Felix Dahn
Chlodovech
Felix Dahn

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XIII.

Sechs Monate darauf ward zu Paris mit großem Geprange die Vermählung Chlodovechs mit der burgundischen Königstochter gefeiert.

Jubelnd begrüßten die Römer, das heißt die Katholiken, ihre Glaubensgenossin: sie gewann gleich nach ihrem Eintreffen in der Seinestadt deren höchste, wärmste Liebe, als ihr erster Gang sie in die stille Zelle Genovevas führte, in dem nahen Dorfe Avron, wo sie vor allem Volke vor der Jungfrau sich in den Staub warf, die durchsichtigen, magern Hände, diese Hände, die nach dem frommen Glauben des Volkes bereits viele Heilwunder verrichtet, so die eigne Mutter der Heiligen wieder sehend gemacht hatten, nachdem sie jahrelang erblindet war, als Strafe des Himmels, weil sie der Tochter den allzuhäufigen Kirchenbesuch zu verbieten sich unterfangen hatte. Genoveva, die wahrhaft demütige, hob sie rasch an ihre Brust und sprach: »Schwiegertochter Childirichs, spüre, wie dies Herz für dich schlägt. Jetzt stehst du im Glanze des Glückes: ziehen die Schatten der Schmerzen über dein Haupt, dann komm zu Genoveva: ihr Gebet soll sie verscheuchen. Ich liebe dich, meine Tochter.«

Am Tage vor der Vermählung war Chlodovech gar guter Dinge. Denn vieles war ihm wieder geglückt inzwischen. Er saß mit seiner Braut und zwei Geistlichen in dem wohl gepflegten Garten des kleinen Palatiums, in dessen Springbrunnen ein heidnischer Triton – Julianus der Abtrünnige hatte ihn einst errichten lassen – Wasser aus seiner Muschel sprühte und die Frühlingsblumen befeuchtete, die rings um den Marmorrand sproßten. »Wenig wähnte ich, holde Entführte,« lachte er, zärtlich über ihren vollen Arm streichend, »als ich dich damals unter jenen Bäumen auf mein Rotroß schwang und mit dir davonjagte in das Abenddunkel, daß es Winter und Frühling werden würde, bis ich dich meine Gemahlin würde nennen können. Scharf war mir deine Sippe auf den Fersen seit jenem Abend.« »Ja,« seufzte Hrothehild, »viel Blut ist geflossen um unseres Ehebundes willen. Desto heiliger und segenreicher für alle die Deinen müssen wir diese Ehe darleben. Teures Blut . . .« – »Bah! Was denn? Nicht so schlimm. Am meisten leid that mir dabei mein eigen Blut, als uns die Verfolger eingeholt hatten und eine Wurflanze mir die Schulter streifte. Abermals hat der wackre Guntbert mich gerettet in jenem Walde.« – »Wir schulden ihm Dank. – Man sieht ihn nicht am Hof,« meinte Hrothehild. »Wo weilt er?« – »Bei seinem schönen Weibe, fern in Toxandrien.« »Beide sind,« sprach eine herbe Stimme, »eifrige Götzendiener: ich glaube, wir Priester des Herrn haben ihn verscheucht.« »Hei, Cautinus,« lachte Chlodovech, »Guntbert? Der scheut nichts. Nicht dich, noch deinen Teufel.« »Aber,« fuhr Hrothehild fort, »auch abgesehen von jenen Reitern, die ihr abwehrtet: – wie viel Blut ist seither geflossen! Dem Angriff meines Oheims Gundobad kamst du zuvor . . .« »Und holte mir das Erbe deines Vaters, das er für sich behalten wollte. Zum Glück hatte das König Godigisel, deinen dümmeren Oheim, schon lange so verdrossen, daß er mit mir zusammen gegen Gundobad zog. Wir schlugen ihn bei Dijon; aber kaum hatte ich den Rücken gewandt, als der Besiegte pfeilschnell sich auf Godigisel warf, ihn zu Vienne gefangen bekam und . . .« »Töten ließ!« klagte die Braut. »Was denn? Kann's ihm nicht verdenken. Hätt's ebenso gemacht. Zum Glück hab ich keinen Bruder. Das heißt: zum Glück für ihn. Zwei Merowingen hätten nicht Raum in meinen paar Gauen.« – »Ich bringe Blutschuld als Mitgift.« – »Was denn! Was können wir dafür, daß die andern nicht wollten wie wir? Du brachtest mir den dritten Teil von Burgund.« – »Und diesen frommen Bischof hier: – meinen geistlichen Vater Theoplastus. Er ist mehr wert als ein Königreich.« Der – er stand hinter hier – legte segnend die Hand auf ihren braunen Scheitel. »Na,« lachte der Bräutigam, »das kommt auf den Geschmack an. Übrigens freilich: für diesen heiligen Mann und seinen minder heiligen Neffen war nicht mehr des Bleibens in Genf und Dijon nach unserm . . . Abendritt: gar eilfertig kamen sie uns nachgereist! Nun, einstweilen müssen sie ohne Bistum und Archidiakonat als meine Gäste hier im Palatium leben: es ist nichts frei. Das heißt: der fromme Remigius von Reims hat sich scharf gegen euch beide erklärt: – er scheint nicht sehr zufrieden mit euch, he?« Theoplastus zuckte mit den Achseln: »Er ist gar zu heilig. Niemand thut ihm genug.« »Er leidet an geistlicher Überhebung,« tadelte Cautinus. »Das sage nicht!« rief die Braut. »Ich verehre ihn tief: – ich bewundere ihn.« Chlodovech nickte: »Ja, das ist der beste Mann, den ich kenne, unter Heiden und Christen.« Einen mißgünstigen Blick warf der Beichtvater auf beide. »Geh nun, liebe Tochter, zu deinen Gefolginnen. Ich habe noch einiges mit deinem Bräutigam zu reden. Geleite sie, Archidiakon.«

Als das Mädchen mit Cautinus den Garten verließ, eilte ihr Chlodovech nach, sie zu umarmen. Aber rasch trat der Bischof dazwischen: »Zurück, Herr König! Nicht vor der Zeit. Hört erst der Kirche Bedingungen.«

Rot vor Zorn sah Chlodovech der Verschwindenden nach. »Was denn? Was denn? Herr Bischof!«

»Geduld. Du weißt: ein Großes ist es, daß die Kirche dieser ihrer Tochter gestattet, einem Manne sich zu vermählen, der – noch – nicht der Kirche angehört.« – »Das schien dich damals vor der Basilika zu Genf wenig zu kümmern.« – »Ich wartete auf deine Bekehrung.« – »Da kannst du noch lange warten! Hei, Frau Basinas Augen bei meiner Taufe! Möchte sie nicht sehen!« – »Du aber wolltest nicht noch länger warten auf die Braut.« »Nein,« rief der Bräutigam, mit einem heißen Blick der Verschwundenen nachschauend, »denn bei Freia! sie ist schön, üppig schön.« – »So danke mir, daß ich nicht, wie jener strenge Remigius, den du mir vorziehst, deine Wünsche aufhalte. Er beharrte auf deiner vorgängigen Taufe. Ich nicht, weil . . . weil ich dich mehr liebe als jenes ›Tugendwunder‹ zu Reims. Aber vernimm nun die Bedingung, unter der allein ich die Trauung vornehme, das heißt: die Kirche ihre Tochter dem Heiden giebt.« Zornig fuhr der König auf. »Braucht sie mir nicht zu geben! Habe sie in meiner Gewalt! Was denn? Ist ja dumm! Wirfst du mir Knittel in den Weg zur Kirche, so halte ich den Brautlauf mit der Vollarmigen nach Friggas und Donars Weise und trage sie flugs auf diesen Armen in mein Ehebett.«

»Du weißt recht gut, daß sie es dann nur als Leiche verläßt. Sie stirbt, wird sie – ohne der Kirche Trauung – dein.« Chlodovech knirschte mit den Zahnen: »Beim lodernden Loge. Ja, sie ist so! Hel hole diese Kreuzpriester! Schlau, falsch, zäh, herrschgierig und herrschaftgeübt! Nun also, was denn? Heraus mit der Bedingung!« – »Die Kinder, die sie dir bringen wird, gehören der rechtgläubigen Kirche.« Chlodovech blies hörbar vor sich hin: »Puh! Wenn's weiter nichts ist! Meine Buben mögen glauben, was sie wollen! Oder doch: was sie können! Können oder wollen sie eure Sprüche nicht behalten, werden die bald vergessen sein. Meinetwegen!« – »Da du so rasch nachgabst, will ich dir die zweite Bedingung erlassen.« – »Noch eine? Was denn? Was denn?« – »Daß du – zur Abtötung des Fleisches – die ersten drei Tage dein Weib meidest.« »Hei,« lachte der Bräutigam grimmig. »Weiter nichts? Das ist ja höllisch ausgesonnen. Bestandest du darauf, hätt' ich dich die drei Tage über Feuer gehängt, damit du spürtest, wie ich sie verbringe!«

 


 


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