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Eines Arbeitgebers Ansicht über die Arbeiterfrage.

Der Kampf, in dem die Arbeit während der letzten dreihundert Jahre verwickelt war, zuerst gegen die Obrigkeit und dann gegen das Kapital, ist ein Triumphzug gewesen. Sieg nach Sieg ist errungen worden. Noch zu Shakespeares Zeiten waren in England Reste von Fronen oder Leibeigenschaft vorhanden. Vorher gehörte nicht nur die Arbeit, sondern auch die Person des Arbeiters dem Herrn. Die Arbeiter waren entweder Sklaven oder Leibeigene; Männer und Frauen wurden mit dem Gute, auf dem sie arbeiteten, verkauft und wurden Eigentum des neuen Herrn, genau wie das Nutzholz, das auf dem Boden wuchs. In jenen Tagen hören wir nichts von Arbeitseinstellungen oder Gewerkschaften und Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern. Die Arbeit besaß tatsächlich kein Recht, das der Herr oder Arbeitgeber zu achten hatte. Selbst zu Beginn unseres Jahrhunderts war die Lage des Arbeiters in manchen Gegenden noch eine solche, wie sie kaum zu glauben ist. Was meinen unsere Freunde unter den Arbeitern dazu, daß sich die Bergleute Britanniens noch bis zum Jahre 1779 in einem Zustande der Leibeigenschaft befanden? Sie waren gesetzlich gezwungen, solange in den Gruben zu bleiben, wie sie deren Eigentümer dort zu beschäftigen wünschte, und wurden tatsächlich als ein Teil des in den Bergwerken steckenden Kapitals verkauft. Wenn sie anderswo eine Stellung annahmen, konnte sie ihr Herr stets zurückholen und für den Versuch, ihn ihrer Arbeit zu berauben, als Diebe auspeitschen lassen. Diese Gesetze wurden im Jahre 1779 geändert, aber erst nach den 1797 und 1799 angenommenen Gesetzen aufgehoben. (The Trades-Unions of England p. 119.) So stand es noch vor siebenundneunzig Jahren. Es leben noch Leute, die damals lebten. In Frankreich wieder mußte noch 1806 jeder Arbeiter einen amtlichen Erlaubnisschein beibringen, und in Rußland wurden bis auf unsere Tage landwirtschaftliche Arbeiter mit dem Boden, den sie pflügten, verkauft.

Man betrachte die Veränderung, nein die Umwälzung! Der ärmste Arbeiter in Amerika oder England oder überhaupt in der ganzen zivilisierten Welt, der eine Hacke oder einen Spaten führen kann, steht mit dem Käufer seiner Arbeit auf gleichen Bedingungen. Er verkauft oder versagt sie, wie es ihm am besten dünkt. Er verhandelt und erhebt sich zum Range eines unabhängigen Vertragschließenden. Hat er die Arbeit, die er übernahm, vollendet, so ist er seinem Arbeitgeber nichts mehr schuldig und ohne jede Verpflichtung ihm gegenüber. Der Arbeiter hat nicht nur seine politische und persönliche Freiheit erfochten, er hat ebenso auch gewerbliche Freiheit erlangt, so weit das Gesetz solche gewähren kann und tritt jetzt seinem Herrn gegenüber, indem er sich unter dem Gesetze als seinesgleichen erklärt.

Aber ungeachtet dieser vollständigen Umwälzung haben sich die endgiltigen Wechselbeziehungen zwischen Arbeit und Kapital offenbar noch nicht entfaltet. Die gegenwärtige Ordnung arbeitet nicht ohne Reibung und es müssen Änderungen eintreten, ehe industrieller Friede herrschen kann. Noch finden wir Kapital und Arbeit, diese Kräfte, zwischen denen doch ein Bündnis bestehen sollte, im Widerstreit. Die Fabrikarbeiter eines industriellen Dorfes in Frankreich haben sich eben gegen ihre Arbeitgeber erhoben, das Haus des Unternehmers überfallen und ihn getötet. Die Straßen eines anderen französischen Dorfes sind gegen die zu erwartenden Truppen der öffentlichen Gewalt verbarrikadiert. Die Schiffsbauer Sunderlands in England stehen infolge eines Streites mit ihren Arbeitgebern am Rande des Verhungerns, und Leicester ist eben der Schauplatz industriellen Aufruhrs geworden. In unserm Lande waren Arbeiterstreitigkeiten und Arbeitseinstellungen nie so zahlreich wie jetzt. Im Osten und Westen, Norden und Süden, überall herrscht Unruhe, ein Zeichen, daß ein Gleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern noch nicht erreicht ist.

Eine Arbeitseinstellung oder Aussperrung ist an sich eine lächerliche Sache. Mag sie einen Mißerfolg oder einen Erfolg haben, so gibt sie doch keinen klaren Beweis ihrer Berechtigung oder Nichtberechtigung. Sie ähnelt hierin dem Kriege zwischen zwei Nationen. Sie ist einfach eine Frage der Macht und Ausdauer der Streitenden. Die Herausforderung zur Schlacht oder das Duell ist als Mittel, festzustellen, was recht und gut ist, nicht sinnloser als eine gewerbliche Arbeitseinstellung oder Aussperrung. Es wäre töricht zu glauben, daß wir irgend eine dauernde Beilegung des Streites zwischen Kapital und Arbeit erreicht haben, solange nicht Ausstände und Aussperrungen ebenso der Vergangenheit angehören, wie in den fortgeschrittensten Gemeinwesen die Herausforderung zur Schlacht oder das Duell.

Zugegeben also, daß noch weitere Veränderungen zwischen Kapital und Arbeit vor sich gehen müssen, so wollen wir nun die verschiedenen Vorschläge betrachten, nach denen die Arbeit in ihrer Entwicklung im Verhältnis zum Kapital eine andere Stufe erreichen soll. Zuvor mag bemerkt sein, daß nur Arbeit und Kapital in ihren größten Anhäufungen betrachtet zu werden brauchen. Nur in den großen Unternehmungen zeigt sich verhängnisvoll die industrielle Unruhe, von der ich gesprochen habe. Der Pächter, der einen Mann zur Hilfe dingt oder der Edelmann, der einen Reitknecht oder einen Kellermeister anstellt, wird durch die Ausstände nicht berührt. Die unzähligen Fälle, in denen nur ein paar Leute unmittelbar in Betracht kommen und auf die in ihrer Gesamtheit die meiste Arbeit entfällt, bieten dem Arbeiter leidlich befriedigende Bedingungen. Dies klärt einen guten Teil des Terrain und erlaubt uns eine Beschränkung auf die großen, neuentstandenen Bergwerks- und Fabrikbetriebe, in denen Kapital und Arbeit oft in einen beunruhigenden Gegensatz zu einander treten.

Unter den zu ihrer besseren Versöhnung vorgeschlagenen Mitteln gebührt der erste Platz dem Gedanken genossenschaftlichen Wirkens oder dem Plane, nach dem die Arbeiter Miteigentümer werden und die Vorteile solcher genießen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dies auf den Arbeiter, wenn es zu verwirklichen wäre, den nämlichen wohltätigen Einfluß üben würde, den der Landbesitz auf den ausübt, der vorher den Boden für einen andern gepflügt hat. Das Bewußtsein des Eigentums macht mehr aus ihm als Mensch sowohl wie als Bürger für den Staat. Man begegnet hier aber einer Schwierigkeit, deren Überwindung mir nicht möglich gewesen ist und die mich weniger zuversichtlich auf die Genossenschaften blicken läßt, als ich gern möchte. Diese Schwierigkeit ist die folgende und scheint mir allen riesenhaften Fabrik-, Bergwerks- und Handelsunternehmungen innezuwohnen. Zwei Leute oder zwei Vereinigungen von Leuten errichten Hochöfen, Eisengießereien, Baumwollspinnereien oder Pianofortefabriken nebeneinander oder widmen sich Schiffahrts- oder Handelsgeschäften. Sie fangen mit gleichem Kapital und Kredit an und scheinen jedem, der die Personen dieser Unternehmungen nur oberflächlich kennt, genau die gleiche Aussicht auf Erfolg zu haben. Nichts destoweniger wird die eine, nachdem sie sich kraftlos hingeschleppt hat, ihre Zahlungen einstellen und in die Hand ihrer Gläubiger fallen, während das benachbarte Fabrikunternehmen oder Geschäft seinen Besitzern ein Vermögen einbringen wird. Der erfolgreiche Fabrikant wird nun, wenn er jeden Monat oder jedes Jahr einen Teil seiner Gewinne unter seine Arbeiter als Gratifikation oder als Dividende auf ihnen gehörende Anteile verteilt, nicht nur eine glückliche und zufriedene Arbeiterschaft haben, sondern unfehlbar auch von seinem Wettbewerber gerade die besten Arbeiter jeder Abteilung zu sich herüberziehen. Sein Wettbewerber, der keine Gewinne unter seine Arbeiter zu verteilen hat und ihnen nur ein kleines, ihnen zugesichertes Minimum zahlt, findet sich der Werkführer und Arbeiter beraubt, die zur erfolgreichen Führung seines Geschäftes notwendig sind. Seine Arbeiter sind unzufrieden und ihrer Ansicht nach durch die Unfähigkeit oder Unachtsamkeit ihrer Arbeitgeber um die angemessenen Früchte ihrer Geschicklichkeit gebracht. So zeitigt ungleiche Befähigung zu kaufmännischer Geschäftsleitung ungleiche Ergebnisse.

Genau so wird es sich verhalten, wenn eine dieser Fabriken den Arbeitern selbst gehört, nur wird in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit des Mißlingens auf Seiten der Arbeiter bei deren jetziger Entwicklungsstufe eine viel größere sein. Es ist tatsächlich sehr zu bezweifeln, ob heute irgend eine Arbeitergesellschaft der Welt ein Bergwerks- oder Fabrik- oder Handelsunternehmen im Wettbewerb mit Betrieben, die kaufmännisch gebildeten Leuten gehören, organisieren und erfolgreich fortführen könnte. Wenn eine solche genossenschaftliche Vereinigung Erfolg hat, kann man sicher annehmen, daß es hauptsächlich der außergewöhnlichen Geschäftstüchtigkeit eines der Leiter und nur in sehr geringem Grade den Bemühungen der Masse der Arbeiter-Eigentümer zuzuschreiben ist. Diese Geschäftstüchtigkeit ist äußerst selten, wie der unglaublich große Teil derer beweist, die auf die stürmische See des Geschäftes nur hinausfahren, um unterzugehn. Ich möchte sagen, daß zwanzig genossenschaftliche Betriebe auf jenen einen mit Erfolg bestehenden fehlschlagen würden. Es gibt zwar einige erfolgreiche Unternehmungen, nämlich zwei in Frankreich und eine in England, die nach dem genossenschaftlichen Prinzip eingerichtet sind und die Arbeiter unmittelbar am Gewinn beteiligen. Sie wurden aber sämtlich von den gegenwärtigen Besitzern gegründet, die jetzt großmütig die Gewinne mit ihren Arbeitern teilen und in dem Gedeihen ihrer Fabriken auf genossenschaftlicher Grundlage ihr stolzes Lebenswerk erblicken. Was aus diesen Betrieben einmal wird, wenn nicht mehr der sie leitende Geschäftsgeist in ihnen waltet, unterliegt ernstlichem Zweifel und weckt in mir trübe Ahnungen. Ich kann mir wohl im Geiste einen Zustand der Zivilisation ausmalen, in dem die befähigtsten Geschäftsmänner ihre höchste Aufgabe darin finden werden, große Betriebe in erster Linie nicht zu ihrem eigenen persönlichen Emporkommen, sondern zum Nutzen der darin beschäftigten Arbeitermassen und deren Familien zu führen. Aber dies ist nur ein Schatten, den eine undeutliche und ferne Zukunft vorauswirft. Wenn eine Klasse solcher Menschen entstanden sein wird, wird die Frage »Kapital und Arbeit« zur vollen Zufriedenheit beider endgiltig gelöst sein, aber da dies offenbar einer künftigen Generation angehört, vermag ich die Genossenschaft oder das Gesamteigentum nicht als den nächsten unmittelbaren Fortschritt anzusehn, den die Arbeit auf ihrem aufsteigenden Pfade machen kann.

Der nächste Vorschlag ist der, daß eine friedliche Regelung von Streitigkeiten auf schiedsrichterlichem Weg zu erreichen sei. Hier befinden wir uns auf festerem Boden. Ich möchte es als einen Grundsatz aussprechen, daß es für einen Ausstand oder eine Aussperrung keine Entschuldigung gibt, solange nicht schiedsrichterliche Beilegung des Streites von einer Seite angeboten und von der andern zurückgewiesen worden ist. Ohne Zweifel ist auch mit dem schiedsrichterlichen Verfahren gegenwärtig ein großes Übel verknüpft, welches in der Schwierigkeit besteht, geeignete Männer zu finden, die zwischen den Streitenden einsichtsvoll richten. Es herrscht eine natürliche Abneigung unter den Kaufleuten, ihre Geschäftsverhältnisse Leuten darzulegen, zu denen sie nicht volles Vertrauen haben. Uns fehlt bis jetzt noch eine Klasse von Männern in Amerika, die sich von den Geschäften zurückgezogen haben. Bei uns herrscht der schnöde Brauch, mit dem Anhäufen von immer mehr Dollars fortzufahren, bis wir sterben. Wäre es hier wie in England üblich, daß sich die Leute nach Erwerb eines Vermögens von der Geschäftstätigkeit zurückziehn, so würde diese Klasse die richtigen Schiedsrichter liefern. Andrerseits wären den Fabrikanten wie den Arbeitern die ehemaligen Vorsteher der Gewerkschaften wie Mr. Jarrett oder Mr. Wihle insofern zu empfehlen, als sie die nötigen technischen Kenntnisse und eine genügend hohe Bildung besitzen, um auch kaufmännischen Vernunftsgründen nicht unzugänglich zu bleiben. Ich glaube, daß von allen jetzt verfügbaren Mitteln, verheerende und verbitternde Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit zu hindern, das schiedsrichterliche Verfahren das wirksamste und wohltätigste ist.

Der Einfluß der Gewerkschaften auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist viel erörtert worden. Manche Unternehmen in Amerika haben sich geweigert, das Recht der Leute, sich zu solchen Vereinigungen zusammenzutun, anzuerkennen, während in England wohl kein Betrieb wagen würde, einen derartigen Standpunkt einzunehmen. Diese Politik kann indessen nur als ein vorübergehender Zustand angesehen werden. Das Recht der Arbeiter, sich zu vereinigen und Gewerkschaften zu bilden, ist nicht weniger heilig als das Recht des Fabrikanten, mit seinen Kollegen Vereine und Zusammenkünfte zu haben, und muss früher oder später gewährt werden. Man gewinnt in der Tat einen armseligen Eindruck von dem amerikanischen Arbeiter, wenn er sich eines Rechtes berauben läßt, welches sich sein Kollege in England längst erobert hat. Meiner Erfahrung nach sind die Gewerkschaften im allgemeinen sowohl der Arbeit wie dem Kapital von Nutzen. Sie wirken sicherlich auf die Arbeiter erzieherisch und vermitteln ihnen eine richtigere Anschauung von dem Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, als sie sonst gewinnen könnten. Die fähigsten und besten Arbeiter gelangen in diesen Organisationen schließlich in den Vordergrund, und es kann als eine Regel aufgestellt werden, daß Streitigkeiten mit den Arbeitgebern um so seltener stattfinden, je einsichtsvoller der Arbeiter ist. Nicht der verständige Arbeiter, welcher weiß, daß die Arbeit ohne ihren Bruder Kapital hilflos ist, sondern der lärmende, unwissende Mensch, der das Kapital als den natürlichen Feind der Arbeit betrachtet, trägt so viel dazu bei, die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verbittern, und der große Einfluß dieses unwissenden Aufwieglers entspringt hauptsächlich dem Mangel einer geeigneten Organisation unter den Leuten, die deren wahre Stimme zum Wort kommen läßt. Diese Stimme wird stets zu gunsten des verständigen und einsichtsvollen Gewerkschaftlers sein. Natürlich muß in dem Maße, wie die Menschen einsichtsvoller werden, ihnen persönlich und ihren Rechten und selbst ihren Ansichten und Vorurteilen mehr Rücksichtnahme geschenkt und dem einsichtsvollen Arbeiter in den guten Tagen im allgemeinen ein größerer Gewinnanteil gezahlt werden als dem unwissenden. Er läßt sich nicht so leicht täuschen. Andrerseits wird er sich viel eher bereit finden lassen, auf eine Herabsetzung der Vergütung einzugehen, wenn das Geschäft darniederliegt; und auf die Dauer ist es für das Kapital besser, hoher Einsicht zu gebieten und zu erfahren, daß dies nur im Verkehr mit Leuten der Fall ist, die wissen, welche Behandlung und Vergütung ihnen schuldig ist.

Eine Hauptquelle des Verdrusses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern liegt in der Tatsache, daß die ungeheuren Betriebe von heutzutage, in denen allein ernste Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit zu finden sind, nicht von ihren Eigentümern, sondern von besoldeten Beamten geführt werden, die am Wohlergehn der Arbeiter unmöglich ein dauerndes Interesse haben können. Diesen Beamten kommt es hauptsächlich darauf an, am Ende des Jahres eine befriedigende Bilanz vorzulegen, damit ihre Hunderte von Aktionären die gewohnte Dividende empfangen und sie selbst in ihren Stellungen sicher sind und das Geschäft ohne unangenehme Einmischung seitens der Aufsichtsräte oder Aktionäre weiterführen können. Es ist bezeichnend, daß erbitterte Ausstände selten in kleinen Betrieben vorkommen, wo der Eigentümer mit seinen Leuten in unmittelbare Berührung kommt und ihre Vorzüge, ihr Streben und ihr Sehnen kennt. Verantwortlich für die Kämpfe, die von Zeit zu Zeit ausbrechen, ist vor allen der Vorsitzende der Verwaltung, der sich von seinen Leuten hunderte von Kilometern entfernt befindet, den Werken nur flüchtig einen Besuch abstattet und höchstens die Zeit findet, ein oder zweimal im Jahr die Fabrik oder das Bergwerk zu betreten. Dagegen habe ich wahrgenommen, daß derjenige, der am öftesten mit einem Ausschuß seiner tonangebenden Leute zusammen kommt, mit seinen Arbeitern die wenigste Not hat. Mag es für die Vorsteher jener großen Gesellschaften auch undurchführbar sein, die Arbeiter persönlich zu kennen, so kann doch der Direktor, der sich von einem Ausschuß seiner besten Leute von Zeit zu Zeit deren Anregungen und Wünsche unterbreiten läßt, sehr viel dazu beitragen, freundschaftliche Beziehungen zu erhalten und zu befestigen, wenn man sich nicht vom Stabsquartier aus einmischt. Ich erblicke daher in den Gewerkschaften und noch mehr in Organisationen der Leute jedes Betriebes, die sich Vertreter zur Fürsprache wählen, ein Mittel, die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht weiter zu verbittern, sondern zu verbessern.

Es ist erstaunlich, ein wie kleines Opfer von Seiten der Arbeitgeber den Arbeitern zuweilen großen Nutzen bringt. Ich erinnre mich, daß bei einer unserer Zusammenkünfte mit einem Ausschuß von einem Redner beiläufig bemerkt wurde, daß die Notwendigkeit, in den Läden der Nachbarschaft Kredit zu erlangen, für die Arbeiter eine schwere Last sei. Ein gewöhnlicher Arbeiter, sagte er, der es nicht fertig bringt, sich und seine Familie einen Monat lang zu unterhalten, muß, da er seinen Lohn nur monatlich bekommt, Kredit in Anspruch nehmen und für alles übermäßige Preise bezahlen, während er mit dem Bargeld fünfundzwanzig v. H. billiger kaufen könnte. »Wohlan« sagte ich, »könnten wir dem nicht dadurch abhelfen, daß wir alle zwei Wochen bezahlen?« Die Erwiderung lautete: »Wir wollten das nicht verlangen, weil wir immer meinten, es werde viel Umstände machen, aber wenn Sie es tun, wird es einer Erhöhung unserer Löhne um fünf v. H. gleich kommen.« Seitdem bezahlen wir halbmonatlich. Ein andrer Redner sagte zufällig, obgleich sie sich inmitten der Kohlen befänden, würde ihnen für kleine, nach der Wohnung gelieferte Posten ein bestimmter Preis für den Scheffel berechnet. Der genannte Preis war das doppelte dessen, was uns unsre beste Kohle kostete. Wie einfach für uns, unseren Leuten die Kohlen, die sie brauchen, zu liefern und zu dem Selbstkostenpreis zu berechnen! Dies wurde denn auch, ohne einen Pfennig Verlust für uns, aber mit großem Gewinn für die Leute, getan. Noch andere, ähnliche Anregungen tauchten auf, durch die Arbeit erleichtert oder die Erzeugung gesteigert werden konnte sowie andre, die Veränderungen an den Maschinen oder Vorteile betrafen, welche ohne die erwähnten Zusammenkünfte dem Unternehmer nicht in den Sinn gekommen und von den Leuten wahrscheinlich nie gefordert worden wären. Aus diesen und ähnlichen Gründen messe ich einer Organisation der Leute, die die Geschäftsleiter durch regelrecht gewählte Vertreter ab und zu über bestehende Beschwerden und Wünsche unterrichten kann, die größte Wichtigkeit bei. Gleichviel wie befähigt der Geschäftsleiter sein mag, so kann ihm doch der gewandte Arbeiter oft zeigen, wie in dem besondern Zweige, in dem er tätig ist, nützliche Veränderungen vorgenommen werden können. So lange nicht die Beziehungen zwischen Geschäftsleiter und Arbeitern statt bloß friedlicher freundschaftliche sind, missen die Eigentümer sehr viel; ebenso ist niemand ein Geschäftsleiter ersten Ranges, der nicht das Vertrauen und die Achtung und selbst die Bewunderung seiner Arbeiter genießt. Keiner ist ein wahrer Ehrenmann, der seinen Untergebenen nicht Zuneigung und Verehrung einflößt. Die Gefahr ist nur, daß solche Ausschüsse zu oft Zusammenkünfte verlangen möchten; drei oder vier jährlich wären als genügend zu erachten.

Ich komme jetzt zu der wichtigsten Ursache der Reibungen, die in den großen Unternehmungen zwischen Kapital und Arbeit herrschen, zu dem wirklichen Wesen des Übels und dem Heilmittel, welches ich vorzuschlagen habe.

Das Mißliche ist, daß den Leuten zu keiner Zeit die dem betreffenden Zeitpunkt angemessene Vergütung gezahlt wird. Alle großen Betriebe versehen sich notwendigerweise im voraus mit Aufträgen, sagen wir auf sechs Monate hinaus, und diese Aufträge werden selbstredend zu Preisen angenommen, wie sie bei der Erteilung herrschen. Der Geschäftsgang dieses Jahres veranschaulicht die Schwierigkeit vielleicht am besten. Am Ende vorigen Jahres kosteten Stahlschienen in den Werken zur Lieferung in diesem Jahr 29 Dollar die Tonne. Natürlicherweise nahmen die Fabrikanten Bestellungen zu diesem Preise bereitwillig an und zwar so lange, bis die Nachfrage einen unerwartet großen Umfang annahm und die Preise auf 35 Dollar die Tonne brachte. Die verschiedenen Fabrikanten in Amerika sind nun gezwungen, die nächsten sechs Monate oder länger Aufträge auszuführen, die sich an der Küste und in Pittsburg durchschnittlich noch nicht auf 31 Dollar und in Chicago vielleicht auf 34 Dollar die Tonne stellen. Die Kosten der Beförderung, des Eisensteines und alle sonstigen Preise sind inzwischen vorausgeeilt und jene Fabriken müssen daher den größten Teil des Jahres mit einem sehr kleinen Nutzen arbeiten. Die Leute aber, die aus den Blättern den »großen Aufschwung in Stahlschienen« erfahren, verlangen sehr natürlich ihren Teil an dem Aufschlag und bekommen ihn unter den zwischen Kapital und Arbeit bestehenden unvollkommenen Einrichtungen auch gewährt. Die Arbeitgeber haben somit wider Willen gewährt, was nach ihrer Überzeugung unter geeigneten Einrichtungen nicht von ihnen zu verlangen gewesen wäre und es hat darum Reibungen gegeben, wie noch jetzt auf Seiten der Arbeitgeber Unzufriedenheit besteht. Man kehre das Bild um, der Stahlschienenmarkt fällt wieder. Die Fabriken sind noch sechs Monate zu höheren als den herrschenden Marktpreisen beschäftigt und in der Lage, ihren Leuten höhere Löhne zu zahlen, als die neue Marktlage anscheinend rechtfertigt. Da ihnen aber eben erst Lohnzuschläge auferlegt worden sind, die sie eigentlich nicht hätten zu bewilligen brauchen, versuchen sie natürlich, die Löhne in dem Maße herabzusetzen, wie der Marktpreis der Schienen zurückgeht; und nun entsteht abermals Mißvergnügen unter den Leuten und wir haben eine Wiederholung der Verhandlungen und Ausstände, die dem Beginn dieses Jahres ihren Stempel aufgedrückt haben. Mit anderen Worten, wenn der Arbeitgeber heruntergeht, besteht der Arbeitnehmer darauf, hinaufzugehen und umgekehrt. Was wir suchen müssen, ist ein Modus, nach dem die Leute hohe Löhne empfangen, wenn ihre Arbeitgeber für das Erzeugnis hohe Preise und daher hohen Gewinn erhalten, und andererseits die Leute niedrigen Lohn empfangen, wenn die Arbeitgeber für das Erzeugnis niedrige Preise und kleinen oder überhaupt keinen Gewinn erzielen. Ist dieser Modus zu finden, so werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer an demselben Strange ziehn, sich vereint ihrer Wohlfahrt erfreuen und in der Not gemeinschaftlich ihre Kräfte einsetzen. Für Streitigkeiten wird kein Raum mehr sein, und statt eines Kampfgefühls wird zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Gefühl der Gemeinschaft herrschen.

Es gibt ein einfaches Mittel, diesen Erfolg herbeizuführen, und sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sollten seine allgemeine Herbeiführung betreiben. Die Löhne sollten im Verhältnis der für das Erzeugnis monatlich erzielten Nettopreise auf einer gleitenden Skala fußen, und hier hebe ich gern zu Ehren Mr. Potters, des Vorsitzenden der Nord-Chicagoer Walzwerkgesellschaft hervor, daß er bereits einen Schritt in dieser Richtung getan hat, denn er führt heute seinen Hauptbetrieb auf dieser Grundlage. Die Folge ist gewesen, daß er dieses Jahr keinerlei Betriebsunterbrechungen oder Unannehmlichkeiten gehabt hat. Alles ist gut und glatt gegangen und dies allein ist dem Fabrikanten und seinen Leuten mindestens ebensoviel wert wie der Lohnunterschied, der in der einen oder andern Richtung aus dem neuen System hervorgehen kann.

Die berühmten Crescent-Stahlwerke von Pittsburg, die die höchsten Grade von Werkzeugstahl erzeugen, bezahlen ihre gelernten Arbeiter nach einer gleitenden Skala, die auf den für das Erzeugnis empfangenen Preisen beruht – ein für den hervorragenden Erfolg dieser Firma sehr wichtiger Faktor. Die von den Eisenfabrikanten und Eisenarbeitern angenommene Skala nähert sich nur der wirklichen gleitenden Lohnskala; nichtsdestoweniger ist sie für Kapital wie Arbeit ein entschiedener Gewinn, da sie von Jahr zu Jahr angenommen wird, Ausstände wegen der Löhne mithin das Jahr über ausschließt und Betriebsunterbrechungen aus jenen Gründen auf die jährliche Verhandlung über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit der Skala beschränkt. Da diese Skala indessen nicht auf dem wirklich empfangenen Preis, sondern auf der veröffentlichten Liste derjenigen Preise beruht, die theoretisch erlangt werden sollten, besteht zwischen den Parteien keine völlige Gegenseitigkeit. In gedrückten Zeiten, wie sie die Eisenindustrie in den letzten Jahren durchgemacht hat, sind sehr große Zugeständnisse auf die in der Karte veröffentlichten Preise nötig gewesen, um Verkäufe zu bewirken, und in diese haben sich die Arbeiter mit ihren Arbeitgebern nicht geteilt. Wenn jedoch der Skala, auch in ihrer gegenwärtigen Form, eine Abmachung hinzugefügt würde, wonach alle Streitpunkte, die nicht bis zum Ende des Jahres aufgeschoben und dann mit der Skala erwogen werden können, an ein Schiedsgericht zu verweisen wären und wonach ein solches in Ermangelung einer Einigung zwischen Fabrikeigentümern und Arbeitern auch bei der jährlichen Zusammenkunft einzugreifen hätte, so würden Ausstände und Aussperrungen aus dem Eisengeschäft gänzlich fern gehalten werden; und wenn der Spruch der Schiedsrichter vom Tage der Verweisung an das Schiedsgericht an wirksam wäre, so könnten die Werke ohne einen Tag Unterbrechung im Betriebe bleiben.

Indem ich daher für die Gegenwart jede Erwägung genossenschaftlicher Vereinigung als außerhalb des Rahmens des Berechenbaren liegend völlig ausscheide, glaube ich, daß die nächsten Schritte auf dem Wege zu dauernden friedlichen Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit die folgenden sind:

Erstens. Den Leuten eine Vergütung zu zahlen, die im Verhältnis der für das Erzeugnis empfangenen Preise auf einer gleitenden Skala beruht.

Zweitens. Eine geeignete Organisation der Leute jedes Betriebs zu schaffen, durch die die natürlichen Führer, die besten Leute, im Einzelfalle an die Spitze gelangen und mit den Arbeitgebern frei unterhandeln.

Drittens. Friedliche, schiedsrichterliche Entscheidung in allen Fällen von Meinungsverschiedenheiten anzurufen, die die Eigentümer und der Fabrikausschuß in freundschaftlicher Verhandlung selber nicht ordnen können.

Viertens. Nie eine Unterbrechung in dem Betriebe des Unternehmens eintreten zu lassen, sondern der Entscheidung der Schiedsrichter vom Tage der Verweisung an das Schiedsgericht an Kraft zu verleihen.

Wenn diese Maßnahmen von einem Betriebe angenommen würden, wären damit verschiedene große Vorteile gewonnen:

Erstens. Der Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden sowohl ihr Glück wie ihre Notlage miteinander teilen. Wenn die Skala einmal festgesetzt wäre, würde das Gefühl des Gegensatzes schwinden und ein Gefühl der Gegenseitigkeit folgen, Kapital und Arbeit würden Schulter an Schulter stehen, sich einander stützen.

Zweitens. Es könnte weder ein Ausstand noch eine Aussperrung stattfinden, da beide Teile überein gekommen sind, sich an die erfolgende Entscheidung der Streitpunkte zu halten. Da in letzter Instanz zur Entscheidung dessen, was eine Familienangelegenheit sein sollte, Fremde heranzuziehen wären, so dürften nur selten Fälle vorkommen, die nicht durch die ursprünglichen Parteien selbst, ohne Berufung andrer Richter, freundschaftlich zum Austrag gelangen würden.

Was auch die Zukunft für die Arbeit im Schoße bergen mag, so wird der Beobachter der Entwicklung, der nur den sicheren und steten Fortschritt der Rasse sieht, doch nie versuchen, ihren Triumphen Schranken zu setzen, auch nicht der dereinstigen Form vollständiger und allgemeiner Genossenschaftlichkeit, die, wie ich hoffe, eines Tages erreicht werden wird. Ich bin aber überzeugt, daß der nächste Schritt in der Richtung zu geschehen hat, die ich angedeutet habe; und als einer, der den Tag freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Kräften Kapital und Arbeit, die keine Feinde, sondern in Wirklichkeit Verbündete sind und zusammen stehen und fallen, sehnlichst herbei wünscht und zur Herbeiführung dieses Tages sein Teil beizutragen sucht, bitte ich auf Seiten des Kapitals sowohl wie der Arbeit um sorgfältige Erwägung dieser Darlegungen.

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