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Der Begriff der Verteidigung ist das Abwehren; in diesem Abwehren liegt das Abwarten, und dieses Abwarten ist uns das Hauptmerkmal der Verteidigung und zugleich ihr Hauptvorteil gewesen.
Da aber die Verteidigung im Kriege kein bloßes Dulden sein kann, so kann auch das Abwarten kein absolutes sein, sondern nur ein relatives; der Gegenstand, auf welchen sich dasselbe bezieht, ist dem Raum nach entweder das Land oder das Kriegstheater oder die Stellung, der Zeit nach der Krieg, der Feldzug oder die Schlacht. Daß diese Gegenstände keine unveränderliche Einheiten sind, sondern nur die Mittelpunkte gewisser Gebiete, die sich ineinander verlaufen und miteinander verschlingen, wissen wir wohl; allein im praktischen Leben muß man sich oft damit begnügen, die Dinge nur zu gruppieren, nicht streng zu sondern, und jene Begriffe haben durch das praktische Leben selbst hinreichende Bestimmtheit bekommen, so daß man um sie die übrigen Vorstellungen bequem sammeln kann.
Eine Verteidigung des Landes also wartet nur den Angriff des Landes, eine Verteidigung des Kriegstheaters den Angriff des Kriegstheaters, eine Verteidigung der Stellung den Angriff der Stellung ab. Jede positive und folglich mehr oder weniger angriffsartige Tätigkeit, welche sie nach diesem Augenblick übt, wird den Begriff der Verteidigung nicht aufheben, denn das Hauptmerkmal derselben und ihr Hauptvorteil, das Abwarten, hat stattgefunden.
Die der Zeit angehörigen Begriffe von Krieg, Feldzug, Schlacht gehen neben den Begriffen von Land, Kriegstheater und Stellung her und haben deshalb dieselbe Beziehung zu unserem Gegenstand.
Die Verteidigung besteht also aus zwei heterogenen Teilen, dem Abwarten und dem Handeln. Indem wir das erstere auf einen bestimmten Gegenstand bezogen haben und also dem Handeln vorangehen lassen, haben wir die Verbindung beider zu einem Ganzen möglich gemacht. Aber ein Akt der Verteidigung, besonders ein großer, wie ein Feldzug oder ganzer Krieg, wird der Zeit nach nicht aus zwei großen Hälften bestehen, der ersten, wo man bloß abwartet, und der zweiten, wo man bloß handelt, sondern aus einem Wechsel dieser beiden Zustände, in denen sich das Abwarten durch den ganzen Akt der Verteidigung wie ein fortlaufender Faden durchziehen kann.
Daß wir diesem Abwarten eine solche Wichtigkeit beilegen, geschieht bloß, weil die Natur der Sache es fordert; in den bisherigen Theorien ist es freilich als ein selbständiger Begriff niemals hervorgehoben worden, in der praktischen Welt aber hat es, obgleich oft unbewußt, unaufhörlich zum Leitfaden gedient. Es ist ein solcher Grundbestandteil des ganzen kriegerischen Aktes, daß dieser ohne jenen kaum als möglich erscheint, und wir werden daher in der Folge noch oft darauf zurückkommen, indem wir auf die Wirkungen desselben in dem dynamischen Spiel der Kräfte aufmerksam machen.
Jetzt wollen wir uns damit beschäftigen, deutlich zu machen, wie das Prinzip des Abwartens sich durch den Akt der Verteidigung hindurchzieht, und welche Stufenfolge der Verteidigung selbst daraus entspringt.
Um unsere Vorstellungen an dem einfacheren Gegenstande festzustellen, wollen wir die Landesverteidigung, in welcher eine größere Mannigfaltigkeit und ein stärkerer Einfluß politischer Verhältnisse stattfinden, bis zu dem Buche vom Kriegsplan liegen lassen; auf der andern Seite ist der Verteidigungsakt in einer Stellung und Schlacht ein Gegenstand der Taktik, welcher nur als Ganzes den Anfangspunkt der strategischen Tätigkeit bildet, daher wird die Verteidigung des Kriegstheaters derjenige Gegenstand sein, an dem wir die Verhältnisse der Verteidigung am besten zeigen können.
Wir haben gesagt: das Abwarten und das Handeln, welches letztere immer ein Zurückgeben des Stoßes, also eine Reaktion ist, sind beides ganz wesentliche Teile der Verteidigung, denn ohne das erstere wäre sie keine Verteidigung, ohne das letztere kein Krieg. Diese Ansicht hat uns früher schon auf die Vorstellungsart geführt, daß die Verteidigung nichts sei als die stärkere Form der Kriegführung, um den Gegner um so sicherer zu besiegen; diese Vorstellung müssen wir durchaus festhalten, teils, weil sie in letzter Instanz allein gegen das Absurdum schützt, teils, weil sie den ganzen Akt der Verteidigung um so mehr kräftigt, je lebendiger und je näher sie uns bleibt.
Wollte man also in der Reaktion, welche den zweiten notwendigen Bestandteil der Verteidigung ausmacht, einen Unterschied machen, und diejenige, welche das eigentliche Abwehren aus macht: das Abwehren vom Lande, vom Kriegstheater, von der Stellung, allein als den notwendigen Teil betrachten, der nur so weit reichen würde, als die Sicherung dieser Gegenstände es erfordert, und dagegen die Möglichkeit einer weiter getriebenen Reaktion, die in das Gebiet des wirklichen strategischen Angriffs übergeht, als einen der Verteidigung fremden und gleichgültigen Gegenstand ansehen, so würde das gegen die obige Vorstellungsart sein, und wir können daher einen solchen Unterschied nicht als einen wesentlichen betrachten, sondern müssen dabei beharren, daß jeder Verteidigung die Idee einer Wiedervergeltung zugrunde liegen muß; denn, wieviel Nachteil man auch im glücklichen Falle bei jener ersten Reaktion seinem Gegner zugefügt haben könnte, es würde immer noch an dem gehörigen Gleichgewicht in dem dynamischen Verhältnis von Angriff und Verteidigung fehlen.
Wir sagen also: die Verteidigung ist die stärkere Form der Kriegführung, um den Gegner leichter zu besiegen, und überlassen es den Umständen, ob dieser Sieg über den Gegenstand, auf welchen sich die Verteidigung bezog, hinausgeht oder nicht.
Aber da die Verteidigung an den Begriff des Abwartens gebunden ist, so kann jener Zweck, den Feind zu besiegen, nur bedingungsweise vorhanden sein, nämlich nur, wenn der Angriff erfolgt, und es versteht sich also, daß die Verteidigung, wenn dies nicht geschieht, sich mit der Erhaltung des Besitzes begnügt; dies ist also ihr Zweck im Zustand des Abwartens, d. h. ihr nächster, und nur, indem sie sich mit diesem bescheideneren Ziel begnügt, kann sie zu den Vorteilen der stärkeren Kriegsform gelangen.
Denken wir uns nun ein Heer mit seinem Kriegstheater zur Verteidigung bestimmt, so kann diese geschehen:
Am einfachsten und deutlichsten zeigt sich dieser Fall, wenn der Verteidiger eine oder mehrere seiner Festungen hinter sich lassen kann, die der Angreifende zu belagern oder einzuschließen gezwungen ist. Wie sehr seine Streitkraft dadurch geschwächt und dem Verteidiger Gelegenheit gegeben wird, sie auf einem Punkt mit großer Überlegenheit anzugreifen, ist an sich klar.
Aber auch wenn keine Festungen da sind, kann ein solcher Rückzug in das Innere dem Verteidiger allmählich das nötige Gleichgewicht oder die Überlegenheit verschaffen, die ihm an der Grenze fehlten, denn jedes Vorschreiten im strategischen Angriff schwächt teils absolut, teils durch die notwendig werdende Teilung, wovon wir beim Angriff mehr sagen werden. Wir antizipieren hier diese Wahrheit, indem wir sie als ein durch alle Kriege hinlänglich bewiesenes Faktum betrachten.
In diesem vierten Fall nun ist vor allen Dingen der Zeitgewinn als ein bedeutender Vorteil zu betrachten. Belagert der Angreifende unsere Festungen, so haben wir Zeit bis zu ihrem wahrscheinlichen Fall (was doch mehrere Wochen, in einigen Fällen mehrere Monate betragen kann); ist aber seine Schwächung, d. h. die Erschöpfung seiner Angriffskraft bloß durch das Vorgehen und die Besetzung der notwendigen Punkte, also bloß durch die Länge seiner Bahn entstanden, so wird der Zeitgewinn in den meisten Fällen noch größer, und unser Handeln nicht so sehr an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sein.
Außer dem veränderten Machtverhältnis, welches am Ende dieser Bahn zwischen Verteidiger und Angreifendem eintritt, müssen wir für jenen auch wieder den gesteigerten Vorteil des Abwartens in Rechnung bringen. Wenn auch wirklich der Angreifende durch dieses Vorgehen noch nicht in dem Maße geschwächt worden wäre, daß er nicht unsere Hauptmacht da, wo sie Halt macht, noch angreifen könnte, so wird es ihm doch vielleicht an Entschluß dazu fehlen, denn dieser Entschluß wird hier immer stärker sein müssen, als er es an der Grenze zu sein braucht; teils sind die Kräfte geschwächt und nicht mehr frisch und die Gefahr gesteigert, teils reicht bei unentschlossenen Feldherren der Besitz des Landes, zu dem sie gelangt sind, oft hin, den Gedanken an eine Schlacht ganz zu entfernen, weil sie entweder wirklich glauben oder als Vorwand annehmen, sie nicht mehr nötig zu haben. Durch diesen unterlassenen Angriff kann freilich nicht, wie an der Grenze, dem Verteidiger ein genügender negativer Erfolg zuteil werden, aber doch ein großer Zeitgewinn. –
Es ist klar, daß in allen den vier angegebenen Fällen der Verteidiger den Beistand der Gegend genießt, und ebenso, daß er dadurch die Mitwirkung seiner Festungen und des Volkes mit in die Handlung bringen kann; und zwar werden diese wirksamen Prinzipe mit jeder neuen Stufe der Verteidigung zunehmen, denn sie sind es namentlich, welche bei der vierten Stufe die Schwächung der feindlichen Macht bewirken. Da nun die Vorteile des Abwartens in derselben Richtung zunehmen, so folgt von selbst, daß jene Stufen als eine wahre Steigerung der Verteidigung zu betrachten sind, und daß diese Form des Krieges immer stärker wird, je weiter sie sich von dem Angriff entfernt. Wir fürchten nicht, daß man uns darum der Meinung beschuldige, als sei die Passiveste aller Verteidigungen die stärkste. Die Handlung des Widerstandes soll mit jeder neuen Stufe nicht geschwächt, sondern nur verzögert, verlegt werden. Die Behauptung aber, daß man in einer starken und zweckmäßig verschanzten Stellung eines stärkeren Widerstandes fähig sei, und daß, wenn sich an diesem die Kräfte des Feindes halb erschöpft haben, auch ein wirksamerer Rückstoß gegen ihn erfolgen könne, ist gewiß nichts Widersinniges. Ohne die Vorteile der Stellung hätte Daun bei Kollin den Sieg wohl nicht errungen, und wenn er, als Friedrich der Große nicht mehr als 18 000 Mann vom Schlachtfelde zurückbrachte, diese stärker verfolgt hätte, so konnte der Erfolg einer der glänzendsten in der Kriegsgeschichte werden.
Wir behaupten also, daß mit jeder neuen Verteidigungsstufe das Übergewicht oder, genauer gesprochen, das Gegengewicht wächst, welches der Verteidiger bekommt, und folglich auch die Stärke des Rückschlages.
Sind nun diese Vorteile der steigenden Verteidigung ganz umsonst zu haben? Keineswegs, denn die Opfer, mit welchen sie erkauft werden, steigen in demselben Verhältnis.
Wenn wir den Feind innerhalb unseres Kriegstheaters abwarten, so wird, wie nahe auch an der Grenze die Entscheidung gegeben wird, dieses Kriegstheater doch immer von der feindlichen Macht betreten, was nicht ohne Opfer von seiten desselben geschehen kann, während wir durch einen Angriff diesen Nachteil dem Feinde auferlegt haben würden. Gehen wir dem Feinde nicht gleich entgegen, um ihn anzugreifen, so werden die Opfer schon etwas größer, und der Raum, welchen der Feind einnimmt, wie die Zeit, welche er braucht, um an unsere Stellung zu kommen, vermehren sie fortwährend. Wollen wir eine Verteidigungsschlacht liefern, überlassen wir also den Entschluß und die Wahl des Augenblicks dazu dem Feinde, so kann es sein, daß er geraume Zeit im Besitz des Landstrichs bleibt, den er inne hat, und die Zeit, welche er uns durch seinen Mangel an Entschluß gewinnen läßt, wird auf jene Weise von uns bezahlt. Noch fühlbarer werden die Opfer, wenn ein Rückzug in das Innere des Landes stattfindet.
Aber alle diese Opfer, welche der Verteidiger bringt, verursachen ihm meist nur einen Ausfall an Kräften, der bloß mittelbar, also später, und nicht unmittelbar auf seine Streitkräfte einwirkt, und oft so mittelbar, daß die Wirkung wenig fühlbar wird. Der Verteidiger sucht sich also auf Kosten der Zukunft im gegenwärtigen Augenblick zu verstärken, d. h. er borgt, wie jeder tun muß, der für seine Verhältnisse zu arm ist.
Wenn wir nun den Erfolg dieser verschiedenen Widerstandsformen betrachten wollen, so müssen wir auf den Zweck des Angriffs sehen. Dieser ist: in den Besitz unseres Kriegstheaters oder wenigstens eines bedeutenden Teils desselben zu gelangen, denn unter dem Begriff des Ganzen muß wenigstens die größere Masse desselben verstanden werden, da der Besitz eines Landstrichs von wenigen Meilen in der Strategie in der Regel keine selbständige Wichtigkeit hat. So lange also der Angreifende in diesem, Besitz noch nicht ist, d. h. so lange er, weil er sich vor unserer Macht fürchtet, entweder noch gar nicht zum Angriff des Kriegstheaters vorgeschritten ist, oder uns in unserer Stellung noch nicht aufgesucht hat, oder der Schlacht, welche wir ihm liefern wollten, ausgewichen ist, so lange ist der Zweck der Verteidigung erfüllt, und die Wirkungen der Verteidigungsmaßregeln sind also erfolgreich gewesen. Aber freilich ist dieser Erfolg ein bloß negativer, welcher zu einem eigentlichen Rückstoß zwar nicht unmittelbar die Kräfte geben kann. Er kann sie aber mittelbar geben, d. h. er ist auf dem Wege dazu, denn die Zeit, welche verstreicht, verliert der Angreifende, und jeder Zeitverlust ist ein Nachteil und muß auf irgend eine Art den, welcher ihn erleidet, schwächen.
Es wird also bei den ersten drei Stufen der Verteidigung, d. h. wenn sie an der Grenze geschieht, schon die Nichtentscheidung ein Erfolg der Verteidigung sein.
So ist es aber nicht bei der vierten.
Belagert der Feind unsere Festungen, so müssen wir sie zur rechten Zeit entsetzen, also ist es an uns, die Entscheidung durch positives Handeln herbeizuführen.
Eben dies ist der Fall, wenn der Feind uns in das Innere des Landes gefolgt ist, ohne einen unserer Plätze zu belagern. Zwar haben wir in diesem Fall mehr Zeit, wir können den Augenblick der höchsten Schwächung des Feindes abwarten, aber immer bleibt doch die Voraussetzung, daß wir endlich zum Handeln übergehen müssen. Der Feind ist zwar nun im Besitz vielleicht des ganzen Landstrichs, welcher den Gegenstand seines Angriffs ausmachte; allein er ist ihm nur geliehen; die Spannung dauert fort, und die Entscheidung steht noch bevor. So lange der Verteidiger sich täglich verstärkt und der Angreifende sich täglich schwächt, ist die Nichtentscheidung in dem Interesse des ersteren; sowie aber der Kulminationspunkt eintritt, der notwendig eintreten muß, wäre es auch nur durch die endliche Einwirkung der allgemeinen Verluste, welchen der Angreifende sich ausgesetzt hat, so ist das Handeln und Entscheiden an dem Verteidiger, und der Vorteil des Abwartens ist als völlig erschöpft zu betrachten.
Dieser Zeitpunkt hat natürlich kein allgemeines Maß, denn eine Menge von Umständen und Verhältnissen können ihn bestimmen, aber bemerken müssen wir doch, daß der Winter ein natürlicher Wendepunkt zu sein pflegt. Können wir den Feind nicht hindern, in dem eingenommenen Landstrich zu überwintern, so wird er in der Regel als aufgegeben zu betrachten sein. Man braucht aber nur an das Beispiel von Torres Vedras zu denken, um einzusehen, daß diese Regel keine allgemeine ist.
Welches ist nun die Entscheidung überhaupt?
Wir haben sie in unserer Betrachtung stets in Form einer Schlacht gedacht; dies ist nun freilich nicht notwendig, sondern es lassen sich eine Menge Gefechtskombinationen mit geteilter Macht denken, die zu einem Umschwung führen können, entweder, indem sie sich wirklich blutig entladen, oder indem ihre wahrscheinlichen Wirkungen den Rückzug des Gegners notwendig machen.
Eine andere Entscheidung kann es auf dem Kriegstheater selbst nicht geben, das folgt ganz notwendig aus der Ansicht vom Kriege, wie wir sie aufgestellt haben; denn selbst wenn ein feindliches Heer aus bloßem Mangel an Lebensmitteln seinen Rückzug antritt, so entsteht doch dieser erst aus der Einschränkung, in welcher unser Schwert dasselbe hält; wäre unsere Streitkraft gar nicht vorhanden, so würde es schon Rat zu schaffen wissen.
Also auch am Ende seiner Angriffsbahn, wenn der Feind den schwierigen Bedingungen seines Angriffs erliegt, Entsendungen, Hunger und Krankheit ihn geschwächt und ausgezehrt haben, ist es immer nur die Furcht vor unserm Schwert, die ihn veranlassen kann, umzukehren und alles wieder fahren zu lassen. Aber es findet freilich nichtsdestoweniger ein großer Unterschied zwischen einer solchen Entscheidung statt und einer an der Grenze gegebenen.
Hier treten seinen Waffen nur die unsrigen entgegen, nur diese halten jene im Zaum oder wirken zerstörend auf sie ein; dort aber, am Ende der Angriffsbahn, sind die feindlichen Streitkräfte schon durch die eigenen Anstrengungen halb zugrunde gerichtet, dadurch wird unsern Waffen ein ganz anderes Gewicht gegeben, und sie sind also, wenn auch der letzte, doch nicht mehr der einzige Entscheidungsgrund. Diese Vernichtung der feindlichen Streitkräfte im Vorgehen bereitet die Entscheidung vor, und sie kann das in dem Maße tun, daß die bloße Möglichkeit unserer Reaktion den Rückzug, also den Umschwung veranlassen kann. In diesem Fall also kann man praktisch nicht anders als die Entscheidung diesen Anstrengungen im Vorgehen zuschreiben. Nun wird man freilich keinen Fall finden, wo das Schwert des Verteidigers nicht mitgewirkt hätte; aber es ist für die praktische Ansicht wichtig, zu unterscheiden, welches der beiden Prinzips das vorherrschende gewesen ist.
In diesem Sinne nun glauben wir sagen zu können, daß es in der Verteidigung eine doppelte Entscheidung, also eine doppelte Reaktionsart gebe, je nachdem der Angreifende durch das Schwert des Verteidigers oder durch seine eigenen Anstrengungen zugrunde gehen soll.
Daß die erste Entscheidungsart bei den ersten drei Stufen der Verteidigung, die zweite bei der vierten vorherrschen wird, ist an sich klar; und zwar wird die letztere hauptsächlich nur vorkommen können, wenn der Rückzug tief in das Innere des Landes stattfindet; und sie allein ist es, welche einen solchen Rückzug mit den großen Opfern, die er kostet, motivieren kann.
Wir haben also zwei verschiedene Prinzipe des Widerstandes kennen gelernt; es gibt Fälle in der Kriegsgeschichte, wo sie so rein und getrennt Vorkommen, als im praktischen Leben ein Elementarbegriff nur Vorkommen kann. Wenn Friedrich der Große 1745 die Österreicher bei Hohenfriedberg angreift, als sie eben aus den schlesischen Gebirgen niedersteigen, so konnte ihre Kraft weder durch Entsendungen noch durch Anstrengungen auf eine merkliche Weise geschwächt sein; wenn auf der andern Seite Wellington in der verschanzten Stellung von Torres Vedras abwartet, bis Hunger und Kälte Massenas Heer so weit gebracht haben, daß es seinen Rückzug von selbst antritt, so hat an der wirklichen Schwächung des Angreifenden das Schwert des Verteidigers keinen Anteil gehabt. In andern Fällen, wo sie vielfältig miteinander verbunden sind, herrscht doch das eine bestimmt vor. So war es im Jahre 1812. Es haben in diesem berühmten Feldzuge so viele blutige Gefechte stattgefunden, daß durch sie unter andern Verhältnissen die vollkommenste Entscheidung durch das Schwert hätte gegeben werden können; nichtsdestoweniger ist wohl nie so deutlich wie in diesem Feldzuge gesehen worden, wie der Angreifende durch seine eigenen Anstrengungen zugrunde gehen kann. Von den 300 000 Mann, die das französische Zentrum bildeten, kamen nur etwa 90 000 nach Moskau; nur etwa 13 000 waren detachiert, es waren also 197 000 Mann verloren worden, und gewiß ist nicht über ein Dritteil dieses Verlustes auf die Gefechte zu rechnen.
Alle Feldzüge, welche sich durch ein sogenanntes Temporisieren ausgezeichnet haben, wie die des berühmten Fabius Cunctator, sind vorzugsweise auf die Vernichtung des Gegners durch seine eigenen Anstrengungen berechnet gewesen. Dieses Prinzip war in vielen Feldzügen das leitende, ohne daß es recht zur Sprache käme, und nur wenn man gegen die erkünstelten Gründe der Geschichtschreiber die Augen verschließt, dafür aber den Begebenheiten selbst scharf ins Auge sieht, wird man auf diesen wahren Grund vieler Entscheidungen hingeführt.
Hiermit glauben wir diejenigen Vorstellungen, welche der Verteidigung zugrunde liegen, hinlänglich entwickelt und in den zwei Hauptarten des Widerstandes deutlich gezeigt und verständlich gemacht zu haben, wie sich das Prinzip des Abwartens durch das ganze Gedankensystem hindurchzieht und sich mit dem positiven Handeln verbindet, so daß dieses hier früher, dort später hervortritt, und der Vorteil des Abwartens dann als erschöpft erscheint.
Wir meinen nun hiermit das ganze Gebiet der Verteidigung durchmessen und umfaßt zu haben. Freilich gibt es in demselben noch Gegenstände von hinreichender Wichtigkeit, um besondere Abschnitte, d. h. Mittelpunkte eigener Gedankensysteme zu bilden, deren wir also auch gedenken müssen, z. B. des Wesens und Einflusses der Festungen, verschanzter Lager, der Gebirgs- und Flußverteidigungen, der Flankenwirkungen u. s. w. Wir werden davon in den folgenden Kapiteln handeln; aber alle diese Gegenstände liegen nicht außer unserer obigen Vorstellungsreihe, sondern sind nur als eine nähere Anwendung derselben auf Örtlichkeit und Verhältnisse zu betrachten. Jene Vorstellungsreihe hat sich uns aus dem Begriff der Verteidigung und aus ihrem Verhältnis zum Angriff ergeben; wir haben diese einfachen Vorstellungen an die Wirklichkeit angeknüpft und so den Weg gezeigt, wie man aus der Wirklichkeit zu jenen einfachen Vorstellungen wieder zurückgelangen und festen Grund gewinnen kann, damit man nicht genötigt sei, im Räsonnement zu Stützpunkten seine Zuflucht zu nehmen, die selbst in der Luft schweben.
Allein der Widerstand durch das Schwert kann durch die Mannigfaltigkeit der Gefechtskombinationen, besonders in Fällen, wo diese nicht wirklich zur Ausführung gelangen, sondern durch ihre bloße Möglichkeit wirksam werden, ein so verändertes Ansehen, einen so verschiedenen Charakter bekommen, daß man sich zu der Meinung hingezogen fühlt, hier müsse auch ein anderes wirksames Prinzip aufgefunden werden können; zwischen dem blutigen Zurückweisen in einer einfachen Schlacht und den Wirkungen strategischer Kombinationen, welche die Sache gar nicht so weit kommen lassen, sei ein solcher Unterschied, daß man notwendig eine neue Kraft annehmen müsse; ungefähr wie die Astronomen aus dem großen Zwischenraum zwischen Mars und Jupiter auf das Dasein anderer Planeten geschlossen haben.
Wenn der Angreifende den Verteidiger in einer festen Stellung findet, die er nicht glaubt überwältigen, oder hinter einem bedeutenden Flusse, den er nicht glaubt überschreiten zu können, selbst wenn er beim weiteren Vorgehen fürchtet, seiner Verpflegung nicht gehörig sicher zu sein, so ist es immer nur das Schwert des Verteidigers, welches diese Wirkungen hervorbringt; denn die Furcht, von diesem Schwerte entweder in Hauptgefechten oder auf besonders wichtigen Punkten besiegt zu werden, ist es, die den Angreifenden zum Stillstand nötigt, nur wird er dies entweder gar nicht oder nicht unumwunden aussprechen.
Gibt man uns nun auch zu, daß selbst bei der unblutigen Entscheidung in letzter Instanz die Gefechte entschieden haben, welche nicht wirklich stattfanden, sondern bloß angeboten wurden, so wird man doch meinen, daß in diesem Fall die strategische Kombination dieser Gefechte als das wirksamste Prinzip betrachtet werden müsse, nicht ihre taktische Entscheidung, und daß dieses Vorwalten der strategischen Kombination nur gemeint sein könne, wenn man an andere Verteidigungsmittel als die des Schwertes denke. Wir räumen dies ein, befinden uns nun aber gerade auf dem Punkte, auf welchen wir gelangen wollten. Wir sagen nämlich: wenn der taktische Erfolg in den Gefechten die Grundlage aller strategischen Kombinationen ausmachen muß, so ist es immer möglich und zu fürchten, daß der Angreifende bis auf diese Grundlage durchgreife, und sich vor allen Dingen darauf einrichte, in diesen taktischen Erfolgen Meister zu werden, um dadurch die strategische Kombination zu vernichten; daß diese also niemals als etwas Selbständiges betrachtet werden darf, sondern daß sie nur ihre Geltung hat, wenn man wegen der taktischen Erfolge aus diesem oder jenem Grunde ohne Sorgen sein kann. Um uns hier mit wenigen Worten verständlich zu machen, wollen wir nur daran erinnern, daß ein Feldherr wie Bonaparte durch ein ganzes strategisches Gewebe seiner Gegner rücksichtslos durchschritt, um den Kampf selbst aufzusuchen, weil er in diesem Kampf fast niemals an dem Ausgang zweifelte. Wo also die Strategie nicht ihr ganzes Streben darauf richtete, ihn bei diesem Kampfe mit einer überlegenen Macht zu unterdrücken, wo sie sich auf feinere (schwächere) Beziehungen einließ, war sie wie Spinnwebe zerrissen. Ein Feldherr aber wie Daun konnte durch solche Beziehungen aufgehalten werden; es wäre also töricht, einem Bonaparte und seiner Armee zu bieten, was die preußische Armee des Siebenjährigen Krieges Daun und der seinigen bieten durfte. Warum? – weil Bonaparte recht gut wußte, daß alles auf die taktischen Erfolge ankomme, und derselben gewiß war, während beides sich bei Daun anders verhielt. Darum also halten wir es für verdienstlich, zu zeigen, daß jede strategische Kombination nur auf den taktischen Erfolgen ruht, und daß diese überall, in der blutigen wie in der unblutigen Lösung, die eigentlichen Grundursachen der Entscheidung sind. Nur wenn man diese nicht zu fürchten hat, sei es wegen des Charakters oder der Verhältnisse des Gegners, oder wegen des moralischen und physischen Gleichgewichts beider Heere, oder gar wegen des Übergewichts des unsrigen, nur dann kann man von den strategischen Kombinationen ohne Gefechte an sich etwas erwarten.
Wenn wir nun in dem ganzen Umfang der Kriegsgeschichte eine große Anzahl von Feldzügen finden, in denen der Angreifende ohne blutigen Kampf seinen Angriff aufgibt, wo sich also schon die bloßen strategischen Kombinationen so wirksam zeigen, so könnte das zu dem Gedanken führen, daß diese Kombinationen wenigstens in sich eine große Stärke haben und da, wo nicht in den taktischen Erfolgen eine zu entschiedene Überlegenheit des Angreifenden vorauszusetzen wäre, die Sache meistens allein entscheiden könnten. Hierauf müssen wir antworten, daß, wenn man von den Dingen spricht, die auf dem Kriegstheater ihren Ursprung haben, also dem Kriege selbst angehören, auch diese Vorstellung falsch ist, und daß die Unwirksamkeit der meisten Angriffe ihren Grund in den höheren, den politischen Verhältnissen des Krieges hat.
Die allgemeinen Verhältnisse, aus denen ein Krieg hervorgeht, und die natürlich seine Grundlage bilden, bestimmen auch seinen Charakter; wir werden davon in der Folge beim Kriegsplan mehr zu sagen haben. Diese allgemeinen Verhältnisse aber haben die meisten Kriege zu einem Halbdinge gemacht, in dem die eigentliche Feindschaft sich durch einen solchen Konflikt von Beziehungen winden muß, daß sie nur ein sehr schwaches Element bleiben kann. Dies muß sich natürlich beim Angriff, auf dessen Seite sich das positive Handeln findet, am meisten und stärksten zeigen. So ist es denn freilich kein Wunder, wenn solcher atemloser, hektischer Angriff durch den Druck eines Fingers zum Stillstand gebracht werden konnte. Gegen einen matten, von tausend Rücksichten gelähmten, kaum noch vorhandenen Entschluß ist oft der Schein eines Widerstandes genug.
Es ist nicht die Anzahl unangreifbarer Stellungen, welche sich überall finden, nicht die Furchtbarkeit der dunkeln Gebirgsmassen, welche sich über das Kriegstheater hin lagern, oder des breiten Stromes, der es durchzieht, nicht die Leichtigkeit, durch gewisse Zusammenstellungen der Gefechte den Muskel, der den Stoß gegen uns ausführen soll, wirklich zu lähmen; alle diese Dinge sind nicht die wahre Ursache des häufigen Erfolges, den der Verteidiger auf unblutigem Wege erlangt, sondern sie liegt in der Schwäche des Willens, mit welcher der Angreifende den zögernden Fuß vorsetzt.
Jene Gegengewichte können und müssen berücksichtigt werden, aber man soll sie nur als das erkennen, was sie sind, und ihre Wirkungen nicht andern Dingen zuschreiben, nämlich den Dingen, von denen wir hier allein sprechen. Wir dürfen nicht unterlassen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie die Kriegsgeschichte in dieser Beziehung so leicht zu einem stehenden Lügner und Betrüger werden kann, wenn die Kritik nicht darauf bedacht ist, einen berichtigenden Standpunkt einzunehmen.
Betrachten wir jetzt die vielen ohne blutige Lösung mißlungenen Angriffsfeldzüge in der Gestalt, welche wir die vulgäre nennen möchten.
Der Angreifende rückt in Feindesland vor, drängt den Gegner ein Stück zurück, findet aber zu viel Bedenken, es auf eine entscheidende Schlacht ankommen zu lassen; er bleibt also vor ihm stehen, tut, als habe er eine Eroberung gemacht und keine andere Aufgabe, als diese zu decken; als sei es an dem Gegner, die Schlacht zu suchen, als biete er sie ihm täglich an u. s. w. Dies sind Vorspiegelungen, die der Feldherr seinem Heer, seinem Hof, der Welt, ja sich selbst macht. Der wahre Grund ist aber, daß man den Gegner in seiner Lage zu stark findet. Wir sprechen hier nicht von dem Fall, wo der Angreifende den Angriff unterläßt, weil er vom Siege keinen Gebrauch machen kann, weil er am Ende seiner Laufbahn nicht mehr Schwungkraft genug hat, eine neue zu beginnen. Dieser Fall setzt einen schon gelungenen Angriff, eine wirkliche Eroberung voraus; wir haben aber hier den Fall im Auge, wo der Angreifende mitten in der beabsichtigten Eroberung stecken bleibt.
Nun wird gewartet, um günstige Umstände zu benutzen; zu diesen günstigen Umständen sind in der Regel keine Aussichten vorhanden, denn der beabsichtigte Angriff beweist schon, daß man sich von der nächsten Zukunft nicht mehr versprechen konnte, als von der Gegenwart; es ist also ein neues Trugbild. Steht nun, wie gewöhnlich, das Unternehmen im Zusammenhange mit andern gleichzeitigen, so wird andern Heeren zugeschoben, was man nicht selbst leisten mag, und die Gründe der eigenen Untätigkeit werden im Mangel an Unterstützung und Zusammenstimmung gesucht. Es wird von unüberwindlichen Schwierigkeiten gesprochen, und Motive werden in den verwickeltsten, feinsten Beziehungen gefunden. So verzehren sich die Kräfte des Angreifenden in Untätigkeit, oder vielmehr in einer unzureichenden und darum erfolglosen Tätigkeit. Der Verteidiger gewinnt Zeit, worauf es ihm hauptsächlich ankommt, die schlechte Jahreszeit naht, und der Angriff endigt damit, daß der Angreifende in sein eigenes Kriegstheater zu den Winterquartieren zurückkehrt.
Jenes Gewebe von unwahren Vorstellungen geht nun in die Geschichte über und verdrängt den ganz einfachen, wahren Grund des Nichterfolges, nämlich die Furcht vor dem feindlichen Schwert. Geht nun die Kritik in einen solchen Feldzug ein, so müht sie sich an einer Menge von Gründen und Gegengründen ab, die kein überzeugendes Resultat geben, weil sie alle in der Luft schweben und man in den eigentlichen Grundbau der Wahrheit nicht hinuntersteigt. Die Gegengewichte, durch welche die Elementarkraft des Krieges und also der Angriff insbesondere geschwächt wird, liegen dem größeren Teile nach in den politischen Verhältnissen und Absichten des Staats, und diese werden der Welt, dem eigenen Volke und Heere immer, in manchen Fällen aber sogar dem Feldherrn verborgen. Niemand wird seine Zaghaftigkeit durch das Geständnis motivieren, daß er fürchtet, mit seiner Kraft nicht bis ans Ende zu reichen, oder sich neue Feinde zu erwecken, oder daß er seinen Bundesgenossen nicht will zu stark werden lassen u. s. w. Solche Dinge werden verschwiegen; für die Welt aber soll das Geschehene im Zusammenhange dargestellt werden, und so wird denn der Feldherr genötigt, entweder für eigene Rechnung oder für Rechnung seiner Regierung ein Gewebe falscher Gründe geltend zu machen. Diese immer wiederkehrenden Spiegelfechtereien der Kriegsdialektik haben sich in der Theorie zu Systemen verknöchert, die natürlich ebensowenig Wahrheit haben. Nur indem die Theorie, wie wir es versucht haben, dem einfachen Faden des innern Zusammenhangs folgt, kann sie auf das Wesen der Dinge zurückkommen.
Betrachtet man die Kriegsgeschichte mit diesem Mißtrauen, so sinkt ein großer Angriffs- und Verteidigungsapparat, der nur in Hin- und Herreden besteht, in sich zusammen, und die einfache Vorstellungsart, welche wir davon gegeben haben, tritt von selbst hervor. Wir glauben also, daß sie auf das ganze Gebiet der Verteidigung angewendet werden muß, und daß man nur, indem man an ihr festhält, imstande ist, die Masse der Ereignisse mit klarer Einsicht zu beurteilen.
Jetzt haben wir uns noch mit der Frage über den Gebrauch dieser verschiedenen Formen der Verteidigung zu beschäftigen.
Da sie nur in Steigerungen derselben bestehen, die durch immer steigende Opfer erkauft werden, so würde dadurch, wenn andere Umstände nicht mitwirkten, die Wahl des Feldherrn schon hinlänglich bestimmt werden. Er würde diejenige Form wählen, welche ihm eben zureichend schiene, um seiner Streitkraft den erforderlichen Grad von Widerstandsfähigkeit zu verschaffen, aber nicht weiter zurückreichen, um keine unnützen Opfer zu bringen. Allein man darf nicht übersehen, daß die Wahl dieser verschiedenen Formen meistens sehr beschränkt ist, weil andere Umstände, welche berücksichtigt werden müssen, zu der einen oder andern Verteidigungsweise notwendig hindrängen. Für den Rückzug ins Innere des Landes ist eine beträchtliche Oberfläche erforderlich, oder Verhältnisse wie die in Portugal 1810, wo ein Verbündeter (England) im Rücken den Anhalt gab, und ein anderer (Spanien) mit seiner weiten Länderfläche die Stoßkraft des Feindes beträchtlich schwächte. Die Lage der Festungen, mehr an der Grenze oder mehr im Innern des Landes, kann ebenfalls für oder gegen einen solchen Plan entscheiden, noch mehr aber die Natur des Landes und Bodens, der Charakter, die Sitten, die Gesinnung der Einwohner. Die Wahl zwischen Angriffs- und Verteidigungsschlacht kann durch den Plan des Gegners, durch die Eigentümlichkeit beider Heere und Feldherren entschieden werden; endlich kann der Besitz einer vorzüglichen Stellung oder Verteidigungslinie, oder deren Mangel, zu dem einen oder andern führen; – kurz, es ist genug, diese Dinge zu nennen, um fühlen zu lassen, daß die Wahl bei der Verteidigung in vielen Fällen mehr durch sie als durch das bloße Machtverhältnis bestimmt werden kann. Da wir die wichtigsten hier berührten Gegenstände noch näher kennen lernen werden, so wird sich der Einfluß, welchen sie auf die Wahl haben, auch dann erst bestimmter entwickeln, und zuletzt alles in dem Buche vom Kriegs- und Feldzugsplan zu einem Ganzen zusammenfassen lassen.
Aber jener Einfluß wird meistens nur dann bestimmend werden, wenn das Machtverhältnis nicht zu ungleich ist, im entgegengesetzten Fall aber (sowie in der Allgemeinheit der Fälle) wird dieses Machtverhältnis durchgreifen. Daß es dies getan hat, auch ohne daß solche Vorstellungsreihe, wie wir sie hier entwickelt haben, vorhanden war, also dunkel nach dem bloßen Takt des Urteils, wie das meiste, was im Kriege geschieht, beweist die Kriegsgeschichte hinlänglich. Es war derselbe Feldherr, dasselbe Heer, welche auf demselben Kriegstheater einmal die Schlacht von Hohenfriedberg lieferten und ein andermal das Lager von Bunzelwitz bezogen. Also auch Friedrich der Große, welcher, was die Schlacht betrifft, der offensiveste aller Feldherren war, sah sich zuletzt bei großem Mißverhältnis der Macht zu einer eigentlichen Verteidigungsstellung gezwungen, und Bonaparte, der früher wie ein wilder Eber seinen Gegner anfiel, sehen wir ihn nicht, als das Machtverhältnis sich gegen ihn wandte, im August und September 1813, schon wie in einen Käfig eingesperrt, sich hin- und herwenden, ohne auf einen der Gegner rücksichtslos fortzuschießen? Im Oktober desselben Jahres aber, als das Mißverhältnis seinen Gipfel erreichte, sehen wir ihn nicht bei Leipzig, in dem Winkel der Parthe, Elster und Pleiße Schutz suchend, wie im Winkel eines Zimmers den Rücken gegen die Wand gelehnt, seine Feinde abwarten?
Wir können nicht unbemerkt lassen, daß aus diesem Kapitel mehr als aus irgend einem andern unseres Buches deutlich wird, wie wir es nicht darauf anlegen, neue Grundsätze und Methoden des Kriegführens anzugeben, sondern nur das längst Vorhandene in feinem innersten Zusammenhange untersuchen und auf seine einfachsten Elemente zurückführen wollen.