Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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XXII.

Zum Himmel jauchzend war der Königin Freude, als Clodovechs Boten nicht nur des Königs Sieg und wunderbare Rettung, auch – aber unter Einschärfung noch des tiefsten Schweigens – seinen Glaubensentschluß meldeten. Sie sank unter Freudenthränen in Genovevas Arme und wiederholte immer wieder: »Das verdanken wir deinem Gebet, du heilig' Mädchen. Uns Sünder würde der Herr nicht erhört haben. Du aber, ich weiß, hast Tag und Nacht für ihn gebetet.«

»Ja,« erwiderte sie unter Thränen der Rührung. »Ich mußte die Seele des Sohnes retten, da ich den Vater nicht aus schwerster Sünde und aus Wahnglauben zu lösen vermochte.«

Alsbald begannen – noch vor der Sieger Wiederkehr – die Vorbereitungen zur Taufe: Theoplastus und Cautinus wollten sich der Leitung bemächtigen: aber der König ließ wissen, er übertrage das dem ehrwürdigen Remigius. Grollend traten jene zurück.

Nicht so rasch als Frau Hrothehild wünschte, konnte der Gemahl nach Hause kehren. Zunächst mußten die Gaue der Alamannen, die sich unterworfen hatten, für den neuen Herrscher in Eid und Pflicht genommen werden: der durchzog das Land von West nach Ost, an den alten Malstätten die freien Männer versammelnd, wo sie dann auf ihre Waffen eideten. Jene östlichsten Gaue, deren Aufgebote die Niederlage und Ergebung an der Lauter nicht geteilt hatten, hielten noch zurück: ihre Scharen besetzten ihre Marken und als sich Chlodovech anschickte, mit Gewalt vorzugehen, da erschienen plötzlich in seinem Lager Gesandte des großen Gotenkönigs zu Ravenna, der ihm sagen ließ, diese Ostgaue hätten sich unter seinen Schutz begeben: »Unter der Amaler fleckenlosen Schild sind sie geflüchtet: hüte dich, auf sie zu stoßen: jeder Stoß träfe nicht sie, – träfe meinen Schild.« Zähneknirschend vernahm der Merowing die Vorlesung des Schreibens: giftige Blicke warf er den Gesandten zu: es war des Goten alter Waffenmeister Hildebrand, im langen Weißbart, und ein Graf Vitigis: hitzig wollte er sie anfahren: aber er bezwang sich und entließ sie mit dem Bescheid, er werde des weisen Theoderichs Wort befolgen.

Als sie das Zelt verlassen, tobte er darin wild umherrennend. »Ansovald, wie ich ihn hasse, der mir in den Arm fällt, da ich die Frucht des Sieges pflücken will! Aber was denn? Bin noch zu schwach! Ich ganz allein gegen ihn und sein Rudel von verbündeten Königen! Was hilft's, gegen solche Übermacht losfahren? Ist ja dumm! Erst muß ich aus seinem festgeschnürten Bündel von Speeren den einen oder andern locker gemacht und leise herausgezogen haben, bevor ich die andern zerbrechen kann. Thu's ganz gewiß! Also in des Teufels Namen – an den ich ja jetzt glauben muß! – kehren wir um und lassen wir einstweilen liegen, was noch nicht zu haben ist.«

Auf dem Rückweg verweilte Chlodovech einige Tage zu Metz, wohin die beiden Verwundeten – Vater und Sohn – gebracht worden waren – auch Guntbert, dessen gesunde Kraft sich rasch von der Wunde erholt hatte: er war bald zu Hause, in Bertradens treuer Pflege: die Königin Basina wandte ihm ihre eifrige Heilkunst zu.

Auch den beiden Uferfranken drohte nicht Lebensgefahr. »Schade,« meinte Chlodovech, als er es erfuhr, vor sich hinsprechend. »Ein oder zwei Todesfälle jetzt hätten mir spätere Arbeit erspart.« Er besuchte, von dem Sohne, – der schon wieder gehen konnte – begleitet, den Alten auf seinem Lager. Der hob nun an, seinen Anteil an dem eroberten Land in Anspruch zu nehmen. Aber übel kam er an. »Was? . . . was? Was denn?« herrschte der Gast ihn an. »Was fällt dir ein? Du fieberst wohl! Der dir gebührende Anteil am Alamannenland: – weißt du, wie viel der beträgt? Sechs Fuß Erde an der Lauter! Wer hat die Schlacht verloren? Du! Wer hat die verlorne zurückgewonnen? Ich! Oder der Herr Christus, würde Frau Hrothehild sagen,« fügte er bei, sich fromm, aber ungeschlacht bekreuzend: denn das hatte er einstweilen erst ein wenig gelernt. »Sei du nur still und ganz zufrieden, wenn ich dir, zur Strafe für euer Verhalten, nicht ein Stück von deinem Land nehme: zum Beispiel diese feste Stadt, in der jetzt fünftausend Salier stehen: das bedenke, sinnst du etwa auf Gewalt gegen mich.« Und ohne ein weiteres Wort ließ er ihn liegen und schritt hinaus. Der Sohn folgte ihm, zu begütigen. »Ich,« meinte er, mit einem scheuen Blick auf den Gewaltthätigen, »ich würde dich nie reizen, wenn . . . wenn ich König wäre.« Der Meroving blieb plötzlich stehen und warf einen scharf bohrenden Blick auf ihn. Der Jüngling schlug rasch die Augen nieder.

»So, so!« sprach der andere langsam. »Es dauert dir wohl zu lange? Was denn?« »Ja,« seufzte der Sohn. »Als ich dort in der Schlacht erfuhr, er sei, schwer getroffen, vom Pferde gestürzt, da glaubte ich schon . . . Der Alte ist zäh und er hält mich kurz in . . . Aber gleich darauf sank ich selbst und der Alte . . .« – »Blieb am Leben! Ja, es geht manchmal alles verkehrt in der Welt. Allein, Geduld und . . . Mut! Wir sprechen ein andermal darüber, falls es noch gar zu lange währt. Wodan – was denn? – wollte sagen, Christus erfülle deine Wünsche.«

 


 


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