Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Sechstes Kapitel.

Nach drei Tagereisen erreichten die beiden nun vereinigten Gesandtschaften die Wohnstätten oder das Hauptlager Attilas, die von den Hunnen als herrlicher denn alle Häuser der Erde gepriesen wurden.

Die ausgedehnte Niederlassung, bestehend aus zahlreichen Holzhäusern sehr verschiedenen Umfangs, überschritt das Maß eines Dorfes: einer Stadt war sie vergleichbar, nur daß die Umwallung fehlte. Diese Holzhäuser mit ihren flachen Dächern und vorspringenden Umgängen der obersten beiden Stockwerke standen so weit auseinander, daß auch ein auf Tod und Leben gewagter Sprung einen Mann von dem einen kaum jemals zu dem andern hätte tragen können.

Von weitem schon war unter den vielen Zelten und Holzhütten das Wohnhaus Attilas erkennbar: denn wie ein Bienenkorb wurde dasselbe rings im Kreise umwogt, umschwärmt, umbraust von unzähligen Hunnen zu Pferd und zu Fuß: das Haus ihres Allherrschers auch nur von außen zu schauen, war ihnen Wonne!

Nachdem Ediko den Fremden durch die unstet durcheinander Wogenden den Weg gebahnt, trafen sie auf den ersten ›Ring der Wachen‹: denn in elf immer engeren aufeinander folgenden Kreisen war das ebenfalls kreisförmige Gebäude von vielen Hunderten von hunnischen, germanischen, sarmatischen Kriegern umgürtet. Sie standen so dicht nebeneinander, daß sie sich mit den ausgestreckten Speeren berühren konnten: nicht ein Wiesel mochte unvermerkt zwischen ihnen durchhuschen. Das Haus war aus Holz und Brettern gebaut, die, wunderbar fein geglättet, hell erglänzten: es war umhegt von mannshohen Kreisen, ebenfalls aus ganz geglättetem Plankenholz, nicht zum Schutz, zur Zierde. Oberhalb der Eingangsthüre flatterten bunte, gelbe Fähnlein; auch dieser Ring, der letzte, war ganz von Wachen besetzt.

Im Westen und im Osten des Hauses stiegen zierlich geschnittene Holztürme mit mehreren Stockwerken in die Höhe. Das glänzend weiße Birkenholz stach in dem grellen Sonnenscheine der Steppe blendend ab gegen die bunte Bemalung mit Hellrot und Hellblau, welche, in streng durchgeführter Regelmäßigkeit barbarischer und phantastischer Linien, oft ins Fratzenhafte verzerrte Bilder von Menschen, Rossen, Wölfen, Drachen, Schlangen wiederholten. Der ganze weite Bau war umgeben von halboffenen Säulengängen, nur daß, statt runder Steinsäulen, das Dach viereckige Holzpfeiler trugen, sorgfältig behauen, fein geglättet, mit dem Schabeisen geschabt und mit bunten Farben reich, nicht ohne einen gewissen naiven Geschmack, bemalt.

Das nächste Haus war das Chelchals, des greisen Vertrauten Attilas, der den Vielgetreuen vom Vater überkommen hatte. Nach dem des Herrschers erschien es als das reichste, jedoch ohne den Schmuck und die Ehrung durch jene Seitentürme; auch dies war lediglich Holzbau: die Gegend – Wiese, Heide und Steppe ringsum – gewährte weder Baum noch Stein: alles Holz mußte von weither geführt werden. Das einzige Steinhaus in der ganzen Siedelung war ein großes Bad, das der Allherrscher auf Wunsch einer seiner ungezählten Frauen – einer schönen Römerin aus Arles – sich hier von einem in Sirmium gefangenen griechischen Baumeister nach griechischem Vorbild aus rotem Marmor hatte ausführen lassen: jahrelang waren von tausenden von Sklaven die Steinblöcke dazu herangeschleppt worden.

Nahe der Gasthalle und dem damit zusammengebauten Schlafhaus Attilas lagen zahlreiche andre Gebäude, die Wohnräume seiner Frauen, gezimmert aus geschnitzten und zierlich zusammengefügten Brettern oder auch aus aufrecht stehenden viereckigen, sorgfältig behauenen Pfeilern, die untereinander durch eine Reihe zierlich geschwungener Halbkreisbogen aus buntbemaltem Lattenwerk verbunden waren. Die einzelnen Pfeiler waren geschmückt mit etwa handbreiten Holzringen wechselnder Farbe, die von unten auf, sich verjüngend, bis zu den Spitzen emporstiegen, dazwischen stets wieder in handbreiten Abständen die weiße Farbe des rohen Balkenholzes dem Blicke freigebend. So meisterhaft waren dabei an allen diesen Holzbauten Brett an Brett, ganz glatt geschabt, gefügt, daß man auch bei schärfstem Augenmerk nur mit Anstrengung die Fuge, die Stelle des Zusammenschlusses, zu entdecken vermochte. –

Die Gesandten hatten gehofft, noch an dem Tag ihres Eintreffens – sie waren zu früher Morgenstunde angelangt – vorgelassen zu werden. – Aber sie erhielten den Bescheid, Attila sei soeben aus dem Lager geritten, in den Donausümpfen Wisent und Ur zu jagen. Wohl war ihm die bevorstehende Ankunft der Gesandten angesagt worden, aber er hatte, auf das ungesattelte Pferd sich schwingend, nur erwidert: »Die Kaiser können warten, meine Jagdlaune nicht.«

 


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