Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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XXXVIII.

Unwiderstehlich, reißend, wie ein allüberschwemmender Bergstrom, ergoß sich von Poitiers aus die Waffengewalt Chlodovechs und der Burgunden über das gallische Westgotien. Die Verbündeten kämpften fast stets auf verschiednen Kriegsschauplätzen: denn jeder der beiden Könige ging darauf aus, so viele Städte als möglich allein zu bezwingen, um sie allein zu behalten.

Während der unfähige Anmaßer Gesalich sich zu Narbonne von seinen Anhängern mit großem Gepränge krönen ließ, öffneten die Römer, das heißt die Katholiken, die Thore ihrer meisten Städte Chlodovech, der seinem Heere voraus nur seine Römer und katholische Franken ziehen ließ, die er, unter Voraustragung der Überbleibsel von Heiligen und geführt von psallierenden Priestern, um die Mauern ziehen hieß. Bei diesem Anblick öffneten sich die Thore wie die Herzen. Ohne Widerstand, ihn freudig bewillkommnend, empfingen ihn so die Bewohner der Städte Saintes, Bourges, Bazas, Eauze, Lectoure, Auch und viele andere. Nur die Auvergne mußte – nach tapfrem Widerstand – mit Gewalt bezwungen werden: »der Franke soll es lernen,« sprachen diese kernhaftesten der Gallier, »daß die Auvergnaten so treu wie gläubig sind.«

Während die Burgunden Narbonne nahmen, – Gesalich floh nach Spanien – zog Chlodovech sieghaft durch Aquitaine und Perigord an die Garonne und besetzte das wichtige und damals schon reiche Bordeaux: ja, auch die Hauptstadt des ganzen gotischen Galliens, die schöne Tolosa, gewann er: der Bischof der Stadt, Heraclianus, war es, der in der Stille der Nacht ein Mauerpförtlein dem Schützling von Sankt Martin öffnete: die gotische Besatzung ward erschlagen, zum Teil im Schlaf.

Allein Chlodovech entdeckte, – zu seinem lebhaften Verdruß! – daß vorher der größte Teil des gotischen Königshortes von hier fort und in die starke Feste Carcassonne war geflüchtet worden, um deren steile Felsenmauern die Aude schützend spült. »Was denn? Was denn?« schalt er, als er nur karge Reste der gehofften Schätze in dem Palatium zu Toulouse fand, »das hätte doch Sankt Martinus leicht verhindern können! Durch ein ganz kleines Wunderchen! Ist ja nun sein eigner Schade. Ist ja dumm! Er wußte ja doch, – kann ein Heiliger vergessen? Zumal so was! – daß ich ihm den zehnten Teil des zu Toulouse zu erbeutenden Schatzes versprochen hatte. Aber, lieber Sankt Martinus, wie kann man doch so leichtsinnig sein? Nun, ich halte mein Wort: schickt ihn nur nach Tours, den schnöden Bettel! Mich wundert, ob er's annimmt? Ich bin nur ein Mensch, ein Sünder. Aber mir wär's zu wenig!«

Sofort sandte er eine Heerschar ab, Carcassonne zu belagern und als es ihm damit zu lange währte, eilte er ungeduldig selbst hin, den festen Platz zu nehmen. »Es ist besser. Denn was denn? Meine Franken sind mir allzu ähnlich: sie würden mir schwerlich alles herausgeben, was sie finden. Und ein König, der keine Schätze hat, zu belohnen und – mehr noch: zu bestechen! – ist ein Bettler.«

Vor Carcassonne angelangt, hielt er, von seiner ganzen starken Gefolgschaft umgeben, Heerschau über die hier lagernden Krieger. Einzeln ließ er sie herantreten vor sein Königszelt, das er abseit vom Lager hatte aufschlagen lassen. Er war nicht gut gelaunt: der zähe Widerstand der harten Nuß da oben auf den Felsen, deren undurchbrechbare Schale den reichen goldnen Kern barg, hatte ihn gereizt, erbittert. »Was denn?« meinte er. »Wär' ich ein Heiliger und könnte wundern, ich ließe wahrlich nicht meinen freigebigsten Schützling so lang' vor diesen gottverfluchten Steinen liegen.«

Da trat wieder ein einzelner Wehrmann in den waffenstarrenden Kreis der Gefolgschaft. Bei seinem Anblick zog der König die Augenbrauen hoch empor und öffnete ein wenig, verhalten atmend, den Mund. »Was denn? Ich meine, wir kennen uns? Freund Brinno: – nicht?« Der Riese sah ihm fest in die zwinkernden Augen: »Du wolltest dir den Namen merken.« – »Hab's gethan! – Wirst schon sehen! – Ei, Freund Brinno! Wie schlecht bist du gerüstet: keine Sturmhaube, keine Brünne, kein Schild.« – »Ich hab's nicht dazu. Das hast du in Poitiers schon gesehen.« – »Richtig! Ja wohl, in Poitiers! Und was hast du für einen kurzen Speer? Schäme dich, Donars Enkel.«

Und er lupfte rasch die Francisca und schlug ihm den Speer aus der Hand. »Herr König!« grollte der Hüne und bückte sich, die Waffe aufzuheben. Da fuhr ihm blitzschnell das mörderische Beil in den Schädel und dem Sterbenden rief der König zu: »Siehst du? So hast du zu Poitiers jenem Kruge gethan. – Hurtig, meine Wölflein, werft die Leiche in die Aude dort, bevor der nächste Wehrmann an die Reihe kommt.«

 


 


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