Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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XXVII.

Und die Geschichte weiß: getreulich hat der neubekehrte Vorkämpfer der Kirche Wort gehalten! Nicht einen hat er übriggelassen.

Zunächst trugen seine geheimen Boten geschäftig goldene Armringe und Wehrgehänge den Vornehmen des Königs zu Cambrai zu, nahmen deren Klagen über die Völlerei und Wollust und Habgier Ragnachars und ›seines Farro‹ entgegen, priesen das Glück der Unterthanen Chlodovechs unter dessen in der That hochbeliebter Herrschaft und brachten alsbald die Aufforderung der Großen zu Cambrai zurück, sie von den Bedrückungen ihres Königs zu befreien, »Ah,« rief Chlodovech bei der Ausrichtung dieser Botschaft, die er in Gegenwart seiner Bischöfe und Weltgroßen entgegennahm, »wahrlich, da ruft die Pflicht. Ziehen wir aus unter den Fittichen des heiligen Geistes und helfen wir den Bedrängten.«

Als er mit seinem Heerbann von Süden her die Isère überschritten und das Gebiet Ragnachars erreicht hatte, stießen sofort die meisten von dessen ›Leudes‹ zu ihm. Der dicke, durch Völlerei vor der Zeit unbehilflich, wehrlos gewordene König zog ihm entgegen und saß mit seinem Übelberater bei schwelgerischem Mahle, als die Reiter seiner Vorhut in das Lager zurückflohen, mit der Meldung, Chlodovech sei da! Schwerfällig erhob sich der Schlemmer, sein Bruder Richar versteckte sich in einem Nebenraum. Farro zog das Schwert. »Ei,« fragte der dicke Ragnachar, »sind es viele Feinde?« »Genug für dich und deinen Farro!« lautete die Antwort. »Mein Pferd!« gebot der König. »Flieht! Rasch!«

Aber schon schmetterten die Hörner Chlodovechs durch das Lager, gleich darauf dicht vor dem Zelt. Die Krieger Ragnachars warfen die Waffen weg, ja die Boten ergriffen den König, zerrten dessen Bruder aus dem Versteck und banden beiden die Hände auf den Rücken: Farro, der sich zur Wehre setzte, ward erschlagen. Schon stürmte der Merowing, die mörderische Francisca in der Hand, in das Zelt, von einigen Antrustionen gefolgt. »Es freut mich, Vetter, dich zu sehen,« stammelte der Dicke. »Willst du nicht – wir waren gerade an der Tafel – mit schmausen?« – »Mich freut es gar nicht, Vetter, einen Merowing in Fesseln zu sehen. Warum hast du unsere Sippe so erniedrigt? Wahrlich, besser war es dir, zu sterben!« Und er hob die mächtige Streitaxt und schlug sie ihm in den Schädel. »Und du?« fuhr er Richar an, »warum hast du deinem Bruder nicht geholfen? Dann wär' er nicht gebunden worden!« Und hob die Streitaxt und schlug auch ihn tot. – Am gleichen Tage noch hob das ganze Heer des Erschlagenen den Sieger auf den Schild und huldigte ihm freudig als seinem König. Der umzog nun in feierlichem Ritt die Marken des neugewonnenen Landes und nahm überall den Freien den Eid der Treue ab.

Als er aber nach einer Woche wieder das Gebiet von Cambrai verlassen und nach Paris zurückkehren wollte, da holten ihn – an der früheren Grenze – jene Vornehmen Ragnachars ein, die er vor dem Angriff durch reiche Geschenke gewonnen hatte. Es war ein schöner, aber heißer Sommertag. Chlodovechs Heer lagerte in einem schattigen Wäldchen hart an dem rechten Ufer der Isère, deren Fluten Kühlung brachten. Der König lag auf weichem, dunkelgrünem Moos unter einer breitschattenden Linde, deren Blütenduft er behaglich einsog; ein mächtiger Krug voll dunkelroten Weines und ein goldener Becher – vor kurzem hatte noch Ragnachar daraus getrunken – standen neben ihm im Grase. Er lag, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, vergnüglich hingestreckt. Da kam Ansovald, lebhaft erregt, und meldete, zwölf jener Großen von Cambrai seien eben angesprengt und verlangten in heftigem Zorn, den König zu sprechen.

»Was denn?« lachte der. »Aha! Führ' sie her. Und stelle dich – vorher – mit zwanzig Antrustionen mir zu Häupten.« – »Du willst liegen bleiben? Und du . . . du bist fast unbekleidet. Willst du nicht den Königsmantel . . .« – »Bei der Gluthitze? Ist ja dumm! Laß sie nur kommen. Die Antrustionen sollen Bogen und Pfeile mitbringen – außer der Francisca.« Seine Befehle wurden vollzogen. Alsbald stürmten – kaum waren die Bogenschützen von Ansovald aufgestellt – die Großen des Gebietes von Cambrai in Hast und Hitze heran, geführt von Rigobert, dem Grafen von Vence. »Herr König!« rief der.

Chlodovech rührte sich nicht. Er blieb liegen, wie er lag, die Arme unter dem Nacken gekreuzt. »Was wollt ihr?« fragte er ruhig. »Was wir wollen? Klagen! Uns bitter beklagen! Ist das Königstreue? Die Spangen, die Armringe, die Wehrgehänge, die Zierplatten, die du uns geschenkt, durch die du uns zum Abfall von unserm Herrn und König verlockt hast, – sie sind – die Münzmeister von Cambrai haben's festgestellt! – nicht von Gold, sondern von elendem Kupfer und nur leicht vergoldet. – Das ist . . .« »Falsches Gold für falsche Treue,« lachte der Merowing, immer ohne sich zu rühren. »Solches verdient, wer seinen König verrät. Ärgert mich nicht an diesem schönen, aber heißen Abend. Seid froh, daß ich euch den Treubruch gegen euern Herrn nicht durch Folter und Tod büßen lasse. Macht, daß ihr mir aus den Augen kommt.« »Aber, Herr König . . .« grollte der Graf von Vence.

»Antrustionen,« rief der, den Kopf leicht hebend und zu diesen wendend, »die Pfeile auf die Sehnen. Zielt!« »O, Herr König,« rief hastig der Sprecher ganz erschrocken, »wir gehen ja schon! Wir sind ja schon ganz zufrieden, läßt du uns das Leben.« Und sie eilten davon. Nun sprang Chlodovech auf: »Wahrlich, die brauchten einen Herrn. Nun, die Heiligen haben ihnen den rechten zur rechten Zeit geschickt.«

 


 


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