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Selbstregierung in Amerika.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe zunächst dem Vorstand der Junior Liberal Association dafür zu danken, daß er mir den großen Vorteil verschaffte, hier in der zweiten Stadt des Reichs vor einer außerordentlich zahlreichen Zuhörerschaft von Landsleuten zu stehen, in einer Stadt, die mehr als jede andere dazu beigetragen hat, die beiden Zweige der großen englischsprechenden Rasse, mein Geburts- und mein Adoptivland, einander näher zu bringen. Die großen Schiffe, die sie jedes Jahr hinaussendet, damit sie auf dem Ozean hinüber und herüberfahren, sind Schützen, die zwischen den beiden Nationen ein herrliches Gewebe erzeugen. Schon haben wir in dem prächtigen Muster das internationale Schiedsgericht herausgefunden und in dem Maße, wie es enger und enger wird, wird darin noch ewige Freundschaft und gutes Einvernehmen zum Vorschein kommen.

Die jüngst erfolgte Einsetzung einer Kommission zur Regelung des Fischereistreites beweist aufs neue, daß nie hinfort mehr ein Tropfen Blut des einen Zweiges der Rasse vom andern vergossen werden soll. Und bezüglich der Fischerei-Kommission möchte ich sagen, daß ich für meine Person und wie ich glaube alle Liberalen und alle britischen Männer erfreut waren, einen Mann wie Mr. Chamberlain eine Stellung einnehmen zu sehen, in der er seinem Lande mehr Gutes erweisen kann, als in irgend einer anderen, die er zu Hause finden könnte. Es ist ein großes Werk, auf das er sich eingelassen hat. Ich weiß, daß ihn die »Pall Mall« als einen den Fischen über Bord geworfenen Jonas darstellt, ich hoffe aber, daß auch er gleich Jonas von der Reise unversehrt, mit erhöhtem Ansehen zurückkehren und imstande sein wird, sich einer von keinem anderen Reisenden je vollbrachten Tat zu rühmen.

Als ich die Einladung annahm, vor dieser Zuhörerschaft eine politische Ansprache zu halten, äußerte ich, daß es für mich unpassend sein würde, auf die zeitweiligen und vorübergehenden – Streitigkeiten einzugehen, die unglücklicherweise in der liberalen Partei bestanden, sich aber in der Zeit zwischen meiner Annahme der Einladung und meinem Erscheinen, wie ich erfreulicherweise festzustellen vermag, in hohem Maße verflüchtigt haben. Die jüngsten Wahlen zeigten nicht viel von einer Spaltung der liberalen Partei und ich trete daher heute Abend an die Frage der Selbstregierung in Amerika mit dem Gefühle heran, mit dem Mißvergnügen und den Eifersüchteleien, die unter Ihnen bestanden, in keiner Weise etwas zu tun zu haben. Denn das sage ich Ihnen: mag einer liberaler Gladstonianer, liberaler Unionist, Konservativer oder Tory sein – ich glaube, ich habe alle Spielarten genannt – so wurzelt doch in der Seele jedes rechtschaffenen und ehrlichen und patriotischen Bürgers dieses großen Landes die feste Überzeugung, daß der jetzige Stand der Dinge in Irland, was auch kommen mag, aufhören muß. Sie dürfen nicht länger den englischen Namen schänden und uns in Amerika für das Land unserer Väter – das Land, das der Bahnbrecher der Freiheit gewesen ist – erröten lassen. Die Mutter der Nationen darf nicht länger mit dem Bekenntnis vor der Welt stehen, daß sie an ihrer eigenen Tür, in einem Teile ihres eigenen Reichs keine gerechte Gesetzgebung zu schaffen weiß, die der öffentlichen Meinung der Regierten zusagt. Die Selbstregierung ist gewiß, und ich gehe daher auf keine strittige Frage ein, wenn ich mir erlaube, Ihnen die Phase der Selbstregierung darzulegen, die wir in Amerika haben. Ich hoffe, daß Sie in ihr bei der Vorbereitung Ihrer Gesetze einige Fingerzeige finden, die Ihnen für die Lösung dieser großen und dringenden Frage von Nutzen sein können.

Zunächst, meine Herren, wird es nötig sein, daß ich ein paar Worte über die amerikanische Verfassung sage. Was ist sie? Ich will Ihnen sagen, worauf sie begründet ist. Sie ist auf unserer eigenen Verfassung begründet, und ist in hohem Maße das Werk eines Schotten. Ich wende mich an jeden beliebigen Gelehrten hier, an jede Person, welche die der Annahme der Verfassung vorausgehenden Verhandlungen gelesen hat. Ich bitte Sie, den »Federalist« zu lesen, und Sie werden finden, daß der von Alexander Hamilton vorgelegte Entwurf der amerikanischen Verfassung mit sehr wenigen Veränderungen angenommen wurde und heute die Verfassung ist. Ich meine, das wird sie in den Augen eines Glasgower Publikums nicht herabsetzen. Ja, das Lob dieser Verfassung ist jüngst so groß und so mannigfaltig gewesen, daß ich Sie nicht mit Ausführungen belästigen will; aber in den Werken von Matthew Arnold, Froude, Freeman, Dicey und schließlich nicht zum mindesten von Mackenzie, einem Schotten, der eine wundervolle Geschichte Amerikas geschrieben hat – ein Dundeeer Kind, glaube ich – sowie von Sir Henry Mayne können Sie ganze Seiten von Lobpreisungen lesen, deren Wiederholung mir als Amerikaner die Bescheidenheit verbietet. Ich werde mir jedoch erlauben, die Führer Ihrer beiden Parteien anzuziehen, damit Sie sehen können, wie sie die von jenen Schriftstellern ausgesprochenen Ansichten bestätigen.

Mylord Salisbury hat gesagt: »Die Amerikaner haben einen höchsten Gerichtshof, der ihren Einrichtungen Beständigkeit verleiht und nach dem wir hier vergebens ausschauen; die Amerikaner haben einen in seiner Macht und Wirksamkeit wundervollen Senat; könnten wir doch hier eine solche zweite Kammer haben!« Ich will Lord Salisbury sagen, wie er sie bekommen kann. Es besteht kein Patent für ihren ausschließlichen Gebrauch – und es gibt nur einen Weg, in einer Nation etwas Gutes zu erreichen. Der Senat der Vereinigten Staaten geht aus dem Volke hervor. In seinen Adern fließt nicht das Gift erblicher Vorrechte, und das macht ihn in seiner Kraft und Wirksamkeit so mächtig und wundervoll; und wenn mein Freund Lord Rosebery bei der Einbringung seines versprochenen Gesetzes zur Reform des Oberhauses Lord Salisbury nur bewegen kann, der Ausschließung des erblichen Giftes zuzustimmen, könnten Sie dann sehr wohl eine Senatkammer erlangen, die der amerikanischen an Kraft und Wirksamkeit gleichkäme. Sie können sie nicht auf anderem Wege bekommen, und wenn man diesen nicht einräumt, wird Lord Rosebery seine einzige Sicherheit in der Annahme des Ratschlages suchen müssen, den Hamlet den Schauspielern gab: »Macht das Ganze neu.« Nun hat aber ein größerer Mann als Lord Salisbury – halten Sie Ihren Beifall zurück, ich werde den Namen nicht nennen, aber als ich den Namen in Edinburgh erwähnte, sprang die ganze Zuhörerschaft auf die Beine und spendete lauten Beifall, und ich war darüber sehr erfreut. Ich sagte, eine größere Autorität als Lord Salisbury, von der weit mehr für die Verbesserung von Verfassungen getan worden ist, hat die amerikanische Verfassung als das wunderbarste Werk bezeichnet, das je aus menschlichem Geist und menschlicher Absicht in einem Stücke hervorgegangen ist. Ich weiß nicht, ob Mr. Gladstone als Schotte zu dem Werk eines Schotten wie Alexander Hamilton vielleicht ein wenig parteiisch stehen mag, aber dies sind seine Worte. Übermorgen werden sich in der Stadt Philadelphia Vertreter aus allen Teilen der Vereinigten Staaten mit den Richtern des höchsten Gerichtshofes und dem Präsidenten an ihrer Spitze versammeln, um die Hundertjahresfeier der Annahme der Verfassung zu begehen. Die Verfassung wurde vor hundert Jahren von einer Bevölkerung von 3 Millionen angenommen, die die atlantische Küste umsäumte. Heute waltet sie friedlich über der Mehrheit der englischsprechenden Rasse – mehr englischsprechenden Menschen, als Großbritannien und alle seine Kolonien haben, selbst wenn die letzteren die doppelte Bevölkerung hätten; und obgleich sich dieser Zweig des britischen Volkes vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean und südwärts von der Küste von Maine bis zum Golf von Mexiko ausgedehnt hat, ist man nicht über die Wohltaten und den Schutz dieser Verfassung hinausgekommen.

Gestatten Sie mir nun, Ihnen diese Verfassung zu beschreiben. Die Regierung der Vereinigten Staaten zerfällt unter der Verfassung in drei Zweige – die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt. Der gesetzgebende Körper besteht aus zwei Kammern – dem Haus der Abgeordneten, die auf zwei Jahre unmittelbar von dem Volk gewählt werden, und dem Senat, der sich aus zwei Senatoren jedes der achtunddreißig Staaten zusammensetzt und von dem gesetzgebenden Körper des Staates auf sechs Jahre, aber in der Weise gewählt wird, daß alle zwei Jahre ein Drittel der ganzen Körperschaft ausscheidet, um vom Volk wiedergewählt oder durch würdigere Diener ersetzt zu werden. Diese Abgeordneten empfangen jeder als Vergütung für seine Dienste 1000 Pfund jährlich. Sie haben von 10 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags ihre Sitzungen, und die Nation verlangt ihre regelmäßige Anwesenheit, da sie für die Dienste dieser Herren bezahlt. Sie beansprucht ihre Kräfte und Aufmerksamkeit, wenn sie frisch sind, und würde 168 Anwälte, wie in Ihrem gegenwärtigen Parlament, die alle Tags über ihrem Berufe nachgehn und nur abends zu Ihnen kommen, um Ihre Angelegenheiten zu verwirren, keinen Augenblick dulden. Ich habe viel in Ihrem Unterhaus gesessen. Es ist im wesentlichen ein Disputierklub zur Entfaltung der Eitelkeit und nicht mehr eine nüchterne, denkende, gesetzgebende Kammer. Es wird nie eine solche sein, solange sich seine Mitglieder für eine vornehme Klasse halten, die sich herabläßt, Ihnen im Parlament zu dienen. Ihre Gesetzgeber sind immer Ihre Herren, in Amerika aber sind sie unsere bezahlten Diener.

Sie kennen die berühmte Geschichte jenes Herrn, der beim Whist durch das unrichtige Spiel seines Partners viel Geld verlor. Er zankte mit ihm und die Sache wurde an den obersten Sachverständigen des Whistklubs verwiesen. Die Frage war die folgende: Kann einer überhaupt ein so dummes Spiel wie das beschriebene spielen? Und die Entscheidung des Schiedsrichters lautete, er meinte: Ja – nach dem Diner. Es ist dies ein Punkt, der für die Selbstregierung ausscheidet – ich erwähne ihn aber nur nebenher.

Die Machtvollkommenheit der beiden Häuser des Parlaments ist der des Ihrigen in einer Beziehung sehr verwandt. Soweit das Haus der Abgeordneten in Frage kommt, besitzen sie hier wie dort das Budgetrecht, die gleiche Machtvollkommenheit hat aber der Senat der Vereinigten Staaten. Ohne seine Billigung wird kein Gesetz zum Gesetz. Ohne die Einwilligung und Abstimmung und Billigung der höchsten gesetzgebenden Versammlung der Welt, des amerikanischen Senates, kann vom Präsidenten kein Vertrag unterzeichnet, kein einfacher Postdirektor, kein Gesandter oder Minister oder Beamter ernannt werden. In ihm haben wir unsern Höchstregierenden. Der Präsident muß diese Körperschaft von Senatoren mit sich führen. Im Präsidenten haben wir unsre vollziehende Gewalt. Wir wählen unsern König alle vier Jahre, und wir bezahlen ihm ein fürchterliches Gehalt. Ich vermute, Sie alle würden es einem gekrönten Haupte mißgönnen. Wir zahlen ihm 10 000 Pfund jährlich und haben mit seinen Brüdern und Schwestern und Vettern und Tanten nichts zu tun. Und wir setzen ihn ab und wählen einen andern, wenn wir ihn am Ende der vier Jahre nicht mögen. Meine Landsleute, überblicken Sie doch die Reihe der amerikanischen Präsidenten in den letzten 100 Jahren und vergleichen Sie sie mit gewissen Individuen, die Sie auf Ihrem Throne haben ertragen müssen. Vergleichen Sie sie Mann für Mann und sehen Sie, wohin dieser Vergleich führt. Dieser Präsident ernennt sein Kabinett; aber, wohl bemerkt, niemand ist Mitglied seines Kabinetts, bis der Senat sagt: »gebilligt«. Er kann die Mitglieder entlassen, aber wenn er andre ernennt, muß jedes neue jene Probe bestehn, ehe es Mitglied des Kabinetts wird.

Der Präsident ist nicht allein der erste Zivilbeamte: er ist auch der erste Militärbeamte. Wir stellen die Zivilgewalt genau dahin, wo wir sie zu sehen wünschen – an die Spitze, und die Militärgewalt immer dahin, wo sie immer sein sollte – an die Basis. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist der Höchstkommandierende des Heeres und der Flotte oder der Streitkräfte des Landes, wenn es ihm beliebt, sie zum Dienst zu rufen. Es ist dies keine Schattengewalt. Als der General Grant auf dem Gipfel seines Ruhmes stand, ging das Gerücht, daß er mit dem General Lee ein Abkommen treffen wollte, das die zu befolgende Politik berührte; und ich sah das Telegramm, welches der Präsident Lincoln mit eigener Hand schrieb: »An den General-Major Grant, bei Richmond, Virginia: Sie werden kein Abkommen mit dem General Lee treffen, außer wegen der Kapitulation seines Heeres. Sie werden über keine Frage von irgend welcher politischen Bedeutung beraten, verhandeln oder beschließen. Der Präsident hält diese Fragen in seiner eigenen Hand und wird sie keinerlei militärischen Verhandlungen überlassen.« Diese Macht geben wir unserm Präsidenten, und wir machen ihn für die Ausübung dieser Macht verantwortlich, und am Ende der vier Jahre legt er uns über seine Verwaltung Rechnung ab. Auf seinen Ruf würden heute sieben Millionen Männer hervortreten, die Waffen tragen können, Waffen zu tragen gewöhnt sind und nur zu bereit wären, zur Verteidigung der Union Waffen zu tragen. Zwei Jahre später aber würde jener Präsident einer der sieben Millionen sein, die in der Reihe ihr Gewehr schultern.

Sodann erscheint unser Kabinett nicht im Kongreß. Die Mitteilungen erfolgen schriftlich. Alle Fragen, die die eine oder andere Seite stellt, werden beantwortet, aber man beratschlagt nicht miteinander, weil das amerikanische Volk gegen jede Vermittlung zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt höchst argwöhnisch ist. Um nun alle Rechte dieses Volkes zu regeln, ist der oberste Gerichtshof, der Gegenstand Lord Salisburys Bewunderung, geschaffen worden. Er besteht aus neun Richtern. Sie erhalten jeder für seine Dienste 2000 Pfund jährlich und der Vorsitzende erhält 100 Pfund mehr als seine Kollegen. Er reiste vorletztes Jahr durch Irland. Er ist in gewissem Sinne das Haupt der amerikanischen Regierung, da der Gerichtshof über dem Präsidenten steht, indem er die Beschlüsse des Kongresses auslegt, und ist insofern der Herr des Landes. Er reiste gleichwohl unbeachtet. Der Adel und der Hof erwiesen dem höchsten Richter der Vereinigten Staaten keine Aufmerksamkeiten. Es ist dies sehr zu verwundern, weil Buffalo Bill damals noch nicht angekommen war. Als aber Ihr oberster Richter Amerika besuchte, wurde er empfangen, wie es einem Mann in seiner Stellung gebührte. Der Präsident der Vereinigten Staaten empfing ihn, die Städte empfingen ihn und überall wurde er in einer Weise aufgenommen, die hoffentlich auch eines Tages der oberste Richter der Vereinigten Staaten erfahren wird, wenn er Ihr Land besticht und die Demokraten an der Herrschaft sind.

Dieser höchste Gerichtshof hat ein Einspruchsrecht gegen alle von dem Abgeordnetenhaus, dem Senat und dem Präsidenten durchgebrachten Gesetze. Es macht nicht ein Fünkchen Unterschied, ob das Abgeordnetenhaus ein Gesetz annimmt, ob es der Senat annimmt oder ob es der Präsident billigt: jedermann kann die Streitfrage aufwerfen und den höchsten Gerichtshof anrufen: »Ist dies Gesetz verfassungsmäßig?« Wird entschieden, daß es nicht verfassungsmäßig ist, so ist es ein bloßes Stück Papier. Aber so groß die Machtvollkommenheiten sind, die unser oberster Gerichtshof besitzt, so muß man sich doch erinnern, daß er keine Streitfragen anschneiden kann. Er kann nur Fragen entscheiden, die vor ihn gebracht werden, sodaß er überhaupt nur dann angerufen wird, wenn ein Gesetz Ungerechtigkeiten erzeugt oder im Volke Unzufriedenheit erregt. Nachdem ich Ihnen nun kurz die drei Zweige der amerikanischen Regierung beschrieben habe, möchte ich noch bemerken, daß die obersten Richter lebenslänglich im Amte bleiben und nur wegen unwürdiger Führung oder Dienstunfähigkeit durch den Präsidenten und das Kabinett entlassen werden können.

Wir kommen nunmehr zu der großen Frage: wie ist es möglich, daß nicht nur eine Nation, sondern 38 Nationen, 38 Staaten, die ein fast so großes Festland wie Europa bedecken, ihre gesetzgeberischen und politischen Angelegenheiten führen? Es ist auf keinem andern Wege möglich als durch die Selbstregierung. Lassen Sie mich Ihnen zeigen, wie tief der Grundsatz der Selbstregierung geht und wie weit er sich erstreckt, wie verbreitet er unter unserm amerikanischen System ist. Der Grund und Boden Amerikas ist durch Regierungsfeldmesser abgeteilt – Sie erraten, daß ich jetzt nicht von den kleinen atlantischen Staaten, die vor der Annahme der Verfassung abgeteilt waren, sondern von dem großen Westen und Nordwesten spreche, in dem die Mehrheit des amerikanischen Volkes wohnt. Er wurde in Sechs-Meilen-Quadrate abgeteilt. Diese heißen Stadtgemeinden, und ein paar Ansiedler machen oft eine Stadtgemeinde aus. Nach und nach fühlen sie den Mangel an Wegen, sie fühlen auch den Mangel an allem anderen und entschließen sich, eine Zusammenkunft zu veranstalten. Die folgende Geschichte berichtet von einer solchen Zusammenkunft, wie sie zur Entstehung Tausender und Abertausender Ratsversammlungen geführt hat. Sie werden sie höchst interessant finden. Beachten Sie, wo die Selbstregierung anfängt, betrachten Sie ihren Keim – ihre Wurzeln. Ich muß dabei immer an jenes schöne Gedicht von Ballantine über den Bach denken, wo es

von einem grauen Fels herab
auf Moos und Steine sickernd tropft.

Ja, weit dort oben – dort beginnt der Strom der Selbstregierung. Sie finden nun folgendes. Wir haben die Stadtgemeinde Burlington, in Calhoun County, Michigan. »Im Jahre 1837 gebildet, hielt sie am 3. April jenes Jahres ihre erste Gemeindeversammlung ab, in der sie Justus Goodwin zum Vorsteher, O. C. Freeman zum Stadtschreiber, Justus Goodwin, Gibesia Sanders und Moses S. Gleason zu Friedensrichtern, Leon Haughtailing zum Konstabler und Steuereinnehmer wählte.« Es ist das deutsche Element, wie Sie sehen, das nach Amerika kommt. »6 Straßenbezirke eingerichtet, 100 Dollar zur Erbauung einer Brücke über den St. Josephfluß und 50 Dollar zur Überbrückung des Nottawabaches bewilligt; 50 Dollar zu Gemeindeschulen bewilligt.« Ja, meine Herren, das ist ein Beschluß! 50 Dollar! Die erste Zusammenkunft ein paar in der Wildnis des Westens umherstreifender, und das erste, was sie tun, ist die Bewilligung von 50 Dollar für Gemeindeschulen, um alle ihre Kinder kostenlos heranzubilden. Sie stoßen jetzt an die Wurzeln der Demokratie, meine Herren, jene Versammlung tat aber noch etwas. Sie bewilligte 5 Dollar für Wolfsskalpe. Dies wirft ein grelles Licht auf die Zeit, wo die Wölfe so zahlreich waren, daß man für jeden Skalp, der eingebracht wurde, 1 Pfund Belohnung aussetzte. Es ist das ein schönes Bild der Selbstregierung. Es gab daselbst keine Oberbeamten. Man machte und schuf sich selbst zu einem politischen Gemeinwesen. Es galt allgemeines Stimmrecht – es bestand kein Vorrecht. Ich finde nichts darüber, wer Leon Haughtailing war, oder wo und wann er geboren wurde, oder wer sein Großvater war; er wurde gewählt, nicht weil er der reichste war, sondern weil ihn seine Mitbürger für den besten Mann hielten, der ihnen zu Gebote stand. Das ist die erste Versammlung der kleinen Stadtgemeinde von 6 Meilen. Allmählich kommen andere Ansiedler in die Nachbarschaft, sie bilden andere Quadrate und halten ähnliche Zusammenkünfte ab und beschließen über Schulzwecke. Im Laufe der Zeit entstehen 15 oder 20 Gemeinwesen und sie verbinden sich nun. Sie finden, daß sie für jede einzelne Stadtgemeinde keine genügend guten Schulräume und auf einer so kleinen Fläche kein Gerichtsgebäude und nicht alle Vorkehrungen für die Verwaltung haben können; und sie sagen sich nun, 15 oder 20 von unsern Stadtgemeinden mögen sich zusammentun und im Verhältnis ihrer Bevölkerung mit allgemeinem Stimmrecht gewählte Abgeordnete entsenden. Es wird eine Versammlung für den Kreis geschaffen und man wählt nun in der Weise, wie man die Beamten der Stadtgemeinde wählte, Kreisbeamte und Richter. Und ich habe genug Vertrauen zur Demokratie, um zu sagen: Gebt mir den Richter, der vom Volk erwählt ist. Kein Gemeinwesen in Amerika, das je den Versuch gemacht hat, hat ihn bereut. Ich sage Ihnen, die Demokratie nimmt an der Lauterkeit ihrer Richter das größte Interesse. Es ist der arme Mann, der Arbeiter, der sich für seine Richter interessiert. Und da jedermann seine Vorurteile hat, sage ich frei heraus, daß Ihre Männer von hohem Stande die Vorurteile ihrer Klasse und Ihre neugeschaffenen Baronets die Vorurteile des Adels in schlimmerem Grade als alte Baronets haben und Ihre neugeschaffenen Lords Mr. Gladstone ein Greuel sind. Unser Kreis schreitet nun vorwärts – der zweite und größere Bezirk der Selbstregierung. Beachten Sie, daß darin nichts vorhanden ist, was als ein fremdes Element bezeichnet werden könnte. Es ist kein Element von außerhalb vorhanden, sondern alles aus der Demokratie selbst herausgewachsen. Es ist kein Gottesgnadentum dabei im Spiele. Es ist ein gesundes, großes, ruhmreiches Wachstum des politischen Körpers selbst. Nun wird der Bezirk für das sich ausdehnende Leben ein wenig zu eng. Man braucht Eisenbahnen, Kirchen, öffentliche Gebäude. Man braucht alles, was ein zivilisiertes Volk braucht. Man braucht alles, was gut ist und verschafft sich alles, was gut ist, soweit die menschliche Natur Vollkommenes schaffen kann. Zwanzig oder dreißig dieser Bezirke beschließen, daß sie einen Staat bilden wollen. Sie wählen durch Übereinkommen, wie in dem Falle der Stadtgemeinden und Kreise, Beamte und versammeln sich und errichten, gewöhnlich etwa im Mittelpunkt des geplanten Staates, eine Hauptstadt. Sie wählen einen Regenten und ein Abgeordnetenhaus, und der gesetzgebende Körper des Staates wird aus zwei Häusern zusammengesetzt, von denen das eine Abgeordnetenhaus und das andere Staatssenat genannt wird. Das Wort Kongreß brauchen wir nur für die nationale Versammlung in Washington. Das Wort »Kongreß« ist der großen Zentralgewalt geweiht, ebenso wie in dem großen Home-Rule-Gesetz das Wort »Parliament« wohl der großen Körperschaft geweiht sein soll, die sich in Westminster versammeln und den internationalen Geschäften obliegen wird. Auf diese Weise, meine Herren, ist der Staat entstanden. Jeder Staat hat seine eigne Regierung; er hat seine eigne Bürgerwehr, seine eignen Gerichtshöfe und Richter und verwaltet seine eignen Steuern. Er tut alles, was ein Staat tun kann, alles, was dem Staate als solchem zukommt Es ist das ein sehr, sehr weites Programm der Selbstregierung; aber je weiter Sie den Grundsatz der Selbstregierung fassen, immer vorausgesetzt, daß er dem nationalen oder föderativen Grundsatz untergeordnet bleibt, desto besser für die Regierenden und desto besser für das Volk selbst.

Die verschiedenen Staaten verbanden sich nun, wie Sie sehen, und bildeten die Nation. Es waren ihrer ursprünglich dreizehn. Da die Staaten bekanntlich vor der Generalregierung da waren, übertrug das amerikanische Volk der Generalregierung nur gewisse Machtvollkommenheiten, und eine bündige Bestimmung der Verfassung besagt, daß alle nicht ausdrücklich übertragenen Machtvollkommenheiten den Staaten selbst erhalten bleiben. Das ist das Prinzip der Selbstregierung in Amerika. Die nationale Regierung ist die Sonne unseres Systems, und um sie drehen sich die Staaten, jeder auf seiner eigenen Achse, die einen in diesem Winkel, die andern in jenem, wie alle Stadtgemeinden ihre eigenen Angelegenheiten in der Weise versehen, die ihnen am besten dünkt. Und darum ist es unmöglich, daß es in Amerika je eine Staatsrevolution gibt, ebenso wie es für einen Menschen unmöglich ist, sich selbst umzugestalten und zu zerreißen. Die Staatsverfassung ist ein Teil und Stück des Volkes. Sie ist dessen eigenes Werk, das Volk schuf sie, und wenn es sie nicht mehr mag, kann es sie verbessern.

Darf ich nun, nachdem ich Ihnen die amerikanische Verfassung skizziert habe, ihre Einrichtungen auf den Fall der Selbstregierung in der Heimat anwenden? Sie werden dann alle deutlich sehen, daß ich niemanden außer mir selbst vertrete. Ich binde niemanden. Die liberale Partei – die Gladstonianische – ist für das, was ich als die Wirkung der amerikanischen Verfassung hinstellte, nicht verantwortlich, ebensowenig die Unionistische, und keinen Tory und Konservativen kann hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit irgend etwas, was ich sage, beunruhigen. Angenommen nun, wir hätten uns mit der Frage der Selbstregierung zu befassen und unsere große Verfassung sollte zur Richtschnur dienen, so möchte ich Ihnen nacheinander vier Punkte nennen und sagen, wie wir diese regeln würden – und wir würden sie regeln. Wo die amerikanische Demokratie ihren Fuß hinsetzt, bleibt sie. Die erste Bedingung ist die Oberhoheit des nationalen Parlamentes. Ich liebe nicht das Wort »Kaiserlich«, »Reichs-«. Sie werden vielleicht nur zu bald ein Kaiserreich haben. Eine Kaiserin haben Sie beinahe schon und wenn Sie einen Kaiser bekommen, können Sie dann den Ausdruck »Kaiserlich«, »Reichs-« gebrauchen, ich aber ziehe »national« vor. Wenn zwei Leute ein Pferd reiten, muß einer selbstverständlich hinten sitzen. Es darf über die Machtbefugnisse in der Generalregierung kein Zweifel bestehen. Ich will nicht beurteilen, ob das jüngst eingeführte Gesetz im Ausdruck jener Machtbefugnisse mangelhaft war oder nicht. Die Unionisten behaupten es vielleicht und sie haben allen Grund zu glauben, daß der Wortlaut in einer höchst unglücklichen Weise unbestimmt war. Darüber hege ich aber nicht den geringsten Zweifel, daß es nie jemandem in den Sinn gekommen ist, irgend eine Irland oder England gegebene Versammlung brauchte sich vor der Nationalversammlung, dem Parlament, nicht zu beugen. Die amerikanische Verfassung sieht folgendes vor: Diese Verfassung und die unter ihr durch die Nationalregierung erlassenen Bestimmungen sind in der ihnen vom obersten Gerichtshofe gegebenen Auslegung die höchsten Gesetze des Landes, ungeachtet irgend welcher in den Gesetzen oder Verfassungen der Staaten entgegenstehenden Vorschriften.« Und diese Sprache würde ich in das neue Gesetz legen, wenn ich berufen wäre, die Frage der Selbstregierung zu ordnen. Bedenken Sie, daß die darin liegende Macht nie ausgeübt zu werden braucht. Sie ist nur einmal in hundert Jahren, in einer wichtigen Angelegenheit ausgeübt worden, und jene Angelegenheit war eine solche, die weder eine von Menschen geschaffene Verfassung noch alle menschliche Macht der Welt hätten abwenden können. Der Mann oder die Nation, die Freiheit und Sklaventum in harmonischem Verhältnis vereinen wollten, würden das Unmögliche versuchen. Als die große demokratische Streitmacht in der Geschichte Amerikas der Sklaverei-Macht, die jener ihre Rechte bestritt, von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat, mußte die eine oder die andere fallen; und Sie wissen, welche der beiden fiel. Man könnte ebensogut versuchen, Demokratie und Vorrecht zu verheiraten. Die beiden sind widerstreitende Kräfte, und ich glaube, der »Scotsman« vom 16. August hat in einem Leitartikel über die Northwicher Wahl die treffendsten Worte gebraucht, die ich gehört habe, seitdem ich mich in Ihrem Lande aufhalte. »Demokratie bedeutet« – ich führe den »Scotsman« an – »Demokratie bedeutet und bedeutet mit Recht, daß das Vorrecht enden soll.«

Nach diesen Worten über die Oberhoheit der Nationalregierung frage ich nun jeden anwesenden Unionisten, ob er im geringsten befürchtet, sie möchte in dem neuen Gesetz nicht vorgesehen werden. Hat nicht Mr. Gladstone gesagt: »Alle Parlamente, alle Versammlungen mit statutarischen Machtvollkommenheiten sind ihrem Schöpfer notwendig untergeordnet, und ich habe nichts dagegen, die übertragenen Machtvollkommenheiten zu nennen?« Wenn er die übertragenen Machtvollkommenheiten nennt, wird er der amerikanischen Verfassung folgen.

Ein anderer Punkt, auf den großes Gewicht gelegt wird und nach meiner Meinung und im Sinne der amerikanischen Verfassung mit Recht gelegt wird, ist die Frage steter Vertretung Irlands in der Nationalversammlung. Nun, meine Herren, man hat in dieser Streitfrage die Meinung der Amerikaner vielfach erörtert. Ich habe Hunderte von Amerikanern gefragt – und Sie haben zweifellos manche verständige Amerikaner hier in Glasgow; befragen Sie sie selbst um ihre Meinung. Nicht ein lebender Amerikaner wird diese Frage anders beantworten als jeder, der sie mir beantwortet hat: »Würden Sie zugeben, daß der Staat Virginien eine Gesetzgebung für sich haben und von der Pflicht befreit sein sollte, Abgeordnete zum Nationalkongreß nach Washington zu gemeinsamer Beratung mit allen andern Abgeordneten zu entsenden, so daß er fortan nicht mehr gleich den übrigen Staaten in allen seinen Handlungen gebunden wäre?« Die Erwiderung lautet: »Nie!« Und wegen des neuen Gesetzes möchte ich allen Unionisten sagen – weil ich sehnlichst wünsche, die Eintracht der liberalen Partei wieder herzustellen –: »Meine Herren, Sie haben einen genügend schweren Kampf vor sich; Sie besitzen viele Handhaben, deren Anwendung Ihnen sehr am Herzen liegen muß; Sie brauchen für diesen Feldzug jede Stimme und Ihren ganzen Einfluß.« Ich bitte heute jeden Unionisten, zu erwägen, ob er den leisesten Zweifel hegt, daß die Vertreter Irlands und Schottlands auch weiterhin nach Westminster in den Reichstag gesandt werden. Ich sehe nicht ein, wie ein Zweifel daran bestehen kann. Ich hatte meine Zweifel, als das Gesetz über den Ozean gekabelt wurde. Ich vermochte jenen Punkt aber selbst deutlich zu erkennen und traf rasch Massnahmen, meine Freunde hier auf das hinzuweisen, was mir in jenem Gesetz der schwache Punkt zu sein schien. Ich glaubte aber, meine Herren, daß ich das meiste Gute innerhalb der Partei selbst wirken könnte. Ich habe gewußt, was Mr. Gladstone bereits getan hat. Es lebt kein Mann, der Reformen durchführen kann wie er, und wenn sein Leben erhalten bleibt, wird er es, ich bin davon überzeugt – ich bin davon nicht nur zuversichtlich überzeugt; ich weiß, daß er es wird, weil er es gesagt hat – er wird diese Frage regeln, ohne an der irischen Vertretung zu rühren.

Wir kommen zum dritten Punkt – Ulster. Ich werde jetzt die amerikanische Verfassung auf Ulster anwenden und behaupte, daß sie weder in Ulster noch in irgend einem andern Teile Irlands versagen würde. Man wird nichts über das hinaus suchen, was die Amerikaner ihren Staaten geben. Wenn man es tut, wird jeder Sohn eines Irländers in Amerika – und es gibt dort deren eine Million – und jeder Amerikaner dieses Verlangen als ein solches brandmarken, das sie selbst aus keinerlei Erwägungen heraus stellen würden und das jeder Großbritannien wohlwollende von diesem Lande nicht gewährt sehn möchte. Was Ulster angeht, so ist es – als amerikanischer Homeruler gesprochen – ein zu geringfügiger Gegenstand, um unter Staatsmännern darüber zu reden. Die Provinz Ulster ist an sich beinahe schon nationalistisch und, durch die Aufstellung der Wählerliste entzweit, ist sie es sicher heute. Ich weise mit Verachtung und Entrüstung in unserm 19. Jahrhundert den Versuch zurück, sektiererische Eifersüchteleien aufzurühren. Sie wissen und ich weiß, was Schottland für die bürgerliche und religiöse Freiheit getan hat. Wenn irgend eine Gruppe protestantischer Irländer vorhanden ist, die sich abseits zu halten und jenen bittern Haß, jene Fehden zu nähren wünscht, die zur Störung des Friedens führen – wenn sie das tun will, so bin ich ihr Gegner; und wenn es irgend eine Gruppe Katholiken gibt, die solchen Haß zu nähren und sich von ihren protestantischen Mitbürgern getrennt zu halten sucht, so bin ich auch ihr Gegner. Schwierigkeiten wegen Ulster bestehn nicht. Sobald Sie Irland die Selbstregierung geben, werden Sie eine patriotische Flamme entfachen. Und sie alle werden in erster Linie Irländer und erst in zweiter Reihe Ulstermänner und Tipperaryleute sein, und die gemeinsame Anwesenheit von Katholiken und Protestanten in einer zum nationalen Wohle wirkenden Versammlung wird alle Bitternis vertreiben und ein besseres gegenseitiges Verständnis herbeiführen, als bisher bestanden hat. Die Ulsterfrage wird sich von selbst erledigen. Wird sie der Abstimmung des Volkes von Ulster überlassen, so werden Sie kaum einen finden, der nicht sagt: »Laßt uns mit unserem Lande gehen,« und ich würde den verachten, der dies nicht sagte, wäre er hundertmal der eifrigste Protestant. Die protestantische Religion will das auch nicht. Sie gründet sich auf eignes Urteil und freies Denken, und die irischen Protestanten haben daher in Beziehung auf die wesentlichsten Grundsätze des Glaubens, als dessen Hauptverteidiger sie kühn hervortreten möchten, noch viel zu lernen.

Ich komme jetzt zum vierten Punkt. Sie sehen, ich halte die Reihenfolge der vier Streitpunkte der Unionisten ein. Lachen Sie nicht über die Unionisten. Glauben Sie mir, daß ihr Streit in den verschiedenen Punkten begründet war, so sehr ich von ihnen auch bezüglich der Art, in der sie sie durchzusetzen suchten, abweiche. Ich meine, daß die Unionisten in den beratenden Versammlungen der liberalen Partei viel mächtiger gewesen sein würden – die Abgeordneten der Unionisten im Parlament würden zweifellos mächtiger gewesen sein – wenn sie innerhalb der Reihen der Partei unter dem Banner des einzigen möglichen Führers gewirkt hätten; aber die Unionisten, mit denen ich zusammengekommen bin und mich gestritten habe, haben mir immer gesagt: »Mr. Gladstone hat ganz unrecht!« Ich will Ihnen eine treffende Geschichte erzählen. Henry Clay war der beim Volk beliebteste Mann, den Amerika je hatte. Er stimmte indeß gegen die Wünsche seiner Wähler in der Sklavenfrage ab, die damals die einzige brennende Frage war, und erbot sich zur Wiederwahl. Es war nicht ein Schein von Aussicht für ihn vorhanden, wieder nach Washington entsandt zu werden, nicht mehr als zur Zeit für irgend einen Unionisten, ins nächste Parlament zu kommen. Henry Clay sah jetzt ein, daß die Aufrechterhaltung seiner Bewerbung nutzlos war, wenn er es darauf ankommen lassen wollte, kämpfend zu verteidigen, was er getan hatte; er trat deshalb vor die Wähler von Kentucky und hielt über das ganze Land hin eine Rede: »Ihr alle, Jungens,« sagte er, »habt gute treue Flinten. Denkt an das Wild, das euch eure Flinte heruntergebracht hat. Hat eure Flinte nie versagt? Ich habe viel geschossen, und meine Flinte hat dann und wann versagt. Habt ihr die eure darum weggeworfen oder habt ihr sie behalten und aufs neue versucht?« Gegen einen solchen Aufruf gab es keinen Widerstand mehr, und Clay wurde mit der größten Mehrheit wiedergewählt, die er je bekam. Selbst wenn man alles zugibt, was der überzeugteste oder kampfeslustigste Unionist zu sagen hat, so wird er, wenn er viel Menschliches, viel Dankbarkeit für frühere Dienste, Bewunderung für eine edle politische Laufbahn in sich trägt, doch zu jener alten Flinte halten – zu Gladstone. Man lasse dem alten Mann nur noch einen Schuß. Ich will zehn gegen eins wetten, er wird das Wild herunterbringen. Ich will Ihnen noch etwas sagen: Ich kenne Ihre Staatsmänner ziemlich gut, aber ich glaube nicht, daß Sie in dem ganzen Heere, im ganzen Staate, im ganzen Parlament eine Flinte haben, die das Wild wie Mr. Gladstone herunterbringen kann. Weiter komme ich nun zu der Gerichtsfrage. Wir müssen gründlich sein, sagen die Tories. Wir sind nicht gründlich, wenn wir das Volk bedrücken und ihm Gesetze aufdrängen, die es nicht will; wir sind nur dann gründlich, wenn wir die Volksunzufriedenheit an der Wurzel fassen und gerechte Gesetze schaffen. Die amerikanischen Staaten wählen nun ihre eigenen Richter, die alle Streitigkeiten zwischen den Bürgern desselben Staates entscheiden. Ein Pennsylvanier hat das Recht, sich von den Gerichten Pennsylvaniens verhören und seinen Fall von seinem Mitbürger entscheiden zu lassen – dem Richter, dessen Charakter er kennt und vertraut. In Sachen, die nach Pennsylvanien gehören, gibt es keine Berufung über das oberste Pennsylvanische Gericht hinaus; dagegen kann nach der Nationalverfassung jeder Rechtsstreit zwischen Angehörigen verschiedener Staaten vor den Gerichten der Vereinigten Staaten verfolgt werden. Das oberste Gericht der Vereinigten Staaten hat seinen Sitz in Washington, hat aber in jedem Bezirk des Landes Richter. Zuweilen wird ein Staat einen Bundesrichter haben, zuweilen zwei. Pennsylvanien hat zwei, einen in Pittsburg und den anderen in Philadelphia, 350 Meilen davon entfernt. Es hängt dies von der Verteilung ab, und Sie haben daselbst Berufung an das Gericht der Vereinigten Staaten. Wenden Sie das auf Irland an. Erstens sind einmal irische Richter schon vorhanden und sie werden beibehalten werden. Es ist nicht wahrscheinlich, daß ein guter Richter entlassen werden würde. Ich meine daher, die irische vollziehende Gewalt würde die irischen Richter übernehmen. Im Zweifel ist ein Richter stets ein guter Richter, solange ihm nicht das Gegenteil zu beweisen ist. Es wird daher Sache der irischen vollziehenden Gewalt sein, ihre eignen Richter wieder zu ernennen oder zu wählen. Wenn Sie die Lehren der Selbstregierung in Amerika beachten, werden Sie die irische Versammlung, dies möchte ich besonders hervorkehren, irische Richter ernennen und über irische Angelegenheiten beschließen lassen; Sie werden dabei natürlich im Rahmen der übertragenen Machtvollkommenheiten das Recht wahren, alle Sachen internationalen Charakters von diesen Gerichtshöfen vor die Reichsgerichtsbarkeit zu bringen, wie jetzt jedem Schotten eine solche Berufung an die richterlichen Mitglieder des Oberhauses zusteht. Damit wäre die Gerichtsfrage erledigt; wenn Sie aber Irland die Selbstregierung geben und ihm oder Schottland, wenn es demnächst, wie ich hoffe, die Selbstregierung bekommt, die höchste Amtsgewalt, das allerwichtigste Herrscherrecht, nämlich das Recht der Rechtsprechung und Aufrechterhaltung der Gesetze unter ihren eigenen Bürgern, vorenthalten wollen, so werden Sie ihnen nur einen Gegenstand des Spottes geben; sie wären dann im Begriff, »Hamlet« mit Auslassung von Hamlet zu spielen und würden die irische Frage immer und immer wieder in schlimmeren Formen als jetzt vor sich haben.

Sie müssen die richterliche Gewalt in Irland zu einer in Irland geachteten machen, und Sie können das nicht, wenn sie ihre Machtvollkommenheiten nicht von der irischen Regierung ableitet. Ich behaupte nicht, daß die liberale Partei diesen Ton mit genügender Deutlichkeit angeschlagen hätte, vertraue aber darauf, daß die Demokratie mit offenem Auge über der Bestimmung wachen wird, die Irland richterliche Gewalt verleiht. Sie können Irland nicht Selbstregierung geben, wenn Sie seine Regierung der Macht berauben, ihren Erlassen Geltung zu verschaffen; Sie könnten ebensogut die Regierung nach Mazeppa ohne Peitsche, Sporen oder Zügel auf ein wildes Pferd binden und in Irland Frieden, gute Regierung und Treue erwarten, wenn Sie der irischen vollziehenden Gewalt das höchste aller politischen Ämter, die Handhabung des Rechts und die Aufrechterhaltung des Friedens und der Ordnung, vorenthalten. Die amerikanische Verfassung besagt dies.

Ich will jetzt einen Punkt berühren, die Landfrage. Jeder Staat der amerikanischen Union hat das Recht, aus seinem Lande eine Kirche oder eine Fabrik zu machen, wenn er will. Es ist sein Eigentum. Wenn der Grund und Boden einer Nation nicht Eigentum jener Nation ist und wenn Sie Irland nicht erlauben, sein eigenes Land zu verwalten, was erlauben Sie ihm denn dann zu verwalten? Die Landfrage ist die Grundlage von allem im Staate, und Sie sehen, daß das Landgesetz verworfen ist – und dies mit Recht, und Mr. Gladstone hat gesagt, daß die Zeit der Grundbesitzer um sei. Ich bezweifle selbst Mr. Gladstones Macht, ein Gesetz zu schaffen, wie es in bezug auf die Landverhältnisse sein müßte, weil Sie in den liberalen Ratsversammlungen eine Menge irischer Landeigentümer haben. Lord Harlington ist ein irischer Großgrundbesitzer mit einer Rente von 30 000 Pfund im Jahr. Ich weiß, daß er ein aufrichtiger und ehrlicher Mann ist, ich weiß aber auch, daß Burns sagt:

Wenngleich der Wage Zünglein spielt,
Es selten nur ganz richtig zeigt.

Niemand sollte Richter in seiner eigenen Sache sein, und in Amerika kann verfassungsmäßig niemand, der an einem Gesetzgebungsakt unmittelbar interessiert ist, an der betreffenden Abstimmung teilnehmen. Ich fürchte, Sie werden die Landeigentümer auskaufen müssen, ehe Sie mit ihnen fertig werden. Die arme Demokratie, die arbeitenden Millionen Großbritanniens werden gleichsam mit einer ungeheuren Strafsumme belegt werden. Viele Mitglieder des Parlaments sind Landinteressenten und es herrscht jener Ton in der Gesellschaft, der anzuzeigen scheint, daß das Grundeigentum etwas von jedem anderen Eigentum verschiedenes sei, weil man es Jahrhunderte lang durch abscheuliche Gesetze aufrecht erhalten hat, um eine Menschenklasse zu erhalten, die, dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen, im Kampfe ums Dasein untergehen würde.

Was ist nun die Lösung der Landfrage? Sie ist sehr leicht. Man bleibe davon; man lasse die irische Staatsgewalt mit den irischen Landeigentümern sich auseinandersetzen. Die Demokratie ist in ihren Handlungen nie anders als großmütig gewesen und sie wird gegen die irischen Landeigentümer großmütig sein, wenn ihrer vollziehenden Gewalt die Verantwortung für die Auseinandersetzung mit jenen auferlegt wird – vorausgesetzt, daß sie sich entschließt, das Land überhaupt zu kaufen. Ich trete nicht dafür ein, daß die vollziehende Gewalt Irlands das Land Irlands oder die vollziehende Gewalt Großbritanniens das Land Großbritanniens anrührt. Gestatten Sie mir, der Demokratie einen Wink zu geben. Wir befinden uns nicht mehr in den Tagen unverdienten Wertzuwachses, sondern in den Tagen verdienter Wertabnahme, und wer töricht genug ist, dem Volk Großbritanniens zu raten, heute bei fallendem Markte das Land zu übernehmen, dem mag sein eignes Interesse, aber unmöglich das Ihrige am Herzen liegen. Man sagt, das Volk Irlands wolle den Landeigentümern nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich hoffe, daß es nicht geschieht. In meinen wildesten und rachsüchtigsten Augenblicken bin ich nie so weit gegangen, zu wünschen, daß den irischen Landeigentümern Gerechtigkeit widerführe. Nein, wir wollen uns erinnern, daß in diesem Fall Gnade die Gerechtigkeit mildern muß. Sie werden aber eine großmütige Behandlung erfahren, und die Demokratie Großbritanniens kann sich von aller Sorge um die irische Landfrage befreien, wenn sie Mr. Gladstone den Arm stärkt und ihm in nicht mißzuverstehendem Tone sagt, daß es viele Dinge gibt, die die Demokratie dieses Landes tun will und viele, die sie leiden will, daß sie aber, so lange ihr Gott hilft, nie als Gegner der irischen Pächter auf der Seite der irischen Landeigentümer stehn oder zum Zweck des Ankaufes deren Grund und Bodens einen Penny zahlen wird.

Es mögen hier einige außerordentlich patriotische Leute sein, die sich im Innersten ihres Herzens sagen: »Wir brauchen unsere Einrichtungen nicht zu amerikanisieren.« Warum nicht? Die Amerikaner haben von Ihnen alles übernommen, worauf sie die Hand legen konnten. Sie haben Ihre Verfassung übernommen und sie verbessert, sie haben Ihre Litteratur, Ihre Gesetze übernommen, sie haben Ihre Sprache übernommen, und wenn Sie alles von Amerika übernehmen würden, was es Ihnen zu geben hat oder zu geben haben wird, würde doch zugunsten des Mutterlandes ein ungeheurer, unberechenbarer Saldo verbleiben. Warum sollten Sie nicht von Ihrem Kinde Dinge übernehmen, wenn Sie wissen, daß sie zu Ihrem Besten sind? Ihre eigene Kolonie Kanada hat ja praktisch dieselbe Verfassung, soweit es sich um die Selbstregierung handelt. Wenn es jemand gibt, der vergißt, daß Amerika Ihr eigenes Kind ist, so möge er auf Kanada schauen – dieses ist praktisch dasselbe. Meinen Sie, daß die englischsprechende Rasse in der ganzen Welt, mit der selben Sprache, den selben Überlieferungen – da alle Amerikaner auf Ihre Überlieferungen Anspruch machen – mit der selben Litteratur, mit der selben Religion – meinen Sie, es steht in der Macht eines Menschen, zu verhindern, daß alle englischsprechenden Leute schließlich die selben politischen Einrichtungen haben? Ich wage nicht zu sagen, welches die politischen Einrichtungen der englischen Rasse in Zukunft sein werden. Es ist möglich, daß der »Scotsman« recht hat und die Demokratie bedeutet, daß das Vorrecht sterben soll, und es ist möglich, daß sich alle englischsprechenden Völker unter einem Programm zusammenfinden werden, das die ausgedehntesten Menschenrechte und die politische Gleichheit der Bürger entwickelt. Das ist möglich. Auf der anderen Seite wäre es möglich, könnten Sie einwenden, daß die Mehrheit der englischsprechenden Rasse dieser fortgeschrittenen politischen Entwickelung den Rücken kehrt und zurückschreitet, indem sie irgend einen Prinzen aussucht und ihn zu einem beständigen König und seine Kinder, gleichviel ob sie blödsinnig oder schwachköpfig sind, nach ihm zu Königen macht, und daß sie jedes Jahr Hunderttausende ihres sauer verdienten Einkommens ausgibt, um die ganze Nachkommenschaft in Saus und Braus und eitlem Gepränge zu unterhalten; und es ist möglich, daß wir eine neue Aristokratie schaffen wollen und daß ich mich und meine Abstammung als direkter Nachkomme von Webern und Schustern soweit vergessen werde – wie ruhmreiche Radikale sind doch manche gewesen, die nur wegen der Teilnahme an einer Versammlung, wie sie neulich in Irland aufgehoben wurde, in den Kerker gewandert sind! – es ist möglich, daß ich das vergessen und vor Ihnen als ein Baronet einherstolzieren werde. Dann werden Sie sagen: »Wir wissen nicht, wie wir Mr. Carnegie, der uns besuchen will, behandeln sollen; er ist kein Edelmann, und er hat aufgehört, ein Ehrenmann zu sein.« Welches aber auch das künftig angenommene System politischer Einrichtungen sein mag – Sie mögen das eine oder das andere bekommen – bei einem Punkte möchte ich doch verharren, nämlich daß die englischsprechende Rasse in der ganzen Welt die selben Einrichtungen haben wird. Wenn Sie in dieser Erwartung einige der Bestimmungen der amerikanischen Verfassung annehmen könnten, würden Sie den Tag, wo Ihre Einrichtungen die der englischsprechenden Rasse sein werden, um ebensoviel beschleunigt haben. Wie lange wird es nach der Vollendung jener Annäherung noch währen, bis wir einen Bundesrat bekommen, der es für immer unmöglich macht, daß das Blut eines englischsprechenden Mannes vergossen wird? Worauf gründet sich Ihre größte Hoffnung, daß Ihre eigene Rasse, die herrschende Macht der Welt, zusammenwächst und ein Bündnis bildet, gegen das nichts auf Erden aufkommen kann? Auf die gleiche Gestaltung der Einrichtungen. Hier ist der springende Punkt. Und worin beruht die Hoffnung auf jenen großen Tag, von dem der Dichter singt:

Wenn des Krieges Trommeln schweigen, die Standarten nicht mehr wehen,
In dem Parlament der Menschheit, in dem Staatenbund der Welt?

Sie beruht in jenem großen wohltätigen Grundsatze der Selbstregierung – der Selbstregierung für jeden der einzelnen Teile, mit einer Zentralgewalt über allen, um sie in Ordnung zu halten, und in jener Sammlung der englischsprechenden Völker, in jenem zukünftigen Parlament – ich weiß nicht, wie viele Teile, ich weiß nicht, welches ihre Größe oder Zahl oder Stellung sein werden, ich weiß aber, daß die Stellung einer Macht fest, unerschütterlich, ewig und sicher ist – die dieses ruhmreichen kleinen Eilandes. In jenem Parlament der Menschheit mögen sie dereinst viele Kinder umschwärmen, nur eine Mutter kann es aber geben. Verflucht sei der Arm und verdorrt die Zunge desjenigen, der, wo es auch sei, danach streben sollte, jene Kinder und jene Mutter durch Worte oder Taten zu trennen.

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