Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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II.

Da sprang der Knabe mit Einem Satz durch den Vorhang über der Schwelle: beide Eltern erschraken: er kicherte wieder wie ein Elbe: »Hi, hi! Wie ihr zucktet. Ihr fürchtet euch. Geschieht euch recht. Gewiß habt ihr wieder Böses vom armen Chlodovech geredet.«

»Wie kannst du so frech sein!« drohte die Mutter. »Und so roh! Den Vater so erschrecken, – der schwer leidet.« Im Augenblick war der spöttische Ausdruck verschwunden aus dem immer von wechselndem Mienenspiel bewegten Gesicht: scharf spähten, aber mitleidvoll jetzt die grauen Augen auf den Vater, die Mundwinkel sanken traurig herab: »Was denn? Was denn? Der Vater? Noch immer Schmerzen? Es ging doch besser . . .!«

»Ich werde bald aller Schmerzen frei sein,« sprach der Wunde. »Das ist gut,« lachte der Sohn, »ist so langweilig ohne dich. Dann jagen wir wieder Bär und Auerstier und reiten wieder gegen das verfluchte Nest Soissons – aber diesmal nachts – und ohne vorher die Waffenruhe zu künden . . .« »Schäme dich,« schalt der Vater in hoher Erregung. »Hierher! An meine Seite. Noch näher. Ich habe nicht viel Stimme . . .« – »Vater! Du wirst mir doch nicht sterben?« Aus tiefem, wirklichem Gefühl kam das heraus. Aber rasch fuhr er lachend fort: »Noch nicht! Bin noch zu jung! Die Franken wählen mich noch nicht dir zum Nachfolger. – Nun, Mutter! Was denn! Was denn? Was schlägst du mich?« – »Du herzloser Bube! Das sagst du dem sterbenden Vater?« »Ja« . . . stotterte der Gescholtene, die geschlagene Wange reibend, »jeder Königssohn will, glaub' ich, König werden.« Childirich lächelte trüb: »Laß ihn. Diese Offenheit, ob frech, ist nicht sein Schlimmstes.« »Siehst du, Mutter, wir Männer verstehen uns besser,« lachte Chlodovech, immer noch die Wange reibend. »Beim lodernden Loge, das that weh.« Und damit ließ er sich auf einem Schemel neben dem Lager nieder und streichelte des Kranken blutleere, abgemagerte Hand. »Mein Sohn, vernimm meine letzten Ratschläge und Befehle; folge in allen Stücken deiner Mutter, der edeln Frau: denn sie ist hochgemut, der Geist Wodans lebt in ihr. Wehe dir, wenn du sie je betrübst! Und halte fest im Vertrauen auf die alten Götter unseres Volkes, unsere hohen Ahnen, die unsere Sippe groß gemacht: ehre ihre heilgen Haine, zumal den uralten dort am Rheine, im Gau Toxandria, der unseres Volkes Wiege. Halte Friede mit den Bischöfen der Römer: – schone ihre Kirchen: aber nicht allzuviel laß dir von ihnen einreden.« – »O ich werde schon nicht!« – »Halte dich, wann du nun den Königsstab tragen wirst . . .« – »Also du meinst, sie wählen mich?« Rasch kam die Frage, der scharfe Blick loderte. »Ja, sie werden dich wählen aus . . .« »Aus Liebe, aus Dank für deinen Vater,« fiel die Mutter ein, »aus dem Glauben, der Sohn wird ihm gleichen an Heldenschaft.«

»Ich bin nicht feig, Mutter!« grollte Chlodovech.

»Und an Treue und Ehre,« sprach der König schweratmend. »Vergiß es nie: wohl ist Klugheit dem König vonnöten und nicht leg' er das Herz auf die Zunge: arg ist gar mancher unserer Nachbarn, am ärgsten der Römer: also schweigen und klug sein ist gut, aber den Sieg hat uns Siegvater gelegt ins Schwert, nicht in den meuchelnden Dolch: kein Sieg gedeiht, den Treubruch und Tücke erlistet haben: immer am Ende gewinnt die Wahrheit! Stirb stolz, ehe du treulos lebst. – Und nun wisse, vom Urgroßvater – von Merovech her – vererbt, dem sagt man ein Wandrer – Wodan war's – es als Gastgeschenk in der Halle zurückließ beim Abschied – ist unserer Sippe zu eigen ein Siegesschwert . . .« »Wo? Wo ist dies Schwert?« voll feuriger Gier sprang der Knabe auf. Aber der Wunde fuhr – mit Anstrengung – fort: »Und außerdem – ein Hort, ein reicher Hort ist der Könige bester Freund in der Not! – ein Hort, – der dir aber nicht gleich zur Hand sein soll – nur als letzte Zuflucht – sonst vergeudet ihn deine Jugend – geborgen liegt bei dem Siegesschwert ein gewaltiger Hort für dich.« – »Wo! Vater, wo?« – »Das sollst du noch nicht erfahren: erst in höchster Not: und nur – nur zwei Augen – zwei einzige auf Erden – wissen darum und sahn ihn liegen.«

»Wer! Wer ist das?« Er faßte mit den beiden Händen die Rechte des Vaters. »Das ist – – – oh der Schmerz. Leb wohl, mein Weib! Leb wohl, Chlodovech! Halte Treue, hörst du? Treue! Ah! Schwör's! Treue! Schütze die Weihtümer der Götter, schütze ihre Verehrer. Schwör's.« »Ich schwöre,« sprach der Knabe, tief ergriffen. »Nun ist's gut.« Und mit tiefem Aufseufzen sank er zurück und war tot.

 


 


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