Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Einundzwanzigstes Kapitel

»Ein freudiger Werk nun wartet euer,« begann der Herzog aufs neue: »Die Schwertleite verlangt, der Volkswaffen erste Gewährung, ein Knabe von edler Sippe, gar viele von uns kennen ihn, und, wer ihn kennt, will ihm wohl. Zwar ist er noch nicht sehr groß, der zarte Held: aber ich eide: ich sah ihn gestern auf fünfzehn Schritte mit dem Speer einen mittelguten Lindenschild durchwerfen. Und groß war sein Mut und kühn sein Wagen, da er, Leben und Freiheit verwegen einsetzend, freiwillig des Römerlagers Wall erkletterte, wichtigste Kunde daraus holte und in des Herzogs Hand brachte.« »Wer ist's? Wer ist es?« fragten da viele.

Da trat Adalo vor, den jungen Bruder an der Hand: »Sippilo, mein tapferes Brüderlein.« Nun sprach der Herzog:

»Ich frage das Heerding: Soll er die Waffen empfangen? Flügge ist er, der junge Edelfalk!« Und ein freundlich Lächeln leuchtete über das Antlitz, das so grimmig dräuen und zürnen konnte.

»Heil ihm! Heil dem Edeling! Heil dem Knaben! Gieb ihm die Waffen.« Sippilo errötete über und über wie ein Mädchen. Es ließ ihm sehr gut, »Willst du selbst, o Herzog,« bat Adalo, »die Gunst ihm gönnen, ihm die Waffen zu geben? Stets soll er dann, ergreift er Schwert oder Speer, des Helden gedenken, dem zuerst er sie dankte, und des Gebers würdig sich weisen.« »Ich will,« sprach der Richter, erhob sich und winkte dem Knaben. Dieser stieg die eine Stufe vor dem Richterstuhl hinan: Hariowald ergriff den kleinen, runden Schild, der vor ihm lag, und reichte ihn dem Knaben dar, der eifrig danach griff und mit dem linken Arm in den obern Schildbogen fuhr, mit der Hand den unteren ergreifend.

»Ich, Hariowald, Hariomars Sohn, des Linzgaues Graf, für dieses Sommers Römerkrieg aller Alamannen gekorener Herzog, ich sage dich, Sippilo, Adalgers Sohn, den Waffen gewachsen und der Waffen würdig und wert.

Mit dem Schild hier beschirme,
    Besser als die eigne Brust,
Lieber als den eignen Leib und das Leben,
Der edeln Alamannen
    Land und Leute.
Schildrunen, Schirmrunen
    Brannte dein Bruder
In das feste Gefüge:
    Sie halten und heften
    Dir schützend den Schild,
So lange du selber
    Haftest und hältst
Fest an deinem Volk.«

Darauf übergab ihm der Alte den Speer und sprach:

»Siegrunen ich selber, siegessichre,
Ritzt' ich dir, rote,
Auf des spitzen Speeres,
Des scharfen Schaft:
Ein Sterblicher strecke
Dir nimmer ihn nieder
Noch zerschlage den Schlanken:
Einst lös' ihn dir leicht
Aus treu haltender Hand,
Wann du, weißbärtig, gewannst
Auf dem Schilde den Schlachttod
In seligem Siege –,
Dann lös' ihn dir leicht
Aus treu haltender Hand,
Auf Schwanenschwingen zu dir geschwebt,
Der Walküren aus Walhall
Schimmernd-Schönste,
Und trage dich Treuen
Hinauf zu dem Hohen!«

Zuletzt umgürtete er ihn mit dem Wehrgehäng, in welchem das Schwert in der Scheide stak, und sprach:

»Wie der Gurt dich umgürtet,
So nun hält dich das Heer
    Der Alamannen zu eigen:
Wie der Gurt dir gehört,
    Dir zum Schmuck und zum Schutz, –
So gehörst du, ein Glied,
Uns zu Schmuck und zu Schutz, –
    Uns Alamannen zu eigen,«

Sippilo aber zog das kurze Schwert aus der Scheide, hielt den Griff gegen die leuchtende Sonnenscheibe und sprach:

»Dies Schwert will ich schwingen
    Für mein freies Volk,
Für sein Recht, seinen Ruhm
    Und für Sippilos Sippe!
Üb' ich anderes jemals, –
    Soll die scharfe Schneide,
Die klare Klinge, die kluge, –
    – Denn sie achtet dieses Eides! –
Mich Treulosen treffen zum Tode! –
    Sonne, du sahst es: –
Es hörte's der Hohe,
    Und Ziu als Zeugen
Und der Alamannen
    Hochhelmiges Heer.«

Freudig sprang der Knabe nun die Stufen hinab und stellte sich, froh der jungen Waffen, neben seinen Bruder unter lautem Beifallruf der Menge, zumal seiner Versippten und der Gefolgen mit dem Hirschhornzeichen auf den Schilden.

»Nun das nächste Werk des Rechts. Ein Abwesender will seinen Knecht im Heerding freilassen. Suomar, Suoberts Sohn, der in den Ostsümpfen Wache hält, giebt seinen Knecht Zercho frei. Ich hab' ihn losgekauft um guter Dienste willen für das Heer: sein Herr, den ein Bote befragte, willigt ein, ihn freizugeben: und Adalo, der Edeling, – so will er – soll für ihn sprechen und thun. Bringet den Knecht.«

Da ward Zercho, der bisher außerhalb des Ringes der Freien geharrt hatte, von zwei Fronboten vor den Steinstuhl geführt: seine Augen leuchteten vor Freude. Darauf trat Adalo vor, Bogen und Pfeil in der Hand und sprach: »Als Fürsprech Suomars, deines Herrn, künd' ich vor offenem Ding, daß er einen vierjährigen, tadellosen Hengst, zwei Rinder römischer Zucht, zwanzig wolltragende Schafe, einen ehernen, siebenfach geschlängelten Armring und einen Silbersolidus von Hariowald, dem Grafen des Linzgaues, dafür empfangen hat, daß er dich, Zercho, den Jazygen, den er dereinst als Speergefangenen vom Händler in Vindonissa gekauft, freigebe. Und er giebt dich frei durch meine Hand und Rede: nimm hin den letzten Schlag,« – er gab ihm einen leichten Streich auf die Wange – »den du als Knecht zu dulden hast, und siehe du, sehet alle ihr freien Männer: wie ich den Pfeil hier entsende, – so frei und frank, los und ledig, läßt dich Suomar, der bisher dein Herr war: frei magst du gehen, wie dieser Pfeil fliegt: – frei und von keinem gehalten!«

Damit schoß er den Pfeil, der mit den Federn des Reihers beschwingt war, hoch in die Luft: – sausend entfuhr das Geschoß dem Langbogen, dessen Sehne tönend an den schön geschweiften Schaft von hartem Eibenholze schlug. Zercho blickte dem Pfeil nach: – hoch – hoch, bis er im Blau verschwand: – er sah aber nicht klar, – denn seine Augen schwammen: mit Mühe verbiß er das laute Schluchzen. Er wollte, nach langjähriger Gewöhnung, niederfallen und, dankend, des Edelings Füße umfassen, seine Hände küssen, – rasch hielt ihn dieser ab, und der Herzog fiel ein:

»Frei bist du nun, Zercho: des freue dich, Freier! Denn ob dein Herr gar gelinde Hand hatte: – Knechtschaft ist kläglich und verkümmert Kraft und Mut: nur das Leben des Freien ist Leben: – der Unfreie atmet, aber er lebt nicht.«

Adalo aber reichte ihm den Bogen und sprach: »Hier diese Waffe, welche deine Freiheit vor allem Volk erwies, – sei die erste, die du führst im Heer und für das Volk der Alamannen: das nun auch dein Volk geworden ist.« Mit strahlenden Blicken und hoch erhobenem Haupte trat der Freigelassene in den Ring der Freien.

 


 


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