Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Elftes Kapitel.

Den Ausgang des Kampfes um das Schiffslager und die Schiffe hatte auch das Eintreffen der Truppen des Saturninus nicht mehr rückwenden mögen: schon lang vorher, ja fast im Augenblick, da dieser Kampf begann, war die Entscheidung gefallen. Denn die Überraschung war hier beinahe noch vollendeter gelungen, als bei dem Angriff auf den Idisenhang.

Nannienus, der wackere Feldherr, hatte sich, trotz der Kühle der Septembernacht, auf dem Hochverdeck – über dem zweiten Ruderstockwerk seiner dreißigrudrigen Bireme – die einfache Lagerstätte bereiten lassen, bestehend aus einer Wolldecke über den Schiffsplanken, einem gerollten Tau unter dem Nacken und seinem bretonischen Fließmantel als Decke. Auf die Warnung des Kolonisten aus Arbor, der nun die Wache am Steuer antrat, vor der nächtlichen Kühle des Sees, hatte er lachend geantwortet: »Ei, wie oft kreuzte ich nachts, nicht wärmer gebettet, zwischen Britannien und Gallien! Soll sich der germanische Ozean vor diesem Süßwasserteich schämen? Nichts besseres zum Schlaf, als das schaukelnde Schiff unter mir und die Sterne über mir! – Leider giebt es heut' Nacht keinen Mond und wenige Sterne. Seltsam, dieses Schwanengetön. – – Habe nie geglaubt, daß es so viele Wildschwäne giebt!« – Unter dem Gedanken an die Schwanenrufe war er eingeschlafen. Sie verfolgten ihn in Schlaf und Traum. Von beiden Seiten sah er zahllose weiße, braune, schwarze Schwäne aus den Schilfwäldern heranwogen gegen sein Geschwader: drohend hoben sie die hoch zum Schlag gesträubten Schwingen. –

Nach langem Schlaf erwachte er: allmählich, wie nach gesundem Schlummer nur langsam, nicht auf einmal, die Gedanken sich vollklar einzufinden pflegen. Ihm war – träumte er noch immer? – als ob wirklich das Rufen und Singen der Schwäne von beiden Seiten her näher drang, begleitet von eigenartigem, leisem Schwirren, Surren, Rauschen, hin und wieder auch einmal von lauterem Plätschern im Wasser. Noch halb im Schlaf fragte er den Mann am Steuer: »Was ist das für ein Gesurre vom Schilf her?« »Die Schwäne, Herr, die Wildschwäne!« antwortete der Gefragte, der alte römische Kolonist aus Arbor, ein treu kaiserlich gesinnter Invalide der XXII. Legion. »Ich kenne das genau! Zu vielen Tausenden hab' ich sie oft bei Sonnenuntergang in die Schilfwälder dieses Sees einfallen sehen. – Sie rüsten schon zur Reise.« – »Nein,« rief der Bretone aufspringend. »Das sind nicht Wasservögel, das plätschert allzustark!« Er hob den Helm aufs Haupt und lugte nun scharf aus. »Die Nacht ist pechschwarz, – aber sieh: da aus dem Schilf schwimmt was heran: Schwäne? – Nein, nein!« – Er riß das Schwert aus der Scheide: – »Das sind Boote! – Zu den Waffen! – Lichtet die Anker! – Der Feind!« –

Im selben Augenblick flammte hoch auf dem Idisenhang grelles Licht auf, leuchteten rote Fackeln im Schiffslager am Ufer, flog über des Admirals Helmbusch ein brennender Strohkranz in das halb gereffte Segel, blieb, darin verfangen, liegen und schon züngelte flackernd die Flamme, vom Nordwind angeblasen, das Segel, die Rahen, den Mast empor. Und schon auch kletterten auf allen Seiten die Wandungen herauf dunkle Gestalten.

Und wildes Geschrei der Überfallenen, im Schlafe Gemordeten erscholl auf allen Schiffen und vom Schiffslager am Ufer her. Dem ersten Enterer sprang Nannienus mit gezücktem Schwert entgegen: aber dieser Verzweifelte schien des eigenen Lebens nicht zu achten: ohne den Hieb zu parieren, der haarscharf an seinem helmlosen Haupte niederfuhr, hatte er eine Art Harpune, das heißt einen acht Fuß langen Speer mit scharfer Spitze und nach rückwärts gebogenem Haken, wie sie im Winter zur Erlegung der größten Waller durch Löcher in das Eis des Sees geworfen wurden, in den ehernen Gürtel des Feldherrn eingeschlagen, diesen mit gewaltigem Ruck an sich gerissen und über Bord geschleudert.

Er fiel in einen alamannischen Nachen, der hart am Steuerbord seiner Bireme lag, auf eine Ruderbank: er lag da geraume Zeit betäubt vom Aufschlagen des Kopfes: der Kahn war leer: alle seine Insassen hatten geentert.

Als er erwachte, sah er sein Admiralsschiff und die meisten anderen Fahrzeuge in hellen Flammen stehen, desgleichen sein Schiffslager und sogar das Lager des Saturninus hoch auf dem Idisenhange brennen.

Da erkannte er, daß alles verloren war.

Überall sah er bereits seine flüchtige Armada, soweit sie nicht in Flammen stand, durch die Barbaren verfolgt. Er trachtete, sich nach Arbor zu retten. Eilfertig schnallte er den verräterischen Römerpanzer ab, – den Helm hatte er schon im Sturz verloren.

Nun gewahrte er, unter dem Gransen des Bootes zusammengerollt, einen germanischen Mantel liegen, er warf ihn um, stellte sich an das Steuer, – im Stehen ruderte und steuerte man diese Einbäume – drehte das viereckige grobe Segel windgerecht und flog bald, unbeachtet von den Germanen, welche den Kahn als alamannischen erkannten, über den See gen Arbor hin.

Nur einmal drohte ihm äußerste Gefahr: er hatte ein hochragendes römisches Schiff eingeholt, dessen Segelwerk zum Teil noch brannte, es ward aber das Feuer mit sichtbarem Erfolg von der Mannschaft gelöscht. Eben wollte er es anrufen und befehlen, ihn aufzunehmen, als er, zu seinem Schrecken, erkannte, daß die Bemannung des Schiffes aus Alamannen bestand, – wie Er in ein germanisch Boot geraten war – die auf der genommenen Bireme andere fliehende Römerschiffe nach Arbor hin verfolgten. Eilig ruderte er den Einbaum von dem großen Fahrzeug hinweg.

Und nun sah er, daß auch in Arbor eine furchtbare Lohe gen Himmel schlug.

Das war der Scheiterhaufe der römischen Herrschaft in der Seefestung: mit Grauen erriet er es, wandte seinen Kahn gen West-Süd-West und trachtete, statt des verlorenen Arbor die ferne, aber sichere Hafenburg Constantia zu erreichen.

 


 


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