Felix Dahn
Bissula
Felix Dahn

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Neuntes Kapitel

»Du glaubst nicht, Teurer, wie mich auch dies lang nicht mehr geschaute kriegerische Lagerleben erfreut. Ich verstehe nicht viel davon: aber der Pomp und Stolz und die Kraft des Kriegswesens regen mich mächtig an. Es ist eine Lust, einen Mann wie Saturninus walten zu sehen. Eine alkäische Strophe kann er nicht skandieren, aber ein Lager nach den Anforderungen und Vorteilen der Örtlichkeit anzulegen, das versteht er besser als ich die alkäische Strophe zu bauen. Vortrefflich hat er auch hier, auf diesem steilen Hang mitten im Barbarenwald, die Regeln Frontins mit dem gegebenen Raum zu vereinbaren gewußt. Dich alten Soldaten würde es mächtig freuen, unseren Lagerbau, die Stärke von Graben und Wall, die Gliederung der Lagergassen, die Verteilung von Reitern und Fußvolk, von Gepäck und Troß mit anzusehen!

 
III. vor den Calenden des September.

Und warum solltest du's nicht ansehen? Wofür hat uns Athene oder das kluge Phönikien die Schrift gelehrt? Ich bat Saturninus, seinem dicken Schreibsklaven eine Skizze unseres ganzen Lagers mit allen für die Verteidigung wichtigen Punkten und der Verteilung unserer Truppen zu diktieren. Ich lege sie dem Papyros bei.

Wie stattlich beginnt das:

»Vier Geschwader Schuppengepanzerte an der Porta decumana, das ganze Gepäck ebenfalls vor der Porta decumana aufgetürmt. Der Wall acht Fuß hoch. Der Graben fünf Fuß tief. Der schwächste Punkt die Ecke im Nordwesten, deshalb dort die beste Truppe: Batavische Schildner und Speerträger aus des Kaisers thrakischer Garde: –« und so weiter. Ich wiederhole nicht hier, was die Beilage ausführlich enthalten wird; aber das Schriftstück ist noch nicht fertig. – Er hat es wieder abgeholt, die Zeichnung genauer zu vollenden.

Skizze

II. vor den Calenden des September.

Ach, was hilft die Verstellung, das Versteckenspielen mit mir selbst! »Jagst du sie mit der Heugabel hinaus, zurück kehrt immer wieder die Natur,« sagt der Bandusische Kollege. – Ich mache dich glauben – und mich selbst –, ich denke an Gräben und Wall und Schuppengepanzerte! Es ist nicht wahr! Ich denke nur an die Kleine! Nur ihr Bild steht vor meinen Augen bei Nacht und Tag. Es ist schon halb beschlossen: du sollst sie sehen. Ist dieser Streifzug beendet, kehre ich jedenfalls nach Gallien zurück, – vielleicht das ganze Heer: denn Kaiser Valens scheint mit den Goten leicht, ohne unsere Hilfe zu brauchen, fertig zu werden; er verlangt nicht nach uns. Dann kann ich die Kleine als meinen Gast mitnehmen zu kurzem Besuch nach Burdigala. Freilich: noch gilt sie als Sklavin des Tribuns. Lächerliche Laune des wackeren Mannes! Nein, nein, mein Paulus! Es ist nicht das andere, was du jetzt meinst, das ihn treibt. Scharf wie ein Vater – oder am Ende gar wie ein Bräutigam? – hab' ich ihn beobachtet, argwöhnisch, fast eifersüchtig. Aber ich that ihm Unrecht – oder zu viel Ehre? – Er hat nichts im Kopf, als diese unsichtbaren Alamannen und unsere immer noch ausbleibenden Schiffe von Arbor.


Und warum nur zu Besuch? Warum sollte sie nicht für immer in meinem Hause bleiben, mein heranschreitendes Alter verschönern können mit dem Morgenrot ihrer Jugend! Ja, Eos, Aurora: das ist ein treffendes Bild für sie! So jung, so morgenfrisch, so hellrot umflattert von dem mutwillig krausen Kurzgelock. Vielleicht nimmt sie jetzt, verständiger geworden, mit Freuden an, was ich ihr, dem Kinde, damals schon anbot: mir zu folgen für immer als meine Adoptiv-Tochter.


Tochter! – – Es ist das Rechte nicht! – Das Rechte nicht mehr! – Sie ist zum Weib erblüht. Es käme mir doch nicht mehr bei, sie, wie vor Jahren, auf meine Kniee zu heben. Sie ward dafür zu – reif. Und ich – ich bin noch dafür zu – jung, sie nur als Tochter zu betrachten. Eher als ihr Bruder, ihr zärtlicher, auf ihre Schönheit freudig stolzer Bruder! – Es paßt auch nicht! – Neulich streifte mich ihr voller Arm – sie gehen mit ganz unbedeckten Armen, die Germaninnen –: mir ward heiß dabei. Ich kann fast nicht mehr zweifeln, ich –


Die Leute würde es gar nichts angehen, was ich für sie empfinde. Mit mir nehmen könnte ich sie zunächst jedenfalls: – dann adoptieren? – In welcher Rechtsform immer es sei: – festhalten in meiner Nähe werd' ich sie. Ihre anmutvolle Gegenwart, – ich fühl's, ich kann sie nicht mehr missen! Es würde kalt und dunkel um mich her! Schon fröstelt mich bei dem Gedanken, wieder mit dem eisherzigen Herculanus allein zu leben.

Sie ist meine Muse geworden! Eine barbarische, spottest du? Ei, sind diese Verse gar so barbarisch?

Wonne du! Schmeichelndes Glück! Oh du Scherzspiel neckischer Anmut!
    Wie die Barbarin doch Latiums Mädchen besiegt!
»Bissula«! Bäuerlich klingt für den Fremden der Name des Kindes:
    Aber Ausonius tönt hold der berückende Klang.«

 


 


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