Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Zweites Kapitel.

Da ertönte in der Ferne, im Osten des Waldes, ein lauter, schriller Ruf des Hifthorns: einer der auf Wache stehenden Krieger hatte das Warnzeichen gegeben: sofort sprangen alle Lagernden vom Boden auf, die Männer griffen zu den stets bereitliegenden Waffen und blickten gespannt aus gen Osten.

Aber jetzt erscholl ein zweiter Hornstoß, gedämpft, beschwichtend: und schon ward von zweien der Rugen ein einzelner Reiter auf das Zelt zugeführt, der alsbald vom Pferde sprang und nun langsam heranschritt; er neigte sich tief vor der Königstochter und bot den beiden Fürsten die linke Hand.

»Ellak!« sprach Wisigast, ihn mit mißtrauischem Blicke messend und nur zögernd die Hand des Ankömmlings ergreifend. »Ihr? Was führt Euch hierher?«

»Die Sorge um Euer Wohl. Mein Vater zürnt. Die eigenmächtige Verlobung . . . –« – »Er erfuhr sie sehr schnell!« »Ja, vor mir,« erwiderte Ellak. »Ich – ich hatte nur erraten – dort an dem Steine Friggas . . . Daß jedoch der König der Rugen so rasch, so unvorsichtig – gegen das Gebot! – sie auch verloben werde, das hatte ich nicht gedacht. Aber schon gleich wie ich von dem Waldquell in das Hoflager des Herrschers zurückkehrte, rief er mir entgegen – ich hatte gar oft seinen Argwohn gegen germanische Fürsten –«

»Sag' es nur,« unterbrach Daghar: »gegen König Wisigast und mich.« – »Auch gegen euch! – zu zerstreuen mich bemüht. Jetzt aber rief er mir zu: ›Da siehst du die Treue, den Gehorsam deiner – halbschlächtigen! – Stammesgenossen! König Wisigast hat sein Kind dem Skirenfürsten verlobt, ohne mich zu fragen. Gegen das Gesetz!‹ ›Woher weißt du?‹ forschte ich erschrocken. ›Gleichviel,‹ erwiderte er. ›Das kümmert dich nicht. In nächt'ger Stunde ward mir's offenbar. In Ketten laß' ich sie herbeischaffen, alle drei!‹« Daghar wollte trotzig einfallen, aber Wisigast winkte ihm, zu schweigen. »Ich besänftigte ihn. Ich beschwor ihn, noch nicht zur Gewalt zu greifen. Ich verbürgte mich für euren Gehorsam, daß ihr, geladen, willig in das Lager kommen würdet. – Er maß mich dabei mit forschenden Blicken. Dann sprach er mit einem seltsamen Zucken über seine Mienen hin – wie Wetterleuchten – das ich mir nicht erklären konnte und noch nicht verstehe: ›Wohl, es sei! Ich will sie in Güte laden. Du hast recht: es ist klüger so. Du weißt freilich nicht,‹ schloß er, ›weshalb es klüger ist‹; er lächelte dabei: aber es war sein böses Lächeln, das drohender ist als sein lautes Zornwort: – und deshalb ritt ich euch entgegen, euch zur Eile zu mahnen: denn ihn warten lassen, das ist gefährlich. Und ich wollte euch bitten, klug zu sein an dem Hoflager. Nicht trotzig, kühner Daghar! Nicht allzustolz, edle Königstochter.«

»Meine Braut,« rief Daghar, »kann nie stolz genug sein, so herrlich ist sie!« Ellak atmete tief und erwiderte: »Das brauch' ich nicht erst von ihrem Bräutigam zu lernen. Stolz wie eine Göttin darf sie, soll sie sein!« – Er bezwang das stark auflodernde Gefühl und hob wieder gemessen an: »Aber ihr seid im Unrecht, ihr beiden Fürsten, der Herr ist im Recht. Reizt ihn nicht! Ich mein' es gut! – Nicht alle Söhne des Herrschers sind euch gewogen! Wie ich für die Germanen rede, so schüren andre seinen Zorn gegen euch. Und lieber lauscht er deren Rede, als der meinen.« »Weshalb?« forschte Wisigast. Ellak zuckte die Achseln: »Strenge ist ihm vertrauter als Milde. Er liebt nicht die Germanen. Und nicht – mich. Dagegen liebt er . . . – –« »Ernak, das bösartige Kind, und Dzengisitz, den Unhold!« rief Daghar.

»Wehe uns,« fügte der Rugenkönig bei, »herrschten diese beiden jemals über uns!« »Das werden sie nicht! Nie!« lachte Daghar. Ellak maß ihn mit strengem Blick: »Und warum nicht, du Unvorsichtiger?« – »Weil eher . . . weil schon zuvor . . . –«

»Schweig, Daghar!« fiel der König ein. »Weil wir Attila bitten werden, bei der Teilung des Reiches unter seine vielen Erben, – es sind ja weit mehr als hundert Söhne! – uns Germanen nicht jenen, – dir uns zuzuteilen.« »Das wird nicht geschehen!« erwiderte Ellak kopfschüttelnd. »Allerdings nicht!« grollte Daghar. Da legte Ildicho den Finger auf ihren roten Mund. »Allzugroß, allzumächtig würde den Brüdern mein Reich! Und Dzengisitz hat sich bereits von dem Herrn einzelne eurer Völkerschaften versprechen lassen.« »Warum?« fragte Wisigast.

»Er haßt uns ja doch!« meinte Daghar. »Eben deshalb! – Attila gewährte ihm die Bitte mit seinem eigenartigen Blinzeln des Auges: ›falls du mich überlebst, mein ungeduldiger Erbe,‹ fügte er dann zögernd bei.« »Wehe denen, die ihm verfallen!« wiederholte der König und schritt hinweg, nach den Rossen zu sehen. »Er ist unmenschlich!« »Hei,« lachte Daghar grimmig, »ist er doch ein Hunne!« »Skire!« sprach Ellak drohend, aber doch verhalten.

»Vergieb ihm,« bat Ildicho. »Es trifft dich kaum. Bist du doch zur Hälfte unseres Blutes.« »Dzengisitz aber,« fuhr Daghar zornig fort, »ist der echte Hunne. Vollblut-Hunne! Stolz und Prachtstück seines Volks.« »Deshalb liebt ihn der Vater,« sagte Ellak traurig. »Und wie sollten Hunnen Menschlichkeit üben!« eiferte Daghar. »Ja, nur kennen menschlich Erbarmen! Sind sie ja doch gar nicht Menschen!« »Wie meinst du das?« forschte Ellak. – »Die Sage geht bei allen Völkern der Germanen! Und sie spricht wahr.« – »Ich hörte davon. Doch vernahm ich das Lied nicht. – Dort, hinter dir, Daghar, am Haselbusch hängt ja deine Harfe, die vielgepriesene. Da! Nimm sie! Laß mich deine Kunst bewundern: oft hörte ich sie rühmen. Singe mir das Lied ›von der Hunnen Herkunft‹, so heißt es ja wohl, nicht?« »Ja! Aber? . . .« nur widerstrebend nahm Daghar die kleine dreieckige Harfe, die Ellak an ihrem breiten roten Lederbande von dem nahen Strauche gelöst hatte und nun ihm darreichte. »Nicht doch!« fiel Ildicho ein. »Verlange nicht, es zu hören. Es wird dich schmerzen!« – »Ich bin an Schmerz gewöhnt. – Beginne!« – »Du willst es?« – »Ich bitte.« – »Nun wohl, so höre denn!«

 


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