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LIII.

Die Griechen sind der phantastischen persischen Reiterei nicht gewachsen. Sie ist nun hier, dann ist sie dort. Sie scheint zu spielen mit ihren Pfeilen. Sie führt ein Spiegelgefecht gegen die ein wenig zaudernden Griechen, und ihre Pfeile treffen manchen Mann. Der Tag ist heiß, und die Perser hindern die Griechen daran, sich der Quelle Gargaphia zu nähern. Das ist die Quelle, an der das ganze griechische Heer seinen Durst löscht. Die Griechen sind unruhig. Sie haben keine Vorräte. Sie leiden Hunger und Durst an diesem schwülen Tage.

Pausanias berät sich mit den Feldherren. Vielleicht sei es besser, die sogenannte Insel zu beziehen, die in nächster Nähe von Platää zwischen den verschiedenen Verzweigungen des Flusses liegt. In dieser Nacht werden sie dorthin marschieren, sagt Pausanias, allein schon, um der sie toll machenden persischen Reiterei zu entgehen. Die Griechen empfinden es und gewahren es plötzlich: da ist eine Ungewißheit in der Luft, in dieser Schwüle, eine Ungewißheit treibt an den Bergen entlang und über die Ebene und eine Ungewißheit herrscht auch in ihren Seelen. Eine Ungewißheit ist um Pausanias. Sie sehen sie ihm an, fühlen sie in ihm. Fast hat es den Anschein, als fürchte er sich. Dennoch entstammt er dem gleichen Geschlecht wie Leonidas, und dessen Vorfahren sind die seinen.

Entschlossen, diese Nacht nach der Insel zu ziehen, bleiben sie dennoch während des ganzen Tages den Herausforderungen der persischen Reiterei ausgesetzt. Wider ihren Willen bewundern sie diese glänzenden Reiter. Doch während der Nacht gelingt es ihnen, die wasserreiche Insel zu erreichen, und sie nächtigen unweit des Heraion, des Heratentempels, bei Platää.

Der Tag von Platää bricht an, die Sonne von Platää geht auf.

Als Mardonios an diesem Morgen erfuhr, die Griechen hätten ihren Lagerplatz gewechselt, rief er den thessalischen Feldherren jubelnd zu:

»Was wollt ihr noch behaupten, jetzt, da die Griechen ihr Lager verlassen haben? Ihr behauptet, daß die Lazedämonier niemals fliehen würden und daß sie die Tapfersten der Welt seien. Sie aber wechselten anfangs aus Furcht zweimal ihren Standort und ihr Lager.

Jetzt haben sie endgültig die Flucht ergriffen. Sie sind Feiglinge inmitten aller Griechen, die gleichfalls Feiglinge sind. Aber ich verzeihe euch, daß ihr sie prieset. Ihr kanntet nur sie und nicht uns Perser. Mehr noch wunderte es mich, daß sogar Artabazos, er, ein Perser, die Lazedämonier zu fürchten schien und daß er unser Heer bis nach Theben wollte zurückgehen lassen. Das soll der König einstmals erfahren! Zunächst aber wollen wir die fliehenden Griechen nicht entwischen lassen. Verfolgen wir sie und vernichten wir sie für immer an diesem Tage!«

Das ganze persische Heer zieht über den Asopos. Es überströmt wie mit einer breiten See mit Fußvolk und Reiterei die Ebene. Es trabt jauchzend in unübersehbarer Breite daher, der Sonne von Platää entgegen, und denkt nichts anderes, als daß in der Tat die Griechen geflohen seien, und folgt der Spur ihres Marsches der Insel zu. Die Athener, die hinter den Hügeln am Fuß des Kithäron liegen, sehen die Perser anfänglich nicht. Sobald sie es gewahr werden, wie die Perser jauchzend über die Ebene stürmen, reißen die Athener ihre aufgepflanzten Feldzeichen aus dem Boden und rennen über die Hügel, über die Ebene mit einem grauenerregenden Schreien und Brüllen.

Ein Herold, den Pausanias in seiner nicht zu vertreibenden Ungewißheit zu den Athenern entsandt hatte, trabt ihnen über die Hügel entgegen. Er schreit, daß die ganze persische Reiterei auf die Lazedämonier anstürme. Er ruft die Athener zu Hilfe. Er ruft ihnen zu, sie sollten zum mindesten Bogenschützen entsenden. Denn zu Fuß vermöchten sie es mit der persischen Reiterei nicht aufzunehmen. Das ganze athenische Heer stürzt brüllend und fürchterlich schreiend über die Hügel, über die Ebene den Persern nach, die sie nicht hinter sich erwarten. Es sind schwerbewaffnete Hopliten. Die persischen Bogenschützen, die sich überrascht auf den durch das Geschrei erschreckten, hoch sich aufbäumenden, wiehernden Rossen umwenden, kehren sich halb um im Sattel und richten die Pfeile gegen sie. Eine Wolke von Pfeilen verdunkelt die Luft. Die Pfeile kreuzen einander, als webten sie, jäh aufleuchtend, ein sogleich wieder zerreißendes, dunkles Netz durch die Lüfte. Die unaufhaltsamen Pfeile, die Tausende von Pfeilen machen es den Athenern unmöglich, zu nahen.


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