Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Drittes Kapitel.

»Seht nur, welche Menschen! Welche Reitkünste,« rief Romulus. »Das sind nicht Menschen und nicht Reiter,« meinte der Rhetor: »Kentauren sind's. Mann und Roß sind eins.« »Schau den dort!« staunte Primutus. »Er springt ab: – er schlägt den Gaul mit der flachen Hand: – der rennt davon.« »Aber der Reiter holt ihn ein,« sprach Ediko ruhig. »Ja! Wahrhaftig! Er faßt ihn an der wehenden Mähne!« – »Da! Wirklich! Er sitzt wieder oben! Mitten im Laufe schwang er sich hinauf.« – »Und jener auf dem Schimmel! Er stürzt vom Roß! Er hängt ja nur noch! Er ist verloren.« »Bewahre,« beschwichtigte Ediko. »Seht: wagerecht liegt er an der Seite des Tieres, mit der Rechten an der Mähne, mit der Linken an dem Schweife sich haltend. Nun – nun sitzt er wieder oben!« – »Und dieser dort – der nächste! Aus der Reitstellung sprang er mit gleichen Füßen auf den sattellosen Rücken!« – »Er bleibt stehen! Stehend reitet er weiter.« – »Und jener da links! Er fällt! Er wird geschleift! Den Kopf nach unten! Sein Haar streift die Erde.« »Nein doch,« erklärte Ediko. »Mit beiden Füßen umklammert er Bauch und Rücken des Pferdes.« – »Da! Nun sitzt er wieder. Und lacht!« »Das heißt: er grinst,« verbesserte Priscus. »Aber den da seht! Den mit der goldbehangenen Mütze!« – »Mit dem goldnen Köcher.« – »Er holt aus dem Köcher einen Pfeil.« – »Er spannt den Bogen.« – »Er zielt. Im vollen Jagen! In die Höhe!« – »Wonach zielt er? Ich sehe nichts.« – »Eine Schwalbe!« – »Der Pfeil fliegt.« – »Die Schwalbe fällt!« – »Horch, wie sie jauchzen, die Hunnen!«

»Das war,« sprach Ediko, »Dzengisitz, des Herrn zweitältester Sohn. Der beste Schütz und Reiter seines Volks.« – »Da! Er schoß schon wieder!« – »Dort dem Kinde die Haube vom Kopf.« – »Welcher Frevel!« »Kein Frevel, denn er traf,« entgegnete Ediko. »Aber horch! Welch greulich Gerassel?« – »Und Geklingel! Was ist das?« »Das ist der Hunnen Kriegsmusik. Statt der römischen Tuba und der Hörner der Germanen,« sprach Ediko. »Schau, flache Reife von dünnem Holz!« – »Mit kleinen Schellen und Glöcklein am Rande besetzt.« – »Die klingen so schrill.« – »Mit Häuten sind die Reife überspannt.« – »Sie schlagen darauf mit hölzernen Schlägeln.«

»Jawohl,« bestätigte Ediko. »Aber die Häute – wißt ihr, von welchen Tieren? Menschenhäute sind's. Er selbst hat das erfunden. ›Könige,‹ sprach er, ›die mir die Treue brechen, sollen mir auch nach der Hinrichtung noch dienen: nach ihrem Tode sollen sie singend und klingend meine Siege begleiten.‹« »Eine hübsche Musik,« nickte Priscus, »und belehrsam für diejenigen Könige, die sie anzuhören haben.«

Als Attila durch das Südthor eingeritten war und das erste Haus des Lagers beinahe erreicht hatte, öffnete sich dessen Thüre und heraus schritt, in ein weißes Peplon mit breitem Goldrande gehüllt, eine junge Frau von edelster Gesichtsbildung, gefolgt von zahlreichen Mägden und Dienern: sie trug einen Säugling auf dem Arm. Die junge Mutter blieb stehen dicht vor des Herrschers Rappen, der, zurückgehalten, ungeduldig scharrte: sie kniete nieder und legte das Kind vor die Hufen des Hengstes: erst als Attila ihr schweigend Bejahung zugenickt hatte, hob sie es wieder auf, küßte es, stand auf, neigte tief das Haupt und schritt mit dem Säugling in das Haus zurück.

»Was bedeutete das?« forschte der Patricius. »Wer war die schöne Frau?« fragte Primutus, ihr nachblickend. »Eine Griechin aus Kleinasien,« erklärte Ediko. »Es bedeutete, daß der Herr das Kind als das seine anerkennt; andernfalls wären die Hufe aller Rosse über Kind und Mutter hingegangen.« »Wie schön . . .!« wiederholte der stattliche Primutus und wollte sich wenden, ihr noch einmal nachzuschauen. Ediko drehte ihn um mit sanfter Gewalt: »Laß das, Gastfreund! Es ist sicherer.«

Nun erschien vor dem Holzzaun des nächsten Hauses eine alte Frau in hunnischer Tracht, reich mit aufgenähten durchlochten römischen Goldsolidi geschmückt, ebenfalls von vielen Sklavinnen und Sklaven gefolgt. Sie trat auf der rechten Seite an den Herrscher heran und bot ihm auf schöner Silberschale – kunstvoller korinthischer Arbeit: sie stellte von außen das Mahl der Götter auf dem Olympos dar – rohes Fleisch, in dünne Scheiben geschnitten: es roch sehr stark nach Zwiebeln. Huldvoll nickte der Herr, griff in die Schüssel mit den Fingern der Rechten und aß von dem blutigen Fleisch und den scharfen Zwiebeln. Mit tiefer Beugung des Hauptes trat die Alte zurück und Attila ritt weiter. Kein Wort hatte er noch gesprochen.

»Das war Tzasta, die Gemahlin Chelchals, seines vertrautesten Rates,« sprach Ediko. »Seht dort die hohe Gestalt des greisen Mannes auf dem Schimmel, der nächste hinter dem Herrn. Nur Tzasta aus allen Fürstinnen der Hunnen hat das Recht, den wiederkehrenden Herrscher zu begrüßen mit der ältesten Hunnenspeise, der geheiligten: rohem Pferdefleisch und rohen Zwiebeln.«

 


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