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Ströme und bedeutende Flüsse gehören, insofern von ihrer Verteidigung die Rede ist, gleich den Gebirgen in die Klasse der strategischen Barrieren. Sie unterscheiden sich aber von dem Gebirge in zwei Punkten, der eine betrifft ihre relative, der andere ihre absolute Verteidigung.
Wie die Gebirge verstärken sie den relativen Widerstand, aber ihre Eigentümlichkeit ist, daß sie sich wie ein Werkzeug von harter und spröder Materie verhalten; sie halten entweder jeden Stoß aus, ohne zu biegen, oder ihre Verteidigung zerbricht und hört dann gänzlich auf. Ist der Strom sehr groß, und sind die übrigen Bedingungen vorteilhaft, so kann der Übergang absolut unmöglich werden. Ist aber die Verteidigung irgend eines Stromes an einem Punkt gebrochen, so findet nicht wie im Gebirge noch ein nachhaltiger Widerstand statt, sondern die Sache ist mit diesem einen Akt abgemacht, es sei denn, daß der Strom selbst in einem Gebirgslande fließt.
Die andere Eigentümlichkeit der Ströme in Beziehung auf das Gefecht ist die, daß sie in manchen Fällen sehr gute und im allgemeinen bessere Kombinationen zu einer entscheidenden Schlacht zulassen als Gebirge.
Gemeinsam haben beide wieder, daß sie gefährliche und verführerische Gegenstände sind, die oft zu falschen Maßregeln verleitet und in mißliche Lagen versetzt haben. Wir werden auf diese Resultate bei der näheren Betrachtung der Flußverteidigung aufmerksam machen.
Obgleich die Geschichte ziemlich arm an wirksamen Stromverteidigungen ist und dadurch die Meinung gerechtfertigt wird, daß Ströme und Flüsse keine so starken Barrieren sind, als man in der Zeit geglaubt hat, da noch ein absolutes Defensivsystem nach allen Verstärkungen griff, welche die Gegend darbot, so ist ihr vorteilhafter Einfluß auf das Gefecht und die Landesverteidigung im allgemeinen doch nicht zu leugnen.
Wir wollen, um die Sache im Zusammenhang zu übersehen, die verschiedenen Gesichtspunkte zusammenstellen, aus denen wir den Gegenstand zu betrachten gedenken.
Zuerst und überhaupt müssen wir die strategischen Resultate, welche die Ströme und Flüsse durch ihre Verteidigung gewähren, von dem Einfluß unterscheiden, welchen sie auf die Landesverteidigung haben, auch ohne verteidigt zu werden.
Ferner kann die Verteidigung selbst drei verschiedene Bedeutungen haben:
Endlich müssen wir an der Verteidigung in Rücksicht auf ihre Form drei Haupt-Grade oder Arten unterscheiden, nämlich:
Nach diesen drei Graden werden wir unsere Betrachtungen einteilen und, nachdem wir jeden derselben in Beziehung auf die erste und wichtigste Bedeutung kennen gelernt haben, am Schluß auch die beiden andern berücksichtigen. – Also zuerst die unmittelbare Verteidigung, d. i. diejenige, durch welche der Übergang des feindlichen Heeres selbst verhindert werden soll.
Von dieser kann nur bei großen Strömen, d. h. bei großen Wassermassen die Rede sein.
Die Kombination von Raum, Zeit und Kraft, welche als die Elemente dieser Verteidigungstheorie angesehen werden müssen, machen den Gegenstand ziemlich verwickelt, so daß es nicht ganz leicht ist, dafür einen festen Standpunkt zu gewinnen. Bei einer genaueren Überlegung wird jeder auf folgendes Resultat kommen.
Die Zeit, welche zur Schlagung einer Brücke erforderlich ist, bestimmt die Entfernung, in welcher die Korps, die den Fluß verteidigen sollen, voneinander aufgestellt werden dürfen. Dividiert man mit diesen Entfernungen in die ganze Länge der Verteidigungslinien, so erhält man die Anzahl der Korps; dividiert man mit dieser in die Masse der Truppen, die Stärke derselben. Vergleicht man nun die Stärke der einzelnen Korps mit den Truppen, die der Feind während des Baues der Brücke durch anderweitige Mittel übergesetzt haben kann, so wird sich beurteilen lassen, ob auf einen glücklichen Widerstand zu rechnen ist. Denn nur dann darf man annehmen, daß der Übergang nicht erzwungen werden kann, wenn es dem Verteidiger möglich ist, mit einer beträchtlichen Überlegenheit, also etwa dem Doppelten, die übergesetzten Truppen anzugreifen, ehe die Brücke vollendet ist. Ein Beispiel mache die Sache klar.
Braucht der Feind 24 Stunden zur Errichtung seiner Brücke, kann er in diesen 24 Stunden nicht mehr als 20 000 Mann mit andern Mitteln übersetzen, und kann der Verteidiger innerhalb etwa 12 Stunden mit 20 000 Mann auf jedem beliebigen Punkt erscheinen: so ist der Übergang nicht zu erzwingen, denn der Verteidiger wird ankommen, wenn der übergehende etwa die Hälfte jener 20 000 Mann übergesetzt hat. Da man nun in 12 Stunden, die Zeit der Benachrichtigung mit eingerechnet, 4 Meilen marschieren kann, so würden alle 8 Meilen 20 000 Mann erforderlich sein, also 60 000 zur Verteidigung des Flusses auf eine Strecke von 24 Meilen. Diese würden hinreichen, nicht nur, um auf jedem beliebigen Punkt mit 20 000 Mann erscheinen zu können, wenn auch der Feind zwei Übergänge zu gleicher Zeit versuchte, sondern sogar mit dem Doppelten, wenn dies nicht der Fall wäre.
Hier sind also drei Umstände entscheidend: 1) die Breite des Stromes, 2) die Mittel des Überganges, denn beides entscheidet sowohl über die Dauer des Brückenbaues, als über die Anzahl der Truppen, die während des Brückenbaues übergeschafft werden können; 3) die Stärke des Verteidigers. Die Stärke der feindlichen Armee selbst kommt hierbei noch nicht in Betracht. Nach dieser Theorie kann man sagen, daß es einen Punkt gibt, wo die Möglichkeit des Übergangs ganz aufhört und keine Übermacht imstande sein würde, ihn zu erzwingen.
Dies ist die einfache Theorie der unmittelbaren Stromverteidigung, d. h. derjenigen, durch die man den Feind an der Vollendung seiner Brücke und am Übergange selbst hindern will; es ist dabei noch auf keine Wirkung der Demonstration, die der Übergehende anwenden kann, Rücksicht genommen. Wir wollen nun die näheren Umstände und die erforderlichen Maßregeln einer solchen Verteidigung in Betracht ziehen.
Abstrahiert man zuvörderst von der geographischen Eigentümlichkeit, so ist nur zu sagen, daß die durch die eben gegebene Theorie bestimmten Korps unmittelbar am Strom, in sich vereinigt, aufgestellt werden müssen. Unmittelbar am Strom, weil jede Stellung weiter rückwärts die Wege ohne Not und Nutzen verlängert; denn da die Wassermasse des Stromes sie vor jeder bedeutenden Einwirkung des Feindes sichert, so ist es ja nicht nötig, sie wie eine Reserve bei einer Landesverteidigungslinie zurückzuhalten. Außerdem sind die Straßen an den Strömen auf und ab in der Regel gangbarer als Transversalwege von hinten gegen einen beliebigen Punkt des Stromes. Endlich ist durch diese Stellung der Strom unleugbar besser beobachtet, als durch eine bloße Postenkette, hauptsächlich weil sich die Befehlshaber sämtlich in der Nähe befinden. – In sich vereinigt müssen diese Korps sein, weil sonst die ganze Zeitberechnung eine andere sein würde. Wer es weiß, was das Vereinigen in Beziehung auf Zeitverlust sagen will, der wird begreifen, daß gerade in diesem vereinigten Aufstellen die größte Wirksamkeit der Verteidigung liegt. Freilich ist es auf den ersten Anblick sehr anziehend, durch einzelne Posten dem Feinde auch schon das Überschiffen unmöglich zu machen; aber diese Maßregel ist, mit den wenigen Ausnahmen der Stellen, die sich besonders zum Übergange eignen, höchst verderblich. Der Schwierigkeit nicht zu gedenken, daß der Feind vom gegenüberstehenden Ufer einen solchen Posten meistens durch ein überlegenes Feuer vertreiben kann, so verschwendet man in der Regel seine Kräfte vergebens, d. h. man erreicht durch einen solchen Posten höchstens nur, daß der Feind einen andern Übergangspunkt wählt. Ist man also nicht so stark, daß man den Fluß wie einen Festungsgraben behandeln und verteidigen kann, ein Fall, für den es weiter keiner Regeln bedarf, so führt diese unmittelbare Uferverteidigung notwendig vom Ziele ab. Außer diesen allgemeinen Grundsätzen für Aufstellungen kommen noch in Betracht: erstens die Berücksichtigung der individuellen Eigentümlichkeit des Stroms; zweitens die Wegschaffung der Übergangsmittel; drittens der Einfluß, welchen die an ihm gelegenen Festungen haben.
Der Strom, als eine Verteidigungslinie betrachtet, muß rechts und links Anlehnungspunkte haben, wie z. B. das Meer oder ein neutrales Gebiet; oder es müssen andere Verhältnisse den Übergang des Feindes über den Endpunkt der Verteidigungslinie hinaus nicht tunlich machen. Da nun weder solche Anlehnungspunkte, noch solche Verhältnisse anders als bei großen Ausdehnungen vorkommen werden, so sieht man schon daraus, daß die Flußverteidigungen sich immer auf sehr beträchtliche Strecken ausdehnen müssen, also die Möglichkeit, eine große Menge von Truppen hinter einer verhältnismäßig kurzen Stromlinie aufzustellen, aus der Reihe der wirklichen Fälle (an die wir uns immer halten müssen) verschwindet. Wir sagen eine verhältnismäßig kurze Stromlinie und verstehen darunter eine Länge, die das gewöhnliche Maß der Ausdehnung in der Aufstellung ohne Strom nicht beträchtlich überschreitet. Solche Fälle, sagen wir, kommen nicht vor, und jede unmittelbare Stromverteidigung wird immer eine Art Kordonsystem, wenigstens was die Ausdehnung betrifft, und ist also gar nicht geeignet, einer Umgehung in der Weise entgegenzuwirken, die bei vereinigter Aufstellung die natürliche ist. Wo also ein Umgehen möglich ist, da ist die unmittelbare Stromverteidigung, wie günstig auch sonst ihre Resultate sein möchten, ein höchst gefährliches Unternehmen.
Was nun den Strom innerhalb seiner Endpunkte betrifft, so versteht sich von selbst, daß nicht alle Punkte in gleichem Maß zum Übergange geeignet sind. Es kann dieser Gegenstand im allgemeinen zwar etwas näher bestimmt, aber nicht eigentlich festgestellt werden, denn die allerkleinste Lokaleigentümlichkeit entscheidet oft viel mehr als alles, was sich in Büchern groß und wichtig ausnimmt. Eine solche Feststellung ist aber auch völlig unnütz, denn der Anblick des Stromes und die Nachrichten, welche man von den Einwohnern bekommt, weisen deutlich genug darauf hin, ohne daß man noch nötig hätte, dabei an Bücher zurückzudenken.
Zur näheren Bestimmung können wir sagen, daß die zum Fluß führenden Straßen, die in ihn fallenden Nebenflüsse, die an ihm liegenden großen Städte und endlich vorzüglich seine Inseln den Übergang am meisten begünstigen, daß dagegen die Überhöhung der Ufer, die gebogene Gestalt des Laufs an der Übergangsstelle, welche in Büchern die Hauptrolle zu spielen pflegen, selten von Einfluß gewesen sind. Die Ursache hiervon ist, daß der Einfluß dieser beiden Dinge sich auf die beschränkte Idee einer absoluten Uferverteidigung gründet, ein Fall, der bei den größten Strömen selten oder niemals vorkommt.
Von welcher Art nun auch die Umstände sind, welche einzelne Punkte des Stromes zum Übergange geeigneter machen, so werden sie Einfluß auf die Aufstellung haben und das allgemeine geometrische Gesetz modifizieren; allein sich von demselben zu weit zu entfernen, sich zu sehr auf die Schwierigkeiten des Übergehens an manchen Punkten zu verlassen, ist nicht ratsam. Der Feind wählt dann gerade die von der Natur am wenigsten begünstigten Stellen, wenn er hoffen kann, uns dort am wenigsten zu begegnen.
In jedem Fall aber ist die möglichst starke Besetzung der Inseln eine empfehlenswerte Maßregel, weil ihr ernstlicher Angriff den Übergangsort auf die sicherste Weise zu erkennen gibt. –
Da die nahe am Strome aufgestellten Korps denselben auf- und abmarschieren sollen, je nachdem es die Umstände erfordern, so gehört in Ermangelung einer Parallelstraße die Zurichtung der nächsten kleinen mit dem Fluß parallel laufenden Wege oder die Einrichtung ganz neuer auf kurze Strecken zu den wesentlichen Vorbereitungsmaßregeln der Verteidigung.
Der zweite Gegenstand, von dem wir zu reden haben, ist die Wegschaffung der Übergangsmittel. – Die Sache ist schon auf dem Strome selbst nicht leicht, wenigstens gehört dazu viel Zeit; unüberwindlich sind aber die Schwierigkeiten meistens bei den auf der feindlichen Seite einfallenden Nebenströmen, weil diese gewöhnlich schon in den Händen des Feindes sind. Daher ist es wichtig, die Ausmündungen dieser Nebenflüsse mit Festungen zu verschließen.
Da bei großen Strömen die Übergangsmittel, welche der Feind mitbringt, nämlich seine Pontons, selten zureichen, so kommt viel auf die Mittel an, die er am Strome selbst, an den Nebenflüssen und in den großen auf seiner Seite liegenden Städten findet, endlich auf die Wälder in der Nähe des Stromes, die er zum Schiff- und Floßbau benutzen kann. Es gibt Fälle, in denen ihm alle diese Umstände so ungünstig sind, daß der Stromübergang dadurch fast unmöglich wird.
Endlich sind die Festungen, welche auf beiden Seiten oder auf der feindlichen Seite des Stromes liegen, nicht nur ein gegen den Übergang deckender Schild für alle ihnen oberhalb und unterhalb naheliegenden Punkte, sondern auch ein Mittel, die Nebenflüsse zu sperren und die Übergangsmittel schnell in sich aufzunehmen.
So viel von der unmittelbaren Stromverteidigung, welche eine große Wassermasse voraussetzt. Kommt ein tiefer, steiler Taleinschnitt oder kommen sumpfige Ufer hinzu, so wird die Schwierigkeit des Überganges und die Wirksamkeit der Verteidigung zwar vermehrt, aber die Wassermasse kann dadurch nicht ersetzt werden, denn jene Umstände bilden keine absolute Unterbrechung der Gegend, und diese ist eine notwendige Bedingung der unmittelbaren Verteidigung.
Fragt man sich, welche Rolle eine solche unmittelbare Stromverteidigung in dem strategischen Plan des Feldzugs zu spielen vermag, so muß man einräumen, daß sie niemals zu einem entscheidenden Siege führen kann, teils weil es ihre Absicht ist, den Feind nirgends herüber zu lassen, oder die erste bedeutende Masse, welche er übergesetzt hat, zu erdrücken; teils weil der Strom verhindert, die erfochtenen Vorteile durch einen kräftigen Ausfall zum entscheidenden Siege zu erweitern.
Dagegen kann eine solche Stromverteidigung oft einen großen Gewinn an Zeit verschaffen, worauf es doch dem Verteidiger gewöhnlich ankommt. Die Herbeischaffung der Übergangsmittel kostet oft viel Zeit; mißlingen mehrere Versuche, so ist noch ungleich mehr Zeit gewonnen. Gibt der Feind seinen Kräften (des Stromes wegen) eine ganz andere Richtung, so werden auch wohl noch andere Vorteile dadurch erlangt; endlich wird in allen Fällen, in denen es dem Feinde mit dem Vordringen nicht rechter Ernst ist, der Strom seinen Bewegungen Stillstand gebieten und eine bleibende Schutzwehr des Landes bilden.
Eine unmittelbare Flußverteidigung kann also zwischen großen Truppenmassen, bei großen Strömen und unter günstigen Bedingungen als ein sehr gutes Verteidigungsmittel angesehen werden und Resultate geben, auf die man in der neueren Zeit (nur an die verunglückten Stromverteidigungen mit unzureichenden Mitteln denkend) zu wenig Rücksicht genommen hat. Denn wenn unter den eben gemachten Voraussetzungen (die bei einem Strom, wie der Rhein und die Donau sind, doch leicht zutreffen können) eine wirksame Verteidigung von 24 Meilen Länge vermittelst 60 000 Mann gegen eine bedeutend überlegene Macht möglich wird, so kann man wohl sagen, daß das ein beachtungswertes Resultat ist.
Wir sagen gegen eine bedeutend überlegene Macht, und müssen noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Nach der Theorie, welche wir gegeben haben, kommt alles auf die Mittel des Übergangs, und nichts auf die Macht an, welche übergehen will, sobald diese nur nicht kleiner ist, als die, welche den Fluß verteidigt. Dies scheint sehr auffallend, und doch ist es wahr. Aber man muß freilich nicht vergessen, daß die meisten Flußverteidigungen, oder richtiger gesprochen, daß alle insgesamt keine absoluten Stützpunkte haben, also umgangen werden können, und daß dieses Umgehen durch eine große Übermacht sehr erleichtert wird.
Bedenkt man nun, daß eine solche unmittelbare Stromverteidigung, selbst wenn sie vom Feinde überwältigt wird, doch noch nicht einer verlorenen Schlacht zu vergleichen ist und am wenigsten zu einer Niederlage führen kann, weil nur ein Teil unserer Truppen ins Gefecht gekommen ist, und der Gegner, durch den langsamen Übergang vermittelst einer Brücke aufgehalten, seinem Siege über dieselben nicht gleich eine große Folge geben kann, so wird man um so weniger dieses Verteidigungsmittel ganz gering schätzen können.
In allen Dingen des praktischen Lebens kommt es darauf an, den rechten Punkt zu treffen, und so macht es denn auch bei der Stromverteidigung einen großen Unterschied, ob man alle Verhältnisse richtig übersieht; ein anscheinend unbedeutender Umstand kann den Fall wesentlich verändern, und was hier eine höchst weise und wirksame Maßregel gewesen wäre, dort zu einer verderblichen Verkehrtheit machen. Diese Schwierigkeit, alles richtig zu beurteilen und nicht zu glauben, Strom sei Strom, ist hier vielleicht größer als anderswo, deshalb müssen wir uns gegen die Gefahr falscher Anwendung und Auslegung besonders verwahren; aber nachdem wir dies getan haben, können wir auch nicht umhin, unumwunden zu erklären, daß wir das Geschrei derer keiner Beachtung wert halten, die nach dunklen Gefühlen und unfixierten Vorstellungen alles von Angriff und Bewegung erwarten und in dem mit über den Kopf geschwungenen Säbel hervorpreschenden Husaren das richtigste Bild des Krieges zu sehen meinen.
Solche Vorstellungen und Gefühle sind nicht immer zureichend (wir wollen hier nur an den weiland berühmten Diktator Wedel bei Züllichau 1759 erinnern); aber, was das Schlimmste ist, sie halten auch selten aus und verlassen den Befehlshaber im letzten Augenblick, wenn große, zusammengesetzte, in tausend Beziehungen verwickelte Fälle auf ihn eindringen.
Wir glauben also, daß eine unmittelbare Stromverteidigung bei großen Truppenmassen unter günstigen Bedingungen glückliche Resultate geben kann, wenn man sich mit der bescheidenen Negative begnügt; aber dies gilt nicht für kleinere Truppenmassen. Während 60 000 Mann auf einer gewissen Stromlinie imstande sind, einem Heer von 100 000 Mann und darüber den Übergang zu verwehren, würden 10 000 Mann auf derselben Entfernung nicht imstande sein, ihn einem Korps von 10 000 Mann zu verbieten, ja vielleicht nicht einem halb so starken, wenn dieses sich in die Gefahr begeben wollte, sich mit einem so überlegenen Feinde auf derselben Seite des Stromes zu befinden. Die Sache ist klar, weil die Übergangsmittel sich nicht verändern.
Wir haben uns bisher wenig auf die Scheinübergänge eingelassen, weil sie bei der unmittelbaren Stromverteidigung nicht wesentlich in Betracht kommen; denn teils kommt es bei derselben nicht auf eine Versammlung des Heeres auf einem Punkt an, sondern es ist einem jeden Teile ohnehin eine gewisse Stromstrecke zur Verteidigung zugedacht, teils sind dergleichen Scheinübergänge auch unter den vorausgesetzten Umständen sehr schwierig. Wenn nämlich die Übergangsmittel an sich schon gering, d. h. nicht in dem Maße vorhanden sind, wie der Angreifende es zur Sicherstellung seiner Unternehmung wünschen muß, so wird er schwerlich einen bedeutenden Teil zum Scheinübergang verwenden können und wollen; in jedem Fall wird dadurch die Masse der Truppen, welche er an dem wahren Übergangspunkte hinüberschaffen kann, um so geringer, und der Gegner gewinnt wieder an Zeit, die er durch die Ungewißheit verloren haben könnte.
Diese unmittelbare Stromverteidigung dürfte sich in der Regel nur für Hauptströme auf der letzten Hälfte ihres Laufes eignen.
Die zweite Verteidigungsart ist für kleinere Flüsse und tief eingeschnittene Täler, oft sogar für sehr unbedeutende, die geeignete. Sie besteht in einer weiter rückwärts in solcher Entfernung genommenen Aufstellung, daß man die Möglichkeit hat, die feindliche Armee beim Übergang entweder geteilt zu finden (wenn sie auf mehreren Punkten zugleich übergeht), oder nahe am Fluß, auf eine Brücke und Straße beschränkt, wenn sie auf einem Punkt übergegangen ist. Mit dem Rücken dicht an einen Fluß oder einen tiefen Taleinschnitt geklemmt und auf einen einzigen Rückzugsweg beschränkt zu sein, ist eine höchst nachteilige Lage für eine Schlacht; in der Benutzung dieses Umstandes besteht gerade die wirksamste Verteidigung von Flüssen mittlerer Größe und tiefen Taleinschnitten.
Die Aufstellung einer Armee in großen Korps dicht am Flusse, welche wir bei der unmittelbaren Verteidigung für die beste halten, setzt voraus, daß es dem Feinde unmöglich ist, den Fluß unvermutet und in großen Massen zu passieren, weil sonst bei jener Aufstellungsart die Gefahr, getrennt und einzeln geschlagen zu werden, sehr groß sein würde. Sind also die Umstände, welche die Flußverteidigung begünstigen, nicht vorteilhaft genug, hat der Feind schon viele Mittel zum Überschiffen in Händen, hat der Fluß viele Inseln oder gar Furten, ist er nicht breit genug, sind wir zu schwach u. s. w., so kann von jener Methode nicht mehr die Rede sein; die Truppen müssen zu ihrer sicheren Verbindung untereinander etwas vom Fluß zurückgezogen werden, und alles, was nun übrig bleibt, ist eine so viel als möglich beschleunigte Vereinigung auf demjenigen Punkt, wo der Feind den Übergang unternimmt, um ihn anzugreifen, ehe er noch so viel Feld gewonnen, daß ihm mehrere Übergänge zu Gebote stehen. Hier wird also der Fluß oder das Tal durch eine Vorpostenkette beobachtet und schwach verteidigt werden müssen, während die Armee in mehreren Korps auf passenden Punkten und in einiger Entfernung (gewöhnlich einige Stunden) vom Fluß aufgestellt wird.
Die Hauptschwierigkeit liegt hier im Durchzuge durch die Straßenenge, welche der Fluß und sein Tal bildet. Hier kommt es also nicht bloß auf die Wassermasse des Flusses an, sondern auf das Ganze der Straßenenge, und in der Regel hindert ein tiefes Felsental viel mehr als eine beträchtliche Flußbreite. Die Schwierigkeit des Durchzuges einer bedeutenden Truppenmasse durch eine beträchtliche Straßenenge ist in der Wirklichkeit sehr viel größer, als sich aus der bloßen Überlegung zu ergeben scheint. Die erforderliche Zeit ist sehr beträchtlich, die Gefahr, daß der Feind noch während des Durchzuges sich zum Meister der umgebenden Höhen machen könnte, sehr beunruhigend. Rücken die ersten Truppen zu weit vor, so treffen sie früher auf den Feind und sind in Gefahr, von einer überlegenen Macht erdrückt zu werden; bleiben sie in der Nähe des Übergangspunktes, so schlägt man sich in der schlimmsten Lage. Der Übergang über einen solchen Einschnitt des Bodens, um jenseits desselben sich mit der feindlichen Armee zu messen, ist daher ein kühnes Unternehmen oder setzt eine große Überlegenheit und Sicherheit in der Führung voraus.
Freilich kann sich eine solche Verteidigungslinie nicht zu einer ähnlichen Länge ausdehnen wie die unmittelbare Verteidigung eines großen Stromes, denn man will mit dem Ganzen bereinigt schlagen, und die Übergänge, wenn sie auch noch so schwierig sind, können doch nicht mit denen über einen großen Strom verglichen werden; das Umgehen liegt also dem Feinde viel näher. Allein dieses Umgehen verschiebt ihn aus seiner natürlichen Richtung (denn wir setzen, wie sich von selbst versteht, voraus, daß der Taleinschnitt diese ungefähr senkrecht durchschneidet) und die nachteilige Wirkung der beengten Rückzugslinien verliert sich nicht mit einemmal, sondern erst nach und nach, so daß der Verteidiger auch dann immer noch einige Vorteile über den Vorgehenden hat, wenn dieser auch nicht gerade im Augenblick der Krise von ihm erreicht worden ist, sondern durch das Umgehen schon etwas mehr Spielraum gewonnen hat.
Da wir nicht bloß von den Flüssen in Beziehung auf ihre Wassermasse reden, sondern fast mehr als diese den tiefen Einschnitt ihrer Täler im Auge haben, so müssen wir bevorworten, daß darunter kein förmliches Gebirgstal verstanden werden dürfe, weil dann alles davon gilt, was vom Gebirge gesagt worden ist. Bekanntlich gibt es aber sehr viele ebene Gegenden, wo selbst die kleinsten Flüsse tiefe und steile Einschnitte bilden; außerdem gehören auch morastige Ufer und andere Hindernisse des Zuganges hierher.
Unter diesen Bedingungen ist also die Aufstellung einer Verteidigungsarmee hinter einem beträchtlichen Fluß oder tieferen Taleinschnitt eine sehr vorteilhafte Lage und diese Art der Flußverteidigung zu den besten strategischen Maßregeln zu zählen.
Die Blöße derselben (der Punkt, auf dem der Verteidiger leicht straucheln kann) ist die zu große Ausdehnung der Streitkräfte. Es ist so natürlich, sich in einem solchen Fall von einem Übergangspunkte bis zum andern fortziehen zu lassen und den rechten Punkt zu verfehlen, wo man abschneiden muß; gelingt es aber nicht, mit der ganzen Armee vereinigt zu schlagen, so ist die Wirkung verfehlt; ein verlorenes Gefecht, ein notwendiger Rückzug und mancherlei Verwirrung und Verlust bringen die Armee einer völligen Niederlage nahe, selbst wenn sie nicht bis aufs äußerste standhält.
Daß der Verteidiger unter dieser Bedingung sich nicht weit ausdehnen dürfe, daß er in jedem Fall seine Kräfte am Abend desselben Tages gesammelt haben müsse, an dem der Feind übergeht, ist genug gesagt und kann die Stelle aller weiteren Kombinationen von Zeit, Kraft und Raum vertreten, die hier von so vielen Örtlichkeiten abhängig sind.
Die unter solchen Umständen herbeigeführte Schlacht muß einen eigentümlichen Charakter haben, nämlich den der höchsten Impetuosität von seiten des Verteidigers. Die Scheinübergänge, durch die der Angreifende ihn eine Zeitlang in Ungewißheit erhalten haben kann, werden ihn den wirklichen in der Regel erst erkennen lassen, wenn es die höchste Zeit ist. Die eigentümlichen Vorteile der Lage des Verteidigers bestehen in der nachteiligen Lage der feindlichen Korps, die er gerade vor sich hat; kommen von andern Übergangspunkten andere Korps vorbei, die ihn umfassen, so kann er diesen nicht wie in einer Defensivschlacht mit kräftigen Stößen von hinten entgegenwirken, sonst opferte er die Vorteile seiner Lage auf; er muß also die Sache in seiner Front entscheiden, ehe diese Korps ihm nachteilig werden, d. h. er muß, was er vor sich hat, so schnell und kräftig als möglich angreifen und durch dessen Niederlage das Ganze entscheiden.
Der Zweck dieser Flußverteidigung kann aber niemals der Widerstand gegen eine zu überlegene Macht sein, wie er allenfalls bei der unmittelbaren Verteidigung eines großen Stromes denkbar ist; denn in der Regel bekommt man es mit dem größten Teil der feindlichen Macht wirklich zu tun, und wenn dies auch unter vorteilhaften Umständen der Fall ist, so ist doch leicht einzusehen, daß das Verhältnis der Macht dabei schon sehr in Betracht kommt.
So ist es mit der Verteidigung mittlerer Flüsse und tiefer Taleinschnitte, wenn von den großen Massen des Heeres selbst die Rede ist, für welche der beträchtliche Widerstand, den man an den Talrändern selbst leisten kann, in keinen Betracht gegen die Nachteile einer verzettelten Stellung kommen kann, und denen ein entschiedener Sieg Bedürfnis ist. Kommt es aber bloß auf die Verstärkung einer untergeordneten Verteidigungslinie an, die eine Zeitlang widerstehen soll und auf Unterstützung berechnet ist, so kann allerdings eine unmittelbare Verteidigung der Talränder oder selbst der Ufer stattfinden, und obgleich hier nicht ähnliche Vorteile zu erwarten sind wie in Gebirgsstellungen, so wird der Widerstand doch immer länger dauern als in gewöhnlicher Gegend. Nur ein Fall macht diesen Gebrauch sehr gefährlich oder unmöglich: wenn der Fluß sich in sehr krausen Schlangenlinien fortzieht, was gerade bei tiefeingeschnittenen oft vorkommt. Man betrachte nur den Lauf der Mosel. Im Falle ihrer Verteidigung würden die an den ausgehenden Bogen vorgeschobenen Teile beim Rückzug fast unvermeidlich verloren gehen.
Daß ein großer Strom dasselbe Verteidigungsmittel gestattet, dieselbe Verteidigungsweise, und zwar unter noch viel günstigeren Umständen, die wir als die für mittlere Flüsse geeignetste in Beziehung auf die Masse des Heeres erwähnt haben, versteht sich von selbst. Sie wird besonders dann zur Anwendung kommen, wenn es dem Verteidiger auf einen entscheidenden Sieg ankommt. (Aspern.)
Der Fall, in dem sich ein Heer mit seiner Front dicht an einem Strom, einem Fluß oder einem tiefen Tal aufstellt, um dadurch ein taktisches Zugangshindernis zu beherrschen oder eine Frontverstärkung zu gewinnen, ist ein ganz anderer, dessen nähere Betrachtung in die Taktik gehört; wir wollen von dem Resultat dieser Maßregel nur so viel sagen, daß sie im Grunde eine völlige Selbsttäuschung ist. – Ist der Einschnitt sehr beträchtlich, so wird die Front der Stellung dadurch absolut unangreifbar; da nun das Vorbeigehen einer solchen Stellung nicht mehr Umstände macht als das jeder andern, so ist es im Grunde nicht viel mehr, als wenn der Verteidiger dem Angreifenden selbst aus dem Wege gegangen wäre, was doch schwerlich die Absicht der Aufstellung war. Eine solche Aufstellung kann also nur da Nutzen haben, wo sie infolge der Örtlichkeit die Verbindungslinien des Angreifenden so bedroht, daß jedes Ausbiegen von der direkten Straße mit allzu nachteiligen Folgen verbunden wäre.
Bei dieser zweiten Verteidigungsart sind die Scheinübergänge viel gefährlicher, denn der Angreifende kann sie leichter unternehmen, der Verteidiger hingegen hat die Aufgabe, sein ganzes Heer auf dem rechten Punkt zu versammeln. Dem Verteidiger ist die Zeit hier allerdings nicht ganz so knapp zugemessen, weil seine Vorteile so lange währen, bis der Angreifende seine ganze Macht vereinigt und sich mehrerer Übergänge bemächtigt hat; dagegen ist die Wirksamkeit der Scheinangriffe nicht so groß wie bei der Verteidigung eines Kordons, wo alles festgehalten werden soll, und es also bei Verwendung der Reserve nicht, wie bei unserer Aufgabe, auf die bloße Frage ankommt, wo der Gegner seine Hauptmacht hat, sondern auf die viel schwierigere, welchen Punkt er am ersten überwältigen wird.
Von beiden Verteidigungsarten großer und kleiner Flüsse müssen wir im allgemeinen noch bemerken, daß sie, in der Eile und Verwirrung eines Rückzuges angeordnet, ohne Vorbereitungen, ohne Wegschaffung der Übergangsmittel, ohne genaue Kenntnis der Gegend allerdings nicht das leisten können, was wir uns dabei gedacht haben; in den meisten Fällen ist gar nicht darauf zu rechnen, und deshalb bleibt es ein großer Fehler, sich in ausgedehnten Stellungen zu zerteilen.
Überhaupt wird, da im Kriege alles fehlzuschlagen pflegt, was man nicht mit klarem Bewußtsein, mit ganzem und festem Willen tut, auch eine Flußverteidigung schlechten Erfolg haben, die gewählt wird, weil man nicht den Mut hat, dem Gegner in offener Feldschlacht entgegenzutreten, und hofft, daß der breite Fluß, das tiefe Tal ihn aufhalten werden. Da ist so wenig von wahrem Vertrauen zu der eigenen Lage die Rede, daß gewöhnlich Feldherr und Heer voll der besorglichsten Ahnungen sind, die denn auch schnell genug in Erfüllung zu gehen pflegen. Eine offene Feldschlacht setzt ja nicht wie ein Duell völlig gleiche Umstände voraus, und ein Verteidiger, der sich in derselben keine Vorteile, weder durch die Eigentümlichkeit der Verteidigung, noch durch schnelle Märsche oder durch Kenntnis der Gegend und durch Freiheit der Bewegungen zu erwerben weiß, dem ist nicht zu helfen, und am wenigsten werden der Fluß und sein Tal es vermögen.
Die dritte Art der Verteidigung: durch eine auf der feindlichen Seite genommene feste Stellung, gründet ihre Wirksamkeit auf die Gefahr, welche dem Feinde daraus entspringt, daß ein Fluß seine Verbindungslinien durchschneiden und ihn auf einige Brückenübergänge beschränken kann. Es ergibt sich von selbst, daß hier nur von bedeutenden Flüssen mit großen Wassermassen die Rede sein kann, da diese allein jenen Fall bedingen, während ein bloß tiefeingeschnittener Fluß gewöhnlich eine solche Zahl von Übergängen gestattet, daß jede Gefahr verschwindet.
Sehr fest, fast unangreifbar muß aber die Stellung des Verteidigers sein, sonst würde er ja dem Feind halben Weges entgegenkommen und seine Vorteile aufgeben. Ist sie aber von solcher Stärke, daß der Feind sich nicht zu einem Angriff auf sie entschließt, so wird er unter gewissen Umständen dadurch selbst auf das Ufer gebannt, auf dem der Verteidiger sich befindet. Ginge der Angreifende über, so würde er seine Verbindungen preisgeben, aber freilich zugleich die unsrigen bedrohen. Hier, wie bei allen Fällen, in denen man einander vorbeigeht, kommt es darauf an, wessen Verbindungen der Zahl, der Lage und den übrigen Umständen nach gesicherter sind, und wer auch in andern Beziehungen mehr dabei zu verlieren hat, also von dem Gegner überboten werden kann; endlich, wer in seinem Heer mehr Siegeskraft bewahrt, um sich im äußersten Fall darauf zu stützen. Der Fluß tut hierbei nichts, als daß er die gegenseitigen Gefahren einer solchen Bewegung potenziert, weil man auf Brücken eingeschränkt ist. Insofern man nun annehmen kann, daß nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge die Übergänge des Verteidigers sowie seine Depots aller Art durch Festungen mehr gesichert sein werden als die des Angreifenden, so ist eine solche Verteidigung allerdings denkbar und würde dann in Fällen, wo die übrigen Umstände einer unmittelbaren Flußverteidigung nicht günstig genug sind, diese ersetzen. Zwar ist dann der Fluß nicht durch die Armee verteidigt, auch die Armee nicht durch den Fluß, aber das Land ist es durch die Verbindung beider, worauf es doch ankommt.
Indessen muß man gestehen, daß diese Verteidigungsart ohne entscheidenden Schlag, welche der Spannung gleicht, in der sich die beiden Elektrizitäten bei der bloßen Berührung ihrer Atmosphäre befinden, nur geeignet ist, einen nicht sehr kräftigen Impuls aufzuhalten. Gegen einen vorsichtigen, unentschlossenen Feldherrn, den nichts heftig vorwärts drängt, wird sie, selbst bei großer Überlegenheit seiner Kräfte, anwendbar sein; ebenso, wenn schon ein gleichgewichtiges Schweben der Kräfte vorher eingetreten ist, und man einander nur kleine Vorteile abzugewinnen sucht. Hat man es aber mit überlegenen Kräften und einem verwegenen Gegner zu tun, so befindet man sich auf gefährlichem Wege und dicht am Abgrunde.
Diese Verteidigungsart nimmt sich übrigens so keck und doch so wissenschaftlich aus, daß man sie die elegante nennen möchte; aber da Eleganz leicht an Fatuität hinstreift, und diese im Kriege nicht so leicht verziehen wird wie in der Gesellschaft, so hat man doch wenig Beispiele dieser eleganten Art. Aus dieser dritten Art entwickelt sich ein besonderes Hilfsmittel für die beiden ersten Arten, nämlich das Festhalten einer Brücke und eines Brückenkopfs, um immer mit dem Übergange zu drohen. –
Außer dem Zweck eines absoluten Widerstandes mit der Hauptmacht kann jede der drei Arten der Flußverteidigung noch den eines Scheinwiderstandes haben.
Dieser Schein eines Widerstandes, den man nicht wirklich leisten will, ist zwar mit vielen andern Maßregeln und im Grunde mit jeder Stellung verbunden, die etwas anderes als ein bloßes Marschlager ist, allein die Scheinverteidigung eines großen Flusses wird dadurch zu einer wahren Vorspiegelung, daß man dazu eine Menge mehr oder weniger umständlicher Maßregeln ergreift, und daß die Wirkung größer und dauernder zu sein pflegt als bei allen andern; denn der Akt eines solchen Stromüberganges im Angesicht eines Heeres ist für den Angreifenden immer ein wichtiger Schritt, vor dem er sich oft lange besinnen, oder den er für gelegenere Zeit aufschieben wird.
Zu einer solchen Scheinverteidigung ist also erforderlich, daß sich das Hauptheer (ungefähr in der Weise wie bei einer ernstlichen) an dem Flusse verteilt und aufstellt; da aber die Absicht der bloßen Scheinverteidigung zeigt, daß für eine wirkliche die Umstände nicht günstig genug sind, so würde aus jener Aufstellung, die notwendig immer eine mehr oder weniger ausgedehnte und zerstreute sein muß, sehr leicht die Gefahr großer Verluste entstehen, wenn die Korps sich wirklich in einen, wenn auch nur mäßigen, Widerstand einlassen wollten; das würde im eigentlichen Sinne eine halbe Maßregel sein. Bei einer Scheinverteidigung muß also alles auf eine unfehlbare Vereinigung des Heeres in einem weiter und zwar beträchtlich (oft mehrere Tagemärsche) weiter zurückliegenden Punkte berechnet sein; und nur so viel Widerstand, als damit verträglich ist, darf geleistet werden.
Um unsere Meinung deutlich zu machen und zugleich die Wichtigkeit zu zeigen, welche eine solche Scheinverteidigung haben kann, erinnern wir an das Ende des Feldzuges von 1813. Bonaparte brachte etwa vierzig- bis fünfzigtausend Mann wieder über den Rhein. Diesen Strom damit in der Ausdehnung verteidigen zu wollen, in welcher die Verbündeten nach der Richtung ihrer Kräfte bequem übergehen konnten, nämlich von Mannheim bis Nimwegen, wäre eine Unmöglichkeit gewesen. Bonaparte konnte also nur daran denken, den ersten ernstlichen Widerstand etwa an der französischen Maas zu leisten, wo er einigermaßen wieder verstärkt auftreten konnte. Hätte er seine Kräfte sogleich bis dahin zurückgezogen, so würden die Verbündeten ihm auf dem Fuß gefolgt sein; hätte er sie hinter dem Rhein in Erholungsquartiere verlegt, so konnte einen Moment später dasselbe fast nicht ausbleiben; denn auch bei der kleinmütigsten Behutsamkeit würden die Alliierten doch Schwärme von Kosaken und andern leichten Truppen haben übergehen lassen, und wenn es sich zeigte, daß dies guten Erfolg hatte, so würden andere Korps gefolgt sein. Die französischen Korps mußten also Anstalten treffen, den Rhein ernstlich zu verteidigen. Da vorauszusehen war, daß bei dieser Verteidigung, sobald die Verbündeten den Übergang wirklich unternahmen, nichts herauskommen konnte, so war sie als eine bloße Demonstration zu betrachten, bei der die französischen Korps gar keine Gefahr liefen, da ihr Vereinigungspunkt an der oberen Mosel lag. Nur Macdonald, der bekanntlich mit zwanzigtausend Mann bei Nimwegen stand, beging den Fehler, abzuwarten, bis er wirklich vertrieben wurde, was, da dies durch die spätere Ankunft des Winzingerodeschen Korps erste Mitte Januar geschah, ihn verhinderte, sich vor der Schlacht von Brienne mit Bonaparte zu vereinigen. Diese Scheinverteidigung des Rheins hat also doch hingereicht, die Verbündeten in ihrer vorschreitenden Bewegung zum Stehen und zu dem Entschluß zu bringen, den Übergang bis zur Ankunft ihrer Verstärkungen, d. h. sechs Wochen lang, zu verschieben. Diese sechs Wochen mußten Bonaparte von unendlichem Wert sein. Ohne die Scheinverteidigung des Rheins hätte der Sieg von Leipzig unmittelbar nach Paris geführt, und eine Schlacht diesseits dieser Hauptstadt wäre den Franzosen vollkommen unmöglich gewesen.
Auch bei der Flußverteidigung der zweiten Art, also bei mittleren Flüssen, kann eine solche Vorspiegelung stattfinden, nur wird sie im allgemeinen weniger wirksam sein, weil hier bloße Versuche eines Überganges leichter sind, der Zauber also bald gebrochen sein wird.
Bei der dritten Art der Flußverteidigung würde die Demonstration vermutlich noch unwirksamer sein und nicht weiter gehen als die einer jeden andern vorläufig genommenen Stellung.
Endlich sind die ersten beiden Verteidigungsarten sehr geeignet, einer für irgend einen untergeordneten Zweck aufgestellten Vorposten- oder andern Verteidigungslinie (Kordon), oder auch einem zu bloßer Beobachtung bestimmten Nebenkorps eine viel größere und sicherere Stärke zu gewähren, als sie ohne den Fluß haben würden. In allen diesen Fällen kann nur von einem relativen Widerstand die Rede sein, und dieser wird natürlich durch einen solchen Bodeneinschnitt beträchtlich gesteigert. Hierbei muß man indessen nicht bloß an den verhältnismäßig beträchtlichen Zeitgewinn denken, den der Widerstand im Gefecht selbst verschaffen kann, sondern auch an die vielen Bedenklichkeiten von seiten des Gegners, die vor solcher Unternehmung erhoben zu werden pflegen, infolge welcher sie bei nicht dringenden Veranlassungen unter hundertmal neunundneunzigmal unterbleibt.