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Der Reichsbund.

Der jetzige Zeitpunkt erscheint mir geeignet, einer Anregung des Herausgebers dieser Zeitschrift zu folgen, nach der ich einen in einem früheren Artikel ausgesprochenen Gedanken über die Einheit der englischsprechenden Rasse und die zwischen ihren Zweigen vorhandenen Beziehungen näher ausführen soll. Der »Reichsbund« und die »Reichsverbands-Handelsliga« stehen ja augenblicklich im Vordergrunde der Weltbühne, und die Monatsschriften und Tageszeitungen ergehen sich darüber in Erörterungen. Jede der beiden genannten Vereinigungen hat kürzlich eine Unterredung mit dem Premierminister gewährt bekommen und von ihm dabei den Rat erhalten, den ersten Schritt zu tun und wenigstens die Grundzüge ihres Programms zu liefern. Diese Tatsache ist insofern von großer Bedeutung, als die von jenen beiden Organisationen vertretenen Ansichten einander derart widerstreiten, daß es die von Lord Salisbury an zweiter Stelle gehörte Vereinigung für nötig gehalten hat, ihn vor der Unterredung zu ersuchen, auf die Ideen der andern nicht einzugehn – ein Beweis einer Besorgtheit, die ganz unnötig gewesen zu sein scheint, da nach Lord Salisburys Erwiderung bis jetzt offenbar keine der beiden Vereinigungen imstande gewesen ist, ihm irgend etwas Erwägenswertes zu unterbreiten. Er hat weislich eine Darlegung der Einzelheiten verlangt, nachdem er von glitzernden Allgemeinheiten genug gehabt hatte. Es ist dies eine Aufforderung, der unbedingt Folge gegeben werden muß, um das weitere Bestehen dieser Vereinigungen zu rechtfertigen. Wenn sie ein Programm nicht aufstellen können, werden sie sicher zurücktreten.

Bevor wir die dauernden gegenseitigen Beziehungen der Zweige unsrer Rasse näher betrachten, müssen wir unsre Aufmerksamkeit zunächst den beiden Phasen des »Verbündungsgedankens« zuwenden.

Die Reichsverbands-Handelsliga faßt ausschließlich das Geschäft ins Auge; andre Gefühle sprechen dabei nicht mit – überall der Handel und nichts als Handel. Wir haben daher, soweit sie in Frage kommt, nur zu betrachten, ob Britannien und seine Kolonien ein gutes Geschäft machen würden, wenn sie sich gegen die Außenwelt zusammenschlössen und einander günstigere Bedingungen einräumten als den Außenstehenden. Hierauf zurückgeführt, wird die Frage zu einer bloßen ziffernmäßigen. Es ist der Gedanke des »Zollvereins«; Beide Ausdrücke im Original deutsch. der des »Kriegsvereins« Beide Ausdrücke im Original deutsch. fehlt. Sehen wir daher zunächst, wie Britannien in der vorgeschlagenen neuen Richtung fahren würde. Es führt etwa 250 Millionen seiner jährlichen Erzeugung aus. Davon nehmen die englischsprechenden Selbstverwaltungskolonien 31 Millionen oder ein Achtel, Indien etwa denselben Betrag, alle anderen britischen Besitzungen 20 Millionen: zusammen etwa 82 Millionen £, während der verbleibende, reichlich doppelte Betrag von anderen Ländern abgenommen wird. Man schlägt nun vor, die Kunden, die für 166 Millionen £ verbrauchen, ungünstiger zu stellen als diejenigen, die halbsoviel verbrauchen. Mit der britischen Einfuhr steht es ebenso, denn im Jahre 1889 betrug der Ein- und Ausfuhrhandel mit den Kolonien usw. nur 187 Millionen £ bei einer Gesamtsumme von 554 Millionen – ein Drittel auf die abhängigen Gebiete gegen zwei Drittel auf das Ausland. Wenn die Aussicht bestände, daß der erstere Handel schneller wüchse als der andere, könnte man annehmen, daß die Zukunft das Opfer rechtfertigen würde; nichts verspricht aber diese Gestaltung der Dinge; der Handel mit den Kolonien sowohl wie mit Indien neigt im Gegenteil dazu, abzunehmen, während der mit den fremden Nationen wächst. Der Grund ist klar: Die älteren Nationen haben ihre Hilfsquellen entwickelt und der Handel mit ihnen bewegt sich daher jetzt auf seiner endgültigen Grundlage; die Kolonien haben erst neuerdings angefangen, ihren eigenen Bedarf zu decken, und werden ihre Fähigkeit in dieser Richtung noch bedeutend steigern. Es ist kaum zu erwarten, daß ihre Nachfrage am englischen Markte selbst nach Verdoppelung ihrer Bevölkerung sehr gewachsen sein wird. Die gegenwärtige Neigung zur Abnahme dürfte vielmehr eine Zeitlang noch andauern.

Die Hauptfrage ist: »Welche Antwort würden die andern Nationen auf eine industrielle Kriegserklärung geben?« Wären Britannien und seine Kolonien, wie die 44 Staaten der Republik, die der Welt den besten Beweis des Segens des Freihandels liefern, ein in sich abgeschlossenes Freihandelsgebiet geblieben, so würden andere Nationen kein Recht haben, etwas dagegen einzuwenden. Eine ganz andere Frage ist es aber, ob jetzt ein Wechsel nicht Unheil bringen würde, nachdem sein Handels- und Geschäftsverkehr auf anderer Grundlage entstanden und herangewachsen ist. Ein Wechsel der Politik Britanniens gegenüber anderen Nationen kann jetzt meines Erachtens nur zu einem Wechsel der Politik jener Britannien gegenüber führen. Unterschiedliche Behandlung wird wieder unterschiedliche Behandlung veranlassen. Die Republik der Vereinigten Staaten ist z. B. Britanniens größter Kunde, denn sie nimmt mehr britische Erzeugnisse auf als alle englischsprechenden Kolonien zusammen und zwar in beständig steigendem Maße, während der Handel mit den Kolonien, ungeachtet ihrer Bevölkerungszunahme, günstigsten Falls seine Höhe behauptet. In den letzten fünf Jahren ist er etwas gesunken. Was die Republik tun würde, wenn sie unterschiedlich behandelt würde, ist leicht zu erraten, hat sie doch kürzlich dem Präsidenten die weitgehende Machtvollkommenheit verliehn, die Einfuhr der Erzeugnisse irgend eines Landes in einem solchen Falle gänzlich zu verbieten. Angenommen, Britannien wird aufgefordert, eine ungünstigere Behandlung amerikanischen Viehes zu rechtfertigen, so ist nichts sicherer, als daß dem amerikanischen Volk entweder klar bewiesen werden muß, daß tatsächlich ein guter Grund dafür besteht, oder aber der Präsident würde durch die öffentliche Meinung gezwungen werden, jenes Machtmittel zu benutzen, so konservativ, nachsichtig und friedliebend er sein mag. Es würde in diesem Punkte nicht zweierlei Meinung geben.

Und wie steht es mit Deutschland? Es bezieht von Britannien jährlich Erzeugnisse bis zum Belaufe von etwa 18 Millionen £, zweimal soviel wie ganz britisch Nordamerika und nicht viel weniger als ganz Australasien (22 Millionen £). Es sendet Britannien jährlich etwa für 3 Millionen £ Mehl und Feldfrüchte, für 1 500 000 £ Butter und Eier, für 1 500 000 £ Bauholz. Was soll die Antwort des energischen Kaisers sein, wenn die Erzeugnisse seines Landes ungünstiger behandelt werden als die Nahrungsmittel und das Bauholz kanadischen und australischen Ursprungs? Italien bezieht etwa ebensoviel britische Erzeugnisse wie ganz britisch Nordamerika, 7 Millionen £, und findet in Britannien jedes Jahr Absatz für seinen Hanf, seine Feldfrüchte usw. bis zum Belaufe von 3 Millionen £. Die argentinische Republik bezieht jährlich von Britannien für 10 bis 11 Millionen £, ganz britisch Nordamerika nur für 8 Millionen £. Welche Waffen wird sie ihrerseits gebrauchen, wenn das von ihr hierher gelieferte Hammelfleisch, ihre Wolle und ihr Getreide unterschiedlich behandelt werden? Aber wozu die Aufzählung fortsetzen? Es ist überall dasselbe Lied.

Britannien besitzt bereits den Außenhandel seiner Kolonien so gut wie ausschließlich, denjenigen Kanadas ausgenommen, von dem es nur die kleinere Hälfte, die Vereinigten Staaten eher die größere besitzen. Alle andern Kolonien haben mit fremden Nationen nur einen Handel bis zum Belaufe von 5 bis 10 % in Waren, die Britannien nicht erzeugt. Das Mutterland hat daher von irgend einem Wechsel in den fiskalischen Beziehungen zu seinen Kolonien nichts zu gewinnen; sein Kolonialhandel, der mit Kanada bis zu gewissem Grade ausgenommen, könnte dadurch nicht gesteigert werden. Warum soll es dann die Beherrschung der Märkte der Welt im Betrage von zwei Dritteln seiner Gesamtausfuhr um nichts aufs Spiel setzen? Der Hund der Fabel, der das Fleisch aus seinem Maule fallen ließ, hatte die Entschuldigung, daß das Bild im Fluß unendlich größer erschien. Die Reichshandelsliga ist nicht so entschuldbar. Sie würde eine wirkliche Taube in der Hand für nichts auf dem Dache opfern. Unser wunderbares kleines Eiland ist für zwei Drittel seines Lebensmittelbedarfes von der Außenwelt abhängig und ebenso für den Verkauf seiner Erzeugnisse auf den Weltmarkt angewiesen. Noch nie wurde ein so großes Volk so künstlich unterhalten. Was unsre Rasse hier unter diesen Bedingungen vollbracht hat, stellt die Errungenschaften aller andern Nationen in den Schatten; es ist gewaltig, und stände es nicht vor unseren Augen, würde es unmöglich erscheinen, daß eine Nation in dieser Lage noch die Führerin der Welt sein konnte. Man fragt sich unwillkürlich, was ein solcher Menschenschlag tun wird, wenn er Erdteile mit unbegrenzten landwirtschaftlichen und mineralischen Hilfsquellen beherrscht; daß er aber dann von einer Gruppe tüchtiger Männer beraten werden sollte, gegen die ganze Welt einen Zollkrieg anzufangen, erscheint als etwas, das aus keinerlei Vernunftgründen erklärbar ist. Rußland, die argentinische und die brasilianische Republik würden sich durch eine zehnjährige Sperrung ihrer Häfen nur mehr oder weniger belästigt fühlen. Die Vereinigten Staaten würden aus einer solchen Sperre stärker und von der Außenwelt unabhängiger hervorgehen als zuvor. Schlösse man aber ein Jahr lang die Häfen unsrer Insel, so würde ihr Volk an Nahrung Mangel leiden. Britanniens Haus ist ein unversehrter Glaspalast – von allen Ländern sollte es daher das letzte sein, mit Steinewerfen zu beginnen.

Etwas im nationalen Charakter Britanniens liegendes, noch mehr aber die Rolle, die es in der Welt zu spielen hatte, hat gegen Britannien den Neid, die Eifersucht und die Mißgunst einiger der mächtigsten Nationen erregt; ich glaube aber nicht, daß mein Heimatsland einen so bitteren Feind besitzt, der wünschen würde, es in einen Zollkrieg geraten zu sehen, was einem grausamen Verhängnis gleich käme, denn selbst der schlimmste Gegner muß fühlen, daß das Menschengeschlecht Britannien unsagbar viel schuldet. Eine andere Frage wäre es, wenn die Erhebung von Schutzzöllen in der Form gleichmäßiger Belastung der Erzeugnisse aller anderen Länder vorgeschlagen würde, denn dies ist eine Angelegenheit, die jede Nation für sich zu regeln hat, und andere Nationen könnten keinen Anstoß daran nehmen, wenn sich Britannien zur Wiedererhebung solcher Zölle entschlösse. Dies wäre keine industrielle Kriegserklärung gegen andere Nationen, sondern nur eine Angelegenheit innerer Politik. Ein stichhaltiger Einwand ließe sich hiergegen nicht erheben, obgleich ich ebenso sicher bin, daß der Freihandel die einzige Politik für Britannien ist, wie ich ein Schüler John Stuart Mills – und, wie ich gern hinzufüge, seines würdigen Nachfolgers Professor Marshalls bin. Ich glaube, daß die Länder, die die erforderlichen Hilfsquellen in sich schließen, wohl daran tun, das Aufkommen von Industrien durch deren zeitweilige Beschützung gegen den Wettbewerb in anderen Ländern schon fest begründeter Industrien zu fördern, immer vorausgesetzt, daß die Absicht besteht, schließlich im eigenen Land eine sichere und billigere Quelle der Versorgung zu gewinnen. Für Britannien liegt aber die Sache wie folgt: Welche Politik hat eine Nation mit einem vollständig ausgebildeten Industriesystem zu treiben, die mehr erzeugt, als ihr eigenes Volk verbrauchen kann, und die für ihre Lebensmittelversorgung auf andere Nationen angewiesen ist? Die Antwort ist klar: Friede und Freihandel mit der ganzen Welt. Cobden und Bright hatten für Britannien recht und nur darin unrecht, daß sie in ihrem Eifer annahmen, was für ein altes, mehr als seinen möglichen Verbrauch erzeugendes Land weise sei, müsse notwendig für jedes Land weise sein, auch für solche Länder, die verschiedenartige heimische Industrien erst noch zu entwickeln hatten. Mill und Marshall sind im Recht für die neuen Länder, immer vorausgesetzt, daß diese die nötigen Hilfsquellen und einen entsprechenden Markt in sich selbst besitzen, um schließlich die Erzeugnisse dem Verbraucher zu geringeren Kosten liefern zu können, als bei Abhängigkeit von fremdem Bezuge zu bezahlen wäre. So ist es den Vereinigten Staaten durch Schutzzölle gelungen, die Millionen Quadratfuß von Tafelglas, die sie jährlich brauchen, zu niedrigeren Kosten zu beschaffen, als der gleiche Artikel in Europa kostet. Oft haben sie ihre Stahlschienen billiger, als diese zollfrei eingeführt werden könnten. Es ist ihnen indeß mißlungen, ihren Bedarf an Zucker unter Schutzzöllen billiger herzustellen. Sie verzichten daher klugerweise auf diesen Versuch und befreien fremden Zucker vom Zoll. Da nun Britannien nicht das erforderliche Gebiet hat, seine Lebensmittelerzeugung erheblich zu steigern, wird jede auf Lebensmittel gelegte Steuer eine dauernde sein. Die Lehre Mills läßt sich daher nicht anwenden, denn der Zollschutz darf, wenn er weise sein soll, immer nur die Natur einer vorübergehenden Beschirmung neuer Pflanzen haben, die erst Wurzel fassen sollen. Es würde manchen überraschen, wenn Britannien auf die Ernährung seiner 38 Millionen Einwohner eine dauernde Steuer legen sollte, ohne jede Aussicht, die Erzeugung je zu steigern und die Kosten dadurch geringer und die Steuer selbst auf diese Weise schließlich überflüssig zu machen. Eine Steuer auf kurze Zeit, die die Erzeugung fördert und steigert, und eine Steuer für alle Zeiten, die die Erzeugung nicht steigern kann, sind zwei verschiedene Dinge.

Wenn sich aber Britannien in nächster Zukunft entscheidet, das alte Schutzzollsystem wieder zu versuchen, braucht deshalb noch kein unheilbarer Schaden daraus zu folgen, denn die Ergebnisse werden bald beweisen, daß der Freihandel der einzig natürliche für dieses Land ist, und es wird zu ihm mit Erfolg zurückkehren können, weil es die Gefühle seiner früheren besten Kunden nicht verletzt und ihre Feindschaft sich nicht zugezogen haben wird. Sie alle werden gleich behandelt worden sein und keiner wird daher das Recht haben, sich zu beklagen, obgleich immer zu bedenken ist, daß sich einmal abgelenkter Handel sehr schwer wieder gewinnen läßt. Der dadurch verursachte Verlust wird nicht gering sein. Während es daher Britannien freisteht, den »Zollschutz« zu versuchen und die Kosten des Versuches zu tragen und seine Schritte rückwärts zu lenken, wäre es verwegen, den dauernden Verlust, den ihm die Verwicklung in einen »Reichs-Handels«-Krieg sicher bringen würde, auch nur ermessen zu wollen.

Verlassen wir nun die britischen und ausländischen Gesichtspunkte in betreff des vorgeschlagenen Zollkrieges gegen die ganze Welt, so bleibt für unsere Betrachtung noch, welche Antwort die Kolonien auf eine Einladung zum Anschluß geben würden.

Beginnen wir mit Kanada, der größten von ihnen. Wie schon bemerkt, setzt es einen größeren Teil seiner Erzeugnisse in der Nachbarrepublik als im Mutterland ab. Es findet auch seinen Vorteil dabei, mehr von der ersteren als vom letzteren zu kaufen. Während der Wintermonate verdankt es seine regelmäßige Verbindung mit der Außenwelt der Gefälligkeit der Republik; seine Dampfer laufen Portland in Maine an und sein Durchfuhr- und Personenverkehr bewegt sich durch amerikanisches Gebiet, um Quebec oder Montreal zu erreichen. Sein vielgerühmtes Ost-Westbahnsystem kann kaum die Selbstkosten einbringen und gewiß keine Überschüsse abwerfen, außer wenn ihm die Republik in großmütiger Weise erlaubt, sich an amerikanische Bahnen anzuschließen und mit diesen, unter gleichen Bedingungen, um den Verkehr zwischen Chicago und dem Westen einerseits und Boston, New-York und dem Osten andererseits sowie die Beförderung ausländischer Waren unter Zollverschluß nach Chicago und dem Westen in Wettbewerb zu treten. Die kanadische Pazifikbahn durchschneidet die ganze Breite des Staates Maine. Alle Schiffe Kanadas genießen in den amerikanischen Häfen Rechte, die amerikanischen Fischerbooten in kanadischen Häfen versagt sind. Wenn sich die Republik eines Tages veranlaßt sieht, die Handlungen ihres dreisten kleinen Nachbars, die jüngst belästigend gewesen sind, übel zu nehmen, kann sie Kanada praktisch trocken setzen (»auf Flaschen ziehen«), ohne von einem völkerrechtlichen Standpunkt aus irgend welchen Anlaß zu Klagen zu geben. Sie braucht einfach nur mit Vergünstigungen, die jetzt großmütig gewährt werden, zurückzuhalten. Es steht nicht zu befürchten, daß eine so große und langmütige Nation gegen jemand, der so vollständig in ihrer Macht ist, tyrannisch handeln wird. Die Republik ist allen ihren weniger mächtigen Schwestern stets die gütigste und nachbarlichste der Nachbarinnen gewesen; aber die Macht liegt bei ihr, und da dem so ist, möchte ich unsere Freunde von der Reichsverbands-Handelsliga fragen, was Kanada auf ihren Vorschlag, Britannien auf Kosten der Republik günstiger zu stellen, wahrscheinlich antworten würde. Kanada wird vielleicht sogar, um sich selbst gerecht zu werden, gezwungen sein, das gerade Gegenteil zu tun. Es gibt eine große Partei in Kanada, die einen solchen Schritt begünstigt. Eine Einladung seitens Britanniens, in eine Politik unterschiedlicher Behandlung einzutreten, würde Kanada zwingen, in seinem eigenen Interesse zu erwägen, zu wessen Gunsten die unterschiedliche Behandlung stattzufinden hätte. Der von der Liga angeregte Gedanke könnte auf diese Weise mit Wucht auf seinen Erdenker zurückfallen. In der Tat ergreifen und schwingen unsere Freunde von der Handelsliga eine gefährliche Waffe.

Für die australisch-asiatischen Kolonien liegt der Fall anders. Sie haben keine überschattete riesige Längsseite; es besteht aber dort eine andere Tatsache, die meines Dafürhaltens gleich gewichtig ist. Neu-Süd-Wales, die größte der Gruppe, führt für 23 Millionen £ ein und fast genau denselben Betrag aus. Sein gesamter Handel mit Großbritannien, Ein- und Ausfuhr, macht nur ein Drittel davon aus, etwas über 15 Millionen £. Viktoria, die andere große Kolonie, hat eine Ein- und Ausfuhr von 37 500 000 £; auf Britannien fallen davon zwischen 12 und 15 Millionen £ – etwa gerade ein Drittel, wie bei Neu-Süd-Wales.

Hinsichtlich der übrigen zwei Drittel braucht aber Britannien nicht eifersüchtig zu sein, denn wie oben bemerkt wurde, besitzt es bereits den ganzen australischen Außenhandel bis auf 5 oder 10 %, die es nicht liefern kann. Australasien ist eben unter der Politik der Förderung seiner heimischen Industrien so weit vorgeschritten, daß die verschiedenen Kolonien ihren auswärtigen Bedarf bis zum Belaufe von etwa zwei Dritteln selbst, gegenseitig, zu decken vermögen – ein höchst ermutigender Stand der Dinge, da er in naher Zukunft die Entstehung einer mächtigen Nation englischer Zunge verspricht. Wird irgend ein Mitglied der »Liga für kommerzielle Gegenseitigkeitspolitik« glauben, daß ein Vorschlag, die Zölle auf britische Erzeugnisse herabzusetzen, um die Industrien der Schwesterkolonien zu beeinträchtigen oder zu vernichten, auch nur einen Augenblick unterstützt werden würde? Hat sich auf Seiten irgend einer dieser Kolonien eine Spur des Wunsches gezeigt, das Ziel, das sich jede gestellt hat, aufzugeben, – das Ziel, eine Großmacht mit mannigfaltigen Industrien zu werden, die sich mit ihrem nötigen Bedarf selbst versehen kann? Die Mitglieder der Liga sollten versuchen, sich in die Lage Kanadas und Australiens zu versetzen und dann urteilen, was die Antwort Kanadas auf ihren Gedanken sein muß und diejenige Australiens sein würde. Die Führer dieser Vereinigung sind ohne Zweifel dabei, ihre Antwort auf die Aufforderung des Premierministers vorzubereiten und es ist zu hoffen, daß sie die hier angedeuteten Punkte berühren werden.

Wenden wir uns nun zu der Reichsbundesliga, so finden wir von Geschäft nicht das Geringste in ihrem Programm; keine Betrachtungen über Handel, an Geschäftsverkehr wird nicht gedacht, das Gefühl herrscht als Oberstes. Sie steht jedoch nicht mehr unter einem so erhabenen Gefühl, wie es anfangs der Fall war. Es macht sich ein schmerzlicher Rückgang bemerkbar. In ihren früheren Tagen wurde von vielen mit Freude bemerkt, daß in ihrem lobenswerten Wunsch einer Verbündung der größere Teil der englischsprechenden Rasse, derjenige in der Republik, nie vergessen wurde; hiervon finden wir aber in den neueren Vorgängen keine Spur mehr, selbst mein Freund Mr. Bolton scheint den großen Gedanken, der anfangs seine Begeisterung weckte und die meine noch entfacht, aufgegeben zu haben. In seinem Artikel in der Julinummer dieser Zeitschrift sagt er voll Bedauern:

»Wenn uns die Verwirklichung dieses großen Gedankens, die Verbündung aller Nationen, die aus der diesen Inseln entsprungenen Rasse hervorgegangen sind, nicht vergönnt sein kann, sollten wir dann nicht wenigstens alle unsre Kräfte dafür einsetzen, die Vereinigung und politische Verschmelzung des größeren Britanniens zu fördern, das noch immer nur eine Flagge besitzt und sich zu einem Herrscher bekennt?«

Wir haben noch nichts von Lord Rosebery, dem Präsidenten, gehört, aus Gründen, die ihm die tiefste Sympathie aller erwecken. Noch ist es möglich, daß wir aus seiner ersten Ansprache, die er in der Sache hält, die Hoffnung auf eine Einigung der ganzen Rasse noch heller hervorleuchten sehen werden, als aus den Reden der Personen, die in seiner Abwesenheit für den Bund gesprochen haben. Zunächst müssen wir aber, wohl oder übel, annehmen, daß die Reichsverbündungsliga gleich der Handelsliga nicht mehr nach Einklang und Zusammenwirken unter den verschiedenen Zweigen der Rasse strebt. Sie zeigt sich gegenwärtig als eine Partei, deren Streben darauf gerichtet ist, unter Auslassung der Mehrheit nur die Minderheit der englischsprechenden Rasse in eine feste Phalanx zusammenzuschließen. Während es im Falle der erstbesprochenen Vereinigung nötig war, auf Einzelheiten einzugehen, erscheint es hier nur erforderlich, die Ziele zu betrachten, wie sie neuerdings hingestellt werden.

Man hält es für möglich, unter einem Haupte ein starkes Reich aus Zweigen der englischsprechenden Rasse zu schaffen, von denen sich der eine im Mutterland, ein anderer in Kanada, der dritte in Australien befindet und jeder eine andere Umgebung besitzt und völlig andere Aufgaben zu erfüllen hat; namentlich befindet sich dabei der eine der drei Teile insofern unter ganz anderen Einrichtungen, als die anderen beiden Demokratien ohne eine Spur erblicher aristokratischer, kirchlicher oder staatlicher Vorrechte oder unveräußerlicher Grundrechte sind und schon die dort geatmete Luft dem Bürger das Gefühl politischer Gleichheit einflößt. Es ist bezeichnend, daß die Hoffnung einer solchen Verbündung hauptsächlich nur im Mutterland und von solchen hier geborenen Personen gehegt wird, die bisher in den Kolonien eine große Rolle gespielt haben. Leute wie Sir John A. Macdonald, Sir Henry Parkes, Sir Samuel Griffith und andere sind nicht Eingeborene der Kolonien, sondern Britanniens; sie müssen dieses immer verehren und lieben. Die Bevölkerung Australasiens enthält aber bereits nahezu drei Eingeborene auf einen in Britannien geborenen. In Kanada waren im Jahre 1881 mehr als vier Fünftel Eingeborene, und jedes Jahr wird der Anteil der in Britannien geborenen kleiner und kleiner. Nicht einer auf 5000 geborene Kanadier oder auf 10 000 geborene Australier sah oder wird je Britannien sehen, das für die Massen nur ein Name ist – zweifellos ein Name, den sie nie ohne Stolz und Dankbarkeit aussprechen können, aber doch nur ein Name, nicht ein Land; ein Land will aber jeder, der den Namen Mann verdient, haben und verehren.

Der geborene Australier ist in erster und letzter Linie Australier; bei dem geborenen Kanadier ist es ebenso. Mein Heimatland wird durch das, was es öffentlich über die Gefühle seiner Kolonien hört, in bedauerlicher Weise irregeführt, weil es nur die Stimme seines eigenen Volkes, eingeborener Briten oder einiger reicher Gäste vernimmt, die im Namen der Kolonien sprechen, denn solche sind es, die hauptsächlich die alte Heimat besuchen, die Meere befahren, gleich Mekkapilgern von ihrer Sehnsucht herübergezogen werden. Die Massen des Volkes in den Kolonien gestatten diesen geborenen Briten das Bekenntnis zärtlicher Gefühle für ihr Vaterland und ermutigen sie sogar hierzu, denn sie wissen, daß Männer, die der Liebe zu ihrem Geburtsland ermangeln, des Vertrauens und der Achtung der Gemeinwesen, in denen sie leben wollen, nicht würdig sind, und daß sich der Kolonist, der sein Heimatland nicht liebt, für das von ihm gewählte Land kaum als wertvoller Erwerb erweisen wird. Es wird aber viel Enttäuschung ersparen, wenn die Leute daheim zu der Einsicht gebracht werden können, daß die folgenden Worte tatsächlich ausdrücken, was von jedem Hundert geborener Kanadier und Australier 99 fühlen. Es sind die Worte des Premierministers der wichtigen Provinz Quebec, Mr. Merciers, der auf die Frage, ob er Gegner der Verbündung sei, erwiderte:

»Ja, ich bin es. Ich betrachte diese Politik als einen Verrat an Kanada. Reichsverbündung bedeutet, daß sich Kanada Britannien in dessen Kriegen in der ganzen Welt anschließen muß und die Interessen des ganzen Reichs zu erwägen hat, bevor es auf sein eigenes blicken darf. Ein Band, das auf diese Weise Kanada europäischer Herrschaft vollständig unterwerfen würde, wäre ein höchst unnatürliches, und es gibt nicht 50 Männer in der Provinz Quebec, die eine so unpatriotische Politik begünstigen. Es ist in der Tat die Zeit gekommen, die Berechtigung europäischer Mächte zur Beherrschung von Völkern auf dem amerikanischen Festlande, deren Interessen und allgemeinen wirtschaftlichen und sonstigen Neigungen denen des europäischen Volkes in gewissen Beziehungen entgegengesetzt sind, in ganz friedlicher aber ernstlicher Weise in Erwägung zu ziehen. Anstatt daher die jetzt zwischen Britannien und Kanada bestehenden Bande verstärken zu wollen, sehen wir tatsächlich mit einigem Verlangen der Zeit entgegen, wo wir unsere Selbständigkeit fordern werden. Wir werden sie mit aller Großbritannien schuldigen Achtung und ohne irgend ein böses Gefühl gegen sein Volk erbitten, genau wie es ein junger, volljährig gewordener Mann bei dem Verlassen des Vaterhauses, oft wehmütig, aber mit dem stolzen Gefühl tun wird, daß auch er berufen sei, am Leben einen freien und selbständigen Anteil zu nehmen. Was ich von der Provinz Quebec sage, läßt sich, so glaube ich, von den Einwohnern aller anderen Provinzen sagen.«

Es wird sicherlich die Aufmerksamkeit der Mitglieder der Reichsverbündungsliga erregt haben, daß selbst Sir John Macdonald, ein geborener Brite, vermutlich mehr gegen seinen Willen, verkünden mußte, Kanada sei nicht mehr der Vasall sondern der Verbündete Britanniens, und sogar diese weitgehende Erklärung rettete ihn nur knapp, mit einer sehr zusammengeschmolzenen Mehrheit, vor der Niederlage.

»In Zukunft würde England der von einem Bündnis nicht nur mit Kanada, sondern auch Australien und allen seinen anderen Besitzungen umgebene und gestützte Mittelpunkt sein, und es würde auf diese Weise ein großer Bund vollberechtigter Glieder gebildet werden – die größte Verbündung zivilisierter und einsichtsvoller Menschen, die auf der Erdoberfläche je bestand.«

Bündnisse werden zwischen selbständigen Nationen geschlossen. Sir John muß auch an die Republik gedacht haben, denn sie ist zur Bildung der größten Verbündung einsichtsvoller und zivilisierter Menschen nötig. Ein Bündnis aller übrigen Angehörigen unserer Rasse würde viel kleiner sein als die Vereinigten Staaten allein.

Sir John trat für die Selbständigkeit Kanadas im vollstem Umfange ein, als er letzthin Lord Salisbury gebot, einen von Sir Julian Pauncefote und dem Sekretär Blaine mit warmer Billigung Lord Salisburys geschaffenen Vertrag, den die britische Regierung ohne Befragung Kanadas abzuschließen gewagt hatte, zu zerreißen. Der kürzlich von Neu-Fundland erhobene Einspruch ist ein weiterer bezeichnender Fall. Die Öffentlichkeit ist davon unterrichtet, daß die Schwierigkeit durch Vergleich geschlichtet worden ist, der Vergleich ist aber notwendig sehr einseitig gewesen. Die Form des schiedsgerichtlichen Verfahrens mit Frankreich soll beobachtet werden; nach ihrer Erfüllung werden aber die Wünsche Neu-Fundlands Befriedigung finden. Alle im Besitze Frankreichs gefundenen Vertragsrechte sollen erworben werden. Ein anderer Weg stand England nicht offen. Es kann seine Kolonien nicht beherrschen, denn sie sind erwachsen und fast volljährig und machen ihm jetzt Vorschriften. Sie müssen schleunigst ihr eigenes Haus bekommen, wenn das kindliche Band gewahrt bleiben soll.

Der Reichsbund muß erst mit der Anfangsschwierigkeit kämpfen, nicht über den Haufen geworfen zu werden, die in folgendem besteht: Der geborene Australier will im Alter der Reife ein eigenes Land, für das er leben, kämpfen und, wenn nötig, sterben kann; der geborene Kanadier will dasselbe. Der geborene Brite, der Amerikaner, der Deutsche, der Franzose haben es. Warum nicht das Volk Kanadas und Australiens? Der geborene Koloniebewohner denkt nicht im entferntesten daran, dem Tausende von Meilen entlegenen Mutterlande oder irgend einem andern Lande das Recht einzuräumen, seinem eigenen Land oder in diesem etwas zu sagen zu haben. Wenn einer ihrer Staatsmänner den Vorschlag unterstützte, Vertreter des Landes über das Meer nach London zu senden, wo sie im Parlament überstimmt werden und die Geschicke des Landes der Abstimmung Fremder unterliegen würden, so würde hierin die medizinische Fakultät der Kolonie wahrscheinlich einen offenbaren Beweis geistiger Verirrung erblicken und dem Betreffenden die Einsperrung in ein Irrenhaus drohen. Eine Befriedigung dieses an sich so lobenswerten Vaterlandsgedankens durch Einräumung eines Anteils an einem Tausende von Meilen entfernten Lande, das die Betreffenden nie sehen würden, ist unmöglich. Ebensogut könnte man von ihnen verlangen, sich als Bürger des Mondes zu betrachten und es zu bleiben und dankbar dafür zu sein. Die ehrgeizigen, unternehmenden Völker mit britischem Blut in ihren Adern tragen nach dem Mond kein Verlangen. Für Bewegungen der fraglichen Art gibt es keinen Stillstand; einmal im Fluß, dürfen nationale Bestrebungen nicht unterdrückt werden. Je eher man ihnen willfährt, desto besser für alle.

Was lehrt uns in diesem Punkte die Vergangenheit? Spanien hatte große Kolonien auf dem amerikanischen Festlande: Wo sind sie jetzt? Siebzehn freie Staaten nehmen Mittel- und Südamerika ein. Fünf von ihnen haben Pläne vorbereitet, sich zu verbünden. Portugal hatte ein großartiges Reich, das heute die brasilianische Republik bildet. Britannien hatte eine Kolonie. Sie ist dem Einfluß der Mutter entwachsen und hat sich einen eigenen Hausstand gegründet, und heute versammelt sich unter ihrer republikanischen Flagge die Mehrheit unserer ganzen Rasse. Was rechtfertigt in der Art der Beziehungen Britanniens zu Australien und Kanada den Glauben, daß bei ihnen ein anderes Ergebnis möglich sei? Meines Erachtens nichts, im Gegenteil, alles was ich über die Stimmung der Leute in den Kolonien weiß, bestätigt, daß auch dort dieses gesunde Wachstum zu nationalem Leben besteht. Sie würden ihrer Vorfahren unwürdig sein, wenn sie es nicht besäßen. Nicht eine Steuerfrage brachte die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten hervor; sie war nur der Zufall, der das beschleunigte, was unabhängig von jeder möglichen englischen Politik ein paar Jahre früher oder später kommen mußte. Franklin und Adams dachten nicht an eine Trennung vom Mutterland, als sie sich zu weigern begannen, von Westminster aus besteuert zu werden, aber bald sahen sie sich von der bis dahin nicht hervorgetretenen öffentlichen Meinung gezwungen, zur Unabhängigkeit zu schreiten. Australien ist in die natürliche Bewegung, die auf einen Wechsel in seinen Beziehungen zur alten Heimat hindrängt, eingetreten. Seine Führer, hauptsächlich noch geborene Briten, machen freundschaftlich den Vorschlag, Britannien die Entsendung eines dekorativen Generalgouverneurs zu gestatten. Das Band wird dünn sein, aber man sieht schon, besonders in der wichtigsten der Kolonien, Neu-Süd-Wales, daß die britischen Führer wie im Falle Amerikas von den eingeborenen Australiern einmal in eine vollständige Unabhängigkeit erstrebende Bewegung getrieben werden mögen. Wenn sie sich nicht jetzt entfaltet, wird es später der Fall sein, denn der »Speaker« (vom 18. Juli) sagt zutreffend: »Die schwindende Klasse der in England geborenen ist es, die die Überlieferungen und das Gefühl der englischen Verbündung noch am Leben erhält. Aller 5 Minuten stirbt im Gebiet Australiens ein Imperialist; aller 4 Minuten wird ein Republikaner geboren.«

Der regelmäßige Leser des »Spectator« weiß, daß diese Zeitung ebenfalls gut unterrichtet ist, und die »Times« hat mehr als einmal in letzter Zeit gezeigt, daß sie sich nicht in Unkenntnis des wahren Standes kolonialer Dinge befindet. Diese umsichtigen Organe der öffentlichen Meinung scheinen aber fast alleinzustehen.

Es ist von äußerster Wichtigkeit, daß sich die britische Nation mit Entschlossenheit ihr wahres Verhältnis zu den Kolonien vergegenwärtigt, welches das folgende ist: Sie ist das Mutterland und keine Nation ist je mit einer so zahlreichen, unternehmenden und achtbaren Familie gesegnet gewesen. Die einzige Rolle, die ihr offen steht, ist die, die Mutter zu spielen und ihren Kindern in dem Maße, wie sie dem Bedürfnis förderlicher Fürsorge entwachsen, den Ehrgeiz einzuflößen, selbst voranzugehen und zu wirtschaften. Sie sollte an dem Blute jedes Schwächlings zweifeln, der damit zufrieden ist, beim Herannahen des Mannesalters unter ihrem Schutze zu bleiben. Wenige Trennungen von der alten Heimat vollziehen sich zwar ohne Tränen, aber schließlich sind es Tränen der Liebe, der Freude über das Glück des Kindes, das selbst ins Leben hinaustritt. Es gibt nur zwei Wege, die verfolgt werden können: Entweder verlassen die Kolonien die Mutter mit deren Segen, mit unvergänglicher Liebe und Verehrung für sie im Herzen, der sie alles verdanken, oder das Auseinandergehen findet unter Bedingen statt, die sowohl der Mutter wie dem Kinde mit Notwendigkeit lebenslängliche Bitterkeit und Sorge bereiten müssen. Der amerikanische Junge wird stets im Anfang ein Hasser Englands sein, denn man speist ihn in seinen ersten Jahren mit Geschichten über die Revolution, die Kämpfe und Leiden Washingtons und seines patriotischen Heeres, den Wunsch seines eignen Vaterlandes nach Unabhängigkeit und die verfehlten Bemühungen Britanniens, es sich unterworfen zu halten.

Dieser frühe Eindruck von Britannien als Bedrücker seines eignen Landes ist nicht leicht wieder beseitigt. Es ist tausendmal schade, daß die Mehrheit unserer Rasse als Erstes lernen muß, daß das Mutterland ihres Landes einziger Gegner war. Britannien kann wählen, ob sich Australien und Kanada und seine anderen Kolonien, wenn sie zur Reife gelangen, in vollem Gefühle kindlicher Zuneigung selbständig machen sollen oder ob jedes in diesen Ländern auf die Welt kommende Kind dazu geboren werden soll, Britannien so zu betrachten, wie es das amerikanische Kind betrachten muß. Eine andere Wahl gibt es nicht, und ich flehe die Freunde der Reichsverbündung an, ihr Land und dessen Kinder nicht erst der Enttäuschung, der Demütigung und den Streitigkeiten auszusetzen, die aus einem ernstlichen Versuch, die Entwicklung und Unabhängigkeit der Kolonien aufzuhalten, notwendig folgen müßten, denn die Unabhängigkeit müssen und werden sie kraft des Blutes, das in ihnen rinnt, erstreben und wenn nötig, selbst durch Gewalt erringen. Sie wären sonst nicht wahre Briten.

Lord Salisbury hat kürzlich gesagt, wenn Irland die Selbstregierung gewährt würde, möchten auch andere Teile des Reichs »der Macht der Königin entwunden werden.« Da er nicht meinen konnte, daß eine Gefahr bestehe, fremde Nationen würden versuchen, irgend eine der Kolonien zu »entwinden«, so muß er gemeint haben, daß sich die Kolonien selbst »entwinden« würden. Nichts sollte unterbleiben, zu verhindern, daß solche »Entwindungen« erfolgen. Die Kolonien zu ermutigen, dem Beispiel des Mutterlandes zu folgen und selbst Nationen zu werden ist der einzige Weg, eine solche »Entwindung« zu verhüten, wie sie zwischen der Mutter und der Republik stattfand. Jedes Gefühl einer solchen »Entwindung« würde auf beiden Seiten erstickt, wenn das Mutterland seinen Kindern im Leben in gehöriger Weise unter die Arme greifen wollte, wie Ihre Majestät ihren Kindern behilflich ist. Mit seltener Weisheit begünstigte sie frühe Heiraten. Britannien als Nation sollte dem Beispiel seiner weisen Königin folgen und seinen Kolonien, sobald sie unter dem alten Dach unruhig werden, mit einem Abschiedsgruß und dem Segen einer liebevollen, stolzen Mutter einen eignen Hausstand gründen.

Man wird vielleicht sagen, das bezeichnete Geschick für das Mutterland sei dessen Vergangenheit unwürdig. Ich kann eine solche Ansicht nicht teilen. Die Welt ist noch jung. Wie jedes Kind Britanniens das rechte Alter erreicht und von dannen geht, so werden ihm andere Kinder geboren werden. Es läßt sich der jetzigen Stufe der Entwicklung der Welt keine Schranke setzen und die Zeit nicht bestimmen, wo einer Mutter die ihrer Obhut unterliegende Familie nicht zuviel würde. Generationen müssen vergehen, ehe die 280 Millionen Indiens so weit sind, sich zu einer großen Nation zu verbünden und sich selbst zu regieren, während Afrika Britannien erst gestern geboren wurde. Außerdem würde das Vereinigte Königreich für sich selbst und ohne Kolonien eine der hauptsächlichsten Nationen bleiben. Seine Kolonien schwächen seine Kräfte im Kriege und verleihen ihm im Frieden keine Vorteile. Seine Bevölkerung gleicht an Zahl ungefähr der Frankreichs und wird, wie ich glaube, auch der deutschen gleichen und sie wahrscheinlich übersteigen, sodaß in Europa nur Rußland mit einer größeren Bevölkerung übrig bleibt. Hinsichtlich Deutschlands nicht zutreffend. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Deutschlands, Russlands mit Polen ohne Finl. betrug:
1890 bez. 91: 38 104 975, 38 343 192, 49 428 470, 97 807 339;
1900 bez. 01: 41 605 801, 38 961 945, 56 367 178, 1897: 102 868 833
(nach Otto Hübner's Geogr. Statist. Tabellen).
Seine Mineralienbestände übertreffen alle andern, die Vereinigten Staaten ausgenommen; es hat die Märkte der Welt für die hauptsächlichsten Industrieerzeugnisse zu seinen Füssen, denn was man auch über fremden Wettbewerb sagen mag, so wird dieser in der Zukunft doch nicht viel schaden können, da Britanniens Flotte die Meere beherrscht. Einer der offenbarsten Trugschlüsse ist der, daß der Handel der Flagge folge. Der Handel folgt den niedrigsten Preisen. Wenn ein Händler in irgend einer Kolonie britische Nationalflaggen zu kaufen wünscht, wird er sie bei Britanniens schlimmstem Feinde bestellen, wenn er dabei fünf Groschen sparen kann. Der Handel kennt keine Flagge. Britanniens größter Kunde ist die amerikanische Republik, und wie wir gesehen haben, verbrauchen Deutschland und Frankreich mit einem Zehntel der Bevölkerung ebensoviel britische Erzeugnisse wie Indien und mehr als alle australischen und kanadischen Kolonien zusammen. Kanada hat einen größeren Handel mit der Republik als mit Britannien. Die Selbständigkeit der Kolonien wird den britischen Handel mit ihnen nicht vermindern, sondern steigern, weil die Selbständigkeit ihre Kräfte anspornen und sie unternehmender machen wird. Es wird infolgedessen schneller Wohlstand geschaffen und der Markt für feine britische Erzeugnisse entsprechend erweitert werden. Die Folgen der amerikanischen Unabhängigkeit beweisen dies.

Trotz voller Würdigung des patriotischen Gefühls, das die beiden Ligen durchdringt, kann ich nicht umhin, ihre Mitglieder zu der Erwägung aufzufordern, ob sie nicht in einer falschen Richtung wirken und dazu beitragen, die Mission ihres Landes in der Zukunft zu vereiteln, statt sie zu fördern. Die Stellung, die Britannien einzunehmen trachten soll, ist keine geringere als die »Führerschaft der Rasse«, als Mutter aller. Wenn nun selbst die verschiedenen Zweige der Rasse im Reiche unter einem Herrn verbündet werden könnten – was ebensowenig wahrscheinlich ist wie der Eintritt der Republik – und sich so das Ziel der Verbündungsliga vollständig erreichen ließe, was dann? Sieben Millionen Menschen würden dann mit Britannien verbündet sein – nur sie und nicht mehr – und Britannien würde nur das Haupt der kleineren Abteilung der Rasse sein und nach allem gar keinen so großen Gewinn davon haben. Wir hätten »Hamlet« mit Weglassung von Hamlet.

Nur wenige Menschen haben einen rechten Begriff von den Zahlen und dem Wachstum der verschiedenen Zweige unserer Rasse. Während der letzten zehn Jahre hatten die Vereinigten Staaten eine größere Zunahme, als die jetzige Gesammtheit aller englischsprechenden Personen in allen Teilen der Welt außerhalb des Vereinigten Königreichs ausmacht. Ihre Bevölkerungszunahme betrug 12 500 000, die des Vereinigten Königreichs und seiner englischsprechenden Kolonien war nicht halb so groß – etwa 5 Millionen. Britannien wuchs um etwas mehr als 3 Millionen, Kanada nur um 500 000, ein Zunahmeverhältnis, das nicht größer ist als das Britanniens, Neu-Süd-Wales (in den letzten acht Jahren) nur um 470 000, Viktoria (in den letzten neun Jahren) um 710 984, alle anderen Kolonien nur um geringfügige Zahlen. Wenn wir nun die Republik in die eine Wagschale und alle anderen Zweige der Rasse in die andere tun, wird die jährliche Zunahme in der ersteren von der in der anderen mehr als das doppelte betragen. Selbst wenn die Zunahme der Vereinigten Staaten künftig viel langsamer erfolgen wird als bisher, so lebt heute doch bereits derjenige, der mehr als 400 Millionen unter ihrer Herrschaft sehen wird. Eine ähnliche Zunahme der Rasse ist in der ganzen übrigen Welt zusammengenommen nicht zu erwarten. Green sagt zutreffend, daß ihre »künftige Heimat längs der Ufer des Hudson und des Mississippi zu suchen ist.« Warum sollte daher das Mutterland von der Reichsliga den Rat annehmen, sich mit seinen andern Kindern durch engere Bande zu verknüpfen als mit dem erstgeborenen, das den ganzen übrigen Teil der Familie in den Schatten stellt? Besteht denn ein Bedürfnis, die Republik auszulassen? Es steht nichts im Wege, jedes Band mit der Republik anzuknüpfen, das mit dem Gemeinwesen Australien oder dem Lande Kanada angeknüpft werden kann, denn sobald man von diesen fordert, ihren angeborenen Wunsch nach einer Unabhängigkeit wie der der Vereinigten Staaten aufzugeben, wird ihre Antwort eine Lösung der ganzen Frage bedeuten, falls nämlich die Liga tatsächlich je so weit gehn sollte, den Reichsbund zu fordern und sich einer abschlägigen Antwort auszusetzen. Sie sollte es lieber vermeiden, das Mutterland in eine demütigende Lage zu bringen, denn daß ihr Gedanke unausführbar ist, kann sie von allen Seiten wahrnehmen, ohne sich einer unausbleiblichen und gänzlich unnötigen Zurückweisung auszusetzen.

Wenn es der Reichsverbündungsliga je gelingt, die Regierung zu bestimmen, zur Beratung ihrer Vorschläge und Ziele Vertreter der Kolonien nach London einzuberufen, so würde damit der ganze Gedanke sein Ende finden, denn wenige Kolonialregierungen könnten die Unterstützung eines Gesetzentwurfs überleben, der Abgeordneten vorschreiben wollte, die Frage unterschiedlicher Behandlung anderer Nationen zugunsten Britanniens auch nur zu erörtern. Aber wie die Reichsverbündungsliga sollte auch die Reichsverbandshandelsliga, bevor sie zwecklos eine Zusammenkunft verlangt, bedenken, daß keine Möglichkeit besteht, die Mitwirkung irgend eines englischsprechenden Gemeinwesens zu erlangen.

Mag das Ziel beider Vereinigungen verfehlt, unerreichbar und schädlich sein, so können wir doch von ihren Mitgliedern die beste Förderung eines solchen Zusammenwirkens der ganzen Rasse erwarten, wie es tatsächlich möglich ist, denn sie haben das Herz auf dem rechten Fleck und ihre Köpfe werden leicht für einen Gedanken zu gewinnen sein, der ihrem Land eine viel höhere Stellung und eine viel größere Mission zuweist, als sie ihm selbst sichern wollten – eine Stellung, die ihm erlauben wird, der ganzen ihm entsprungenen Rasse gegenüber die rechte Haltung einer Mutter zu bewahren.

Den patriotischen, gleichgestimmten und weitblickenden Männern dieser Ligen möchte ich kurz die Gedanken zur Erwägung anheim geben, die mir das Studium der Frage und der Wunsch, unserer Rasse die Einheit und dadurch zum Besten aller die Herrschaft über die Welt zu sichern, nahe gelegt haben.

Erstens. Das große Ziel der Bündnisfreunde sollte darin bestehen, die Massen aller englischsprechenden Länder zusammenzubringen und das Gefühl in ihnen zu nähren, daß sie alle in Wirklichkeit Glieder derselben ungeteilten Rasse sind und deren Triumphe teilen, daß alle englischsprechenden Männer Brüder sind, die an ihrem Wohlergehen gegenseitig Freude haben und auf ihre Errungenschaften gegenseitig stolz sein sollten. Über die kleinen Fehler oder Mängel der andern Glieder sollte hinweggesehen werden und jeder sollte die beste Seite des anderen hervorkehren, denn bei Gliedern derselben Rasse fällt das, was dem einen zur Unehre gereicht, notwendig auf die ganze Familie zurück. Die unmögliche Reichsverbündungs- und Reichshandelsliga sollte der Rassenverbündung das Feld räumen, die um alle ein gemeinsames Band schlingt und bei der der einzige Prüfstein ist

Ob Shakespeares Zunge dort erschallt
Und Burns' Sang durch die Lüfte hallt.

Die Verfolgung dieser Politik während unserer Generation wird viel dazu beitragen, zu einer wahren Verbündung der Rasse den Grund zu legen, soweit ein Zusammenschluss souveräner Mächte überhaupt möglich ist; und zu ergründen, inwieweit er möglich ist, ist Sache der kommenden Geschlechter, nicht des unsrigen. Daß er in gewissem Grade möglich ist, sehen wir schon heute. Dinge, die jetzt als unmögliche Träume erscheinen, können sich als leicht erreichbar erweisen, wenn man sie nur ernst ins Auge faßt und auf sie hinarbeitet und niedrige Absichten ausschließt. Selbst das »Parlament der Menschheit« ist dem Erforscher der Entwickelung, der den unbegrenzten Fortschritt des Menschen zu solcher Brüderschaft erblickt, eine bloße Frage der Zeit. Wenn wir nicht in die Zukunft schauen und sagen sollen, was keimen wird, können wir wenigstens in der Gegenwart unsere Pflicht tun und den Boden bereiten und den Keim pflanzen, der unter den Mitgliedern derselben Rasse wachsen sollte, der Nachwelt aber die Pflicht der Pflege der kostbaren Saat und, wie wir erwarten, die Früchte unserer Hoffnungen überlassen.

Zweitens. Das Mutterland sollte angespornt werden, seine Kolonien zu ermuntern, wie eine tüchtige Mutter ihre Kinder ermuntert, im Alter der Reife hinaus zu treten und die Rolle von Männern zu spielen, die sie lieben und verehren, aber unabhängig sind. Der Gedanke der Verbündung von Kolonien unter sich sollte gefördert werden, denn es könnte sich kein größeres Unglück ereignen als eine Spaltung der verschiedenen englischsprechenden Gemeinwesen in kleine auf einander eifersüchtige Natiönchen. Die traurige Lage des heutigen Europa, eines bewaffneten Heerlagers, im Gegensatz zu der der Vereinigten Staaten, die bald eine ebenso große, englischsprechende Bevölkerung wie ganz Europa haben werden und eines stehenden Heeres durchaus nicht bedürfen, sollte beständig im Gedächtnis bewahrt und immer aufs neue verkündet werden. Die australischen Kolonien brauchen diesen Rat nicht. Sie sind weise und werden als eine unangreifbare Macht den Frieden aufrechterhalten und ihren Erdteil ohne Heere beherrschen, da sie wie die Republik keinen Feind zum Nachbar haben können; wohl aber sollte die Vereinigung Englands und Schottlands Kanada und den Vereinigten Staaten als Vorbild dienen. Ich glaube nicht, daß ich je ein Wort gesagt habe oder sagen würde, das darauf abzielte, auf dem Festland eine Zweiteilung der Rasse fortzuerhalten, und das Gefühl, die Einigung nicht selbst mit angestrebt zu haben, wäre mir peinlich. Das Mutterland kann viel tun, indem es Kanada an seine eigene Vereinigung mit Schottland und die von ihr ausgehenden glücklichen Wirkungen erinnert. Die gegenwärtige unglückselige, so große Gefahr bergende Teilung der Rasse in Amerika ist sein Werk; seine Pflicht dem Übel abzuhelfen ist gebieterisch. Britannien ist dieser Aufgabe auch gewachsen, denn es hat Dinge vollbracht, denen andere Nationen nichts an die Seite stellen können. Die Abtretung der jonischen Inseln an das klassische Griechenland, die jüngst erfolgte Abtretung Helgolands an Deutschland zeigen seine Fähigkeit, großherzig, ja erhaben zu handeln. (?) Britannien kann sich zuweilen hoch erheben und den Völkern Großherzigkeit lehren. Aber alles, was es in dieser Beziehung getan hat, ist nur wenig im Vergleich zu der Vereinigung seiner beiden Kinder, die seine Politik vor einem Jahrhundert trennte. Britannien sollte Kanada sagen, daß eine Einigung mit der Republik vom Segen der Mutter begleitet sein würde, sobald die nicht ausbleibende Frage auftaucht, ob es getrennt ein selbständiges Dasein führen, oder mit dem anderen Teil der Rasse eine Vereinigung suchen soll. Angesichts der entsetzlichen Lage Europas wäre es geradezu verbrecherisch, wenn ein paar Millionen Menschen eine Regierung für sich schaffen wollten, anstatt ein Teil einer mit ihnen zusammenhängenden großen Masse der eigenen Rasse zu werden, zumal das föderative System jedem Teil die Führung aller seiner inneren Angelegenheiten überläßt und den Beweis erbracht hat, daß die freieste Regierung der Teile die stärkste Regierung des Ganzen hervorbringt. Der hervorragendste Mann in Kanada ist heute gewiß Goldwin Smith. Er bleibt mit unvergleichlicher Treue Engländer, sagt aber Britannien, daß dessen Anspruch auf dem amerikanischen Festlande eine harmonische Vereinigung mit dem großen Kinde, der Republik, ausschließt. Er hat Recht.

Drittens. Ein großes Hindernis für die Harmonie innerhalb der Rasse ist die Haltung, die das Mutterland bis vor kurzem mit Zähigkeit hinsichtlich der Finanzpolitik beobachtet hat, deren Verfolgung die einzelnen Kolonien für gut befunden haben. Da es rein landwirtschaftliche Gemeinwesen unter den gegenwärtigen Bedingungen nie zu etwas Grossem bringen können, sollte man es auf Seiten der Kanadier und Australier als einen natürlichen und patriotischen Wunsch ansehen, daß sie ihren Ländern verschiedenartige Industrien verschaffen wollen, um den mannigfachen Fähigkeiten des Volkes Spielraum finden zu lassen. Britannien braucht wegen seines Handels keine Furcht zu haben. Es ist sogar sehr zweifelhaft, ob es auch bei weitestgehender Entwickelung aller seiner Hilfsquellen überhaupt noch lange der Nachfrage nach seinen Erzeugnissen begegnen kann, die auftreten muß, gleichviel, was für Tarife angenommen werden mögen. Woher das Eisen und der Stahl beschafft werden können, um den künftigen Bedarf der Welt zu decken, beunruhigt bereits Bell, Atkinson, Hewitt und andere große Autoritäten. Der Verfasser eines Artikel der »Times« (12. Juli), Mr. Harvey, einer der hervorragendsten Bürger Neu-Fundlands und ein treuer Untertan, hebt diesen Punkt trefflich hervor und verlangt, »die Mehrheit des englischen und schottischen Volkes möchte zugeben, daß jemand an der Unfehlbarkeit der Freihandelslehre für alle Verhältnisse zweifeln dürfe, ohne darum für einen Toren oder etwas noch schlimmeres gehalten zu werden.« Britannien hat mit der Annahme des Freihandels für sich selbst völlig Recht, aber es sollte nicht jeder die alte Heimat besuchende Kolonialbewohner angegriffen und angeschuldigt, ja ich möchte sagen geschmäht werden, wenn er der Meinung zu sein wagt, sein neues Vaterland brauche eine Zeitlang ein anderes System.

Viertens. Der Vorgang der gegenseitigen Annäherung der politischen Einrichtungen aller englischsprechenden Länder sollte andauern, denn wahre Föderalisten dürfen nie vergessen, daß verschiedene politische Bedingungen für eine harmonische Einigung eine große Schranke bilden. Kein Parlament verdient in dieser Beziehung seit demjenigen, das das Reformgesetz annahm, größeren Dank als das gegenwärtige. Es hat sehr viel getan, um die Einrichtungen Britanniens mit den demokratischen Normen aller anderen englischsprechenden Nationen in Übereinstimmung zu bringen. Die Grafschaftsräte und namentlich die Freischule sind wichtige Schritte zur Vereinheitlichung unserer Rasse. In gleicher Weise beseitigt das letzthin erlassene Gesetz der Republik über das Verlagsrecht einen Unterschied. Australasien hat ebenfalls das seinige getan und die Republik insofern beeinflußt, als sein wesentlich verbessertes Wahlsystem von vielen der Staaten bereits mit gutem Erfolg übernommen worden ist. Es besitzt auch die einfachste und die beste Landgesetzgebung der Welt, für die hoffentlich bald die Republik – und später das vereinigte Königreich, die ihrigen aufgeben werden. So verbessert sich jeder der drei großen Teile, indem er sich selbst verbessert, auch zum Nutzen der andern. Die die selbe Sprache, Religion und Litteratur und die selbe Gesetzgebung besitzende Rasse sollte auch den einigenden Segen gemeinsamer politischer Einrichtungen genießen.

Ist der Boden erst einmal frei von den Bestrebungen der Reichshandelsliga, den einen Teil der Rasse gegen den andern aufzurufen und ebenso von denen des Reichsbundes, der die große Mehrheit der Rasse ausschließt und die Verbindung mit dem Mutterland auf den kleineren Teil beschränken würde, und wäre vor allem die Teilung der Rasse auf dem nordamerikanischen Festlande mit Hilfe des Mutterlandes durch eine Einigung geheilt, so könnten sich dann die Bestrebungen aller auf die Verwirklichung dessen richten, was Mr. Bolton »jenen großen Gedanken, die Verbündung aller Nationen« nennt, »die aus der diesen Inseln entsprungenen Rasse hervorgegangen sind.« Die Erstlingsfrüchte dieser Bewegung würden wahrscheinlich darin zu erblicken sein, daß von den verschiedenen Nationen unserer Rasse internationale Kommissionen ernannt und damit beauftragt würden, ein System der Gewichte, Maße und Münzen, der Hafenabgaben, Patente, Fabrikmarken und ähnlicher Dinge zu schaffen, die von gemeinem Interesse sind. Wenn es z B. eine Frage gibt, über die alle Autoritäten einig sind, so ist es die Zweckmäßigkeit der Einführung eines Dezimal-Münz-, -Maß- und -Gewichtssystems; eine internationale Kommission erscheint aber als das einzige Mittel, durch das ein solches zustande gebracht werden kann.

Wäre durch solche Kommissionen die Gepflogenheit geschaffen, einheitliche Maßnahmen für die ganze Rasse herbeizuführen, so würde der Fortschritt zu einer weiteren Verwirklichung des internationalen Gedankens leicht sein. Denn unter solchen harmonischen Bedingungen würde Britannien von allen englischsprechenden Völkern der ganzen Welt bald als die Mutter betrachtet werden, die sie alle verehren, und dann müßte unvermeidlich ein allmählicher Zusammenschluß der ganzen Rasse beginnen. Schon heute ist jeder Föderalist mit Genugtuung davon überzeugt, daß der Gedanke eines Krieges zwischen den beiden großen Zweigen der Rasse auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans lächerlich erscheinen müßte. Man kann daher sagen, daß ein Krieg zwischen Mitgliedern unserer Rasse bereits aus der Welt gebannt ist, denn englischsprechende Männer werden nie wieder aufgerufen werden, einander zu vernichten. Während der letzten Meinungsverschiedenheiten – nicht mit Britannien, denn Britannien und die Republik waren einig, sondern mit dem unzufriedenen Kanada, was für die Republik natürlich noch ärgerlicher war – ist auf keiner Seite über die Möglichkeit der Anwendung von Gewaltmitteln zum Austrag der Angelegenheit auch nur ein Laut vernommen worden. Beide Parteien in Amerika und jede folgende Regierung sind daran gebunden, für die Ordnung aller internationalen Schwierigkeiten ein friedliches schiedsgerichtliches Verfahren anzubieten, ein Standpunkt, den Britannien, wenigstens hinsichtlich aller Streitigkeiten mit Mitgliedern der selben Rasse, hoffentlich bald erreicht haben wird.

Ist nicht zu hoffen, daß ein weiterer Fortschritt folgen wird, nachdem diese Stufe erreicht und eine Zeit lang erfolgreich behauptet worden ist, und daß die englischsprechenden Nationen, nachdem sie gemeinschaftlich den Krieg mit einander aus der Welt geschafft haben, einen allgemeinen Rat errichten werden, dem Streitigkeiten zwischen ihnen zunächst vorzulegen wären? Es wäre nur die Schaffung einer ständigen Körperschaft zur Erledigung von Streitigkeiten statt der Wahl der Schiedsrichter nach Bedarf – durchaus kein sehr großer Fortschritt, und dennoch der Keim, aus dem große Früchte hervorwachsen würden.

Der oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten wird in Britannien von den Staatsmännern aller Parteien gelobt und ist als Achtung gebietendes Vorbild in den Entwürfen für das australische Staatswesen nachgeahmt worden. Dürfen wir nicht eines Tages, indem wir auf ihm weiterbauen, einen noch höheren obersten Gerichtshof erwarten, der zwischen den Nationen der ganzen englischsprechenden Rasse zu richten hätte, wie der oberste Gerichtshof in Washington bereits zwischen Staaten richtet, die die Mehrheit der Rasse umfassen?

Zuerst würden die Entscheidungen des Rates wahrscheinlich vorbehaltlich der Bestätigung durch alle Auftraggeber erfolgen, aber die Machtvollkommenheiten und Pflichten eines solchen Rates werden, wenn er erst errichtet ist, sicher wachsen; seinem schließlichen Einfluß auf die Rasse und durch die Rasse auf die Welt lassen sich keine Grenzen setzen; in ferner Zukunft könnte es sogar geschehen, daß der Stolz des Bürgers auf die Rasse als Ganzes denjenigen, den er auf einen Teil von ihr besaß, überstiege – wie der Bürger der Republik heute stolzer darauf ist, ein Amerikaner zu sein als darauf, irgend einem Staate der Union anzugehören. Es ist dies zweifellos ein Blick in weite Ferne, aber der Patriotismus ist von ausdehnbarer Beschaffenheit und die Menschen sind heute ebenso patriotisch in bezug auf ein ganzes Festland, wie es die Alten in bezug auf ihre Städte und Provinzen waren. Es wird die Zeit kommen, wo selbst der Patriotismus der Rasse dem Weltbürgertum weichen wird.

Während die Entscheidungen des Rates notwendig auf solche Fragen beschränkt wären, die zwischen Gliedern der Rasse entständen, würden bei vorhandener Einmütigkeit sein Einfluß und in äussersten Fällen seine Vorhaltungen noch darüber hinaus von schwerwiegender Bedeutung sein. Wir können uns z. B. einen solchen Gerichtshof vorstellen, der bei einer bestimmten Veranlassung einmütig ein Wort ausspräche, das die wichtigste Tagesfrage am Horizont regeln würde. Wäre es so unwahrscheinlich, daß er die einstimmige Billigung der in ihm vertretenen Mächte finden würde, wenn er den Weltfrieden, an dem die industrielle englischsprechende Rasse am stärksten interessiert ist, als eine Frage bezeichnete, deren Entscheidung anderen Nationen für sich allein nicht überlassen bleiben dürfe? Die gebietende Stellung unserer Rasse wird dabei von entsprechendem Einfluß sein. Bei der beschriebenen Vereinigung würde unsere Rasse eine solche überwältigende Macht ausüben, daß Widerstand nutzlos wäre. Ihr Wahrspruch könnte nie in Frage gestellt werden, ihr Wort würde Gesetz sein. Ich glaube, daß durch unsere Rasse und durch solche Mittel der Krieg, der die Welt schändet, wahrscheinlich aus ihr beseitigt und unter den Menschen dauernd die Herrschaft des Friedens begründet werden wird.

Zur Verfolgung eines so edlen Zieles kann die englischsprechende Rasse, wo sie auch ihren Sitz haben mag, mit Vertrauen angerufen werden; seine Verwirklichung würde für die Menschheit ein Dienst sein, der Mühe, Kosten und selbst die eingegangene Gefahr rechtfertigen würde. Schwache Anfänge der Verbündung Europas zeigen sich bereits im Dreibund. Er mag seinen Zweck verfehlen, da er nicht so überwältigend stark ist, daß alle Anstrengungen, sich mit ihm zu messen, machtlos bleiben müßten, und hiervon hängt alles ab; aber der Gedanke spricht sich darin aus, denn die drei Nationen haben sich als mit einander verbunden erklärt, nicht zum Zweck des Angriffs, sondern zur Verteidigung, nur zur Wahrung des Friedens und zur Bestrafung des Friedensstörers. Wir haben hier mit dem Für und Wider der Streitfrage, die ihn hervorrief, nichts zu tun, aber was dieser Bund für die drei beteiligten Länder auf ein paar Jahre sein will, würde die wirkliche Verbündung der englischsprechenden Rasse dauernd für die Welt sein können. Diese Pflicht fällt uns zu, wenn wir zusammengehen, da unsere Rasse die einzige ist, von der man entfernt hoffen darf, daß sie bald soviel stärker werden wird als irgend eine andere Rasse oder wahrscheinliche Vereinigungen von Rassen, die sich zusammentun mögen, um Macht zu gewinnen.

Ein Rassebund wird das Herannahen des Tages beschleunigen, auf den ich blind vertraue, des Tages, wo unsere Rasse allen Mächten, die unter irgend einem Vorwand im Namen des Krieges zum Mord menschlicher Wesen zu schreiten drohen, zurufen kann und zurufen wird:

Halt! Ich befehl es euch, wer sich
noch rührt, hat mich zum Feind.
Erzählet mir des Streites Grund, damit
ich richte zwischen euch.

Sobald das Mutterland und alle seine Kinder vereint diese Worte aussprechen werden, steht nicht mehr zu befürchten, daß ein Schuß abgegeben oder ein Schwert gezogen werden wird. Die Losung dieses Rassebundes würde die Runde durchlaufen und den Frieden sichern. Wir würden auf diese Weise den Kriegsverein mit einer so überwältigenden Macht haben, daß seine Wirksamkeit nie nötig werden würde. Der Zollverein, der nur eine Handelsfrage berührt, ist vergleichsweise etwas soviel niedrigeres, daß er daneben kaum erwähnt zu werden verdient; aber selbst der Zollverein wird seiner Zeit von selbst kommen, wenn die verschiedenen Mitglieder genügend Zeit gehabt haben werden, ihre Fähigkeiten zu versuchen und herauszufinden, was sie am besten daheim erzeugen können und was sie weiterhin von auswärts beziehen müssen. Schutzzolltarife sind ihrer innern Natur nach versuchsweise und vorübergehend getroffene Maßnahmen. Sie verdienen seitens des wahren Föderalisten wenig Aufmerksamkeit, und je weniger sie beachtet werden, um so schneller werden sie tatsächlich vorübergehen. Alle am Werk befindlichen Kräfte streben nach der Ausgleichung der Kosten auf der ganzen Welt, mithin nach der Ermäßigung und schließlichen Abschaffung der dann nicht mehr nötigen Schutzzölle. Es ist offensichtlich, daß ein solcher Rassebund auf einem Bündnis der Herzen beruht und daß ihn Zwang oder Druck nur vernichten würden. Die Saat lebenslänglicher Bitterkeit würde nicht mehr gesät werden. Die jüngern Glieder der Rasse würden sich erinnern, was sie der Mutter schuldig sind; die Mutter würde die Liebe und Verehrung jener zu bewahren suchen, indem sie »für ihre Fehler ein wenig blind und für ihre Tugenden sehr gütig« wäre und jedem mit dem Alter der Reife die selbe unabhängige Stellung und ausschließliche Führung seiner eigenen Angelegenheiten gewähren würde, die sie für sich selbst beansprucht und lieber mit sich untergehn sehn als aufgeben würde. Jedes Mitglied muß frei sein, sein eigenes Heim zu verwalten, wie es ihm geeignet erscheint, ohne sich feindlicher Kritik oder mütterlicher Einmischung auszusetzen. Alle müssen gleich sein – Verbündete, nicht Vasallen.

Das Schicksal hat Britannien eine große Abkunft und eine große Vergangenheit gegeben. Seine Zukunft verspricht nicht weniger groß und fruchtbar zu sein. Sehr viele können, jedes in sich abgeschlossen, Mitglieder des Familienrates aller englischsprechenden Nationen sein, dessen frühere oder spätere Entstehung ich als etwas Sicheres vorausgesagt habe; aber so zahlreich auch die Kinder sein mögen, so kann es doch nie mehr als eine Mutter geben, und diese große, von ihrer ganzen Nachkommenschaft geehrte und geliebte Mutter soll, so bete ich, »diese szepterführende Insel«, mein Vaterland sein. Gott segne es!

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