Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Nun trat Saturninus, nicht mehr behindert, in die Mitte des Zeltes und sprach: »Im Namen des Kaisers Gratianus! Als Feldherr und Befehlshaber dieses Lagers eröffne ich die Untersuchung. Sprich, Mädchen! Eine furchtbare Anklage erhebst du, eine Sklavin, eine gefangene Barbarin, gegen einen römischen Anführer. Wäge deine Worte! Auf falscher Anklage solcher That steht der Tod.« Aber Bissula erschrak nicht. Sie hatte nun Kraft und Besinnung wiedergefunden: nicht an sich dachte sie: nur an den teuren Freund, der da seufzend auf den Kissen lag, und den sie nie geliebt hatte wie jetzt in seinem hilflosen Seelenschmerz.

Kurz, klar, einfach erzählte sie das Gespräch der beiden, das sie, unfreiwillig, von der Tanne herab belauscht. »Elende Lüge,« schrie Herculanus, mit dem Fuße stampfend. »Die Dirne will des Oheims Buhle werden und den Neffen, den Erben, verderben. Alles ist erfunden! Das ganze Baumversteck! Wie ich hier eintrat, stand sie schon lauernd neben dem Zelt.« »Das ist niederträchtig gelogen,« sprach Rignomer, vortretend. »Ich schwöre, daß sie eben von dem Baume kommt: schon seit einer halben Stunde war ich ihr – unvermerkt – gefolgt.« »Aha, hörst du, Oheim? Noch ein Verliebter!« höhnte Herculanus. »Nein,« sprach der Tribun, »es geschah auf meinen Befehl.« Rignomer aber war ganz rot geworden vor Scham und Zorn: er ballte die Faust gegen Herculanus: »Warte du nur«, – lachte er grimmig, – »du mit deinem geflickten Mantel! – Vor meinen Augen stieg das Kind auf den Baum; – ich stand, verdeckt vom Zelt, sechs Schritt gegenüber: – bald kamen zwei Männer von rechts und von links, huschten unter den Baum, sprachen leise – und gingen dann auseinander.« Der Sklave ward noch bleicher als zuvor – er wankte: ohne die Fäuste, die ihn emporrissen, wäre er zur Erde gesunken. Aber Herculanus fragte trotzig: »Hast du sie vielleicht, die beiden Männer – im Finstern! – erkannt? oder – auf sechs Schritt! – ihr Geflüster verstanden?« – »Keins von beiden! Aber das Kind glitt gleich darauf, im höchsten Schreck, von dem Baum – rief mir zu ›Mord! Gift gegen Ausonius!‹ – und rannte mit mir hierher: das letzte Stück, bis an das Zelt, von mir getragen.« »Also Barbarin und Barbar gegen mich verschworen!« trotzte Herculanus. Da trat Saturninus auf den Sklaven zu, der mit schlotternden Knieen zwischen den beiden Thrakern hing: »Du weißt, welch' furchtbare Todesqualen dem Sklaven drohen, der den eigenen Herrn zu ermorden versuchte?« Davus sank nieder bis auf den Boden, – die beiden Männer vermochten kaum ihn wieder emporzuziehen. »Wohlan! Was liegt an deinem elenden Leibe! Ich sichere dir Leib und Leben zu – im Namen des Kaisers! – du kommst nur in die Bleibergwerke, wenn du sofort gestehst.« Da stöhnte der Sklave: »Dank, Herr, tausend Dank! Ja, ja. Es ist alles, wie sie sagen. Seit einem Jahre schon lockt und drängt er mich! Der Dämon des Goldes hat mich verblendet. Es ist alles wahr!« »Ha,« schrie Herculanus, tobend gegen seine Wächter, »also auch der Sklave in der Verschwörung gegen mich?« »Gebt den Wein im Kaiserbecher,« sprach dieser, »einem Hunde zu trinken und habt acht, wie lang er noch lebt. Schierling ist's! In meiner Tunika – greift hinein – trag' ich in einem Fläschchen den Rest.« »Ich zweifle nicht an beidem: Gift im Becher: – dasselbe Gift im Fläschchen! – Natürlich,« – lachte Herculanus grimmig, »der Sklave that's hinein: – in beide! Aber Ausonius wird nicht sterben – vor verändertem Testament, vor Enterbung des Neffen: denn die Barbarin erscheint rechtzeitig als Retterin.« Einstweilen hatte der Tribun aus des Sklaven Brustlatz ein kleines Bernsteinfläschchen hervorgeholt und auf den Tisch neben den Kaiserbecher gestellt. Ausonius richtete schmerzliche Blicke darauf: er schien es zu kennen. »Und was der da zu sich steckt,« fuhr Herculanus fort, »das soll mich überführen?« »Nein,« rief Davus, nun zornig, – »du selbst sollst dich überführen! – Tribun, greif' auch in seine Tunika –: das gleiche Gift im gleichen Fläschlein trägt er da verborgen: – konnte ich ihn dazu zwingen? Oder konnte ich es hinein zaubern?« Da erbleichte Herculanus: – der Trotz, die Lebenshoffnung wich von ihm: – er bäumte sich knirschend in den Fäusten der Illyrier. Aber diese hielten fest, während ihr Landsmann Saturninus aus seiner Tunika ein ganz gleiches Bernsteinfläschlein hervorzog und neben das erste stellte. – »So fahrt denn in den Orkus allesamt! Hättet ihr doch alle das Gift im Leibe!« schrie Herculanus.

Aber Ausonius raufte sein graues Haar und klagte: »Wehe, wehe! Ich kenne sie gut! Ich selbst habe sie – beide Fläschlein – meiner lieben Schwester, seiner Mutter, geschenkt! Ach, und meiner Schwester Sohn! Mich ermorden! Um das elende Geld! Das ich ihm ja alles vermacht hatte! Nur ein paar Jahre hätte ich noch gerne gelebt!« Und laut weinend verhüllte er sein Haupt: – mitleidig streichelte Bissula ihm, vor ihm niederkniend, beide Hände.

Saturninus aber sprach: »Jeder Zweifel ist ausgeschlossen: – auch ohne dies Geständnis seiner Wut.« »Oh meiner Melania, meiner liebsten Schwester Sohn,« jammerte der Arme. »Ich hatte ihn längst im Verdacht,« fuhr der Tribun fort. »Aber nicht dich allein wollte der Bube morden, – auch dieses Kind, dem alle gut sind!« »Was? wie?« fuhr Ausonius empor. Auch Bissula stutzte. »Deshalb eilte er uns allen voraus – allein – in ihr Gehöft, – auf ihrer Spur! Er hatte zum Todesstoß gegen sie ausgeholt, als ich ihm in den Arm fiel.« »Was? Entsetzlich!« rief Ausonius. »Ja, das wohl! Aber,« fiel die Kleine, gutmütig und wahrheitsbeflissen ein, »aber da hatte er mich noch nicht als seines Oheims Freundin erkannt!« »Doch, doch!« klagte der Präfekt, »Er hat mir selbst erzählt, ein rotes Haar hat ihn auf deine Spur gebracht! – Wie oft hatt' ich dich ihm geschildert! – Und sowie er dich gesehen, hab' er dich gleich erkannt! Er habe dich mir bringen wollen! Und er hat . . . – !« »Und gestern Nacht,« fiel Rignomer nun grimmig ein, »schlich er mit gezücktem Dolch in ihr Zelt: (– leider schlief einer, der davor hätte wachen sollen! –) Aber die Bärin wachte – und« – rasch breitete er den braunen Mantel aus – »hier riß sie dem Fliehenden ein Stück heraus.« »Dies Stück,« sprach Saturninus, es aus dem Gürtel ziehend und auf das neu angenähte legend, »du siehst: – es paßt genau.« »Den Fluch der Furien über euch alle!« schrie Herculanus. »Hinaus mit beiden!« gebot der Tribun. »Prosper, zwei deiner Sklavenblöcke! Denn es genügt nicht, sie in einem offenen Zelt bewachen zu lassen! Das ist immer unsicher und erfordert beständig ein paar ganz verlässige Mannschaften, deren wir nicht allzuviele entbehren können. Rignomer, du sperrst sie darein – mit beiden Füßen – getrennt voneinander! – Dein Kopf dafür, daß sie nicht jetzt unterwegs entkommen.« »Sie sollen nicht,« brummte der Bataver, den das Wort von der Liebschaft unaussprechlich ergrimmt hatte. Er wußte selbst nicht warum. – »Vorwärts!« Geführt von Rignomer schoben die vier Wachen und Prosper die Überführten aus dem Zelt.

 


 


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