Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Viertes Kapitel.

Etwa zwei Stunden später saßen die vier römischen Freunde in einem der mitgeführten, rasch aufzuschlagenden Reisezelte, ziemlich behaglich untergebracht. Der Rasenboden war mit kostbaren Teppichen hoch belegt; von der Spitze des dreieckigen Lederzeltes hing eine Ampel herab, die ein sanftes Licht verbreitete; die aufwartenden Sklaven, welche die Abendmahlzeit aufgetragen hatten, waren entfernt worden; den Weinkrug, den Mischkrug voll Wasser und vier Becher reichten sich die Genossen selbst, auf weichen Polstern gelagert. Ediko hatte angefragt, ob sie mit allem Erforderlichen versehen seien, und sich dann höflich von ihnen verabschiedet. Vigilius lag in einem andern Zelt leidend an Hüftweh; das und auch wohl die Kenntnis ihrer Abneigung mochte ihn von den andern fernhalten; der Sohn pflegte sein.

Die Gesandten von West-Rom gaben kurz Bericht von ihrer Reise. »Von uns,« meinte der Präfekt, »ist nicht viel zu erzählen. Ging doch unser Weg fast immer durch römisches Gebiet, auf der alten Heerstraße unserer Legionen. Noch nicht gar lang ist's her, daß wir in Attilas Gebiet eingeritten. Aber gleich nachdem wir die Grenze überschritten, hatten wir ein kleines Abenteuer.« »Ein starker Schwarm von Hunnen,« fuhr der Comes fort, »sprengte uns entgegen, befahl, unter drohenden Gebärden, mit wildem Schwingen der Waffen, Halt zu machen.« – »Alsbald ritt der Führer des Geschwaders auf uns beide zu, mit dem nackten Schwert vor unsern Augen fuchtelnd. ›Attila zürnt,‹ schrie er uns auf lateinisch an. ›Er spricht durch seines Knechtes Mund: er will keine Gesandten Valentinians mehr sehen. Dagegen die Geschenke, die Schätze, die ihr mitgebracht, sollt ihr herausgeben. Her damit! Oder – ich haue euch nieder auf dem Fleck.‹ Und er zückte die Klinge.« »Ohne mit der Wimper zu zucken,« rühmte Romulus, »sah ihm der Präfekt in das Auge und sprach: ›Diese Geschenke erhält Attila nur aus meiner Hand als Geschenke – aus deiner bloß als Raub; nun thue, wie du willst, Barbar.‹ ›Gut, Römer!‹ rief dieser, die Waffe senkend. ›Du hast die Probe wacker bestanden. Ich melde es dem Herrn.‹ Und gleich darauf sah man ihn schon wieder auf dem flinken Pferde davonjagen – gen Osten. Alsbald stießen wir dann auf andere Hunnen, die den Auftrag erhalten hatten, uns zu Attila zu geleiten. Das ist alles, was wir zu berichten haben.« – »Ihr aber –, bei euch ist es anders. Ihr reiset schon lange durch das Hunnenreich. Erzähle, Rhetor. – Aber vorher mische, bitte, nochmal – hier mein Becher. – Wie ist es euch ergangen?«

»Sehr wechselvoll,« erwiderte Priscus, gab dem Freunde den Pokal gefüllt zurück und hob an: »Wir erreichten in zwanzig Tagen erst Sardica, das doch nur dreizehn Tagereisen von Byzanz entfernt ist: – so schwer wiegen das Gold und die Schande, die wir in zehn Lastwagen den Hunnen zuführen.« »Dort in Sardica,« fuhr Maximinus fort, – »die Hunnen haben's halb verbrannt – luden wir Ediko und unsere andern Begleiter zu Gast zum Abendschmaus.« »Aber ach,« klagte der Rhetor, »die Rinder und Hammel, die wir unsern Gästen vorsetzten, mußten wir uns erst von ihnen schenken lassen. Nur die Bereitung übernahmen unsere Köche.« – »Es gab Streit beim Mahle. Vigilius – er hatte wohl zuviel von meinem alten Lucaner Wein getrunken –« »Oder es war Verstellung!« meinte Priscus, – »Pries Theodosius als einen Gott, gegenüber Attila, der doch nur ein Mensch sei.« – »Das Ende war, daß Maximin die gereizten Hunnen – nicht Ediko, der schwieg! – besänftigen mußte durch Geschenke von serischen Gewändern und indischen Edelsteinen. Der Gott Theodosius kostet dich, o Patricius, viel, mehr als er wert ist.« – »Dann kamen wir nach Naissus.« »Das heißt: an die Stelle,« verbesserte der Rhetor, »wo ehedem Naissus stand. Die Hunnen haben's der Erde gleich gemacht.« – »Der Ort war leer. In den Trümmern der Basiliken kauerten ein paar Wunde und Kranke, die Heiligen um Brot und Rettung anrufend oder um den Tod, was – dem Erfolge nach – das leichtere Mirakel schien; denn gar manche Leichen lagen umher.« – »Wir Unheiligen verteilten unsere letzten Vorräte von Brot unter diese Verzweifelnden.« – »Und reisten weiter.« – »Durch verödet Land!« – »Wir lenkten von der Heerstraße ab.« – »Denn hier war nicht zu atmen!« »Weshalb?« fragte der Comes.

»Wegen der Leichen.« – »Wegen der vielen Tausend unbestattet faulenden Leichen!« – »Der im Gefecht oder auf der Flucht von den Hunnen Erschlagenen!«

»Aus den Bergen von Naissus kamen wir so, auf Umwegen, an die Donau.« – »Die Hunnen trieben Einwohner auf, die uns auf Einbäumen über den Strom setzten.« – »Mir fiel die große, unzählbare Menge dieser barbarischen Fahrzeuge auf . . . –« – »Um unsere breiten Schatzwagen überzuführen, wurden drei oder vier nebeneinander gebunden.« – »Auf unsere Fragen, weshalb eine solche Masse von Kähnen hier versammelt liege, erwiderten die Hunnen, Attila gedenke nächstens hier eine große Jagd abzuhalten.« »Ich ahne!« meinte der Präfekt. »Und das Wild . . . –« – »Sind wir Römer.«

»Wir reisten nun auf dem linken Donau-Ufer etwa siebzig Stadien weiter. Da wollten wir eines Abends unsere Zelte auf einem Hügel errichten.« – »Wir hatten uns schon für die Nacht auf der Anhöhe eingerichtet, deren Krone allein trockne Lagerstätten bot – unten, gegen den Fluß hin, war der Boden sumpfig . . . –« – »Bereits waren die mitgeführten Zelte aufgeschlagen, die Pferde von den Wagen gespannt und die Feuer für die Bereitung des Nachtmahls angezündet . . . –«

»Da sprengten hunnische Reiter heran – Ediko war auf einen Tag vorausgereist behufs einer uns nicht mitgeteilten Besorgung – und zwangen uns, mit zornigen Scheltworten, wieder aufzubrechen und am Fuße des Hügels Lager zu schlagen . . .« »Warum?« forschte Romulus. »Sie schrieen: ›Attila selbst habe unten im Thale gelagert . . .‹ – freilich schon vor vielen Nächten, flußabwärts – ›aber es sei ungeziemend, . . .‹ »Was denn?« zürnte der Präfekt.

»Daß jetzt unsere Füße ständen über dem Ort, wo des Allherrschers Haupt geruht hatte. Und wirklich: all unser Sträuben blieb vergeblich.« – »Wir mußten nochmals aufbrechen und die gute Lagerstätte vertauschen mit einer recht schlechten.« – »Doch hatte Attila uns zur Speisung Flußfische, frisch gefangene, und mehrere Rinder gesandt.«

 


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