfassung der ersten drei Jahrhunderte, wie sie vor allem in der Zeit des Verfalls, der letzten Hälfte des dritten, so schroff hervortreten?

Die Beibehaltung der republikanischen Form unter einem absoluten Monarchen war eine Täuschung, mit seltenem Geschick von August gesponnen, der den Schein der Freiheit ließ, um für sich und seine Nachfolger desto sicherer das Wesen der Macht zu gewinnen. In seinem Ursprunge damals durch die Zeit geboten war dies Motiv längst weggefallen und das leere Spielwerk mit einem republikanischen Schaugepräng ohne Sinn und Wirksamkeit hätte längst abgestellt werden können und sollen, wenn nicht die Ehrfurcht vor großen Erinnerungen edle und weise, Unfähigkeit zu Neugestaltung schwache und schlechte Herrscher von einer Neuerung abgehalten hätten, für die ein praktisches Bedürfnis nicht vorlag, da man auch in und mit jenen Formen nach Belieben regieren konnte.

Ein Monarch an der Spitze eines bloßen Bürgertums, dem er nach Stand und Sitte selbst angehört, über das er sich sogar durch das Zeremoniell wenig erhebt, der nächst den unentbehrlichsten Organen seiner Gewalt nur die Gesamtmasse der Untertanen fast unmittelbar unter sich hat, ist auf die Länge schwer möglich. Die Monarchie bedarf oben des Glanzes der Majestät, nach unten der Gliederung und Abstufung der Behörden, deren Tätigkeit das Oberhaupt leiten und beaufsichtigen, nicht aber unmittelbar regieren soll und kann. Wo die Hierarchie obrigkeitlicher Gewalten fehlt, ist fast nur eine Despotie möglich, die durch Großwesire regiert. So ward es in Rom, wo die Praefecti Praetorio nicht nur dem Volke, sondern bald auch den Herrschern selbst, die vergeblich allerlei Hilfsmittel dagegen anwandten, verderblich wurden.

Nicht minder anomal ist ein Staat ohne Volk. Wo kein Interesse, weder ein ideales noch materielles, kein Nationalgefühl die Regierten an die Regierung knüpft, keinerlei Zusammengehörigkeitsbewußtsein bei erstem lebt, da kann nur von Gehorsam des Volks aus knechtischer Furcht, nimmermehr von eigner freier Mitwirkung desselben für Staatszwecke, geschweige denn von Treue und Anhänglichkeit die Rede sein.

Verwandt hiermit, wenn auch immer noch wesentlich verschieden, ist das Verhältnis eines Gesamtstaats, der aus einem Aggregate verschiedenartiger Völker besteht. Da ergibt sich – und dies gilt heute noch – für die Regierung die Notwendigkeit, eine homogene Gesamtmasse zu schaffen, die von ihren Spezialkreisen losgerissen eben nur dem Gesamtstaate angehört und gewissermaßen die fehlende Gesamtnation vertritt. Dies sind Heer und Beamtenstand, aus deren Nachkommen, besonders denen des letzteren, wieder eine zahlreiche Klasse hervorgeht, die sich dem Allgemeinen verwandter fühlt, als den besondern Kreisen, woraus deren Vorfahren einst hervorgegangen sind.

Ein Heer freilich hatte Rom und in diesem hat sich auch, wie oft es sich zwar der Empörung, ja des Kaisermords schuldig gemacht, für würdige Herrscher und deren Dynastie mehrfach treue Anhänglichkeit geregt. Einer Staatsdienerschaft entbehrte es aber fast ganz: und dadurch der Kaiser selbst einer zahl- und einflußreichen, durch Bande der Dankbarkeit und Hoffnung an seine Person geknüpften Volksklasse, von welcher er, wenn auch nicht volle und selbstverleugnende Treue, doch sicherlich eine festere als von der übrigen Masse der Untertanen zu erwarten hatte.

Man kann diese Gebrechen der römischen Monarchie indes mehr für theoretische als praktische halten, hat aber mindestens zuzugeben, daß deren Wirkung, wenn auch gewiß eine tiefe, doch nicht so schlagend und verderblich hervortrat, als das Tyrannenunwesen, das freilich wieder mehr oder minder aus der isolierten wurzellosen Stellung des Monarchen im Staate hervorging. Wo der Thron eben nur auf der Person, auf dem augenblicklichen Besitzer der Macht beruhte, deren Ausübung in dem unermeßlichen, am Rhein wie am Euphrat, an der Donau wie am Nil so schwer bedrohten Reiche, notwendig unter viele Feldherren zersplittert werden mußte, wie nahe lag da für diese der Gedanke der Anmaßung des Zepters neben dem Schwert.

Aber nicht allein der Ehrgeiz der Führer, auch Mißstimmung und Geldgier des nach einem »Donativum« lüsternen Heeres, jede Parteileidenschaft, selbst zufällige Aufregung in einer Provinz weckte das Aufstandsgelüst und lenkte es auf irgendeinen General, der dann, weil der bloße Verdacht mitwissender Teilnahme schon unabwendbare Todesstrafe zur Folge hatte, zur Selbstrettung gezwungen war, zu vollenden, was er, wenn auch nicht aus Treue gegen seinen Herrn, doch aus Besonnenheit vielleicht nimmermehr gewollt hatte. Ja die bloße Furcht vor einer verwirkten Strafe konnte den Schuldbewußten bestimmen, in der Empörung noch Rettung zu suchen, wie jenen Bonosus nach Flavius Vopiscus (Bon. c. 15). Man hat (Manso in der Beilage IV zum Leben Const. d. Gr. über die dreißig Tyrannen unter Gallienus) die Empörung gewissermaßen als ein Korrektiv der Despotie, als ein Heilmittel der Völker gegen diese darzustellen versucht. Das ist aber ein Irrtum, der durch das einzige Beispiel des Postumus nicht gerechtfertigt werden kann.

Immer war die Empörung ein schweres Unheil, nicht nur für den unmittelbar bedrohten Kaiser, sondern auch für die betreffende Provinz. Ströme vergossenen Bürgerblutes, die Vergeudung großer, hart erpreßter Summen, der versäumte Schutz gegen feindliche Raubfahrten, daher steigende Verwüstung des Landes durch äußere wie durch innere Feinde, schließlich ein grausames Blutgericht über wirkliche oder vermeinte Anhänger des Besiegten waren die unausbleiblichen Folgen jedweder Empörung, selbst der gelungenen.

Diokletian hatte die Zeit der sogenannten »dreißig Tyrannen« selbst erlebt – was Wunder, daß dieser Greuel wie ein Gespenst vor seiner Seele stand?

Eng verwandt mit all dem eben Bemerkten war endlich der Mangel einer geordneten und gesicherten Thronfolge.

Wie aber war all diesen Gebrechen abzuhelfen? Die moderne beschränkte Monarchie, wie sie sich in England im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert entwickelte, war im Untergange der alten Welt unmöglich, ein gewisser Absolutismus unvermeidlich. Gleichwohl mußte das Ideal einer tiefdenkenden Politik etwas jener Ähnliches anstreben: die naturgemäßen Fundamente einer geordneten Monarchie mußten erkannt, aufgesucht und derselben so weit tunlich unterbreitet werden.

So das Bedürfnis und die Aufgabe. Untersuchen wir nun, was zu deren Erfüllung geschah.

Das erste war die Teilung nicht des Reiches, aber der Regierung.

Ein Herrscher konnte, wo von allen vier Himmelsgegenden her Krieg wütete oder doch drohte, nicht mehr genügen.

Indem aber die Tüchtigsten zu Mitregenten gewählt wurden, ward nicht nur für des Reiches Schutz am besten gesorgt, sondern zugleich der Versuchung zur Empörung die Spitze abgebrochen, da der Kaiser freiwillig gab, was glücklichsten Falls der Frevel erringen konnte. Für andere als die zur Regierung berufenen Feldherren aber erschwerte die fortwährende Nähe eines legitimen Herrschers jedweden Aufstand, die bereite Unterstützung des Gefährdeten durch seine Mitherrscher dessen Gelingen. Nur durch die Insularlage erhielt sich Carausius: Diokletians Weisheit aber machte ihn durch vorübergehende Anerkennung eines fünften Regierungsbezirks unschädlich.

Zwei Majestäten (Auguste) und zwei Cäsaren: das war Diokletians Plan, dadurch zugleich aber die Thronfolge geregelt, da letztere, jüngere Männer, an die Stelle der ersteren zu treten bestimmt waren. Unstreitig war es sein Wunsch, daß auch das Beispiel seiner Thronentsagung nach zwanzig Jahren, wozu er nicht minder Maximian bewog, bei seinen Nachfolgern Nachahmung finden möge, wodurch der bei jedem Todesfalle unvermeidlichen Erschütterung und Störung vorgebeugt worden wäre. An der Sicherheit der Ausführung aber muß schon sein eigener Tiefblick gezweifelt haben.

Der Monarch sollte ferner nicht mehr ein bloßer Bürger, sondern mit dem Glanze der Majestät geschmückt, eine geheiligte Person sein.

Die Formen des Verkehrs mit ihm, Tracht, Titel, alles ward geändert. An die Stelle der früher gemeinüblichen Begrüßung durch Umarmung (Salutation) trat nun demütige Kniebeugung (Adoration). Prunkvolles Zeremoniell, orientalische Etikette sonderten den Souverän von seinen Untertanen. Er heißt nun der geheiligtste Imperator (sacratissimus), durch »göttlich« und »Gottheit« wird er und was ihm angehört bezeichnet.

Schon in den ersten sechs Zeilen der von Mamertin (am 21. April 289) auf Maximian gehaltenen Lobrede wird die Verehrung des geheiligtsten Imperators der der Götter gleichgestellt und von der Veneration seiner Gottheit (veneratio numinis tui) gesprochen.

Der einfache Purpurmantel verschwindet. Das Diadem, die weiße mit Perlen geschmückte Binde, deckt die Stirn des Kaisers, den schwere, prachtvolle, bis auf die Schuhe herab mit Edelgesteinen und Perlen gestickte Gewände von Seide und Goldstoff umhüllen (Eutrop IX, 26). (Die Mosaiken von Ravenna aus dem sechsten Jahrhundert zeigen Justinian in dieser Kaisertracht. D.)

»Imperator«, früher nur Vorname und Ehrenauszeichnung, jedoch allmählich bereits schwankenden Sinnes, wird nun reiner Amtstitel, der Kaiser nunmehr aber zugleich noch » unser Herr«, dominus noster (D. N. auf den Münzen) genannt, was vordem, wie noch Tiber sagte, nur das Verhältnis zum Sklaven kennzeichnete.

Nicht kleinliche Eitelkeit, Hoffart und Prachtliebe allein kann den Mann dazu bewogen haben, der nach so vielen Siegen erst im neunzehnten Jahre seiner Regierung – und zwar glanzloser als einer seiner Vorgänger – triumphierte und dann freiwillig die Muße des Landlebens mit dem Throne vertauschte.

Es war ihm kein leerer Tand, sondern eine tiefsinnige Berechnung des Einflusses, den die äußeren Zeichen der Majestät auf die Gemüter ausüben.

Die ganze Macht republikanischer Erinnerungen heftete sich an das alte heilige Rom. Indem Diokletian dies als Residenz verließ, ja absichtlich mied, brach er zugleich mit allen Formen der Vorzeit. Ob, wann und in welcher Zahl er noch Senatoren zu sich berief, wissen wir nicht: der Senat selbst aber hörte auf, zu sein, was er gewesen, von dem Augenblick an, wo der Kaiser nicht mehr in den Senat kam, sondern dieser zum Kaiser kommen mußte.

Die bemerkten Maßregeln: Teilung der Regierung, Sicherung der Thronfolge, Umkleidung des Monarchen mit vorher unbekannter Majestät, das Aufgeben der alten Residenz und der Bruch mit den republikanischen Formen, insgesamt mehr politischer als administrativer Natur, sind unbestritten Diokletians Werk. (Vergl. Eutrop IX, 26.)

Es ist fast undenkbar, daß der Tiefblick dieses Herrschers nicht auch die Notwendigkeit erkannt habe, die monarchische Spitze zugleich auf den Unterbau einer angemessenen Behördenverfassung zu gründen und durch einen von dem Kaiser abhängigen, daher mehr oder minder an dessen Person geknüpften Beamtenstand zu schaffen. Die Quellen denken allerdings nur der Abschaffung der weiter unten zu erwähnenden Frumentarier (Aur. Vict. d. Caes. 39, 44), der Teilung der großen Provinzen in viele kleinere, der Ernennung mehrerer Praefecti Praetorio und der Vicarien derselben, der Magistri (unstreitig militum) und der Vervielfältigung der Beamten überhaupt (Lactantius d. m. p. c. 7).

Schon aus diesen wichtigen Neuerungen aber, welche der weitern Behördenverfassung zum Teil als Grundlage dienten, läßt sich abnehmen, daß letztere in der Hauptsache wenigstens dessen Werk gewesen sei, da wir größtenteils dieselben politischen Motive darin erkennen, aus welchen die anderen bemerkten Neuerungen hervorgingen.

Indes hört hier fast jede Sicherheit auf: wir lernen die neue Administrativverfassung nur als etwas Fertiges und zwar großenteils aus viel späteren Quellen kennen: der notitia dignitatum vom Ende des vierten oder Anfang des fünften Jahrhunderts, dem Theodosianischen Kodex vom Jahre 438, dem Justinianeischen vom Jahre 528–534 und aus des Lydus etwas späterem Werke de Magistratitus.

Müßig daher ist jede eingehende Detailerörterung über den Ursprung dieser oder jener Einrichtung: genug, daß wir Diokletian, der gewiß aber auch vielfach an schon Bestehendes knüpfte, und nächst ihm Constantin als die Schöpfer derselben zu betrachten haben.

Grundprinzip der neuen Einrichtungen und zugleich entschiedener Bruch mit der republikanischen Überlieferung ist die gänzliche Trennung der Zivil- und Militärgewalt, die gewöhnlich auf Grund von Zosimus (II, 32 und 33) Constantin allein zugeschrieben wird.

Es liegt auf der Hand, daß diese sowohl dem Kaiser als dem Volke heilsam war.

Daß der Statthalter von Provinzen, die zum Teil große Königreiche unserer Zeit umfaßten, ungleich mächtiger und dadurch dem Souverän gefährlicher war, wenn ihm nicht allein die gesamte Armee, sondern auch sämtliche Gerichts-, Polizei- und Finanzbehörden untergeben waren, daher vor allem die reichen Geldmittel des Landes zu Gebot standen, bedarf kaum der Erwähnung, da letztere insbesondere jedem Empörer, der vor allem die Soldaten zu gewinnen hatte, unentbehrlich waren.

Wir haben daher in dieser Teilung recht eigentlich das sicherste Vorbeugungsmittel gegen das Tyrannenunwesen zu erblicken.

Nicht allein ward die gefährliche Macht der Provinzialstatthalter dadurch heilsam beschränkt, sondern jedem derselben damit zugleich ein Wächter zur Seite gestellt.

Auch erlangten dadurch die Provinzialen Schutz gegen die so häufigen Bedrückungen durch Übermut und Raubsucht der Soldaten und Offiziere, da sie nicht mehr allein die zweifelhafte Abhilfe des Generals, sondern nun auch die Vertretung des Zivilstatthalters dagegen in Anspruch nehmen konnten. Umgekehrt hatte aber auch dieser bei Verhängung grober Unredlichkeiten die Kenntnisnahme und Anzeige seines Militärkollegen zu scheuen. Überhaupt aber mußte, der Natur der Sache nach, durch die Teilung der Macht die Leichtigkeit des Mißbrauchs verhindert werden.

Nur aus Haß gegen Constantin kann es daher erklärt werden, wenn ein sonst so achtbarer Schriftsteller wie Zosimus umgekehrt diese Einrichtung tadelt, obwohl man andrerseits zugeben muß, daß die Einheit der Gewalt, wenn man deren Träger als Beamtenideale auffaßt, was sie freilich in der Regel nicht waren, auch ihre Vorzüge haben konnte.

In der Terminologie allein dauerte die Einheit des Staatsdienstes fort, indem dieser auch fernerhin durch »Militia« bezeichnet, der militärische aber durch den Zusatz »armata«, bewaffneter, unterschieden ward.

Im engern Sinne aber bedeutete Militia (auch militia cohortalis) den Staatsdienst in den Kanzleien der Praefecti Praetorio und der Provinzialstatthalter und bildete so den Gegensatz zu dem der Zentralverwaltung d. i. in den Bureaus der kaiserlichen Ministerien und Hofchargen, Officia palatina, Aula, palatium. Es ist dieser Unterschied auch auf das römische Kaisertum deutscher Nation und von diesem auf deutsche Territorien übergegangen, indem man diejenigen Beamten, welche in den höchsten kaiserlichen und landesherrlichen Stellen unmittelbar fungierten, durch das Prädikat: Hof, z. B. Hofrat, Hofsekretär, auszeichnete.

Ganz außerhalb der Behördenhierarchie standen folgende Würden oder vielmehr Titel:

a) Der Consul, der das Prädikat gloriosus, ruhmvoll, führte und die Ehre, dem Jahre seinen Namen zu verleihen, mit dem starken Aufwande für Festspiele bei Antritt seiner Würde bezahlen mußte. In letztern, vor allem aber in der eingeführten Zeitrechnung, lag auch der Hauptgrund, weshalb diese historische Reliquie unangetastet blieb. Der Konsul hatte den Rang über den Praefecti Praetorio und den Vorsitz im Senat, aber keinerlei weitere nennenswerte Amtsgewalt Die feierliche Emanzipation von Sklaven und wohl noch einiges andere verblieb ihm., sogar der Beisitz im kaiserlichen Konsistorium, geheimen Rate, scheint ihm von Amts wegen nicht weiter zugestanden zu haben.

b) Das Patriciat: ursprünglich Geburtsadel, das Constantin aber nur als persönliche Auszeichnung namentlich an die höchsten Staatsbeamten, wie Präfekten und Magistri militum verlieh und das solchesfalls nicht minder den Vorsitz vor den Praefecti Praetorio gewährte (s. Zosimus II, 40 und spätere Gesetze im Codex Justinian. XII, 3, 3 bis 5, da der Theodos. VI, 2 nichts Wesentliches darüber enthält).

c) Das Nobilissimat: eine von demselben für die Prinzen von Geblüt ersonnene, wahrscheinlich ebenfalls auf besonderer Verleihung beruhende Ehrenauszeichnung.

Wir gehen nunmehr

I. auf den Ziviletat

über und zwar

A. auf die Landesverwaltung

An deren Spitze standen:

Vier Praefecti Praetorio in ihren Bezirken und zwar

a) der für den Orient (praef. praet. per orientem) zu Konstantinopel.

Dieser umfaßte fünf Diözesen:

aa) die des Orients mit fünfzehn Provinzen;

bb) Ägypten mit fünf, später sechs Provinzen;

cc) die asiatische (Asiana) mit zehn Provinzen;

dd) die pontische mit zehn Provinzen;

ee) Thrakien mit sechs Provinzen.

Überhaupt also sechsundvierzig Provinzen.

b) Der für Illyricum (das östliche, jetzt türkische, welches durch den Drinus, jetzt Drinna, Grenzfluß zwischen Serbien und Bosnien, vom westlichen geschieden ward) zu Sirmium mit zwei Diözesen:

aa) Makedonien mit sechs Provinzen, welche die gesamte griechische Halbinsel bis auf einen Teil Makedoniens umfaßten;

bb) Dakien (Neudakien) mit fünf Provinzen.

c) Der für Italien zu Rom mit vier Diözesen:

aa) das nördliche Italien mit sieben Provinzen; wozu auch die beiden Rätien gehörten;

bb) das südliche mit zehn Provinzen, einschließlich Sizilien, Sardinien und Korsika;

cc) Illyricum (das jetzt österreichische, mit Bosnien, Herzegowina, Montenegro und einem Teile Bayerns) mit sechs Provinzen;

dd) Afrika mit sieben Provinzen.

d) Der für Gallien (praef. praet. Galliarum) zu Trier mit drei Diözesen,

aa) Spanien (Hispaniarum) mit den Balearen sieben Provinzen.

bb) Die sieben Provinzen (septem provinciarum) Frankreich, Schweiz, Belgien und das linke Rheinufer mit siebzehn Provinzen;

cc) Britannien mit fünf Provinzen.

Dies ergibt für die Präfekten

des Orients 5 Diözesen 46 Provinzen
Illyricums 2 " 11 "
Italiens 4 " 30 "
Galliens 3 " 29 "
Überhaupt also: 14 Diözesen u. 116 Provinzen.

Ausgenommen von den Präfekturbezirken waren aber die Städte Rom und später Konstantinopel, so daß hier noch

e) der Stadtpräfekt von Rom und

f) der von Konstantinopel, die den Praefectis Praetorio völlig gleichgestellt waren, zu erwähnen sind.

Ebenfalls unmittelbar in des Kaisers Namen (sacra vice) wurden ferner die prokonsularischen Provinzen verwaltet, nämlich

g) Asien, d. i. Lydien, Carien, mehrere Inseln und der Hellespont mit den Hauptorten Smyrna und Ephesus und

h) Afrika mit Karthago, wodurch sich die Gesamtzahl der Provinzen auf hundertundzwanzig steigerte.

Eine dritte prokonsularische Provinz Achaja mit dem Sitze Korinth, stand dagegen unter dem Praefectus Praetorio des östlichen Illyricum.

Die gedachten Prokonsuln waren auch an Rang und Macht niedriger gestellt als die sechs Präfekten.

Diese hat man als Vizekönige zu betrachten. Kommen dergleichen in späterer und neuerer Zeit nur in entlegenen Reichsteilen vor, so mochte damals der ungeheure Umfang des römischen wohl die Anstellung mehrerer kaiserlichen Stellvertreter rechtfertigen.

Sie machten die kaiserlichen Gesetze bekannt und erließen in geeigneten Fällen selbst Edikte für ihren Bezirk. Von ihnen fand keine Berufung an den Kaiser, sondern nur der Weg der Bitte, Supplikation statt, welche ebenso wie das Restitutionsgesuch gegen deren Urteile bei dem Präfekt selbst angebracht werden mußte.

Sie hatten Gewalt über Leben und Tod, durften aber nach einer späteren Verordnung (C. Just. I, 54, 4) an Geld nicht über fünfzig Pfund Gold (etwa 45 000 Mark) strafen.

Über deren Rang verbreitet sich Lydus (II, 9) ausführlich. Sie mußten von allen niedrigern Ranges durch Kniebeugung geehrt werden, was sie nur durch Umarmung erwiderten: der Kaiser selbst ging ihnen am Eingange des Palastes zu Fuß entgegen.

Die Präfekten hatten in jeder Diözese einen Stellvertreter, Vicarius mit Ausnahme der Diözese Dakien, die von dem des östlichen Illyricum unmittelbar verwaltet worden sein mag, und der des zur Präfektur Italien gehörigen westlichen Illyricum, für welche beiden freilich die militärische Gewalt überhaupt wichtiger war, als die zivile. Der Präfekt der großen Diözese Orient führte den besonderen Titel Comes Orientis und der im Range nachfolgende Ägyptens den noch von August herrührenden praefectus Augustalis. Beide gingen im Range den übrigen Vicarien vor, welche insgesamt der zweiten Rangklasse der spectabiles angehörten. Für Rom war überdies ein besonderer Vicar der Stadt angestellt, der teils unter dem Stadtpräfekt stand, teils aber auch als Vicar des Präfekts von Italien die vorstehend unter c) bb) bemerkten zehn Provinzen Italiens zu beaufsichtigen hatte (s. Notit. occid. c. 18, S. 80, S. 63 und Bethm.-Hollw. S. 86).

Die Provinzialgouverneure waren

a) Prokonsuln, drei an der Zahl, spectabiles, von denen jedoch, wie bemerkt, nur der von Achaja unter dem Präfekten stand.

b) Konsulare siebenunddreißig.

c) Präsidenten (praesides) einundsiebzig und

d) Korrektoren fünf.

Die drei letzten Kategorien gehörten der dritten Rangklasse der clarissimi an.

Alle diese hießen und waren ordentliche Richter, teils erster Instanz für alle einen gewissen Betrag überschreitende Rechtssachen, sowie für Personen und Güter eximierten Gerichtsstandes ohne Unterschied, teils höherer Instanz, indem sie über den städtischen, in geringfügigeren Gerichtssachen kompetenten Gerichten standen.

Von den ordentlichen Richtern b) c) und d) ward nach gewissem nicht genau zu ermittelndem Unterschiede, teils an den Vicar, teils an den Praefectus Praetorio unmittelbar appelliert (s. Bethm.-Hollw. S. 79).

Dasjenige, was die moderne Geschäftssprache im Gegensatze zur Justiz mit Verwaltung bezeichnet, mag, wie früher in ganz Deutschland und jetzt noch in manchen Landen, als ein Nebenzweig der Rechtspflege großenteils von den Richter-Beamten behandelt worden sein.

Der Mitwirkung dieser Reichs- und Provinzialbehörden in Finanzsachen wird später gedacht werden.

Die Vicare und Provinzialstatthalter wurden vom Kaiser selbst, unstreitig jedoch auf Vorschlag des Präfekten ernannt, unter dessen Disziplinargewalt sie standen, so daß diesem selbst deren Absetzung und Ernennung provisorischer Substituten zustand (s. Bethm.-Hollw. S. 76). In Gegenwart des Präfekten hörte die Amtsgewalt der Vicare ganz auf (s. ebenda S. 78), was sich jedoch nicht auf den Aufenthaltsort, sondern nur auf die persönliche Teilnahme beider an derselben Verhandlung beziehen kann.

Gleichwohl berichteten die Vicare unmittelbar an den Kaiser und sandten auch diesem die Berichte der Provinzialstatthalter ein, was wir jedoch auf gewisse dazu bestimmte Fälle einschränken möchten.

Wie umfänglich die Rechtspflege dieser Behörden war, ergibt sich daher, daß bei dem Gerichtshofe des Praefectus Praetorio des Orients hundertundfünfzig, bei dem Vicar zu Alexandrien fünfzig und dem des comes orientis vierzig Advokaten angestellt waren.

Von den Bureaus (Officia) derselben wird bei Darstellung der kaiserlichen die Rede sein. Nach einem Gesetze vom Jahre 386 (C. Th. I, 12, 15) sollte kein Vicar mehr als dreihundert bei ihm Angestellte (Apparitores) haben.

B. Zentralverwaltung

Wir kommen hier, den obersten Hofchef (praepositus sacri cubiculi) bei Seite lassend, sogleich auf die kaiserlichen Ministerien, und zwar

1) auf den obersten derselben, den Magister officiorum. Wir können ihn nur mit einem Staats- oder Reichskanzler späterer Zeit vergleichen. Die Wirksamkeit desselben hatte früher dem Praefectus Praetorio oder bei mehreren einem derselben zugestanden (s. Lydus II, 11 und 24). Diese Abzweigung jeder Zentralverwaltung von der vormals allmächtigen Präfektur, welche dadurch von der obersten Reichsbehörde zur bloßen Provinzialbehörde herabsank, war unstreitig eine der wichtigsten Veränderungen.

Vor den Magister officiorum gehörten alle Zweige der Zentralverwaltung mit alleiniger Ausnahme der Finanzen, daher

alle allgemeinen Gesetzgebungs- und Verfassungsangelegenheiten, wohin auch die Oberaufsicht über die gesamte Staatsdienerschaft gerechnet wurde;

die auswärtigen Angelegenheiten, welche jedoch damals, weil es keine stehenden Gesandtschaften gab, minder umfänglich waren, als in neuerer Zeit;

die Justiz und Verwaltung.

Derselbe muß aber auch eine gewisse, wahrscheinlich kontrollierende Mitwirkung im Kriegswesen gehabt haben, weil (nach C. Just. I, 31, 4) regelmäßige Übersichten über die Zahl der Soldaten und den Zustand der Festungen an den Grenzen ihm einzusenden waren.

Man hat jedoch nicht außer acht zu lassen, daß der Wirkungskreis der Zentralverwaltung überhaupt damals ein beschränkter war, weil die wichtigsten Angelegenheiten, selbst in oberster Instanz, durch die Praefecti Praetorio erledigt wurden. Nichtsdestoweniger mag die Wirksamkeit dieses Reichskanzlers eine höchst bedeutende gewesen sein, da unzweifelhaft alle Berichte der oberen und in vielen Fällen auch der unteren Landesbehörden durch ihn an den Kaiser gelangten und ihm besonders die Überwachung derselben, namentlich auch die Wahrung tunlichster Gleichförmigkeit in Grundsätzen und Verfahren, obgelegen haben mag.

Fremde Gesandte hatten ihre Botschaft ihm zuerst vorzutragen, er vermittelte deren Audienzen bei dem Kaiser, denen er hinter einem Vorhange (Velum) beiwohnte.

Auch stand ihm die Gerichtsbarkeit nicht nur über die ihm unmittelbar untergebenen, sondern auch über die Hofdienerschaft im engern Sinn und, was ganz eigentümlich erscheint, über die Militärbefehlshaber an den Grenzen (comites et duces limitanei) zu (s. die von Böcking II, 212 angeführten Gesetze), was darin seinen Grund gehabt haben mag, daß man diese, ihrer hohen Wichtigkeit halber, von den Oberfeldherren, magistris militum, nicht allzu abhängig machen wollte.

Unter dem Magister officiorum unmittelbar standen nun

a) verschiedene Scholae Bewaffneter (nach der Not. dign. im Orient sieben, im Occident fünf), die nach Bewaffnung und Herkunft benannt waren, als Scutarii, Sagittarii, Clitanarii, Gentiles. Sie waren wesentlich zum Wachdienste im Palast und zum Glanze des Hofes bestimmt, mögen aber auch sonst vom Magister officiorum gebraucht worden sein und wahrscheinlich zugleich als Vorschule für die sofort zu erwähnenden agentes in rebus und diejenigen Staatsbedienungen, für welche wissenschaftliche Bildung nicht erfordert ward, gedient haben, was deren Unterordnung unter den Mag. offic. erklärt. Ursprünglich wurden dazu nur kriegstüchtige und auserlesene Soldaten genommen, die nötigenfalls im Krieg als Elitecorps verwandt wurden, was von denen der Scularii und Gentiles an vielen Stellen durch Ammian bezeugt wird. Erst im spätem byzantinischen Reiche trat seit Kaiser Zeno deren gänzlicher militärischer Verfall ein, so daß sie unter Justinian nur noch als glänzend uniformierte Livreebediente zu betrachten waren. (Siehe Agathias, Bonn. Ausg. V, 15, p. 310.)

Deren ursprüngliche Anzahl wird von Prokop (Hist. arcan. c. 24, p. 135) zu 3500, also die Schola zu 500 Mann angegeben. Die Löhnung war merklich höher als die des Linienmilitärs.

b) Die Schola der agentes in rebus.

Die offene Bestimmung derselben war, wichtige Nachrichten, z. B. die Konsulatswahlen, kaiserliche Siege, neue Gesetze zur Kenntnis der Behörden und des Publikums in den Provinzen zu bringen, weshalb man sie mit unsern Feldjägern und Kurieren vergleichen könnte. Hauptsächlich aber wurden sie als Polizeiagenten und Spione gebraucht, die vor allem jede dem Kaiser feindliche oder auch nur bedenkliche Regung auszukundschaften und zu berichten hatten. Die Geschicktesten derselben wurden unter dem Titel curiosi bleibend oder für längere Zeit an geeigneten Punkten im Reiche stationiert. Auch zu Ausführung geheimer Aufträge, wie zu Verhaftung und Beseitigung höherer, dem Kaiser verdächtig erscheinender Beamten wurden die erprobtesten Offiziere derselben verwandt.

Viele solcher Agenten wurden auch den Landesbehörden bleibend zur Unterstützung beigegeben, so daß die aus diesem Korps Abgeordneten, deputati ejusdem scholae, eine besondere Abteilung bildeten.

Unzweifelhaft konnte das despotische Regiment eines Weltreichs solcher Polizeiorgane nicht entbehren: ja es erscheint zweckmäßig, daß der Zentralverwaltung, nächst den ordentlichen Landesbehörden, noch ein zweites Auge zu Wahrnehmung sowohl von hochverräterischen Bestrebungen als auch von Ungerechtigkeiten und Bedrückung zu Gebote stand: in Wirklichkeit aber mag bei der Verderbnis der Zeit der Mißbrauch den nützlichen Gebrauch weit überwogen haben, wovon sich mehrfache empörende Belege ergeben, wie dies auch die wider deren Anmaßung erlassenen Gesetze beweisen (C. J. XII, 22 de curiosis et stationariis).

Das ganze Korps war militärisch organisiert und sollte nach einer freilich viel späteren Verordnung im byzantinischen Reiche 248 Offiziere (Ducenarii und Centenarii), 250 Unteroffiziere und 750 Gemeine, einschließlich 400 zu Pferd, stark sein. (C. J. XII, 20, 3.)

Die obersten, principes, derselben hatten den Rang der zweiten Klasse, waren aber auch in ihrem Amte großen Gefahren ausgesetzt. (C. J. XXII, 21, 6.)

Ein Teil dieser Geschäfte ward früher durch die Frumentarier besorgt, die ursprünglich für die Ermittelung und Aufzeichnung der Getreidevorräte zu Versorgung der Hauptstadt und der Heere bestimmt, aber ganz in Polizeispione ausgeartet waren.

Diese »Pestilenz«, wie sich Aur. Vict. d. Caes. 39, 44 ausdrückt, schaffte Diokletian zu allgemeiner Zufriedenheit ab, der daher gewiß auch schon die agentes in rebus an deren Stelle errichtete, welche jedoch, späterhin wenigstens, gewiß eher schlimmer denn besser als jene geworden sein mögen.

c) Die Mensores und Lampadarii, von denen erstere hauptsächlich als Quartiermacher bei den Reisen des Kaisers und hoher Beamten fungierten, die Letztern den Luxusdienst des Vortragens der Fackeln am Hofe besorgen hatten.

d) Die Ministerialbureaus (scrinia).

Deren waren vier:

aa) Scrinium Memoriae, das man wohl als das Verfassungsdepartement bezeichnen könnte. Dahin gehörten adnotationes, unstreitig Cabinetsordres aus eigener Bewegung im Gegensatz zu Rescripten auf Anträge und Anfragen, Gesuche (preces) persönlicher Art, mutmaßlich alle Gnaden- und Anstellungssachen, überhaupt wohl alles, was nicht die nachfolgenden Spezialdepartements betraf.

bb) Epistolarum, unzweifelhaft für die auswärtigen Angelegenheiten, neben welchem im Orient noch ein besonderes Bureau für die griechische Korrespondenz bestand (graecarum epistolarum).

cc) Libellorum, das Justizdepartement.

dd) Dispositionum, das sich mit Ausführung administrativer kaiserlicher Anordnungen, z. B. bei Reisen und Feldzügen, aber auch mit Besoldungsanweisungen und anderen auf den Dienst bezüglichen Angelegenheiten, unstreitig mehr exekutiver als normativer Natur, beschäftigt haben soll. (S. Not. dign. I, p. 237.)

Jedem der drei ersten Departements stand ein Magister scrinii, d. i. Direktor oder Unterstaatssekretär vor, der der zweiten Rangklasse angehörte. Im ersten (memoriae) sollten nach einer späteren Verordnung allein für das Ostreich (C. J. XII, 19, 10) achtundsechzig, im zweiten und dritten je vierunddreißig Bureaubeamte angestellt sein.

Das minder wichtige Bureau der Dispositionen stand nur unter einem Comes.

Ferner standen unter dem Magister officiorum:

e) Das Officium admissionum d. i. das Zeremonienmeisteramt, dessen Personal sehr zahlreich gewesen sein muß, da ihm ebenfalls ein Magister und ein Vizepräsident (proximus) vorstand. (Not. dign. I, p. 237.)

f) Cancellarii, was nach Lydus d. Mag. III, 11 und 36, Cassiodor. Var. XI, 60 und XII, 1, B.-Hollw., S. 190 und 192 und Böcking II, S. 305–309 höhere Aufwärter waren.

g) Alle Waffenfabriken im Lande, deren die Not. dign. im Orient fünfzehn, im Occident zwanzig aufführt.

h) Zur unmittelbaren Dienstleistung bei dem Magister officiorum waren angestellt

aa) ein Adjutor, Adjutant, im Wesentlichen eine Art von Generaladjutant im Zivildienst, ein hoher Vertrauensposten, der den Rang eines Vicars hatte;

bb) zahlreiche Unteradjutanten, subadjuvae, namentlich auch für die Waffenfabriken und die einzelnen Landesteile.

Endlich waren, wie die Not. dign. zuletzt erwähnt, demselben noch untergeben:

i) ein Oberpostinspektor (curiosus cursus publici);

k) alle im Reiche angestellte curiosi (s. oben unter b), so wie

l) die Dolmetscher für fremde Sprachen, besonders barbarische.

Diesem Allen zufolge stand der Magister offic. oder Reichskanzler nicht nur an der Spitze der gesamten zivilen Zentralverwaltung, mit Ausschluß der Finanzen, sondern es waren ihm auch das Reichspostwesen, wichtige Zweige des Kriegsministeriums und selbst zum Teil des obersten Hofdepartements untergeben. In der Tat würde er hiernach fast die Macht eines Großwesirs gehabt haben, wenn nicht diese durch den

2) Quaestor, der vollkommen ein Kabinettsminister neuerer Zeit war, wesentlich gemindert worden wäre. Der Magister offic. kann dem Kaiser nämlich nur schriftliche Vorträge erstattet oder die der Landesbehörden, gehörig präpariert, unterbreitet haben. Den mündlichen Vortrag hatte allein der Quästor: er allein empfing die höchsten Resolutionen und setzte sie in derjenigen vom Kaiser signierten Fassung auf, welche der weitern Ausfertigung zur Grundlage diente.

Ein solches Verhältnis, daß die Minister nicht unmittelbar mit dem Souverän arbeiten, sondern an die Dazwischenkunft von Kabinettsministern, wo nicht gar bloßen Räten, gebunden sind, hat in vielen modernen Staaten bis zur neuesten Zeit bestanden.

Als besonderer Gegenstand der Amtstätigkeit des Quästors wird die Gesetzgebung hervorgehoben.

Zu dessen Ressort gehörten zugleich aber auch alle in dem laterculus minor (dem kleinern Buche) einzutragenden Anstellungen, wohin Gesetze alle praepositurae, tritunatus et praefecturas rechnen. Wir vermuten, daß sich dies, wo nicht ausschließlich, doch wesentlich auf unter diesem Namen fungierenden Stabsoffiziere des Militäretats bezog, da die praepositi, welche als Unterbeamte der Finanzminister vorkommen, und die Tribunen der Notarien schwerlich darunter begriffen gewesen sein mögen.

Es erklärt sich diese wunderbare Anomalie, da dergleichen Anstellungen der Natur der Sache nach vor das militärische Generalkommando gehörten, welches dieselben fortwährend auch wieder an sich zu bringen wußte (s. C. Theod. I, 8, 3 und Böcking II, 330), nur dadurch, daß man die immer noch gefährlichen magistri militum behindern wollte, durch Ernennung ihrer Kreaturen zu Stabsoffizieren das ganze Heer in noch höherem Grade von ihrer Person abhängig zu machen.

Alle übrigen sowohl der Landes- als Zentralverwaltung einschließlich des Hofdepartements angehörigen Stellen hingegen wurden im großen Buche (laterculus major) verzeichnet, von dem weiter unten die Rede sein wird.

Der Quästor hatte kein eignes Bureau, sondern wählte die ihm nötigen Arbeitskräfte aus den betreffenden Bureaus des Reichskanzlers, und zwar sollten zwölf aus dem scrinium memoriae und sieben je aus dem der auswärtigen Angelegenheiten und der Justiz, also sechsundzwanzig überhaupt, ihm als adjutores beigegeben sein. (C. J. XII, 19, 13.)

3) Der Comes sacrarum largitionum, d. i. der Reichsfinanzminister. Unter ihm stand die Leitung des direkten und indirekten Steuerwesens, namentlich auch der Naturallieferungen, die Beaufsichtigung des Handels, wohl nur in fiskalischer Beziehung, die Verwaltung des Schatzes, Bergbau und Münze, die Magazine und Fabriken (Webereien und Färbereien) für das Staatsbekleidungswesen und die öffentlichen Transportanstalten für Naturalvorräte aller Art.

Die Erhebung, wahrscheinlich auch Verteilung der Steuern aber besorgten die Landesbehörden und unstreitig behielt jeder Präfekt davon so viel für sich zurück, als für den etatsmäßigen Zivil- und Militärbedarf seines Bezirks erforderlich war, so daß nur die Überschüsse in die kaiserliche Zentralkasse flossen.

Die Unterbeamten dieses Ministeriums waren so zahlreich, daß deren spezielle Angabe hier kaum nötig scheint, zumal die Not. dign. des Orients hierin von der des Occidents merklich abweicht.

Im Wesentlichen waren es

a) Provincialbeamte, als:

aa) in jeder Diözese ein comes largitionum oder Finanzdirektor,

bb) in mehreren zu dem Ende zusammengeschlagenen Provinzen je ein rationalis, welcher wohl eine gewisse Kontrolle auszuüben und bei bestimmten Finanzangelegenheiten mitzuwirken, vor allem aber alle fiskalischen Prozesse zu entscheiden hatte. Die Appellation von ihm ging durch den Minister an den Kaiser.

cc) Vorstände der einzelnen Provinzialkassen, Münzen, Fabriken und Transportanstalten.

b) Dessen Bureau, das im Orient in fünfzehn, im Occident in dreizehn verschiedene Scrinia oder Spezialbureaus für die verschiedenen Geschäftszweige zerfiel, unter denen die der tabulariorum das Rechnungswesen zu besorgen hatten.

4) Der Comes rerum privatarum.

So nahe es liegt, in diesem den Verwalter des kaiserlichen Fiskus, im Gegensatze zu dem unter dem Com. sacr. largit. stehenden Aerar, zu vermuten, so würde dies doch ganz irrig sein, da der Comes rerum privatarum lediglich die Staatsdomänen zu verwalten hatte, indem sogar die Schatullegüter des Kaisers in Kappadokien nicht unter ihm, sondern unter dem obersten Hofchef standen. Wohl aber war ihm der vom Staatsschatze getrennte Kronschatz untergeben.

Die Domänen bestanden teils aus kaiserlichen Schlössern (divinae domus), teils in Gütern und Waldungen, hauptsächlich aber in Dominialgefällen, da wahrscheinlich der größte Teil der Grundstücke gegen Zins (emphyteutisch, nach Art unserer Erbpacht) ausgetan war. Auch konfisziertes Privatvermögen, wie unter Valentinian das des Gildo in Mica, herrenlose Güter und dergleichen fielen dessen Verwaltung zu. Nicht minder waren ihm die Stutereien (greges et stabuli) und die Transportanstalten für seine Zwecke untergeben.

Die Beamten dieses Ministeriums sind dem des Reichsfinanzministers ganz ähnlich. Sie waren teils in der Provinz als Rationalen (s. oben) und Verwalter oder Aufseher, Prokuratoren, teils im Ministerialbureau selbst angestellt, das jedoch weit kleiner war, als das seines unter 3) gedachten Kollegen.

Mit den vier Ministern schließt die erste Rangklasse; wir kommen nun (indem wir die Befehlshaber der Leibgarde, wenngleich es zweifelhaft ist, ob diese nicht mehr zu den Zivilbeamten gerechnet wurden, dem Militäretat vorbehalten und auch die im Range diesen folgenden Hofchargen des primicerius sacri cubiculi und des castrensis übergehen),

5) auf den primicerius notariorum, den Oberhofnotar.

Diesem war die Führung des großen Buchs (laterculus major) übertragen, das nach der Not. dign. das Verzeichnis aller dignitates (sowohl Ämter als bloßer Titel) des Zivil- und Militäretats enthielt.

Dies konnte um deswillen nicht im Bureau des Reichskanzlers geführt werden, da es zugleich die Beamten des Hof-, Finanz- und Militärdepartements umfaßte. Ein gutachtlicher Vorschlag bei den Anstellungen selbst kann dem primicorius notariorum kaum zugestanden haben. Es scheint sogar, nach obigem Worte » aller« (omnium dign.), daß auch die Würden des kleinen Buches, welches der Quästor zu führen hatte, darin, wahrscheinlich abgesondert, mit aufgeführt wurden. Dieser letztere hohe Beamte hatte aber unstreitig mehr als die bloße Eintragung zu besorgen, also eine gewisse Mitwirkung bei der Anstellung der dahin gehörigen Beamten selbst, während die Wirksamkeit des Primiceriats zunächst eine rein notarielle sein sollte, daher einem Heroldsamte zu vergleichen war, das namentlich die Rang- und Anciennetätsstreitigkeiten zu entscheiden hatte. Nach dem hohen Range dieses Beamten, der nach seinem Abgange sogleich Rang und Titel eines fungierenden Magister offic. erhielt (C. J. XII, 7, 2 a. Schl.), muß derselbe jedoch ein besonderes Vertrauen genossen haben. Wir vermuten daher, daß ihm, zu Verhütung der damals so häufigen Unredlichkeiten und Mißbräuche, zugleich eine genaue Überwachung des gesamten Anstellungswesens zur Pflicht gemacht war.

Nach der Not. dign. des Orients hatte er auch ein Verzeichnis sämtlicher Scholae und Truppen-Abteilungen zu führen, was jedoch in der des Occidents nicht vorkommt.

Seine Gehilfen wählte er aus der Schola der Notarien.

6), 7) und 8) Die bereits oben erwähnten Magistri Scriniorum memoriae, epistolarum und libellorum, d. i. die Direktoren der drei Hauptabteilungen der Reichskanzlei.

Dies waren die Zentralbeamten, worauf in der Not. dign. die (von uns bereits unter A. abgehandelten) Landesverwaltungsbehörden, von den Prokonsuln ab, folgen.

Für beide Kategorien (A. und B.) ist aber noch die nach gleichen Grundsätzen geordnete Bureau-Verfassung in das Auge zu fassen, die sowohl ihrer großen Eigentümlichkeit als ihrer Wichtigkeit wegen besonderer Darstellung bedarf.

Die Bureauverfassung

In der Republik war der öffentliche Dienst, einschließlich der Advocatur, lediglich Ehrensache, zugleich aber die Vorschule zu den höchsten Staatswürden, ward daher nur von den höhern Klassen, mindestens von den Vermögenderen, gesucht. Unter den Kaisern aber, als die Staatsbedienungen zahlreicher und besoldet wurden, bildete sich eine eigene Erwerbs- und Berufsklasse dafür aus, wie dies auch in unserer Zeit der Fall ist. Man studierte die Rechte, wofür die Universität zu Berytus (Beirut in Syrien) damals die berühmteste war. Nach dieser Vorbereitung wurden die jungen Leute Notarien im weitesten Sinne des Worts, wie ihn Lydus (III, 6) auffaßt, was unseren »Rechtskandidaten« zu vergleichen ist.

Die wissenschaftlich Befähigtesten waren zum sofortigen Eintritt als Supernumerare berechtigt.

Andere meldeten sich bei den Landesbehörden zu Übernahme verschiedenartiger praktischer Aufträge in den Provinzen, gewißermaßen als agentes in rebus der Provinzialbehörden. Man nannte sie nach dem einen Postpferde, das ihnen ordonnanzmäßig zukam, singulares.

Eine dritte Klasse der Notarien endlich fungierte als Rechnungsführer (rationales) und Schreiber bei den Brotverbackungs- und Verteilungsanstalten in Rom, Konstantinopel, Alexandrien und anderen Städten, welche anscheinend seit Aurelian (Fl. Vop. Aur., c. 35 und 47) an die Stelle der früheren Getreidespenden getreten waren, sowie bei den sonstigen Verabreichungen, z. B. von Öl und Schweinefleisch, worüber zahlreiche Titel des Theod. Cod. Aufschluß geben, wie denn unter anderem (in XIII, 17, 6) demjenigen Schreiber, welcher sich hierbei um Geld oder Gunst einer Widerrechtlichkeit schuldig mache (dem gratificanti oder vendenti scribae), Todesstrafe angedroht wird. Leider ist jedoch Lydus hierüber (namentlich III, 7) sehr dunkel und verworren.

Ein großer Teil dieser Rechtskandidaten muß sich aber auch der Privatpraxis (mit Ausnahme jedoch der advokatorischen im engeren Sinne, welche nur den dafür Angestellten zustand) ergeben haben. Dahin gehörten die Prokuratoren, sowie die Tabellionen. Die Reste letzterer sind heute noch, wiewohl in viel unwürdigerer Form, auf den öffentlichen Plätzen und Straßen der italienischen Städte zu finden.

Die sich zum Staatsdienst meldenden Notare hatten ihre Befähigung durch Zeugnisse und Specimina zu erweisen (Lyd. III, 2), worauf sie durch ein kaiserliches Rescript, was durch den Mag. offic. erging, zu Behilfen, Adjutoren im weitesten Sinne dieses Worts, ernannt wurden.

Sie traten nun gleich unseren Accessisten, Protokollanten, Auscultatoren usw. als überzählige Hilfsarbeiter ein und konnten sich dazu nach freier Wahl, mit Genehmigung des Vorstandes, welche anscheinend nicht versagt wurde, bei irgend einem beliebigen Bureau und beziehentlich bei einer bestimmten Abteilung eines solchen melden.

In der Kanzlei des Praefectus Praetorio, von der wir durch Lydus genauesten unterrichtet sind, gab es (nach III, 4) fünf solcher Abteilungen, wohin z. B. die für Zivilsachen des cornicularius und die für Kriminalsachen des commentariensis gehörten, im gesamten Staatsdienste aber überhaupt fünfzehn dergleichen, die ordines oder scholae genannt wurden. (S. Lydus III, 6.) Zu einer solchen Schola (d. i. Verein, Körperschaft, Zunft) gehörten nun nicht bloß die Supernumerare, sondern auch die in der betreffenden Geschäftsabteilung Angestellten selbst. Von des Lydus Person selbst erfahren wir (III, 26), daß er nach absolvierten Studien zuerst bei den memorialibus aulae, d. i. bei zum Scrinium memoriae in der Reichskanzlei gehörigen Hilfsarbeitern eintreten wollte, von dem damaligen Praefectus Praetorio des Orients, seinem Landsmann, aber veranlaßt ward, sich den Notarien der Präfektur und zwar der Abteilung des Cornicularius anzuschließen.

In jeder solchen Schola rückten nun die Eingetretenen nach dem Dienstalter allmählich bis zur höchsten Stelle hinauf, wobei Lydus erst nach vierzig Jahren zu der des Cornicularius gelangte.

Dies ward dadurch erleichtert, daß nach dem Gesetze jährlich zwei Notare aus dem aktiven Dienst ausschieden (Lyd. III, 9), was sich jedoch nicht einmal auf das ganze Bureau, sondern nur auf jede Spezialabteilung desselben beziehen kann, da Lydus (III, 66) ausdrücklich bemerkt, daß vor dem zu seiner Zeit unter Justinian eingetretenen Verfalle der Officien überhaupt, d. i. im gesamten Staate, deren jährlich tausend ausgeschieden seien. Bethm.-Hollw. (S. 187, Anm. 156) nimmt zwar an, daß diese Stelle nicht von den Ausgetretenen, sondern von der Gesamtzahl der überhaupt vorhandenen Notarien (ταχυγράφοι) rede, es ist aber dagegen einzuwenden, daß a. a. O. ausdrücklich von den Austretenden (τοι̃ς παυομένοις τω̃ν πόνων) die Rede ist und der ganze Zweck der Bemerkung, den Sportelverlust des Matricularius zu beweisen, sich eben nur auf die Dienstveränderungen beziehen kann, bei welcher die Neueintretenden etwas zu entrichten hatten. Bethm.-Hollw. scheint zu glauben, daß Lydus a. a. O. nur von den Excerptoren (Protokollanten) im engeren Sinne rede: es ergibt sich aber (aus III, 9, 13, 16, 25 und sonst), daß derselbe unter den Tachygraphen oder Notarien das ganze teils aktive, teils ruhende Bureaupersonal, namentlich alle Adjutoren (βονθοί) der höheren Stellen versteht, wobei dann eine Gesamtzahl von nur tausend überhaupt Angestellter bei den von Bethm.-Hollw. selbst S. 167 für einzelne Bureaus beispielsweise angegebenen Zahlen völlig undenkbar erscheint.

Die einzelnen Stellen im Bureau wurden nun in der Regel nur ein Jahr bekleidet (Bethm.-Hollw. S. 196), worauf die Betreffenden austraten, immer aber noch in der Kanzlei, wo sie nach Lydus (III, 13) einen eignen Platz hatten, blieben und mit Arbeiten für die dafür zu entrichtenden Sporteln beschäftigt wurden, aber auch, wie aus derselben Stelle am Schluß hervorgeht, andere Rechtsgeschäfte betreiben konnten, was durch des Lydus eigenes Beispiel (III, 27 a. Anf. u. Schluß) erläutert wird. Nach gleicher Frist trat nun der Ausgeschiedene wieder in eine andere höhere Stelle, wenn auch derselben Kategorie, ein, so daß er z. B. vom zehnten Protokollanten zum neunten hinaufrückte.

Die Gesamtkanzlei umfaßte nun folgende Abteilungen und Vorstände derselben:

a) Den Cornicularius, welcher militärische Titel unzweifelhaft den im Range obersten Beamten bezeichnet, der jedoch speziell nur die Abteilung von Zivil- und wahrscheinlich auch Verwaltungssachen unter sich gehabt zu haben scheint. Nun erwähnt zwar die Not. dign. in allen Bureaus der Landesbehörden, aber nicht in denen der Zentralverwaltung, noch einen Princeps, der unzweifelhaft über dem Cornicularius stand. Dies ist jedoch nach des Lydus bestimmter, im Wesentlichen mindestens nicht zu bezweifelnder Angabe (III, 22) ein erst unter Arcadius (allerdings aber auch im Occident) zu dem Zwecke angestellter Beamte, den Vorstand der Behörde, Präfekt, Vicar etc. selbst zu überwachen, vielleicht auch bisweilen zu vertreten, der als solcher an der Bureauverwaltung keinen notwendigen und wesentlichen Anteil hatte.

Für die Praefecti Praetorio war derselbe wahrscheinlich ein höherer kaiserlicher Kommissär, für sämtliche Vicare ein dazu abgeordneter Offizier der agentes in rebus, für die konsularischen Provinzialstatthalter im Occident ein Beamter aus der Kanzlei des Praefectus Praetorio, nur für den Prokonsul von Asien und alle übrigen Provinzialstatthalter aus deren eignen Bureaus (de eodem officio) entnommen, ward aber in diesem Falle nicht von dem Statthalter selbst, sondern von dessen vorgesetzter Behörde ernannt.

b) Der Adjutor, wie ihn die Not. dign., oder primiscrinius, wie ihn Lydus nennt, nach welchem deren übrigens zwei waren.

Die Beamten a) und b) scheinen die Direktoren der beiden Hauptabteilungen gewesen zu sein.

c) Der oder die Commentarienses, Vorstände der Kriminalabteilungen, deren Ansehen und Gewalt, da Verhaftung und Folter zu ihrer Verfügung standen, sehr groß war (s. Lyd. III, 16–18).

d) Der oder die ab actis, welche die spezielle Verhandlung aller Zivilsachen und die Ausfertigungen hierin zu leiten hatten, obwohl dies nach Lydus (III, 20), der ihnen nur χρηματικὰς υποθέσεις (pecuniarias causas) zuweist, zweifelhaft scheinen könnte.

e) Der Vorstand der cura epistolarum, welche wohl besonders die Abfassung der Schreiben in Steuerangelegenheiten zu besorgen hatte.

f) Der oder die Regendarien, unter welchen die Postanstalten des Bezirks standen.

Jeder dieser Abteilungsvorstände hatte nun ein eignes scrinium (Spezialbureau) unter sich, mit welchem eine besondere Schola verbunden war, welche sowohl die wirklich besoldeten, als die ruhenden Bureaugehilfen, einschließlich der Überzähligen, umfaßte.

Da jedoch Lydus (III, 4) ausdrücklich nur fünf Kataloge (der technische Ausdruck für das Verzeichnis der Mitglieder einer Schola) anführt, nämlich die der obbenannten Vorstände a), b), c), e) und f), dabei aber den ab actis d) wegläßt, so ist zu vermuten, daß dieser zur Schola des Cornicularius gehörte.

Unter den Bureauofficianten werden nun, nach der Natur ihrer Geschäfte, die wissenschaftlich gebildeten von denen unterschieden, die dies nicht sind, oder wenigstens die für erstere vorgeschriebene Prüfung, wir würden sagen das zweite Examen, nicht bestanden hatten.

Zu ersteren gehörten namentlich die in den verschiedenen Abteilungen fungierenden numerarii, auch tabularii oder Rechnungsbeamten, die adjutores, welche der Vorstand, nachdem sie neun Jahre lang protokolliert hatten (Lyd. II, 18), zu seiner persönlichen Unterstützung zu beliebigen Arbeiten verwenden konnte, und die exceptores oder Protokollanten. Die mit Spezialgeschäften beauftragten Expedienten wurden nach solchen mit entsprechenden Namen bezeichnet, z. B. Instrumentarius, Vorstand der Zivilregistratur, der oben erwähnte Matricularius, sowie die Sekretarien und Cancellarien (wenn letztere überhaupt zu den Literaten gehören, was wir bezweifeln müssen).

Zu den Illiteraten gehörten die oben erwähnten Singularier, welche indes nach Lydus (III, 6) auch Rechtskandidaten, nur minder befähigte, gewesen sein dürften und eine größere Anzahl von Officianten mit militärischen Bezeichnungen, ducenarii, centenarii, biarchi, welche als Gendarmerieoffiziere und Gendarmen zu betrachten sind und besonders zu Vollstreckung mündlicher Aufträge (Lydus III, 15) wie Exekutionen, Verhaftungen und sonst gebraucht wurden.

Noch niederere Beamte kommen unter sehr verschiedenartigen Bezeichnungen, wie Ausrufer, Schließer u. a. m., vor.

Die auffälligste Verschiedenheit dieses Bureauwesens von dem modernen liegt darin, daß die in letzterem so wichtige Sonderung der geistigen Arbeit von der mehr oder minder mechanischen ganz vermißt wird, dieselben Personen also, welche späterhin zu Räten und Direktoren aufrückten, vorher zum Teil anscheinend auch zu Geschäften verwendet wurden, welche bei uns durch Kanzlisten und Registratoren besorgt werden.

Höchst eigentümlich dagegen erscheint das System der sorgfältigsten Überwachung und Kontrolle, welches sich durch die ganze Einrichtung hinzieht. Die Regierung mag von der allgemeinen Unrechtlichkeit aller Beamten (Lyd. III, 17) so erfüllt gewesen sein, daß sie deren Verhütung allenthalben vor Augen hatte, wie denn z. B. die Exekutivmandate, damit nicht etwas weggelassen oder zugesetzt würde, von drei Oberbeamten zu unterschreiben waren (Bethm.-Hollw. S. 178). Nur aus diesem Motive allein kann die an sich so zweckwidrige Einrichtung des fortwährenden Stellenwechsels, des Aus- und wieder Eintretens der Bureauofficianten erklärt werden, indem der Nachfolger jederzeit der natürliche Aufpasser seines Vorgängers war, durch dessen Dienstentlassung er avancierte.

Neben den erwähnten speziellen Scholis der Notarien bestand nun unzweifelhaft noch ein allgemeiner organischer Zusammenhang derselben, als deren Haupt wir, wenn auch nur dem Namen nach, den oben unter 5) gedachten primicerius notariorum, neben welchem (im C. J. XII, 7, 1 in der Überschrift) auch ein secundocerius erwähnt wird, zu betrachten haben.

Eben dieses Gesetz vom Jahre 380 erwähnt übrigens den ordo der Notarien als Gesamtheit, spricht von der besonderen Pietät des Kaisers für sie und verordnet, daß diejenigen, welche aus diesem Wirkungskreise ausscheiden, wenn sie irgendeine andere Dignität erlangten, die Bezeichnung dieses früheren Amtsverhältnisses beibehalten sollen (non omittant prioris vocabulum militiae). Dieser ordo (Zunft, Korps) der Notarien kann jedoch nur die im Staatsdienste selbst angestellten oben erwähnten drei Klassen umfaßt haben.

Wenn ferner des Lydus Darstellung (III, 9) richtig ist, so zerfiel das ganze Corps der Notarien in zwei Hauptabteilungen, von denen die eine das τάγμα (Schar, Corps) der Augustalen hieß, deren Vorstände, dreißig an der Zahl, den persönlichen Titel Augustalen führten, aus denen die Kaiser fünfzehn für ihren Bedarf als Protokollanten erwählten, welche, wie wir mehrfach aus Ammian Marcellin ersehen, auch zu wichtigen kommissarischen Aufträgen, meist wohl als Spione und Polizisten des Hofes, verwandt wurden.

Auch Tribune (die militärische Bezeichnung für Stabsoffiziere) der Notare (tribuni et notarii) kommen häufig vor, ohne daß jedoch genügend zu ersehen wäre, ob dies nur Ehrenauszeichnung war oder sich auf ein Amt bezog.

Von großer politischer Wichtigkeit aber ist der aus dem vorstehend entwickelten Motiv entsprungene Gedanke, die ganze zahlreiche Klasse der Juristen und Geschäftsmänner mit dem Monarchen und seiner Regierung in unmittelbare Verbindung zu bringen und dadurch den größten Teil derselben, auch die nicht unmittelbar Angestellten, zu Staatsdienern zu machen.

Dahin gehörten nun auch die Advokaten, welche nur auf Grund förmlicher Anstellung bei einem Gericht praktizieren durften. Wie dies mit den Prokuratoren stand, die sich, wie heute noch in Frankreich die avoués von den avocats (den allein öffentlich plädierenden Rechtsanwälten), unterschieden, wissen wir nicht.

Sowohl alle Staatsdiener und Notare als die Advokaten genossen für sich und ihre Angehörigen übrigens der ausgedehntesten Privilegien, namentlich der Befreiung von Kommunal- und Staatslasten, sowie andere Vorrechte, wie denn z. B. die Körperschaft der bei den Präfekturen angestellten Advokaten in späterer Zeit die eigentümliche Befugnis erlangte, jährlich zwei Individuen zur Aufnahme in die kaiserliche Garde, welche Stellen sehr gesucht gewesen sein mögen, zu präsentieren. (C. J. II, 7, 25 oder 8, 6.)

Über die Verfassung der Ministerialbureaus sind wir, zumal bei den Abteilungsdirektoren (magistris scriniorum) jede Angabe über deren Kanzleien in der Not dign. fehlt weit weniger unterrichtet. Die Kanzleien der Finanzministerien scheinen nur in sachlich abgeteilte Spezialbureaus, mit denen jedoch wahrscheinlich ebenfalls Scholae verbunden waren, zerfallen zu sein. Wir ersehen aber gelegentlich (aus C. J. XII, 23, 2), daß die zu Aufträgen und Erörterungen in der Provinz bestimmten Beamten derselben (welcher Organe keine Behörde damals entbehren konnte) den Namen mittendarii, Sendlinge, führten.

Nach dieser Darstellung der gesamten Zivilverwaltung ist noch des kaiserlichen Konsistoriums zu gedenken, das unter Diokletian und Constantin zu einer festeren Verfassung ausgebildet ward.

In ihm hatten regelmäßig Sitz und Stimme:

1) Der in der Residenz anwesende Praefectus Praetorio;

2) der oder die magistri militum in der Stadt;

3) die obengedachten vier Minister;

4) eine unbestimmte Anzahl wirklicher Geheimräte, die der zweiten Rangklasse angehörten, Comites consistoriani.

Überdies wurden in besonderen Fällen mehrere außerordentliche Mitglieder zugezogen, namentlich wohl Staatsdiener der ersten und zweiten Klasse, die für den Augenblick ohne Administration waren (vacantes), Patricier u. a. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Konsistorium teils als wirklicher Geheimrat, teils aber auch als Staatsrat fungierte, in welchem letzteren Falle dann wohl mehr Personen dazu berufen wurden (Bethm.-Hollw. S. 110–119).

II. Der Militäretat

Der Darstellung der ein organisches Ganzes bildenden, neuen Heeresverfassung ist die der kaiserlichen Leibgarde zu Roß und zu Fuß, domestici et protectores, vorauszuschicken, denen zwei Comites, jeder Waffengattung einer, vorstanden. Dieselbe scheint näher dem Hof- als dem Militäretat gestanden zu haben. Sie war jedenfalls ein exemtes, durch große Privilegien begünstigtes Korps, mehr einer modernen Nobelgarde als einer aus der ordentlichen Rekrutierung hervorgegangenen Truppe vergleichbar und zwar aus zwei verschiedenen Elementen gebildet: einesteils nämlich aus bewährten verdienten Kriegern, die zur Belohnung darin aufgenommen worden. Wie hoch deren Sold gewesen sein muß, ergibt sich daher, daß nach einer allerdings späteren Verordnung vom Jahre 519 eine in diesem Falle anscheinend noch herabgesetzte bedeutende Bezahlung für den Eintritt zu leisten war (C. J. II, 7, 25 oder 8, 6). Andernteils wurden aber auch Jünglinge vornehmer Geburt darin aufgenommen, wie wir dies von Ammian selbst und dem von diesem (XIV, 10) genannten Hercolanus, Sohn eines vormaligen magister militum, erfahren. In letzterer Hinsicht mag die Garde an die Stelle derjenigen militärischen Bildungsschule getreten sein, welche jungen Leuten von Stande durch freiwilligen Eintritt in das Gefolge der kommandierenden Generale während der Republik und selbst noch in der Kaiserzeit eröffnet ward. Diese wurden nun großenteils, wie Ammian mit zehn Kameraden, auswärts kommandiert, teils in den Krieg, teils mit wichtigen Aufträgen in die Provinzen. Sie blieben dann immer Protektoren, d. i. Leibwächter, hörten aber auf domestici zu sein, was nur die am Hofe gegenwärtigen noch waren. Militärische Bedeutung scheint diese Garde, obwohl sie gewiß dem Kaiser in den Krieg folgte, nicht gehabt zu haben, wenigstens eine viel mindere, als die von Ammian so oft erwähnten Scholae Scutariorum et Gentilium. Ob der Ursprung dieses Korps auf die Kaiser Gordian und Philippus zurückzuführen ist, wie man (nach dem Chron. Paschale p. 501 und 502 Bonn. Ausg.) vermuten könnte, wagen wir nicht zu bestimmen. Gewiß ist, daß man vom einfachen Protektor unmittelbar zu hohen Staatsämtern befördert werden konnte, wie denn Jovian von der ersten Offizierstelle in diesem Korps (domesticorum ordinis primus, nicht comes) zum Thron berufen wurde. Insbesondere scheinen die Stellen der Comites, Kommandeurs beider Garden, besondere Vertrauensposten für die ausgezeichnetsten Männer gewesen zu sein, wie denn Diokletian vor der Thronbesteigung ein solcher war (Flav. Vop. Numer. c. 13). Nach der Not. dign. gehörten sie zur ersten Rangklasse, was an sich bei einem Hofamte nicht unwahrscheinlich ist, obwohl dies von Böcking, der sie nur für spectabiles hält (I, S. 262), aus sehr wichtigen Gründen als Irrtum dargestellt wird.

Wir kommen zu der allgemeinen Heeresverfassung.

Dürfen wir Zosimus (33) folgen, so entzog Constantin der Große zuerst den Praefectis Praetorio alle Militärgewalt und übertrug diese zwei Magistris militum und zwar dem einen über das Fußvolk, dem andern über die Reiterei. In dieser letzteren Sonderung war das politische Prinzip der Gewaltteilung auf die Spitze getrieben, aber auf eine unpraktische Weise, da der kommandierende General im Felde oder auch nur in der Nähe des Feindes doch immer beiderlei Waffen unter seinem Befehle haben mußte. Gewiß hat Constantin selbst auch auf letztere minderen Wert gelegt: wir finden daher bald nachher schon magistri beider Waffengattungen, utriusque militiae, erwähnt.

Näheres über die Constantinische Einrichtung wissen wir nicht. Wahrscheinlich ernannte er neben den vier Präfekten auch vier magistri militum, so daß, weil jeder derselben ursprünglich nur eine Waffengattung hatte, dessen Wirksamkeit sich über zwei Präfekturbezirke erstreckte.

Auch finden sich unter Constantius und Julian nur vier magistri militum (s. Böck. n. d. II, S. 210).

Zur Zeit der Abfassung der Not. dign. nach der Teilung des Reichs waren jedoch deren acht, und zwar im Orient fünf, nämlich zwei, und zwar jeder für beide Waffen, de praesesenti, d. i. am kaiserlichen Hofe,

einer für den Orient,
" " Thrakien,
" " Illyricum,

im Occident aber drei, als

einer des Fußvolks } de praesenti
" der Reiterei }
" der Reiterei in Gallien.

Wir erfahren aber aus Zosimus (IV, 27), daß erst Theodosius deren Zahl vermehrt habe, was sich hauptsächlich auf den Orient zu beziehen scheint.

Nach unserer Vermutung – denn die Quellen verlassen uns – blieb nach Verteilung der Militärgewalt unter vier selbständige Generalkommandos immer noch wegen der Gleichmäßigkeit der Organisation, der Versetzungen von einer Armee zur andern und sonst eine gewisse Zentralverwaltung unentbehrlich, welche unstreitig dem ersten magister militum am Hofe (de praesenti) übertragen ward. Dies bestätigt auch die Not. dign. des Occidents, in welcher sich die ursprüngliche Einrichtung am meisten erhalten zu haben scheint. Der magister militum des Fußvolks hat nämlich daselbst außer der gesamten Linieninfanterie an hundertsiebenundzwanzig numeris oder Parteien, Legionen und Auxilien überdies noch alle kommandierenden Generale in den Provinzen, mit Ausnahme der duces sequanicae (Schweiz und Burgund) und des tractus aremoricani (Bretagne und Normandie), wo aber nur Festungsgarnisonen angeführt werden, unter seinem Befehle. Der Magister equitum de praesenti kann dagegen nur das Generalkommando über die gesamte Reiterei, der Magister equitum Galliarum hingegen lediglich den Kriegsbefehl über die in Gallien selbst (ausschließlich Spaniens und Britanniens) stationierten Truppen an achtundvierzig Parteien Fußvolk und zwölf dergleichen Reiterei gehabt haben, so daß dessen Bezeichnung »Magister equitum« hier nur als Titel erscheint, den die Wichtigkeit seines Kommandos in dem größten und gefährdetsten Teile des Westreichs begründet haben mag.

Die Generale in den einzelnen Provinzen Galliens müssen daher auch lediglich dessen Kriegsbefehle, in Angelegenheiten des Generalkommandos, wie Avancements, Versetzungen, sowie der Militärgerichtsbarkeit hingegen dem ersten magister militum unmittelbar untergeben gewesen sein.

Den Orient zunächst bei Seite lassend haben wir nun die neue sehr eigentümliche Formierung des römischen Gesamtheeres darzustellen.

Im Westreich bestand das Gesamtheer,

A. so weit es unter dem Befehle der magistri militum aufgeführt wird:

1) an Fußvolk aus

a) achtundsechzig Legionen, als

aa) zwölf palatinae;

bb) achtunddreißig comitatenses;

cc) achtzehn pseudocomitatenses;

b) fünfundsechzig palatinischen auxiliis, d. i. Kohorten oder Bataillonen,

2) an Reiterei aus

a) zehn palatinischen vexillationes (Fähnlein);

b) achtunddreißig dergleichen comitatensischen, überhaupt also aus hundertsiebenundzwanzig Infanterie- und achtundvierzig Kavallerie-Parteien oder numeri, von denen jede einen besonderen Eigennamen führte, daher als selbständiger Truppenkörper zu betrachten ist.

Ferner standen aber auch unter ihnen noch

3) nächst den hier zu übergehenden wichtigsten See- und Stromflotten viele praepositi, d. i. Befehlshaber kleinerer Truppenkörper, nämlich

a) fünf in zwei Provinzen Spaniens;

b) zwölf Praefecti Laetorum in Gallien, und

c) einundzwanzig dergleichen (von zwei sind die Namen ausgefallen) Gentilium in Italien, worauf weiter unten zurückzukommen ist.

B. So weit es nur unter dem Befehle der kommandierenden Generale in den Provinzen erwähnt wird:

Sämtliche milites limitanei, d. i. die Grenz- oder Provinzial-Miliz, die wir zunächst für beide Reichsteile im Allgemeinen betrachten.

Dies war eine alte, wahrscheinlich in ihren Anfängen bis auf August und Tiber zurückgehende, gewiß besonders durch Hadrian ausgebildete Einrichtung, die namentlich unter Severus Alexander erwähnt wird (s. Lamprid. A. Sev. c. 58), die wir jedoch erst aus einer Verordnung Justinians v. Jahre 534 (C. J. I, 27, 2, G. 8, abgedruckt in Böcking II, S. 157–161) genauer kennenlernen. Hiernach glich sie vollständig der österreichischen Grenzmiliz gegen die Türkei. Die an der Grenze aufgestellten Soldaten empfingen Land zur Bebauung, gründeten ohne Zweifel allenthalben einen eigenen Hausstand, hatten aber (zugleich in ihrem eignen Interesse) die Grenze zu verteidigen und waren dafür militärisch organisiert. Sie waren vorzugsweise aus Eingeborenen zu wählen, da es in gedachter Verordnung heißt: sic tamen ut si inveneris de provinciis idonea corpora de illis limitaneorum constituas (i. e. milites). Diese Grenztruppen waren es nun, die in den Gesetzen (s. weiter unten) als riparienses und castriciani oder castrensiani bezeichnet werden.

Dieselben scheinen indes, der Natur der Sache nach, mehr an ausgedehnten trockenen Grenzen als an großen Strömen, durch welche man gegen kleinere Raubzüge ohnehin mehr gesichert war, aufgestellt worden zu sein. Die Not. dign. ergibt an vielen Stellen deren Vorhandensein mit Sicherheit, wie denn z. B. in den afrikanischen Provinzen des Westreichs c. 23, 29 und 30, 38 praepositi limitum, und in c. 38 unter dem dux von Britannien ausdrücklich die linea valli (die Grenzmauer gegen die Caledonier) aufgeführt werden.

Ebenso finden sich unter den duces des westlichen Illyricum neunundfünfzig Regimenter (numeri) Reiter und zehn Bataillone Fußvolk, welche in der Linienarmee nicht vorkommen (was jedoch bei der Ungenauigkeit der Namenangaben, von denen einige fast die Angehörigkeit zur Linie vermuten lassen, nicht allenthalben mit voller Sicherheit zu behaupten ist). Ganz besonders aber sind gewiß die darunter begriffenen dreiundzwanzig dalmatischen Reiterregimenter dahin zu rechnen. Als deren Hauptquartiere sind zwar überall Festungen angegeben, deren Dienst aber hat sicherlich darin bestanden, das diesseitige Ufer, von einem festen Platze zum andern, fortwährend abzusuchen, wozu sie um so williger sein mußten, wenn ihnen die Uferstrecken zur Bebauung und Benutzung überlassen waren. Mit dieser Grenzhut standen nun die zu erwähnenden Platz- und Grenzkommandanten in enger Verbindung: doch scheinen diese hier und da, namentlich in Gallien und Britannien, auch Linientruppen unter sich gehabt zu haben.

Im Orient, wo es an tauglichen Eingeborenen häufig fehlen mochte, wurden nun auch Krieger aus andern Gegenden an der Grenze kolonisiert.

So finden wir daselbst unter dem Dux Thebaidos, dem Kommandierenden in Oberägypten, sechs numeri Reiter von Eingeborenen, indigenae; drei numeri auf Dromedaren Berittener, die gewiß ebenfalls eingeboren waren; sechs bis sieben, dem Namen nach aus Nachbarprovinzen, aber auch neun aus Völkern Westeuropas, namentlich germanischen, wie Franken, Alemannen, Juthungen und Quaden, die aus Kriegsgefangenen oder durch Vertrag ergebenen dedititiis oder geworbenen Söldnern oder Foederatis bestanden.

Diese Grenzmiliz durfte nun (wie auch Böcking n. d. II, 536 annimmt) von ihren Stationsorten und Ländereien nicht versetzt werden (Auch germanische Söldner bedangen sich wohl aus, nie über die Alpen geführt werden zu dürfen. Ammian Marc. XX, c. 4. D.), und dies, sowie der zugleich bürgerliche Charakter derselben, mag der Grund gewesen sein, weshalb sie dem eigentlichen, fortwährend mobilen Linienmilitär nicht beigerechnet, daher auch nicht dem für dieses verordneten Generalkommando, sondern nur den Kriegsbefehlshabern ihrer Provinzen untergeben waren. Indes mag von obiger Regel der Unversetzbarkeit der Grenztruppen in dringenden Fällen vom Kaiser abgegangen worden sein, da wir aus Fl. Vop. Aurel. (c. 38) ersehen, daß unter den bei einer Münzrebellion in Rom gebliebenen 7000 Mann auch riparienses und castriciani waren. Wir sind jedoch überzeugt, daß dies hauptsächlich nur bei den kriegerischeren und kriegslustigeren Illyriern (und Germanen D.) stattfand, die für solchen außerordentlichen Dienst dann gewiß auch besondere Löhnung empfingen.

Im Ostreich ergibt sich zuvörderst keinerlei Spur eines einem der beiden Magistri militum zugestandenen, zentralen Generalkommandos, obwohl die Existenz eines solchen nichts destoweniger kaum zu bezweifeln sein möchte, vielmehr werden nur aufgeführt:

A. Linie

Unter den
Magist. milit.
1) Reiterei 2) Fußvolk
Geschwader Palatinische Komitatenische Pseudokomit.
a) pal. b) kom. a) Leg. b) Aux. a) Leg. b) Aux. a) Leg. b) Aux.
de praesent. I. 5 7 6 18
de praesent. II. 6 6 6 17 1
p. Orient. 10 2 9 10
p. Thrak. 3 4 21
p. Illyr. 2 1 6 8 9
14 29 13 43 38 19 1

Hiernach bestand die Reiterei aus dreiundvierzig, das Fußvolk aber aus hundertundvierzehn selbständigen Truppenkörpern und zwar aus siebzig Legionen und vierundvierzig Kohorten (Bataillonen) Auxilien.

B. Grenzmiliz

Diese war im Orient unzweifelhaft weit bedeutender und zahlreicher, als im Occident, weil es in ersterem ungleich längere trockene Grenzstrecken gab, was durch Prokop (Hist. arcana Kap. 24, p. 135, Z. 7 und 8, Bonn. Ausg.) ausdrücklich bestätigt wird.

Wir finden daher auch unter dem Befehle der Provinzialbefehlshaber dort

hundertundachtzig Kavallerie- und

sechsundachtzig Infanterie-Parteien (numeri) aufgeführt, welche zur Grenzmiliz gehört haben müssen. Auch werden außerdem dreizehn Legionen hier verzeichnet, von denen nur vier sich in den Verzeichnissen des Linienmilitärs finden. Ob nun die fehlenden neun nur irrtümlich weggelassen sind oder aus welchem besonderen Grunde dieselben nicht zur Linienarmee gerechnet wurden, ist nicht zu ermitteln, doch können wir sie zur Grenzmiliz im engern Sinne dieses Wortes kaum zählen, würden daher für das Ostreich überhaupt neunundsiebzig Legionen anzunehmen haben.

Noch ist die Verschiedenheit der Bezeichnung der Truppenkörper bei der Linie und der Grenzwehr hervorzuheben. Bei ersterer werden die der Reiterei alle als Vexillationes (Fähnlein), bei letzterer teils als equites (Reiter schlechtweg), teils als alae, teils als cunei aufgeführt; bei dem Fußvolk werden bei der Grenzwehr, außer den Legionen (im Orient) und Kohorten, auch bloße milites und auxilia mit dem Namen erwähnt, z. B. Not. or. c. 36, 37 und 39. Wir halten jedoch sämtliche Kavalleriekörper, mit Ausnahme der anscheinend schwächern cunei, etwa Doppelschwadronen, für Regimenter, sämtliche Infanterieabteilungen aber für Bataillone, da eine andere Formierung bei den Römern, außer der Legion, nicht üblich war.

Nicht minder werden in den asiatischen Provinzen diejenigen gesondert, »quae de minore laterculo emittuntur«, d. i. bei denen die Ernennungen – doch wohl nur der Kommandeure – in dem unter dem Quästor stehenden, kleinen Buche eingetragen wurden.

Hierüber werden aber in der Not. dign. unter den comites und duces in den Provinzen nächst den diesen untergebenen Truppenkörpern (numeris) noch zahlreiche praefecti und tribuni cohortium aufgeführt, die an sich wohl dem Linienmilitär angehörten, offenbar aber, teilweise wenigstens, auch mit der Grenzmiliz in Verbindung standen, daher hier besonders zu erwähnen sind. Sie bilden unzweifelhaft den dunkelsten Punkt der damaligen Militärverfassung, über den auch Böcking (der Bd. II, S. 536, 674, 983, 995 und 1016 weitläufig davon handelt) kein klares Licht zu verbreiten vermocht hat. Die Zahl derselben beläuft sich im Orient auf einundachtzig, im Occident, wo es weit mehr Festungen gab, auf hundertneunundsiebzig. Wir können darunter nichts anderes verstehen, als Stabsoffiziere, welche, von ihrem Truppenkörper detachiert, als Platz-, Ufer- (ripae I, S. 90–102) oder Grenzkommandanten oder zu einem sonstigen Zwecke nicht unter ihrem ordentlichen Chef, sondern unmittelbar unter dem Militärbefehlshaber der Provinz standen. Dies bestätigt sich dadurch, daß nicht selten dergleichen Präfekten in ganz andern Reichstheilen erwähnt werden als die Legionen, denen sie angehörten. So kommen z. B. in dem ersten Pannonien zwei Präfekte der Leg. decima gemina vor, welche unter dem magister militum des Orients in Asien stand (Not. dign. II, p. 99 und I, p. 27). Dasselbe gilt von der unmittelbar vor ihr erwähnten septima gemina, von der ein Präfekt nach II, p. 119 in der spanischen Provinz Gallaecien ein Kommando hatte. Die tertiani oder tertia italica stand nach II, p. 38 (vergl. 26) in Afrika, fünf Präfekten derselben aber nach p. 102 in Rätien. Die Vielzahl solcher von einer Legion, während doch jede nach Vegetius (II, 9) nur einen Präfekten gehabt haben kann (s. jedoch Anm. Vegetius wird dadurch äußerst unklar, daß er fortwährend die zu seiner Zeit bestandene Verfassung mit der älteren vermischt, worüber schon Justus Lipsius (de re milit. rom. I, dial. 11) klagt. Selbst im Gebrauche des Präsens und Imperfektums unterscheidet er nicht genau. In der angeführten Stelle (II, 9) ist jedoch offenbar von der Neuzeit die Rede, da dies Kapitel mit den Worten beginnt:

Sonst übertrug der Kaiser den Befehl über die Heere seinen aus den Konsularen genommenen Legaten, an deren Stelle nun die magistri militum getreten sind.

Hierauf fährt er so fort: Proprius autem judex erat praefectus legionis, habens comitivam primi ordinis dignitatem, qui absente legato (hier ist der kaiserliche Armeekommandant gemeint), tanquam vicarius ipsius potestatem maximam retinebat. Tribuni vel centuriones, ceterique milites praecepta ejus servabant. Hiernach stand also dem Präfekten das vollständige Kommando der Legion zu.

Daß sich dies nun auf die neue Zeit bezieht, erhellt, ungeachtet des Imperfekts erat und retinebat, daher, daß der Titel comes d. i. die dign. comitiva unzweifelhaft erst durch Constantin eingeführt wurde.

Dies läßt sich auch mit der früheren Verfassung, von der es als eine naturgemäße Wandlung erscheint, vollkommen vereinigen. Nach dieser war der Befehlshaber einer Legion stets ein Legat, aber nicht ein solcher des Kaisers unmittelbar (obwohl er gewiß immer von diesem ernannt wurde), sondern nur des das betreffende Heer kommandierenden Legaten. Der Legionschef mußte stets senatorischen Ranges sein, gewöhnlich praetorius, und konnte daher vor seinem wirklichen Eintritt in den Senat das Kommando nur pro legato führen.

Wir vermuten, daß schon die späteren Kaiser, mindestens von Septimius Severus an, von dieser Rücksicht auf die republikanische Form häufig abgewichen sind, mit der neuen Verfassung wäre sie völlig unvereinbar gewesen.

Nach Beck.-Marq. (III, 2. Abt., S. 360, 361), wo dies sehr gründlich behandelt wird, kamen nun auch früher schon praefecti legionum, aber nur als interimistische Befehlshaber einer Legion vor. »Später indes,« sagt er (in Anm. 45 zu S. 361), »heißt so der regelmäßige Kommandeur.«

Hieraus ergibt sich, daß jene Stelle des Vegetius auf die frühere Verfassung gerade gar nicht, sondern nur auf die spätere paßt.

Der Ausdruck praefectus aber bezeichnete nicht allein den Kommandeur einer Legion, sondern überhaupt einen höheren, zunächst nach dem dux folgenden Militärcharakter, weshalb denn auch viele mit besonderen Kommandos in Festungen und an den Grenzen betraute Offiziere diesen Titel führten, wobei für uns nur die fortwährende Benennung derselben nach einer Legion, obwohl sie außer aller Verbindung zu ihr standen, unverständlich ist. Sollte vielleicht, wovon uns aber keine Spur bekannt worden ist, unter den Legionen eine gewisse Rangordnung bestanden haben, so würde dies die Sache am einfachsten erklären.

Noch ist hier zu erwähnen, daß auf die Präfekten im Range die Tribunen und auf diese die praepositi folgten, welche ebenfalls Kohorten kommandierten, daher nach dem neueren Sprachgebrauche Stabsoffiziere waren (s. Veget. II, 12).

), beweist, daß dies für die abkommandierten Stabsoffiziere nur ein deren militärischen Rang bezeichnender Charakter war, wobei die fortwährende Benennung nach einer Legion durch irgendwelche dienstliche Rücksicht geboten gewesen sein muß.

Der mehrfach vorkommende Ausdruck praefectura statt praefectus scheint entweder auf einem zufälligen Wechsel des Ausdrucks in den Listen oder darauf zu beruhen, daß ein solches Kommando für den Augenblick von keinem wirklichen Präfekten, sondern nur von einem diesen vertretenden Offizier untergeordneten Ranges geführt wurde.

Übrigens kommen auch Praefecti alae (Kavallerieregimenter) und bloßer numeri oder militum im Allgemeinen vor, welche letztere wohl einen niedrigern Rang hatten. Wir können die Praefecti mit unseren Obristen, die Tribuni mit unseren Majors vergleichen.

Die häufig erwähnten Kohorten-Tribunen, eine geringere Charge als die der Präfekten, scheinen meist von den Auxilien abkommandiert gewesen zu sein.

Auf den Insignien der Provinzialfeldherren (s. w. u.) sind die zu ihrem Bezirke gehörigen festen Plätze in der Not. bildlich dargestellt. Wir finden deren im Orient hundertfünfundvierzig, im Occident hundertundsechzig, überhaupt also dreihundertundfünf angegeben, sind jedoch überzeugt, daß darunter viele teils irrtümlich, teils absichtlich weggelassen sind, wie denn z. B. bei dem wichtigen tractus argentoratensis des Oberrheins, der sogar unter einem comes stand, das einzige Straßburg bemerkt ist. Wenn Gibbon aber (c. 17 nach Not. 133) mit Bezug auf die Notitia deren Gesamtzahl auf fünfhundertdreiundachtzig angibt, so ist dies allerdings ein grober Irrtum, der nur dadurch erklärt werden kann, daß man die auf den Insignien der magistri militum verzeichneten Schilder der unter ihnen stehenden Truppenkörper (bei dem M. pedit. praes. des Occid. allein hundertzweiundzwanzig) zu den Festungen mitgezählt hat. Da wir jedoch die klassische Ausgabe der Not. von Böcking[ verwenden], der nur die alte und mangelhaftere des Pancirolus vor sich hatte, so mag dies Versehen zum Teil wenigstens auf des letzteren Rechnung fallen.

Die Befehlshaber gewisser Grenzstrecken, deren es z. B. in den drei Provinzen Afrika, Mauretanien und Tripolis sechsunddreißig gibt, werden stets als praepositi bezeichnet.

Wenden wir uns zur erläuternden Beurteilung dieser Kriegsverfassung, so ist zuvörderst zu bemerken, daß unsere Hauptquelle teils wegen Verstümmelung der Handschriften, teils an sich unzweifelhaft unvollständig und mangelhaft ist. Bei einzelnen Provinzen, z. B. Orient Kap. 28, Occid. Kap. 26, 27, 28, fehlen die näheren Angaben ganz, bei Kap. V, VI und VII des Occidents stimmt letzteres, welches nur die Verteilung der in V und VI aufgeführten Truppenkörper unter die verschiedenen Hauptprovinzen angeben soll, mit ersteren wenigstens nicht genau überein (s. Böck. n. d. II, S. 221 und 274), ja in Kap. VII werden unter B. und D. comites von Illyricum und Spanien erwähnt, die sich in der ganzen Notitia nicht finden, was Böcking hinsichtlich des ersteren dadurch erklärt, daß dazu in der Regel einer der drei dortigen duces ernannt worden, was aber bei Abfassung des Werkes eben noch nicht geschehen sei, bei Spanien aber, wo auch nicht einmal ein einziger dux erwähnt wird, offenbar auf einem ursprünglichen oder später verschuldeten Fehler beruht.

Auch in die Namen der Truppenkörper haben sich hie und da sicherlich Ungenauigkeiten eingeschlichen. Doch dürfte dies alles auf die Hauptsache kaum von erheblichem Einfluß sein.

Was nun die neue Gliederung der Armee in palatinische, comitatensische und pseudocomitatensische Truppen betrifft, so erkennen wir darin im Wesentlichen nichts als einen Ausfluß des der ganzen neuen Organisation des Staatsdienstes zu Grunde gelegten Rangklassensystems. Anfeuerung des Ehrgeizes der Dienenden durch Aussicht auf Beförderung und Erhöhung des Einflusses des Herrschers durch Belohnung treuer und guter Dienste war dessen Motiv, welches einer Zeit, in der Gesinnung und Ehrgefühl sehr geschwächt waren, wohl entsprechen mochte.

Das palatinische Heer nun, das an Legionen nur ungefähr 1/ 6 der Stärke des gesamten zählte, an Infanterie-Auxilien hingegen, was wir sogleich erklären werden, sogar stärker war, und an Kavallerie gegen ¼ bis ⅓ des Totalbestandes betrug, war ein ausgedehntes Gardekorps, keineswegs aber zur Leibwache des Kaisers (s. oben), oder zum Palastdienste, sondern lediglich dazu bestimmt, um im großen Kriege mit dem Herrscher selbst oder dessen Vertreter gegen des Feind zu ziehen, wie ja ähnliches, wiewohl bei minderer Stärke der Garden, auch heute noch stattfindet.

Das comitatensische Heer scheint seinen Namen daher zu haben, daß es stets in comitatu, d. i. im Geleit der magistri militum oder deren Stellvertreter sein sollte.

Das pseudocomitatensische hatte offenbar den mehr stationären Zweck der Grenzverteidigung und zwar da, wo es zugleich eine Grenzmiliz gab, derselben zum Soutien zu dienen. Dies erhellt daher, daß in Thrakien, das keine Grenze berührte, keine Legion dieser Gattung sich befand. Von sechzehn derselben im Westreich (bei zwei fehlt die Angabe der Stationierung) standen zehn in Gallien, das der Grenzsoldaten entbehrte, drei in Illyricum, zwei in Italien, wozu auch Rätien gehörte, und eine in Afrika. Böcking sagt darüber gar nichts, sondern verweist dafür nur auf Gothofredus zu Cod. Th. VII, 1.1, 1.18, der zwar eine Ahnung, aber keinen klaren Begriff von der Sache hat. Wir erklären die Worte des von letzterm a. a. O. erwähnten Gesetzes vom Jahre 400, das auch in C. Just. XII, 25, 14 aufgenommen ist, so: Nicht allein von den palatinischen und comitatensischen Numeris sollte kein Soldat ohne kaiserliche Genehmigung zu andern versetzt werden, sondern auch nicht einmal von den pseudocomitatensischen Legionen oder von den ripariensibus, castricianis ceterisque. Hiernach sind diese letzteren Kategorien unter den pseudocomitatensischen Legionen nicht bereits mit inbegriffen, wie Gothofredus meint, welchesfalls es deren besonderer Erwähnung gar nicht bedurft hätte, werden vielmehr als eine besondere Kategorie von diesen unterschieden, bezeichnen daher unzweifelhaft die Grenzmiliz und die ihr etwa beigegebenen detachierten Abteilungen anderer Truppen.

Den Namen pseudo comit. erklären wir dadurch, daß diese mehr stationären Truppen nur uneigentlich (fälschlich) zum Comitat oder Gefolge der magistri militum gerechnet werden konnten.

Der Rangklassenunterschied dieser Heeresteile äußerte sich nun teils in höherer Löhnung, was wir freilich aus den Quellen selbst nicht wissen – da sich I. 10, tit. 1, VII, des Theod. Codex nur auf einen solchen zwischen den Actuarien (Regimentsquartiermeistern) der pseudocomitat. im Gegensatz zu denen der übrigen bezieht –, aber gleichwohl nicht bezweifeln können, teils in günstigeren Garnisonsorten, daher auch wohl in minder angestrengtem Dienste und mutmaßlich auch in sonstigen Privilegien.

Im Orient standen sämtliche palatinische Legionen bis auf eine einzige in Illyricum (wohl auch zur Deckung der Hauptstadt), unmittelbar unter den Magistris militum de praes., also gewiß in der Nähe der Residenz, teilweise vielleicht in derselben, während im Westreich von zwölf dergleichen acht in Italien, nur drei in Afrika und eine in Gallien stationiert waren.

Unter Auxilien verstand die Republik bekanntlich die von den Bundesgenossen gestellten Hilfstruppen, im Gegensatze zu den nur aus römischen Bürgern bestehenden Legionen. Die erste, mit republikanischen Formen kokettierende Kaiserzeit behielt den Namen bei, wandte ihn aber teils auf die in den Provinzen ausgehobene Landwehr, teils auf geworbene Söldner, meist Ausländer, besonders Germanen an. In der neuen Militärverfassung scheinen nur noch Söldner, aber in weit größerer Anzahl sich zu finden. Die Landwehr mag allmählich eingegangen sein, indem sowohl die kolonisierte Grenzmiliz, als die Läten und Gentilen etwas von ihr völlig Verschiedenes waren. Der Grund davon liegt im Westen wenigstens nahe.

Solange hier Roms Feinde, die Germanen, undiszipliniert waren, mochte auch eine Landwehr unter römischen Führern gegen sie anwendbar sein. Nachdem jene aber die Kriegskunst von Rom und teilweise in römischem Dienste selbst gelernt hatten, konnten solchen Feinden nur noch wohlgeschulte Linientruppen entgegengestellt werden.

Wir möchten glauben, daß das Prinzip: die Legionen müßten aus römischen Bürgern bestehen, deren Kreis ja seit Caracalla über das ganze Reich verbreitet war, wenigstens bis zur Zeit der Notitia als Regel niemals offiziell und allgemein aufgegeben, nur in der Praxis mehr oder minder davon abgegangen worden sei. Lediglich unter den pseudocomitatensischen Legionen finden wir Not. or. c. 6 Fortenses auxiliarii und c. 8 Timacenses auxiliarii, sowie Namen, wie c. 8 armeniacae und transtigritani, welche deren durchgängige Bildung aus barbarischen Söldnern annehmen ließen, wenn eine derartige Konjectur auf Grund der Benennung allein überhaupt gestattet wäre. Dabei ist aber vor allem auch die damalige Rekrutierungsweise in das Auge zu fassen, welche man fast als eine Art von Stellvertretungssystem bezeichnen könnte. Eine gewisse Rekrutenzahl ward wie ein Geldbetrag auf die Steuerpflichtigen ausgeschrieben und repartiert, wobei Ärmere für einen Mann zusammengeschlagen wurden.

Größere Grundbesitzer stellten wahrscheinlich geeignete Kolonnen, andere bedienten sich der Vermittlung der dazu angestellten Rekrutenhändler. Daß diese Einrichtung wesentlich zur Verschlechterung der römischen Miliz beigetragen habe, wie man gemeiniglich annimmt, dürfte nicht (? D.) richtig sein, wenn nur bei der Annahme der Rekruten mit strenger und sorgfältiger Auswahl verfahren ward, wie man dies nach Vegetius (I, 7) unter tüchtigen Kaisern wenigstens vorauszusetzen hat. Waren nun auch die Einzelnen für ihre Person nicht römische Bürger, was wir namentlich von den Colonen nicht glauben, so vertraten sie doch Bürger und waren mindestens Freie.

Die Auxilien aber – hundertundacht in beiden Reichen – waren bei dem Fußvolke insgesamt nur palatinische, da wir das einzige pseudocomitatensische, welches in der Not. or. unter dem Mag. milit. II. vorkommt, mit Pancirolus für einen Irrtum halten, obgleich Böck. (S. 205) anderer Meinung ist. In der Tat scheint ein einziges Vorkommnis der Art an sich höchst unwahrscheinlich und wird dies um so mehr dadurch, daß der betreffende magister de praes. außerdem nur palatinische Truppen unter sich hatte. Daß sämtliche Infanterieauxilien palatinische waren, erklärt sich einfach dadurch, daß man durch die Vorzüge des palatinischen Dienstes die Söldner, auf welche man, ihrer Bravour wegen, gerade den größten Wert legte, mehr anlocken wollte.

Anders war es bei der Reiterei, für welche schon in der letzten Zeit der Republik besondere Aushebungsmaßregeln erforderlich gewesen waren.

Wurden hierzu zwar auch geeignete Untertanen genommen, wie z. B. die so häufig erwähnten Dalmater (was gerade bei diesem Gebirgs- und Küstenvolke übrigens auffällig erscheint) und Mauren, so doch gewiß auch von jeher alle Ausländer, die man irgend erlangen konnte; wir glauben daher nicht zu irren, wenn wir den größten Teil der einundneunzig Reiterregimenter der Linie für Fremde halten.

Bei diesen, für welche Söldner vielleicht leichter anzuwerben waren als zum Dienste zu Fuß, gab es daher auch in beiden Reichen sowohl palatinische (vierundzwanzig an der Zahl) als comitatensische (siebenundsechzig).

Im Allgemeinen war übrigens der Dienst bei den Auxilien leichter, als bei den Legionen, weshalb sogar römische Bürger zum Teil freiwillig bei ersteren eintraten.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß bereits durch Diokletian das römische Heer bedeutend verstärkt wurde, ja Lactantius (d. m. p. c. 7) behauptet sogar, daß jeder der vier einzelnen Teilherrscher eine weit stärkere (longe majorem) Armee als die frühere des Gesamtreiches gehabt habe, was wir jedoch, da er es als Tadel ausspricht, für übertrieben halten. War indes schon für die erste Kaiserzeit die völlige Unzulänglichkeit des Gesamtheeres gegen so zahlreiche Feinde offenbar, so war es doch unstreitig ein grober militärischer Fehler und die größte Schwächung der Gesamtmacht, bei irgendeinem großen Kriege die Truppen Hunderte von Meilen weit, vom Euphrat zur Donau und Rhein oder umgekehrt marschieren zu lassen, wie dies, nach unsrer Darstellung, von M. Aurelius bis Probus fortwährend geschehen mußte. Indem aber Diokletian das Reich unter vier Regenten teilte, was die Translozierung der Truppen aus einem Teile in den andern noch wesentlich erschweren mußte, hat er sicherlich auch dahin gestrebt, jedem die für seinen Bezirk erforderlichen Streitkräfte selbständig beizugeben.

Gleichwohl erscheinen die Zahlen der Notitia (mindestens hundertachtunddreißig Legionen, hundertundacht Bataillone Fußvolk und einundneunzig Reiterregimenter, welche nach der alten Etatsstärke die Parteien der beiden letzten Kategorien nur zu fünfhundert Mann gerechnet – obgleich deren auch zu tausend darunter waren – gegen 950 000 Mann ergeben würden) so kolossal, daß alle früheren Forscher fast unwillkürlich auf Annahme einer Verminderung der Legionsstärke geführt wurden. Als Beweis wird dafür auch Ammian (XIX, 2, 14) angeführt, nach welchem die in Amida eingeschlossenen sieben Legionen und einige andere Soldaten nebst den Ortsbewohnern und den dahin Geflüchteten überhaupt nur etwas über 20 000 Mann gezählt hätten.

Allein der Effektivbestand eines Truppenkörpers im Felde ist nicht dessen etatsmäßiger: der Rückzug nach Amida war ein höchst tumultuarischer, bei dem die Einziehung detachierter Mannschaften, namentlich aus andern Festungen, nicht möglich war: auch sagt Ammian nicht, ob sich seine Angabe auf die Zeit vor oder auf die nach den beiden furchtbar blutigen Stürmen bezieht, die er vorher berichtet: vor allem aber ist jede in den Handschriften mit Zahlen geschriebene Summe, wie die obige, stets unsicher, da so leicht ein X wegbleiben oder aus XL XX werden konnte. Wenn aber Gibbon (c. 17 vor Note 132) hiernach die Stärke der Legion nur zu tausend bis fünfzehnhundert Mann annimmt, was ein gänzlicher Bruch mit deren Bestimmung als Armeedivision gewesen wäre, so halten wir dies (obgleich ihm fast alle andern gefolgt sind, mindestens ein motivierter Widerspruch dagegen uns nicht bekannt geworden ist) für so einleuchtend militärisch und historisch unwahrscheinlich, daß es kaum weiterer Ausführung bedarf. Abgesehen von dem bei einer so hochwichtigen Neuerung kaum denkbaren Schweigen sämtlicher Geschichtsquellen wird diese Frage durch Vegetius de re milit., der bekanntlich in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts unter Valentinian schrieb, außer allem Zweifel gesetzt. Dieser gebraucht nicht nur in dem ganzen Kapitel 6 des II. Buchs, worin er den Etat der Legion zu sechstausendeinhundert Mann Fußvolk und siebenhundertsechsundzwanzig Reiter angibt, fortwährend das Präsens, sondern erwähnt auch (I, 17), daß die beiden, martiobarbuli genannten illyrischen Legionen, welche von Diokletian und Maximian unter dem Namen Joviani und Herculiani über alle Legionen erhoben worden, sechstausend Mann (unstreitig in runder Zahl und ohne die zugehörige Reiterei) stark gewesen seien. Entscheidend ist ferner das 3. Kapitel des II. Buchs mit der Überschrift: quae causae exhauriri fecerint legiones, worin entwickelt wird, daß infolge der Nachlässigkeit früherer Zeiten der naturgemäße Abgang bei den Legionen durch neue Aushebung nicht wieder regelmäßig ergänzt worden sei.

Daß aber die faktische Unvollzähligkeit eines Truppenkörpers etwas ganz anderes ist als die normative Herabsetzung der Etatsstärke desselben, bedarf nicht erst der Begründung. Über die Quantität der faktischen Verminderung, die gewiß eine sehr verschiedenartige war, ist keine Schätzung möglich: wir sind indes überzeugt, daß die Stärke einer Legion durchschnittlich kaum unter viertausend Mann herabgesunken sein und das Übel unter Diokletian und Constantin dem Großen geringer gewesen sein dürfte, als unter des letztern Nachfolger Constantius, besonders aber zur Zeit der Abfassung der Notitia noch größer war. Daß man bei der Teilung des Reichs übrigens auch die Legionen geteilt habe, möchte, obwohl zum Teil dieselben Namen in beiden Reichen vorkommen, doch wohl nicht anzunehmen sein. Interessant ist die Angabe des Agathias (V, 13, p. 305 der Bonner Ausgabe) vom Jahre 558, daß die römischen Streitkräfte nicht so, wie sie unter den früheren Kaisern waren, geblieben, sondern auf eine völlig ungenügende Zahl herabgesunken seien.

»Denn während deren etatsmäßige Stärke auf 645 000 Mann sich belaufen sollte, betrug sie damals kaum 150 000.«

Ob sich aber obiger Solletat, dessen Angabe einer Zeit von hundertundsechzig Jahren nach der bleibenden Reichsteilung angehört, auf östliche und westliche oder nur auf ersteres allein bezieht, wie man logisch annehmen sollte, ist eben so unsicher, als ob auch die kolonisierte Grenzmiliz, die Justinian ja für Afrika erst wieder errichtet hatte, darunter begriffen ist. Wir halten jedoch letztere für ausgeschlossen, wenngleich bemerkt wird, daß ein Teil jener 150 000 Mann (wie aber jeder Zeit der Fall war) in den Grenzprovinzen stehe.

Hätte Agathias an jener Stelle nur den Solletat derjenigen Reichsteile, welche damals Justinian unterworfen waren (wozu bekanntlich aber auch Italien und Afrika gehörten), vor Augen gehabt – wie an sich unzweifelhaft das Richtige wäre –, so müßte der Gesamtetat beider Reiche zur Zeit der Notitia allerdings zwischen 900 000 und 1 000 000 Mann betragen haben.

Noch ist zu bemerken, daß, wenn man die Legionen der Notitia als vollzählig annehmen wollte, die in besondere Körper (numeri) formierte Linienreiterei allerdings nur etwa 1/ 20 des Fußvolks betragen haben würde. Wie aber das Verhältnis ersterer Waffe zu letzterer in Rom stets ein geringeres war als in den modernen Heeren, so ist auch zu erwägen, daß, wie wir nach obigem aus Vegetius (II, 9) ersehen, auch damals noch die Legionsreiterei bestand, demnächst auch alle Kriege an den Grenzen geführt wurden, in der Grenzmiliz nach Vorstehendem aber die Kavallerie überwiegend war.

Endlich haben wir noch der gerade für die germanischen Verhältnisse so wichtigen laeti und gentiles zu gedenken, welche Böck. n. d. II, p. 1044–1093 mit ausgezeichneter Gründlichkeit behandelt.

Sorge für Vermehrung der Bevölkerung überhaupt und der streitbaren insbesondere mußte, wie schon oft bemerkt ward, für jeden denkenden Herrscher Roms als die dringendste Staatsraison erscheinen. Mit Recht rühmte sich daher Tiberius schon unter August, 40 000 Sugambern und Sueben auf römisches Gebiet verpflanzt zu haben. (Tacitus II, 26; Sueton Octav. 21; Eutrop VII, 9.) Fortwährend mochte in diesem Geiste, namentlich durch Kolonisation des römischen Zehntlandes, gewirkt werden. Wie großartig, sowie unter welch günstigen Bedingungen M. Aurelius die massenhafte Aufnahme von Germanen verschiedener Völker in das Reich betrieb, ward früher entwickelt. (Ebenso Probus.) Gewiß aber haben die für das zweite und dritte Jahrhundert so dürftigen Quellen uns nur die wichtigsten Momente solcher Übersiedlung, nicht aber den ruhigen Fortgang derselben im Kleinen offenbart. Dasselbe geschah mit Westgermanen wiederum im Jahre 288 oder 289 durch Maximian, wobei in Eumenes (Pan. IV. Constantio d. c. 21) zuerst der Name »laetus« für diese Ansiedler erscheint, durch Constantius um das Jahr 294, so wie durch Galerius mit Carpen und Bastarnen.

Wir kommen nun auf die Fragen: Wer waren diese Ansiedler und in wie weit war deren Übertritt ein freiwilliger oder erzwungener? Wodurch unterschieden sich die laeti von den früheren Kolonisten? und woher rührt der Name laeti?

Kriegsgefangene, die der einzelne römische Soldat machte, wurden dessen Eigentum als Sklaven, worüber dem Staate, wenn er sie diesem nicht abkaufte, keinerlei Recht zustand. Größere Trupps, die sich dem kommandierenden General im Felde freiwillig ergaben, wurden nach dem Kriegsgesetz Staatssklaven, servi publici. Wir erfahren nirgends mit Sicherheit, halten aber für möglich, ja für wahrscheinlich, daß auch solche zum Teil, gewiß aber dann unter härteren Bedingungen denn andere, als Kolonisten namentlich unter die Grenzmiliz des Orients aufgenommen wurden, wo wir in der Not. I, p. 68–96 vierzehn germanische Truppenkörper, darunter außer den schon oben genannten auch Sachsen, Vandalen und Goten finden.

In vielen Fällen wahrscheinlich, der Masse nach in den bedeutendsten, erfolgte die Verpflanzung auf römisches Gebiet durch freien völkerrechtlichen Vertrag, wie wir dies von der unter M. Aurelius gewiß wissen, aber auch von den 100 000 Bastarnen, die Probus überführte, anzunehmen haben.

Häufig aber geschah diese gewiß auch durch Kapitulation im Felde, wenn die Germanen, strategisch umzingelt, eine bedingte Ergebung dem Verzweiflungskampf auf Tod und Leben, namentlich dem Verluste von Weib und Kind, Gut und Habe, vorzogen. Dahin möchten auch den von Eumenes (Pan. 4, c. 8 und 9) berichteten Fall, wo alle Barbaren ungeachtet des Verstecks der Wälder mit Weib und Kind »der Gottheit des Constantius sich zu ergeben gezwungen wurden« (tuae divinitati sese dedere cogerentur), rechnen, wenn gleich diese Phrasen mehr eine unbedingte Unterwerfung andeuten.

Ganz unzweifelhaft endlich gingen aber auch außerordentlich viele Germanen zu den Römern über, nicht nur Unzufriedene und Verbannte, sondern auch bloße Abenteurer, welche die willige Aufnahme in den Kolonistenverband lockte, wie denn, nach Dio (LXXI, 20), die Germanen sich über die Aufnahme von Überläufern durch die römischen Grenzbefehlshaber beschwerten.

Bei allen Ansiedlern obiger Kategorien verstand sich die Militärpflicht derselben und ihrer Nachkommen, als Folge der römischen Unterherrschaft, von selbst, bedurfte auch einer besonderen Sicherstellung um weniger, da der eigene Trieb der Germanen zu den Waffen drängte.

Wohl aber mag hierin im Laufe der Zeit, als spätere Generationen immer mehr zu römischer Sitte und Verderbnis übergingen, ein der Regierung bemerkbarer unliebsamer Wandel eingetreten sein.

Wir wenden uns zur zweiten Frage.

Wenn der Ausdruck laetus zuerst bei den unter Maximian im Gebiete der Trierer und Nervier angesiedelten Germanen vorkommt, liegt nicht nur der Gedanke, daß der neue Name auch eine neue Stellung bezeichne, sondern auch der weitere sehr nahe, hierin eine der vielen und wichtigen Neuerungen zu erkennen, welche Rom Diokletians tiefer politischer Einsicht zu verdanken hatte.

Vermutlich fand dieser nun angemessen, den Zweck solcher Kolonisation – tüchtige Soldaten zu gewinnen – dadurch fester zu sichern, daß den Ansiedlern die Ländereien nicht zu vollem Eigentum, sondern nur zu erblichem Nießbrauche, gewissermaßen als Sold für den Kriegsdienst, daher nur auf so lange verliehen wurden, als diensttüchtige Erben dafür vorhanden waren, ein Verhältnis, das wir in seinen Detailwirkungen freilich nicht genau kennen: unstreitig war eine gewisse Schollenangehörigkeit (glebae adscriptio) damit verbunden; der Läte durfte sein Grundstück, gleich dem römischen Colonus, nicht eigenmächtig verlassen (Böck., p. 1069).

War sonach die rechtliche Stellung der Läten von der der frühern Kolonisten, die in alle Rechte und Pflichten der Provinzialen traten, wesentlich verschieden, so fragt es sich, woher der neue Name entstand?

Darüber ist viel geschrieben worden: man hat ihn herleiten wollen von dem deutschen Leute, von laetus, fröhlich zum Kriegsdienste, und ledig: ja sogar ein besonderes keltisches Volk oder mindestens ein keltisches Wort, welches den Colonat überhaupt bezeichne, daraus gemacht. Böcking und mit ihm viele finden den Ursprung in dem Namen der halbfreien Klasse der Germanen, welche Tacitus G. c. 25 als liberti bezeichnet, während die spätern Quellen, namentlich die Volksgesetze solche lidi, liti, lazzi nennen, für welche Namen im Salischen Gesetze auch letus und laetus vorkommt. (Es gibt keine völlig genügende Erklärung. Laz = träge = Knecht? Lazzi = Belassne, auf der Scholle Belassne? Da Laz auch extremus, letzter Äußerster (s. Schade, althochd. Wörterbuch, s. h. v.) heißt, könnte man denken an die an den Grenzen Wohnenden? Letztere Vermutung, obzwar auch nur Vermutung, wäre sachlich und sprachlich wenigstens nicht unmöglich, wie die meisten älteren sind. D.) (Böcking, p. 1050.)

Dies würde die beschränkte, dem Staate gegenüber nicht vollkommen freie, bürgerliche Stellung der neuen Ansiedler mit einem ihnen bekannten und bezeichnenden Ausdrucke charakterisieren. An eine Unterordnung derselben unter Private ist aber dabei auf keine Weise zu denken.

Daher sind die von Eumenes (in dem ged. Paneg. IV. c. 8 und 9) gebrauchten (S. 274, 275 wiedergegebenen) Phrasen entweder nach dessen bekannter Schreibart überhaupt nicht buchstäblich oder nicht von Läten, sondern von wirklichen an die Provinzialen verkauften Sklaven oder auch so zu verstehen, daß den zu ersterer Klasse gehörenden Kolonisten bei Anweisung zwar wüstliegender, aber immer noch in ideellem Privateigentum befindlicher Ländereien die Entrichtung eines gewiß sehr mäßigen Zinses an deren Eigentümer auferlegt wurde.

Waren wir bis hierher im Wesentlichen mit Böcking allenthalben einverstanden, so kommen wir nun auf einen Punkt, worin wir ihm nicht unbedingt beipflichten können. Derselbe sagt nämlich in seiner zweiten Abhandlung über die Gentilen, nachdem er sich in der über die Läten selbst nicht bestimmt darüber ausgesprochen hat, p. 1082 Anm. 10: »Die große Mehrzahl derer, welche in der Eigenschaft als Läten in das römische Reich aufgenommen worden, sind vorher in ihrer Heimat auch dergleichen, d. i. Liten gewesen.«

Dies kann, weil er sich auf irgend ein Zeugnis dafür nicht beruft, nur Meinungssache sein, auf deren Begründung wir näher einzugehen haben.

Gewiß hat derselbe Recht, wenn er dabei die Klasse freiwilliger Überläufer auf römisches Gebiet vor Augen hatte, weil man voraussetzen darf, die Gedrücktesten im Volke werden am meisten geneigt gewesen sein, die Heimat zu verlassen. Nicht anzunehmen ist aber, daß deren Anzahl diejenige der andern Kategorien übertroffen habe, welche im Kriege, sei es im Wege wirklicher Gefangennehmung sowie durch Kapitulation (S. 323) unstreitig zu Tausenden auf einmal zur Ergebung gebracht wurden, indem eine Übersiedlung auf Grund freien Vertrags, wie jene unter M. Aurelius, auch wohl unter Probus, in den Quellen wenigstens nicht weiter vorkommt.

Niemand aber wird behaupten, daß die Mehrzahl der germanischen Heere aus Liten bestanden habe, da es der Freien höchste Pflicht, aber auch schönstes Vorrecht war, die Kriege ihres Volks zu kämpfen. Dies gilt auch von den Franken, denen die unter Maximian und Constantius übergesiedelten Läten wesentlich angehörten, und von den Alemannen, von welchen später im Jahre 370 zahlreiche Kriegsgefangene in das römische Gebiet verpflanzt wurden.

Die ganze Klasse der Halbfreien oder Hörigen bei den Germanen kann nur aus freigelassenen Sklaven oder, was als deren Hauptquelle zu betrachten ist, aus besiegten Vorbewohnern eroberter Länder entstanden sein, denen man ihren Grund und Boden unter dem Obereigentum eines Herrn zur Bebauung gegen Zins beließ. Möglich nun, daß die batavischen Völkerschaften, als sich die Franken in deren Gebiet niederließen, einem solchen Hörigkeitsverhältnisse unterworfen worden seien. Wahrscheinlich ist dies aber auf keine Weise, weil die Franken in ihrem Anfang gewiß nur den Krieg gegen Rom vor Augen hatten, dafür aber die freie Waffengenossenschaft der so heldenmütigen, kriegsgeschulten Bataver (Diese bildeten vielmehr selbst den Hauptteil der Frankengruppe. D.) (man denke an des Civilis Aufstand) ihnen ungleich wichtiger sein mußte, als die Herrschaft über Unterdrückte. Mag dabei auch den Franken eine Art von politischer Suprematie zugestanden haben, so hatten sie doch keinen Grund ein Volk zu knechten, dessen Seekunde allein sie die Möglichkeit der für sie so ergiebigen Piraterei verdankten.

Unsere Meinung ist nun, daß die Frage: welcher Klasse der Germanen die Mehrzahl der römischen Läten ursprünglich angehört habe? eine für moderne Forschung überhaupt unlösliche ist. Unstreitig haben die verdienten Männer (wohin auch Zeuß S. 580 gehört), welche obige von uns bekämpfte Conjectur aufgestellt haben, sich dabei nur durch den Namen Läten leiten lassen, welcher aber viel natürlicher einer absichtsvollen Beilegung durch die Römer als einer selbstverständlichen oder freiwilligen Fortführung durch die Germanen zuzuschreiben sein dürfte, welcher letzteren schon der wichtige Grund entgegensteht, daß ja ihr neues Verhältnis im römischen Staate ein von dem alten heimatlichen wesentlich verschiedenes und im Ganzen, weil sie keinen Privaten als Herrn über sich erkannten, ein viel freieres war (vergl. die von Böck. selbst p. 1049 zitierte Stelle von Waitz, das alte Recht der salischen Franken, Kiel 1846, S. 99).

Unbestritten endlich kommen unter dem Namen Läten nur Westgermanen, meist gewiß Franken und Bataver, vor, da in deren Verzeichnisse Not. occ. p. 119–122 wenigstens nur diese beiden Völker und überdies noch Teutoniciani Es würde ganz irrig sein, aus diesem Namen Teutoniciani auf ein damaliges schon Bekanntsein des erst im neunten Jahrhundert hervortretenden Gesamtnamens der Germanen Teutonici (s. Zeuß, S. 63/4) schließen zu wollen. Dürfen wir eine Vermutung wagen, so ist es folgende:

Zwischen Elbe und Ostsee waren den Alten Teutonen und Teutonoarier bekannt (s. Zeuß, S. 133 und 146/7). Ebenda war noch die Heimat der von Maximian besiegten, von der See her in Belgien eingefallenen Chaibonen (Avionen), welche wir daselbst als zu den Sachsen gehörig bezeichnet haben.

Mit diesen können nun leicht auch Teutonen, ihre Nachbarn, ausgezogen und aus Gefangenen jene durch denselben Kaiser kolonisierten Laeten hervorgegangen sein, welchen wir in der Notit. wiederum begegnen.

genannt werden. Doch sind die meisten der zwölf lätischen Truppenkörper überhaupt nicht nach ihrem Ursprunge, sondern nach den Stationsorten in Gallien, z. B. bei den Lingonen, Nerviern und Arvernern genannt, wobei hervorzuheben ist, daß dieselben größtenteils im Innern Galliens lagen und nur einige derselben in dem zweiten Belgien und Germanien, wiewohl immer noch in merklicher Entfernung von der Grenze.

Wir kommen nun auf die Gentilen, welche Böcking p. 1080 bis 1093 mit gleicher Ausführlichkeit behandelt: er hebt zuvörderst hervor, daß dieser Ausdruck hier nicht in dem spätern allgemeinen Sinne von Heiden, sondern in dem besonderen technischen gebraucht wird, in welchem er eine gewisse Klasse zum Kriegsdienste verpflichteter Kolonisten bezeichne. Die in der Not. occ. p. 119 und 120 aufgeführten neunzehn Abteilungen derselben heißen insgesamt gentiles Sarmatae, nur drei andre, welche mit einer Partei Läten unter demselben Präfekten in Gallien standen, werden vorher Nr. 2, 3 und 12 als gentiles Suevi erwähnt.

Unbestritten nimmt derselbe nun an, daß die Römer unter dieser Benennung niemals Westgermanen, sondern nur teils wirkliche Sarmaten, d. i. meist Jazygen, teils andre Ostgermanen verstanden haben, von welchen letztern jedoch nur Sueben und zwar in Verbindung mit Läten (gentilium Suevorum) p. 120 unter Nr. 12, wahrscheinlich aber auch Nr. 10, wo Suevorum nur ausgefallen ist, und Nr. 14, p. 122 Taifalen (Praef. Sarmatarum Gentilium et Taifalorum Gentilium) genannt werden.

Vielleicht ist indes der Ausdruck Sarmaten hier nur ein mehr oder minder willkürliches Appellativ, veranlaßt dadurch, daß die ersten Ansiedler dieser Kategorie wohl meist aus Jazygen bestanden, die Römer aber an ethnographische Genauigkeit, die ihnen höchst gleichgültig war, dabei gar nicht gedacht haben. Gewiß waren namentlich auch Bastarnen und Carpen, die nach obigem in so großer Zahl auf römisches Gebiet verpflanzt wurden, unstreitig aber außer den Taifalen auch Vandalen, Gepiden und Angehörige anderer Völker der großen Gotenfamilie darunter (vergl. Fl. Vop. Prob. c. 18 und oben), welche man im Allgemeinen auch »Skythen« nannte, was wiederum von Sarmaten häufig nicht streng unterschieden ward.

In den besonders genannten Sueben haben wir Alemannen, Juthungen und Quaden, wohl auch Markomannen zu vermuten.

Was nun das Rechtsverhältnis der Gentilen betrifft, so erklärt dies Böcking (p. 1083, Z. 2 und 1084 letzte Z.) dem der Läten teils für beinahe, teils für völlig gleich, scheint aber gleichwohl (p. 1083 Z. 6, p. 1086 Z. 8 von unten und p. 1089 Z. 8) anzunehmen, daß darunter gar nicht in der Heimat Freie, sondern nur Sklaven der betreffenden Völker gewesen seien.

Mit ersterem vollkommen einverstanden gestehen wir, die letztere angebliche Verschiedenheit nicht begreifen zu können. Offenbar gründet ich diese lediglich auf die vom Anonymus Valesii und Ammian erwähnten Sarmatae servi, welche doch im Jahre 334, nachdem sie ihre Herren vertrieben, die vollste Freiheit erlangt hatten: und die Gentilen der Notitia können in der Tat nicht vor dem Jahre 334 ausgehoben worden, daher höchstens Nachkommen früherer Servi gewesen sein.

Böcking bemerkt auch selbst, daß unter den Gentilen auch Sueben und Taifalen gewesen, hält (p. 1083, Anm. 11) Gaupps Ansicht, daß bei den suebischen Völkern überhaupt keine Liten gab, für richtig, und erkennt mehrfach an, daß Besiegte und dediticii (die sich durch Kapitulation ergeben hatten) zu Gentilen gemacht worden seien, welche doch unmöglich alle Sklaven gewesen sein können.

Nicht minder fühlt derselbe sehr wohl, daß seine Behauptung auf die Scholae Gentilium, die an beiden Höfen unter dem Magister officiorum standen und nach so vielen Stellen Ammians (s. Böck. Not. dign. I, p. 235 und II, S. 270) ausgezeichnete Elitekorps waren, keine Anwendung leiden könne, will diese daher von den Sarmaten-Gentilen streng gesondert wissen. Da aber andere Gentilen als diese beiden Kategorien in den Quellen nirgends vorkommen, so müssen wir doch unbedingt die der Garde (Schola) für auserlesene Mannschaften aus den letztern halten, können daher auch in diesen nicht bloße Sklavenbanden voraussetzen.

Die Kaiser Arcadius, Honorius und Theodosius verordnen im Jahre 405 (s. Böck. p. 1092), daß über die Appellationen nicht nur des Präfekten, sondern auch der Gentilen selbst nur in des Kaisers Namen (sacrum examen) durch den Prokonsul entschieden werden solle. Ist es wahrscheinlich, daß ein solches Privilegium zugunsten vormaliger Sklaven erteilt worden sei?

Daß die Gentilen, wenn sie mit Läten zugleich in Erwähnung kommen, stets nach solchen genannt werden, erklärt sich einfach daher, daß erstere, wie Böcking selbst (p. 1085) ausführt, ein späteres Institut sind, kann mindestens für die niedrigere persönliche Qualität der Gentilen nichts beweisen.

Die Verordnung der Kaiser Valentinian und Valens endlich (welche Böck. p. 1087 übrigens für seine Meinung auch nicht anführt), wodurch die Ehen zwischen Gentilen und Provinzialen bei Todesstrafe verboten werden, spricht offenbar mehr für die freie Geburt als für den Sklavenstand ersterer, weil letzterenfalls die eigene Abneigung wider solche Verbindung stärker gewesen sein würde. Mit Recht hält derselbe das Motiv zu dieser merkwürdigen Vorschrift für ein rein politisches, was wir schärfer dahin bestimmen möchten, daß man die barbarische Nationalität dieser Ansiedler möglichst rein erhalten (Vielmehr umgekehrt die römische Nationalität der Provinzialen. Siehe Könige VI, S. 81. Westgoth. Studien: »Ehehindernisse«. D.), und deren allmähliche Romanisierung verhüten wollte, welche sie teils verweichlicht, teils in römische Provinzialinteressen und politische Parteiungen verflochten haben würde.

Daß in jener Verordnung nicht zugleich der Läten gedacht wird, auf welche das gedachte Verbot nach dessen Aufnahme in den Theodosianischen Codex jedoch wohl ebenfalls Anwendung gefunden hat, erklärt sich am einfachsten dadurch, daß die Spezialfälle, welche es hervorriefen, eben nur bei Gentilen vorgekommen sein mögen.

III. Das Postwesen (cursus publicus)

Diese schon von August errichtete, von Trajan und Hadrian vervollkommnete, jedoch nur für den Staatsbedarf bestimmte Anstalt umfaßte eine Reit- und Fahrpost, von der jedoch das schwere Frachtfahrwesen zu Land und Wasser für Getreide, Bekleidungsgegenstände etc., das unter den betreffenden Finanzministerien stand, gesondert war.

Die oberste Aufsicht über dasselbe stand nach der Not. dign. dem Magister officiorum zu, unter welchem der Oberpostinspektor aufgeführt wird, was für spätere Zeit auch durch die Formel in Cassiodors Variar. (VI, 6) und Lydus (III, 21) bestätigt wird. Auch kam nur diesem und den Praefectis Praetorio in ihren Bezirken das Recht zu, Postpässe (synthemata, tractatoriae) auszustellen, auf deren Grund allein die Post benutzt werden durfte. Nur die beiden Finanzminister konnten dergleichen je nach ihrem Bedarf verlangen: für alle übrigen Militär- und Zivilbeamten war die Zahl der ihnen jährlich gestatteten Reisen mit Benutzung der Post (evectiones) je nach der Größe ihres Bezirks bestimmt, wie denn z. B. im Ostreiche dem Magister militum per orientem deren fünfundzwanzig, jedem der übrigen Magistri militum aber nur fünfzehn zukamen.

Bei jedem Amte findet sich in der Notitia des Ostreichs unter III. die Zahl der Evectionen, wobei jedoch die Ziffer in den Handschriften häufig nicht mehr leserlich war, angegeben, während in der des Westreichs jede Angabe darüber fehlt. (S. Böck. Not. dign. Vorr. p. XV.)

Wenn der Kaiser Senatoren oder Personen aus der Provinz zu sich berief (evocati), ward auch diesen sowie den zu Konzilien reisenden Bischöfen die dazu nötige Postfuhre gewährt.

Constantin der Große scheint seine Sorge für das Postwesen vorzüglich auf Abstellung der dabei eingerissenen zahlreichen Mißbräuche gerichtet zu haben, was aus den von ihm erlassenen zum Teil in die kleinlichsten Details eingehenden gesetzlichen Bestimmungen hervorgeht, z. B. daß man nur Peitschen, nicht Stöcke, zum Antreiben der Pferde gebrauchen dürfe. (S. C. Theod. VI, 29 de curiosis und VIII, 5 und Just. XII, 51.)

Unzweifelhaft waren außer dem allgemeinen Oberpostinspektor auch die im Lande stationierten curiosi zur Überwachung verpflichtet, ganz besonders aber nach Lydus (III, 22) der in den Kanzleien der Praefecti Praetorio angestellte princeps.

2) Das Rang- und Titelwesen.

In demselben Maße, in welchem Vaterlands- und Ehrgefühl bei den Römern sanken, steigerten sich Eitelkeit und Hoffahrt.

Constantin scheint die bis zur Manie gewordene Rang- und Titelsucht der Römer politisch verwertet zu haben, da wir nach der von Eusebius (Leben Const. d. Gr. IV, 1) darüber gegebenen Andeutung die neue Rangordnung im Wesentlichen auf ihn zurückzuführen haben. Die Titel selbst waren jedoch zum Teil wenigstens nicht neu, da die Senatoren namentlich schon früher als clarissimi bezeichnet wurden. (S. D. I, 9, 8. Hist. Aug. Heliogab. c. 4 und Aurelian c. 18.)

Anspornung des Diensteifers sowie der Gewinn des Fiskus durch die gewiß, besonders bei Gnadenverleihungen, sehr bedeutenden Sporteln war das Motiv der neuen Einrichtung.

Einen gewißermaßen exemten Rang außer und über der Beamtenhierarchie hatten die schon erwähnten Konsuln, Patricii und nobilissimi.

Die oberen Klassen der Staatsdienerschaft waren nun folgende:

1) Die Illustres, welche in zwei oder mehrere Unterabteilungen zerfielen.

a) Die Praefecti Praetorio, die der beiden Hauptstädte, die magistri militum und der Oberkammerherr, von denen die drei ersteren unter sich, wenigstens nach einem Gesetze vom Jahre 372, nach dem Dienstalter rangierten, was im Jahre 422 auch auf den Oberkammerherrn erstreckt ward. (C. J. XII, 4, 1 und V, 1.)

b) Die vier Staatsminister, von denen jedoch wiederum der Mag. officiorum und der quaestor den Finanzministern vorgingen (C. Theod. VI, 8 und 9, 1); unter beiden Kategorien entschied das Dienstalter.

2) Die Spectabiles.

Die Not. dign. führt sie in folgender Ordnung auf:

a) die comites domesticorum et protectorum, wenn diese nicht illustres waren;
b) den primicerius sacri cubiculi } Hofchargen
c) den castrensis sacri palatii }
d) den primicerius notariorum;
e) die magistri scriniorum, Unterstaatssekretäre;
f) die Prokonsuln von Asien, Afrika und Achaja;
g) die Vicarien, unter denen der comes orientis und praefectus augustalis im Orient die ersten waren;
h) die kommandierenden Generale in den Provinzen, unter denen die comites den duces vorgingen.

Ob deren Rangordnung unter sich die vorstehende, der Not. dign. entnommene war, oder ob einige derselben, etwa b) c), so wie d) und e), unter sich nach dem Dienstalter rangierten, wissen wir nicht, halten aber ersteres für wahrscheinlicher.

3) Die Clarissimi, und zwar

a) die Consularen }
b) die Praesides } Statthalter der Provinzen;
c) die Korrektoren }
d) die cubicularii;
überdem alle Senatoren.

4) Die Perfectissimi, von denen nur die Provinzialstatthalter des Westreichs mit dem Titel praesides in der Not. dign. erwähnt werden, während diese im Ostreiche ebenfalls clarissimi sind und sogar den Korrektoren vorgehen.

Indes scheint gerade das Perfectissimat häufig auf Nachsuchen, gegen gewiß bedeutende Zahlung, verliehen worden zu sein. (S. C. Just. XII. Tit. 33 de perfectissimatus dignitate, wobei man sich hüten muß, die Bestimmung, daß sie diese Ehre nicht venali suffragio (einflußreicher Beamten) erkauft haben dürften, auf die hergebrachte Zahlung von Sporteln an den kaiserlichen Fiskus zu beziehen.)

5) Eine fünfte Klasse, von der wir jedoch nichts Näheres wissen, scheinen die Egregii gebildet zu haben.

Da ein Gesetz vom Jahre 364 (C. J. XII, 32) den römischen Rittern den zweiten Grad nach dem Clarissimat anweist, so ist zu vermuten, daß diese egregii waren. Ein besonderer Titel war der des comes, der zwar mit einigen Ämtern regelmäßig verbunden war, wie mit denen der Finanzminister, der Befehlshaber der domestici und protectores, der Mitglieder des geheimen Rates, des comes orientis und mehreren der wichtigsten Militärkommandanten in den Provinzen, doch aber auch als bloßer Titel verliehen worden sein mag. Es gab drei Rangklassen der comites, über welche wir jedoch nur unvollständig unterrichtet sind.

Vorstehendes gründet sich allenthalben auf die Not. dign. als die einzige vollständige und sichere Quelle; wir ersehen jedoch, daß seit Constantin die gewöhnliche Erscheinung der Steigerung der Titel auch im römischen Reiche stattgefunden haben muß, indem Ammian (XXI, 16 zu Anf.) bemerkt, daß noch unter Constantius bis 361 die kommandierenden Generale in den Provinzen nur perfectissimi gewesen seien.

Bei dem häufigen Ämterwechsel selbst in den höchsten Stellen behielten die aus dem aktiven Dienst scheidenden Rang und Titel bei und hießen dann vacantes.

Diejenigen aber, welche, ohne ein Amt bekleidet zu haben, nur den Titel eines solchen erhielten, was, wie wir oben sahen, selbst bei dem des Magister officiorum möglich war, hießen honorarii. Naudet, s. Anm. III. partie, chap. 3, art. 2, p. 69, behandelt merkwürdigerweise diese Ranggliederung der Staatsdiener unter der Überschrift noblesse und meint, Constantin der Große würde eine wesentliche Lücke in seinem monarchischen Systeme gelassen haben, wenn er nicht einen Adel errichtet hätte. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß sich letzteres doch nur auf einen Geburtsadel beziehen könnte und diesen hat auch Naudet nach der letzten Z. v. p. 70 und 84 offenbar vor Augen, indem er p. 84 sagt: »Dieser Adel ward mehr durch den Gebrauch, als durch ein ausdrückliches Gesetz erblich.« Es scheint überflüssig, einen solchen Irrtum, zu dessen Verteidigung nicht ein einziges Quellenzeugnis angeführt wird, näher zu beleuchten. Umgekehrt hat die Monarchie vielmehr jederzeit in dem Dienstadel ein Gegengewicht gegen den Geburtsadel zu schaffen gesucht.

3) Die Insignien.

Jeder höhere Beamte erhielt bei Antritt seines Amtes eine oder mehrere Tafeln unstreitig aus Holz oder Metall, auf denen wesentliche Attribute seines Amtes in Farben gemalt waren, welche in den Handschriften der Notitia großenteils und zwar ebenfalls bunt nachgebildet und aus der Böckingschen Ausgabe in Holzschnitt zu ersehen sind, weshalb wir, von deren näherer Beschreibung absehend, nur bemerken, daß auf denen der Landesbehörden überall die betreffenden Diözesen oder Provinzen, durch weibliche Figuren dargestellt, bei den Magistris militum die Wappenschilder der ihnen untergebenen Truppenkörper, bei den comites und duces die ihnen anvertrauten festen Plätze abgebildet, auf denen letzterer aber auch besondere Kennmale ihrer Bezirke, z. B. Gebirge, Flüsse (Nil und Jordan), die ägyptischen Pyramiden, ja selbst bezeichnende Tiere mit angebracht sind.

Diese Schildereien, welche jedoch nur bei den Beamten der ersten Rangklassen den Namen Insignien führten (Böcking I, p. 262), wurden in den Amtslokalen der betreffenden Beamten aufgehängt und bei feierlichen Gelegenheiten vorgetragen.

Die in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts getroffene Einrichtung, den von den Städten erwählten Defensoren (Vertretern der Städte in Prozessen, Syndiken) mittelst deren Bestätigung durch den Kaiser oder den Praefectus Praetorio ein höheres Ansehen zu gewähren, und dadurch ein gewisses Recht, ihre Orte gegen Widerrechtlichkeiten der Statthalter und anderer, besonders fiskalischer Beamten zu verteidigen, war eine wohlwollende und weise Maßregel (v. Bethm.-Hollweg, S. 127–129).

Die nach der neuen Staatsreform dem Senate, den Konsuln und Praetoren verbliebene Wirksamkeit, worüber sich in unseren Hilfsmitteln nichts findet, war offenbar politisch völlig null, obwohl man Schein und Form sorgfältig schonte. Merkwürdig ist das Gesetz von Valentinian und Theodosius vom Jahre 384 (C. J. I, 16 ,1), wonach es bei schwerer Strafe verboten wird, sich mit Umgehung des Kaisers und seiner Behörden an den Senat zu wenden. Die Novelle Justinians 62 vom Jahre 537 (in der Beckschen Ausgabe: vergl. Bethm.-H., 8. 116) beweist, daß die nicht im Staatsdienste angestellten Senatoren damals völlig unbeschäftigt waren, weshalb sie den Gerichtssitzungen des kaiserlichen Consistorii in Appellationssachen beiwohnen sollten.

Wie die Prätoren in Rom noch eine beschränkte Gerichtsbarkeit behielten, so mag auch den Konsuln noch eine unerhebliche Wirksamkeit zugestanden haben, z. B. das Recht solenner Freilassung von Sklaven, dessen Fortdauer durch die Aufnahme in den Cod. J. (I, 10) verbürgt wird.

Das Bild der neuen Staatsreform ward in obigem vollendet, das Urteil über deren Wert darf nicht fehlen.

Dafür verlassen uns die Quellen gänzlich, weil die unbefangenen, die Epitomatoren, darüber wenig, fast nur Subjektives, meist lobend erwähnen, die christlichen aber ebensowenig als deren Gegenbild Zosimus ihrer leidenschaftlichen Befangenheit halber Beachtung verdienen.

Unter den Neueren sagt Bethmann-H., nachdem er den Zustand der Auflösung des Reichs lebendig geschildert (S. 23): »In der Tat war unter solchen Umständen nur Heil in dem verständigen Willen eines Einzelnen und dieser fand sich erst in der Person Diokletians, dann Constantins des Großen, deren kräftigen und zeitgemäßen Reformen, wenngleich sie das Übel in seinem Grunde nicht zu heben vermochten, ohne Zweifel das römische Reich seine Erhaltung für noch zwei Jahrhunderte zu danken hatte, welchen Tadel sie auch erfahren haben.« Die Zeitgenossen leiten Gebrechen und Fall des Reiches davon her: die christliche Partei, z. B. Lactanz, klagt Diokletian, die heidnische, z. B. Zosimus, Constantin den Großen als deren Urheber an. Damit stimmt auch Niebuhr (Vorl. über röm. Gesch. III, S. 289, 290 und 293), nicht minder Naudet in einer recht guten Stelle am Schluß seines Werkes (p. 300–302), so wie Burkhardt, der (S. 326) Diokletian einen der größten römischen Imperatoren, den Retter des Reichs wie der Zivilisation und den scharfsinnigsten Beurteiler seiner Zeit nennt, vollkommen überein, während andere, selbst Gibbon und Manso, entweder gar kein oder doch kein erschöpfendes Gesamturteil abgeben, Niebuhr aber, bei warmem Lobe Diokletians, sich über die neue Verfassung nicht näher äußert.

August hatte meisterhaftes Geschick in Gründung der Monarchie in republikanischem Gewande bewiesen: nahe hundertundfünfzig Jahre nach ihm trat in Hadrian ein kluger und umsichtiger Fortbilder derselben auf dieser Grundlage, d. i. ohne alle politische Änderung auf, dessen Werk sich wohl nützlich bewährt haben mag, den am innersten Lebensmarke der damaligen Monarchie nagenden Krebs aber nicht zu beseitigen vermochte.

Unter Gallienus erreichte dieser den Höhepunkt der Zerstörung. Große Kriegshelden, wie sie Rom seit Trajan nicht gekannt hatte, hemmten zwar den äußern Feind: gegen den inneren aber waren sie machtlos, ja fielen selbst dem Kaisermorde zum Opfer, der in Rom zur Regel geworden war, da von zwanzig Kaisern seit Commodus nur vier ihm entgingen, die drei letzten Decius, Claudius und Carus aber unstreitig auch nur dadurch, daß sie nach bereits einem bis zwei Jahren den natürlichen oder Schlachtentod starben. Wahrlich das Übel war furchtbar, als sich nach ungefähr wieder hundertundfünfzig Jahren ein Mann fand, dessen Tiefblick dasselbe in seiner Wurzel erkannte, dessen Geist und Kraft durch eine neue politische Schöpfung die Monarchie rettete, indem er ihr eine wahrhaft monarchische Grundlage unterbaute.

Durch ihn ward für mehr als ein Jahrhundert – der Wirkung für weitere Zeit, im Ostreich namentlich, nicht zu gedenken – der Tyrannen-Greuel größtenteils, der Kaisermord aber fast ganz gebannt.

Die von Lactanz (d. m. p. c. 7) wider Diokletians Staatsreform erhobenen Anklagen der Verstärkung der Armee, Zersplitterung der Provinzen in kleine Teile und Vervielfältigung der Beamten zerfallen in nichts.

Erstere war ein längst und dringend vorhandenes Bedürfnis, durch dessen nur zu späte Abhilfe endlich dem äußeren Feinde einigermaßen gewehrt, Ruhe und Ordnung im Innern gesichert ward.

Was sind ferner Provinzen von immer noch fünfhundert bis tausend und mehr Quadratmeilen gegen die Departements und Verwaltungsbezirke wohlgeordneter neuerer Staaten?

Das Wachstum der Beamtenzahl und Schreiberei ist allerdings ein Übel, aber ein unvermeidliches des Staatslebens. Hat doch selbst in unsern Tagen die einfachste Verwaltung der zivilisierten Welt, das englische Selfgovernment, im Polizei- und Armenwesen dem nicht entgehen können.

Nicht die Zahl der Beamten an sich, sondern nur die der unnützen, mindestens entbehrlichen begründet einen Tadel. Wie weit ein solcher damals gerechtfertigt gewesen, können wir nicht beurteilen, müssen aber anerkennen, daß das Rom jener Zeit noch weit hinter den Zuständen der unsrigen in solcher Beziehung zurückblieb.

Nur eines, was darauf unstreitig mit einwirkte, der fortwährende Beamtenwechsel, war an sich betrachtet unzweifelhaft ein großer Übelstand.

Dies war eine Erbschaft der Republik, in deren Anfängen zu Erhaltung der Freiheit, später, als sie zum Weltstaate erwuchs, zu Bereicherung der Großen bei Verwaltung der Provinzen eingeführt und beibehalten. August erkannte das Übel und half ihm tunlichst ab, indem er die Legaten, für seine Provinzen wenigstens, auf unbestimmte Zeit ernannte und sie länger amtieren ließ. Tiberius und alle späteren Kaiser, mindestens die verständigen, scheinen ihm hierin gefolgt zu sein.

Selbst die Praefecti Praetorio fungierten in der Regel wohl so lange als sie nicht gefährlich schienen, was durch Spartian (Hadrian. c. 8) bestätigt wird, wonach dieser Kaiser seinen Praefecten Tatian nicht entlassen konnte, weil dieser nicht darum nachsuchte.

Wie es damit in der neuen Verfassung gehalten wurde, wissen wir, mit Ausnahme des in den Bureaus eingeführten, in der Regel einjährigen Austritts aus der bekleideten Stelle, nicht genau, können aber teils hieraus, teils aus den uns erhaltenen Verzeichnissen der prätorianischen und Stadt-Präfekte, teils aus der großen Zahl der in den Quellen erwähnten vacantes und sonst mit Sicherheit abnehmen, daß kaum ein Beamter bis zum Ende seines Lebens oder seiner Kräfte fortdiente, sondern eine fortwährende Erneuerung hergebracht war. Nur bei den Unterstaatssekretären und den obersten Bureaubeamten, wie den Cornicularien, Commentariensen usw. sind wir eine längere Amtsdauer zu vermuten geneigt

Männer wie Diokletian und Constantin der Große hätten einen so unvernünftigen Grundsatz, dessen Entstehungszeit wir freilich nicht genau kennen, nicht aufkommen lassen, ja selbst nicht beibehalten können, wenn sie nicht von dessen Notwendigkeit überzeugt gewesen wären.

Er wurzelte in der Verderbnis der Zeit. Bei den hohen Beamten waren es mehr die politischen Umtriebe, bei den niederen mehr Betrug und Bestechung, gegen die man sich dadurch tunlichst sichern wollte.

Schwerer wiegt der Vorwurf des fiskalischen Druckes.

Allerdings müssen sich die Einnahmen des Staats, im Gegensatze zum Privathaushalte, nach den Ausgaben richten, daher auch damals für die notwendigen, durch die Reichstheilung erhöhten Bedürfnisse, unter denen die für die verstärkte Armee und vier Hofhalte die bedeutendsten waren, die Mittel zu beschaffen waren. Wir sind auch überzeugt, daß die Steuerlast jener Zeit, ihrem Betrage nach, die der modernen Staaten noch keineswegs erreichte: aber nicht deren absolute Höhe, sondern deren Verhältnis zur Steuerkraft bedingt den Druck. Letztere aber mag im Verfalle des Reichs, namentlich bei den Landbewohnern, unglaublich gesunken gewesen sein.

Wohl sind nun sowohl Diokletian als Constantin auch von streng genommen unnötigen Ausgaben, beide von Baulust, letzterer überdies von übergroßer Freigebigkeit, nicht freizusprechen; man darf aber nicht vergessen, daß diese Leidenschaften, die man gerade bei sonst vorzüglichen Herrschern nicht selten findet, doch würdigerer Art und mehr nur relativ als absolut tadelnswert sind. War übrigens das Verlassen der alten Residenz Rom nach obigem an sich eine weise Maßregel, so konnte freilich die Gründung neuer in Nikomedien, Karthago, Mailand und Trier ohne bedeutende Neubauten nicht ins Werk gesetzt werden. Die Verlegung der des Orients nach Konstantinopel wird später gerechtfertigt werden.

Unzweifelhaft aber mag das Bedürfnis regelmäßiger Einziehung und tunlichster Erhöhung der Steuern schon damals den Geist gehässiger Fiskalität hervorgerufen haben. Fortwährende Steuerrevisionen und die unwürdigste Industrie in Aufsuchung neuer und Beiziehung absichtlich beseitigter oder verborgener Steuerobjekte waren deren Ausfluß (vergl. Gibbon c. 17 vor Not. 174 mit Bezug auf C. Theod. XIII, 11, 1).

Am verwerflichsten war der freilich bequeme Grundsatz, daß die Mitglieder der städtischen Kurien, die Decurionen, persönlich für die Steuern ihrer zahlungsunfähigen Mitbürger haften mußten. Darum strebten dieselben auf jede Weise sich dieser Last zu entziehen, indem sie sich durch Erkauf von Titeln über ihr Amt zu erheben oder Soldaten und später Geistliche zu werden, aber auch der Ehre ihrer bürgerlichen Stellung sich unwürdig zu machen, ja selbst in Flucht und Versteck Rettung suchten, wogegen die Gesetzgebung einen fortwährenden Kampf zu führen hatte (s. C. Theod. XII, 1 und Just. X, 31).

Gerecht und löblich dagegen war die von Diokletian verordnete Aufhebung der Grund- und etwaigen sonstigen Steuerfreiheit Italiens (Aur. Vict. d. C. c. 39, 31).

Auch die Senatoren, die vorher wahrscheinlich auch hinsichtlich ihrer auswärtigen Besitzungen befreit waren, wurden nun beigezogen. Wir vermuten, ohne dies jedoch verbürgen zu wollen, daß ihnen die Ehrenrücksicht bewiesen wurde, sie nicht der gemeinen, sondern einer besonderen Steuer zu unterwerfen. Sie hatten den follis senatorius, der wahrscheinlich persönlich war, und den census glebalis von allen ihren Grundstücken, welche sie bei deren Verlust genau angeben mußten, zu entrichten (Cod. Theod. VI, 2).

Ungemein mag vor allem die Last der Steuer durch Mißbrauch, Unredlichkeit und Druck bei deren Erhebung gesteigert worden sein. Der Diebstahl der Beamten ist auch für den Herrscher selbst ein großes Übel: leider aber, wenn die Pest der Verderbnis diesen Stand einmal ergriffen hat, ein selbst dem besten Willen fast unheilbares. An Maßregeln und Gesetzen dawider hat es auch in Rom nicht gefehlt.

Das Schlimmste war die Anwendung von Schlägen und Folter gegen Steuerrestanten, die, wenn auch nicht dem direkten Befehl, doch einer höchst verdammenswerten Connivenz der Herrscher zur Last gelegt werden muß. Mögen auch Lactanz (c. 21), der von Galerius, und Lydus (III, 54), der (in freilich viel späterer Zeit) von dem Praefaectus Praetorio Cappodox unter Justinian spricht, aus Haß übertrieben haben, so ist doch an der Sache ganz zu zweifeln unmöglich, ja Zosimus (II, 38) erwähnt dies selbst von Constantins des Großen Zeit im Allgemeinen.

Ein großer und zwar gewiß durch die Staatsreform wesentlich vermehrter Übelstand war ferner die Sportelhäufung jener Zeit, die wir aus einer viel späteren Zeit wenigstens daher ersehen können, daß Lydus, freilich vom Praefectus Praetorio, seinem Verwandten, begünstigt, schon im ersten Jahre seiner im einundzwanzigsten Jahre begonnenen Amtierung sich 1000 aurei (der aureus zu 1/ 72 röm. Pfund, also über 12 000 Mark) auf redlichem Wege (σωφρόνως) durch Sporteln erwarb (Lydus III, 27), wobei man indes zu berücksichtigen hat, daß in der Regel nur größere und wichtigere Sachen vor den Praefectus Praetorio gelangten. Immer höher auch stiegen die Gebühren. Ein Anstellungs- oder Aufrückungsrescript (probatoria), das der Bureauofficiant in der Regel alle zwei Jahre zu lösen hatte, kostete anfänglich fünf, unter Justinian zwanzig aurei (Lyd. III, 67). Selbst die höchsten Beamten bezogen dergleichen, hatten aber gewiß auch beträchtliche selbst an den Fiskus zu zahlen.

Wir kommen nun zu unserm bis zum Ende dieses Kapitels verschobenen Schlußurteil über Diokletian, indem wir nur noch dessen Christenverfolgung dem Nachstehenden vorbehalten.

Was er als Kaiser und Schöpfer einer neuen Ära, nicht der Abwendung, aber langer Hinhaltung des Verfalls für das römische Reich gewesen, ward oben bereits entwickelt. Nur dessen, nicht aus den Quellen, sondern bloß aus den Münzen selbst ersichtlichen, hochwichtigen und segensreichen Verbesserung des Münzwesens, für welches er von plattierter Bronze zur Silberprägung zurückkehrte, ist hier noch zu gedenken (Coner in Paulys Enzyklopädie).

Für dessen allgemeine gesetzgeberische Tätigkeit gibt der dem corpus legum (ed. Hänel II, Lips. 1860) beigefügte index legum einen merkwürdigen Beleg, indem darin über zwölfhundert Gesetze aus Diokletians einundzwanzig Jahren, nur dreihundertneunundfünfzig aber aus den fünfundzwanzig Jahren Constantins des Großen von 312 bis 337 aufgeführt werden.

Allerdings mag ihn dieser Eifer bisweilen auch zu Fehlgriffen verleitet haben, wovon das Taxedikt vom Jahre 301, welches uns durch die Inschrift von Stratonikea in Karien erhalten worden ist, einen merkwürdigen Beleg gibt. Er sagt darin ungefähr: Nachdem es uns gelungen, mit großer Anstrengung den äußeren Frieden herzustellen und den Räubereien der Barbaren ein Ziel zu setzen, erfordert das Wohl des Gemeinwesens, daß wir es auch gegen die abscheulichsten inneren Übel – Wucher und Raubsucht schützen. Was das eigne Menschengefühl, wie lange man dies auch gehofft, nicht bewirkt hat, das müssen wir nun, die wir die Väter des Menschengeschlechts sind, durch Gesetz ins Werk richten. Darauf folgt in achtzehn Kapiteln die genaueste Bestimmung der höchsten zulässigen Preise für alle nur denkbaren Lebensmittel und Waren, sowie für alle, sowohl gemeine, als gewerbsmäßige Arbeiten, deren Überschreitung durch Mehrforderung bei Todesstrafe verboten ward. S. Mommsen in den Verhandl. d. k. Ges. d. W. zu Leipzig, phil.-histor. Klasse m. Bd. v. J. 1851, S. 1–80, 383–400. Hänel, corp. leg. I, 175–180. Dureau, de la Malle Economie politique des Romains I. Burkhardt. Zeit Constantins des Großen, S. 70.

Ein Irrtum sicherlich, aber aus warmer Fürsorge entsprossen, um so entschuldbarer in einer Zeit, da die Volkswirtschaftslehre fast noch ein unentdecktes Land war.

Der Erfolg brachte, nach Lactanz (c. 7), der hier wohl Wahrheit, wenn auch mit Übertreibung berichtet, die Enttäuschung; der Markt verödete aus Furcht, die Teuerung nahm zu und das Gesetz mußte, nach vielem fruchtlos vergossenen Blute, wieder aufgehoben werden.

Von dem Menschen Diokletian wissen wir aus den Quellen wenig, da sich das Lob der Epitomatoren mehr auf den Herrscher bezieht. Aurelius Victor (c. 39, 46) tadelt sein Benehmen gegen Freunde, erklärt dies aber aus politischer Vorsicht. Der giftgeschwollene Lactanz nennt ihn zwar (c. 7) den Erfinder von Verbrechen und Erzeuger von Übeln (scelerum inventor et malorum machinator), setzt aber doch (c. 9 a. Schl.) hinzu, daß er so lange mit dem höchsten Glücke regiert habe (d. i. neunzehn Jahre lang), bis er seine Hände mit dem Blute der Gerechten (d. i. Christen) befleckt habe, was auch Eusebius (Kirch.-Gesch. VIII, 13) hervorhebt.

Negativ aber sind diese Schmäher von Bedeutung, weil sie außer dem Zusammenscharren von Geld (avaritia), übertriebener Baulust und Christenverfolgung nichts gegen ihn vorzubringen wissen.

Diokletian muß von imponierender Persönlichkeit gewesen sein: denn was anderes hätte der Generale und des Heeres Wahl auf einen unbedeutenden Feldherrn so niederer Herkunft lenken können? Dafür bürgt auch der Gehorsam, den er da, wo vorher Auflehnung und Empörung an der Tagesordnung gewesen, über zwanzig Jahre lang willig fand, vor allem die Fügsamkeit des wilden Maximian unter dessen Willen.


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