Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Achtundzwanzigstes Kapitel.

In dem geschmackvoll und reich ausgestatteten, schön geschmückten Zelt des Präfekten brannte in einer Marmorschale, die von hohem bronzenem Fußgestell, köstlicher korinthischer Arbeit, getragen wurde, eine kleine bläuliche Flamme, Licht und Wohlgeruch zugleich verbreitend. Ausonius lag auf dem niedrigen Lectus: vor ihm stand der Tribun. Prosper, der alte Freigelassene, war beschäftigt, den Speisetisch von Citrusholz, der auf Rollen lief, heranzuschieben. Herculanus trat ein, grüßte freundlich, legte den braunen Mantel ab und nahm auf dem zweiten Lectus, Ausonius gegenüber, Platz.

»Wo steckt Davus?« fragte er ungeduldig den Freigelassenen. »Mich dürstet!« »Sollte längst hier sein,« gab der Gefragte zur Antwort. »Treibt sich sehr oft unnütz herum, niemand weiß, wo. Patrone, du solltest ihn wieder einmal in den Block sperren.« »Wie,« lachte Ausonius, »hast du wirklich, du gestrenger Sklavenaufseher, den Block mitschleppen lassen? Auch von Vindonissa noch bis hierher?« – »Drei schöne Stücke sogar, Patronus. Nimmst du schlechte Sklaven mit, muß ich gute Blöcke mitnehmen.« Saturninus schickte sich nun an, zu gehen: »Die Dienstgeschäfte sind zu Ende, Präfekt, für heute. Vielleicht schon morgen also kommt Rannienus mit den Schiffen! Er schickte heute einen Schnellsegler übern See: in den allernächsten Tagen, schreibt er. Dann geht's – endlich! – sogleich an die Arbeit. Aber,« mahnte er in wohlwollendem Ton und trat dem Lectus wieder einen Schritt näher, »verstatte du eine Warnung, Präfectus Prätorio von Gallien. Sieh, gestern schon und heute noch stärker klagtest du über Unwohlsein: über Frostschauer, wechselnd mit fliegender Hitze: willst du nicht morgen lieber hier im Lager bleiben – Bissula soll dich pflegen! – als mit uns in die sumpfigen Wälder ziehn? Ich fürchte, du hast bereits das Sumpffieber.«

Da trat Davus ein, den gefüllten, schon gehenkelten Mischkrug und mehrere leere Becher tragend.

»Davus, du fauler Hund,« schrie ihm Herculanus entgegen. »Rasch! Ich verdurste! Wein her!« Saturninus aber fuhr fort, besorgt sich über den Liegenden beugend: »Herber, alter Caecuber soll gut sein gegen dies Fieber! Darf ich dir von meinem Vorrat senden, Präfectus Prätorio?« Aber Ausonius schwieg noch. Widerstreitende Gefühle hatten seit den letzten Reden des Illyriers in ihm gerungen. Einerseits war sein Groll recht heftig gegen den eigensinnigen Soldaten, der, aus unbegreiflicher Grille, seinem liebsten Herzenswunsch entgegentrat! Aber Saturninus hatte ihn auch in diesen Tagen der Spannung so ehrerbietig behandelt, während er dem alten Freund recht schnöde begegnet war. Und er liebte den Wackeren so herzlich! Und nun diese rührende, ungekünstelte Sorge um seine Gesundheit, – des Ausonius gutes Herz siegte! »Saturninus! Deine Wärme thut wohl: – mein Neffe denkt nur an eine Krankheit: seinen eigenen Durst! – Die Dienstgeschäfte, Tribun, sind wohl zu Ende: aber ich bitte dich: bleibe! Als mein Gast! Laß uns vergessen, was uns – vorübergehend! – trennte – und laß uns gedenken der schönen, alten Freundschaft!« Rasch ergriff Saturninus die dargebotene Hand und drückte sie warm: »Das war dein Herz, Ausonius! Danke dir! Gern bleib' ich!« Und er ließ sich auf dem dritten Lectus nieder, der im Hintergrund des Zeltes, dem Eingang gegenüber, im rechten Winkel auf die beiden andern stieß.

»Du solltest es längst wissen: ich will nur dein Wohl: – dein wahres Glück.« Da wandte sich Davus von dem Schenktisch neben dem Eingang seinem Herrn zu: sehr langsam ging er: denn er trug drei Becher, alle drei gefüllt: in der Rechten, auf einer Silberplatte, zwei kleine und den großen Kaiserbecher in der linken Hand. Er hatte, das Antlitz dem Zelteingang, den Rücken Saturninus zugewendet, auf dem Schenktisch aus der kleinen Amphora geschöpft und dann aus dem großen Mischkrug Quellwasser nachgegossen. Hastig sprang Herculanus auf, riß ihm einen der Becher von der Silberplatte und stürzte ihn in einem Zug hinunter. Einen mißbilligenden Blick warf ihm der Oheim zu, während er sprach: »Konntest du meinen Trinkspruch nicht abwarten?« Ausonius ergriff den Kaiserbecher mit den drei Grazien: Davus brachte den letzten Becher dem Illyrier und stellte die Silberplatte auf den Speisetisch.

»Der erste Trunk,« sprach Ausonius, »gilt sonst dem edeln Kaiser, dem ich diese schöne Schale verdanke. Aber heute mag Gratianus warten – heute zuerst: – unsere Freundschaft, mein Saturninus!« »Und alles,« lächelte dieser, »was am heißesten dein Herz erfüllt!« Ausonius hob den Pokal. Da ward von außen der Zeltvorhang zurückgerissen: herein stürzte Bissula, wild flatternden Haares, – leichenblaß, – Blut strömte von ihrem nackten rechten Arm: gellend schrie sie: »Gift! Trinke nicht, Ausonius!« Und kopfüber fiel sie auf des Präfekten Ruhebett.

Blitzschnell sprang Herculanus herzu, rettend dem Oheim den Becher aus der Hand zu reißen und ihn zu verschütten. Aber bevor er ihn erreichte, umklammerten ihn eisern die Arme des Tribuns, der seinen Becher hatte fallen lassen. Herculanus kam, trotz heftigen Ringens, keinen Zoll vorwärts. Davus, den alten Freigelassenen über den Haufen rennend, sprang gegen die Thür. Laut schrie Prosper auf; aber weiter als bis in die Thür kam auch Davus nicht. Denn hier stieß er auf den Bataver Rignomer, der ihn an der Gurgel packte und sehr fest hielt. Entsetzt, betäubt hatte Ausonius den Becher vor sich hin auf das Eßtischlein niedergestellt: er richtete nun des Mädchens Haupt in die Höhe. »Gift?« fragte er tonlos. »Mich vergiften? Wer?« »Der Sklavenhund natürlich!« schrie Herculanus und rang wütend gegen die Umklammerung des Illyriers an. »Bist du mit Davus im Bunde, Tribun? Was hemmst du mich, den Schurken zu bestrafen?« Und wirklich gelang es ihm nun, die rechte Hand loszuwinden: – er griff nach dem Dolch in seinem Gürtel. »Laß ihn nicht los,« schrie Bissula, die nun zu sich gekommen war. »Er ist der Anstifter!«

Da traten, von Prosper, der hilfeschreiend hinausgestürzt war, herbeigeholt, zwei Thraker, die vor des Präfekten Zelt auf Wache standen, und zwei zufällig des Weges kommende Illyrier herein und ergriffen, auf des Tribuns Befehl, Herculanus und den Sklaven; dieser, erblaßt, zitternd, vermochte kaum aufrecht zu stehen. Ausonius aber sank stöhnend zurück auf die Kissen.

 


 


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