Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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VII.

Nachdem der aufrichtig fromme, gelehrte, aber auch sehr weltkundige und staatskluge Bischof – er stammte aus einem jener senatorischen und insulirten Geschlechter Galliens, in denen die Senatur in den Kurien der Städte wie der Bischofstab von Geschlecht zu Geschlecht thatsächlich erblich waren – in seinem Schreibgemach zu Genf das Schreiben nochmal sorgfältig durchgelesen und dann, zufrieden mit dem Inhalt und dem Verfasser, genickt hatte, schloß er es umsichtig mit einem Siegelring, dessen schön geschnittner Stein, wie er meinte, den heiligen Petrus darstellte: in Wahrheit war es freilich ein Poseidon.

Nun gab er dem Velarius, der draußen den Zutritt zu dem Schreibgemach hütete, einen Wink: der führte einen jungen Mann in Priesterkleidung herein: sie war aus den kostbarsten Stoffen säuberlich, ja vornehm gearbeitet und ließ dem etwa Achtundzwanzigjährigen sehr gut: sein scharf geschnittenes, echt römisches Gesicht ward nur für einen Weltentsagenden allzu unstet belebt durch zwei begehrlich funkelnde Augen, so schwarz wie das dichte, nun verschorene Haar: geschmeidig beugte sich die hagere, mittelgroße Gestalt vor dem Bischof, aber nicht allzutief. »Mein ehrwürdiger Oheim hat befohlen,« hob er an. »Ich gehorche ihm – wie immer.«

»Das ist stark gelogen, Herr Neffe,« lachte der andere. »Du hast mir – und übrigens auch deinen Eltern – immer nur gerade soweit gehorcht, als es dir beliebte. Das muß nun anders werden, Archidiakon: der Oheim konnte Ungehorsam, argen Leichtsinn und – Schlimmeres verzeihen: der Bischof verlangt blindes Gehorchen: die heilige Kirche versteht keinen Spaß. Das sollst du spüren! Also horch auf. Ich will dir nicht alle deine früheren Streiche und meine älteren Verdienste um dich und deine Schulden, – das heißt deine Gläubiger! – vorrücken: – die Nacht, die herannaht, ginge darüber hin. Nur an das jüngst Vergangene will ich dich mahnen, um dir einzuschärfen, wie Großes du mir zu vergelten hast. Weibertoll warst du von jeher . . .« »Erst seit meinem dreizehnten Jahr, Oheim!« lachte der Neffe, die glänzend weißen Zähne zeigend. »Aber was du in den letzten Jahren alles gegen das sechste Gebot gefrevelt hast, das ist himmelschreiend. Die Gattin des Grafen Victorius hast du entführt, den Mann, der euch einholte, erschlagen . . .« – »In offnem Kampf.« – »Bald die Entführte laufen – oder sitzen! – lassen und ihre Schwester . . .« – »Sie war wirklich viel jünger und hübscher . . .« – »Sogar eine Gott geweihte Religiosa hast du dann . . .« – »Brich ab, Oheim, es sind ihrer, wie du selber so weise sagtest, zu viele. Aber weißt du auch – doch wie solltest du, der du so heilig bist! – und zumal so alt! – was mich dazu getrieben hat, in wildem Wechsel wilde Lust zu suchen? O nein!« Und nun nahmen die leichtfertigen Züge des jungen Priesters einen unheimlichen Ausdruck abgrundtiefer, düsterer Leidenschaft an. »Du kannst es nicht ahnen. Sieh, Oheim,« – in hastiger Bewegung trat er dicht an den Bischof und flüsterte mit funkelnden Augen – »mich verzehrt rasende Glut um Ein Weib: – das einzige, nach dem ich verlange, mit heißer Gier. – Man hat sie mir versprochen! Man hat sie mir genommen, einem andern gegeben. Und in dem Sehnen nach dieser Einen bild' ich mir ein, andere könnten diesen Durst löschen. – Umsonst! So jage ich durch das Leben, die Weiber verderbend, mich selbst verzehrend . . .« Er hielt inne, seine Pulse flogen, sein Antlitz erglühte. »Abscheulicher! So wagst du zu reden zu einem Priester des Herrn?« – »Ich beichte.« – »Schöne Beichte: ohne Reue, Buße und Besserung! Das Wergeld für den erschlagenen Grafen, die vielen Bußen und Schweigegelder für deine andern Unthaten, die Kosten und – die Schulden deines maßlos schwelgerischen Lebens haben dein Erbe erschöpft, meine Mittel stark geschmälert. Es gab nur Ein Mittel, dich zu retten: ich beschloß, dir die reichen Beneficien meiner Kirche zu Dijon zuzuwenden. Die Früchte sind reich genug, die Schulden zu decken und dich trefflich zu nähren: und vergeuden kannst du die unveräußerlichen Kirchengüter nicht. Aber Eile that not: die Gläubiger drängten! Und so mußte ich dir an einem Tage hintereinander alle Weihen erteilen, den krassen Laien bis zum Archidiakon erheben: – nur einem solchen stehen jene Güter nach der Stiftung zu. Wohl würde streng darüber schelten, erführ' er's, der heilige Vater zu Rom oder Remigius zu Reims. Allein mir tröstet das Gewissen das Eine: wahrlich, nicht nur um dir aus der Schuldennot zu helfen hab' ich die Canones verletzt: – vor allem aus der Not der Schuld. Denn ich vertraue: du wirst als Priester des Herrn, unter meiner Aufsicht, deine Laster ablegen: und so rette ich deine Seele, mag darüber ein Verbot der Kirche verletzt werden.«

Der Neffe verbeugte sich jetzt sehr tief, vielleicht um das spöttische Lächeln zu verbergen, das seinen Mund umspielte.

»Und da ich deinen Eifer, deine Klugheit in weltlichen Dingen kenne, habe ich dich – du mußt mir ergeben sein, denn du hast sonst auf Erden keine Stütze! – auserwählt, einen Auftrag, gleich wichtig für die heilige Kirche wie für den sehr – unheiligen! – Staat der Burgunden auszurichten. Nimm dies Schreiben. Du gehst als mein Bote . . .« »Wohin?« fragte Cautinus unwillig. »Doch nicht zu einem der langweiligen Klöster? . . .« – »Nein. An den Hof des Frankenkönigs.« »Ah! Wie gern!« rief der Neffe blitzenden Auges und ergriff eifrig die versiegelte Rolle. »Und dann nach Reims, zu dem frommen Bruder Remigius. Ihm giebst du dieses Schreiben. Meine Aufträge an Chlodovech aber sind so geheim, – und so gefährlich! – ich kann sie dir nur mündlich anvertrauen. Mache dich reisefertig. Dann komm wieder und vernimm, was ich dir für den Merowing zu sagen habe.« »Ich werde sie wiedersehen!« frohlockte Cautinus im Herzen.

 


 


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