Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Sechstes Kapitel.

Adalo hatte sich nun von seinem Staunen erholt.

»Ich wußte,« lächelte er, »die Lichtelben wohnen über unsern Häuptern. Aber nicht wußt' ich, daß sie nisten im Eichengeäst.« – »Und warum nicht? – Wenn anders du mich Lichtelbin schiltst.« – »Ist eben kein Scheltspruch, sollt' ich meinen. Wie sagt das Elbenlied? ›Schönste Schöne ist nicht den Asinnen, ist den Elbinnen eigen.‹« – »›Arg beißt die Eichkatz, bittrer beißt Bissula.‹ – Du selbst hast mich ja unter die Beißkatzen gereiht. Also wundre dich nicht, daß ich zu meinen roten, fauchenden, beißenden Geschwistern hinauf flüchtete, da ich von fern des verhaßten Edelings hochmütigen Schritt vernahm. Denn früher noch als der blinden Ahnin langgeübtes Ohr hab' ich dich Kommenden erraten. Der Haß hört scharf!« »Du hassest mich?« fragte der Jüngling: leise und traurig klang seine Stimme. – »Vergieb ihr, Adalo! Sie ist ein Kind.« – »Nein, Großmutter, ich bin kein Kind mehr! Den achtzehnten Winter schau' ich beim nächsten Schnee! Damals – im Kahn – hat ein Kind dem Übermächtigen wehren wollen, der ihm die Fäuste zwang: das Kind war zu schwach. Jetzt aber wehrt sich gegen deinen Übermut etwas in mir: – ich weiß nicht, was es ist: – da – in der Brust glüht es: – und glaube mir – das Ding da in mir ist stärker als einst meine Hände waren: das zwingst du nicht!« – »Nicht zwingen, – schützen will ich dich und deine Ahnin.« – »Uns schützt unserer Sippe Haupt: Suomar, ihr Sohn, mein Ohm und Muntwalt.« – »Suomar war der Meinung, ihr seiet besser geschützt – auf dem Weihberg.« – »Weil er nicht errät, der wackere Oheim, daß du dabei nur nach neuer Berühmung zielst, in stolzen Stäben. Etwa so:

»Bitter biß Bissula! Aber bang,
Reuig, rannte sie, vor den Römern um Rettung,
Zu Adalo, dem Edling!«

Du hörst – auch ich kann Stäbe binden!« »Böse Sprüche,« mahnte die Alte, »die nicht Wodan der Weise, – die Loge dir lieh! Warum verschmähst du den Schutz, den der Nachbar dir beut? Seid ihr doch aufgewachsen wie Bruder und Schwester, auf dem Ufer, auf dem See nie getrennte Gespielen!« – »Bis dem Nachbar einfiel, er sei der reiche, starke, sangeskundige Edeling. – Der ›Schöne‹ – wie all' die dummen Mädchen flüstern. Der – und schön! Häßlich ist er! – Sein Name tönt dir überall entgegen in dem Gau, in allen Seehöfen. Wer ist der kühnste Held im Römerkrieg? Der dauerndste Schwimmer, der glücklichste Jäger? Der Sieger im Ringkampf, im Steinwurf, im Speerwurf? Wer ist der Vorspringer im Schwertertanz? Auf wen hören selbst die Graubärte im Gauding? Auf wen gucken die Mädchen beim Sunnwendsprung? Adalo! – Adalo! – Adalo! – Der Übermut! – Es ist nicht auszuhalten!« Und zornig hielt sich die Erboste die beiden kleinen Fäustchen vor die Augen, den so heiß Gehaßten nicht mehr zu sehen. – »Soll Übermut mich hierher führen – mit dieser Bitte?« – »Ja: Übermut! – Als sie beim Spinnen im Winter, schon beim Heuen im Herbst gar viel redeten von dir, die Mädchen: – ich rede wenig, ich lausche! da ward erzählt: Jetto, der reiche Hofherr, fing, – er selbst zuerst! – Verhandlung an mit Adalo um Jettaberga, seiner Tochter Hand. Jettaberga ist das schönste Mädchen am See . . . –« »Das ist nicht wahr,« sagte Adalo sehr ernsthaft.

»Ihre Sippe die mächtigste nach der deinen, an Speeren und an Rindern, an Schilden und an Schollen die reichste.« »Das ist wahr,« nickte der Jüngling. »Aber Adalo wies den Antrag ab, sobald es genug bekannt geworden war am See, daß Jetto selbst ihm die Tochter angetragen, weil beide Sippen bei dem Bund gewonnen hätten –« »Besonders Jetto!« bestätigte die Alte. »Und weil Jettaberga den Edeling schöner fand, als alle Männer.« »Das ist wohl nicht wahr!« lächelte dieser gutmütig. »Doch! Es ist wahr!« rief die Kleine heftig. »Leugn' es nicht: – sie hat mir's selbst gesagt.« – »Ich will davon nichts hören!« »Bissula! – Schwätzerin!« mahnte die Großmutter. Diese biß sich auf die Lippe. »Bah – er wußte es doch schon! Oder glaubte es zu wissen! Wie er es von allen Mädchen glaubt. Und so soll es denn scheinen – ihm selbst und seinen Genossen, – daß auch Bissula, – die zwar weder reich noch schön, aber eben Bissula ist, das heißt trotzig und nie gebändigt, – daß auch ich, statt nach dem Volkesschluß in die Sümpfe, lieber auf den Weihberg flüchte: – zu dem Edeling! Aber« – und fast drohend sprühte nun ihr Auge, – »dessen sollst du dich nie berühmen!« – »Und wenn ich befehle?« warnte die Alte. »So lauf' ich allein in die Sümpfe! – Vergieb, liebes, liebes Mütterlein, – aber nicht du bist, Suomar ist mein Muntwalt. Hat er befohlen? Sprich!« »Er hat nur geraten,« erwiderte Adalo zögernd. – »So bin ich frei! Rat mag man befolgen oder unbefolgt lassen. – Das aber wisse: Hättest du jetzt gelogen . . . –«

Der Jüngling erbleichte. »Verwegene!« schalt die Greisin. »O ich weiß: – er lügt nie! Aber nicht aus Wahrhaftigkeit: – nur aus Stolz! – Hättest du ein Gebot meines Muntwalts vorgeschützt: – lieber in den See wär' ich gesprungen, wo er am tiefsten ist, als dir gefolgt.« – »Welch' unsinniger Trotz! Ihn treibt die Sorge.« – »Ihn treibt der Übermut! – Alle Blumen schlingt der Eitle zum Spiel um sein lockig Haupt: in diesem Siegeskranz soll auch Bissula nicht fehlen, die rote Heideblume.« – »Die rote Heideblume allein soll mein Leben schmücken,« sprach der Jüngling feierlich. Da erschrak das Mädchen: alle Farbe wich aus ihrem Antlitz: sie zitterte: wankend griff sie, sich zu halten, nach dem Arm der Großmutter. Diese aber wandte ernst, hochaufhorchend, das Haupt gegen Adalo: »Welch' Wort wagtest du da?« – »Ein wohl gewognes. Ich stehe in keines Mannes Muntschaft: – ich bin alt genug, ein Weib heimzuführen, stark genug, es zu schützen. Wohlan, Bissula – Jugendgespielin: folge mir! Ich entrichte jeden Muntschatz, den Suomar verlangen mag. Ich hab' dich lieb wie keinen Menschen sonst. Folge mir auf den Weihberg, daß ich dich dort schütze: – meine Braut!«

 


 


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