Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Achtzehntes Kapitel.

Als die Gesandten am andern Morgen aufbrachen, staunten sie, außer den von ihnen bereit gestellten eigenen Wagen, Sänften und Zugtieren noch mehrere Wagen und edle Rosse vor ihrer Wohnung anzutreffen. »Geschenke Attilas für euch,« sprach Ediko zu den Verwunderten, und den Deckel eines der Wagen aufschlagend, wies er auf hoch gehäufte Pelze hin: »schaut, die kostbaren Felle, wie nur die vornehmsten unsrer Fürsten sie tragen. Aber Geduld! Es ist euch noch ein ander Geschenk zugedacht. Ich erhielt den Auftrag, es zu besorgen. Und ich hab' euch auch sicher bis an die Grenze zu geleiten.« – »Wo ist Vigilius?« »Schon vorausgeschickt!« erwiderte hinzutretend Chelchal, der den Abreisenden ebenfalls, wenn auch nur auf eine kurze Strecke, das Ehrengeleit zu geben hatte. »Der Herr meinte, es könne euch nicht angenehm sein, mit dem in Fesseln gelegten Verräter zusammen zu reisen,« »Er ist doch ganz unberechenbar,« sprach Maximinus leise zu Priscus, »ein lebendiger Widerspruch, dieser Barbar. Goldgierig – ärger als ein byzantinischer Fiskal! – man meint zuweilen, all seine Staatskunst und Weltmacht ziele nur darauf, möglichst viel Gold überallher an sich zu raffen . . .–« »Gold ist Macht, o Patricius,« erwiderte der Rhetor, »nicht nur zu Byzanz. Auch diese ungezählten Horden von Skythen belohnt, besticht, gewinnt er nur durch Gold und was er für Gold anschafft –« »Wenn er's nicht nimmt!« grollte Primutus. »Dann aber überrascht er,« fuhr der Senator fort, »plötzlich durch eine Freigebigkeit, die selbstischen Zwecken gar nicht dienen kann. So mir gegenüber. Daß er mich bestechen, meiner Pflicht abspenstig machen könne, stellt er sich wohl nicht vor: – auch kann ich ihm ja gar nichts nützen, er weiß, daß ich beim Kaiser keinen Einfluß habe . . . –« – »Jawohl, denn er weiß, du bist ehrlich.« – »Und doch! Sowie ich mich erbot, die Witwe eines Freundes, des Präfekten Sylla, die mit ihren Kindern in der eroberten Stadt Ratiaria gefangen wurde, loszukaufen, – fünfhundert Goldstücke bot ich dafür – da sah er mich ernsthaft an und sprach: ›Ich gebe dir diese Gefangenen frei – ohne Lösegeld.‹ Weshalb thut er das, der Geldgierige?«

»Du hast ihm gefallen, Greis,« antwortete Ediko, der die letzten Worte vernommen hatte. »Und er wollte dir an Großsinnigkeit nicht nachstehen. Er ist nicht ohne Fehler, aber klein und kleinlich ist er nicht! Und auch in seinen Fehlern ist er groß!« –

Als unter solchen Gesprächen die Gesandten, von Chelchal und Ediko geführt, das Südthor des Lagers durchritten hatten, stießen sie draußen plötzlich auf eine große Schar von Männern, Weibern und Kindern, die mit lautem Freudengeschrei in lateinischen und griechischen Worten die Fremden begrüßten. »Was sind das für Leute?« forschte Maximin überrascht. »Römer, scheint es, nach Gewand und Sprache.« »Ja, Römer sind's,« antwortete Chelchal. »Dreihundertfünfzig Köpfe . . . –« »Kriegsgefangene,« fuhr Ediko fort, »die auf des Herrschers Anteil gefallen. Er giebt sie frei – dir zu Ehren, Maximinus. Du sollst sie selbst zurückführen in Vaterland und Freiheit. Er meinte, das sei dir das liebste Gastgeschenk.«

»Heil Attila, dem Großmütigen! Heil Attila! Heil ihm und Dank!« riefen die Befreiten. Und widerwillig, widerstrebend stimmten die Gesandten ein in den begeisterten Ruf. »Seltsam,« sprach nach langem Schweigen Priscus zu Maximin. »Mit einem Fluche gegen das Scheusal schritten wir über seine Grenze, und mit Verachtung . . . –«

»Und er zwingt uns, mit einem Wort des Dankes zu scheiden.« – »Und nicht ohne Bewunderung.« – »Ein dämonischer Mann! Es lebt – zur Zeit – auf Erden kein gewaltigerer.« – »Ach leider! Wo ist der Retter, der uns von ihm befreit und seiner fürchterlichen Größe? Ich weiß und ahne keinen!«

 


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