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Unterfamilie Kranichgeier ( Sagittarinae)

Wahrscheinlich ist es richtig, an dieser Stelle einen Raubvogel einzuschalten, welcher von den einen als Habicht, von den anderen als Vertreter einer besonderen Familie angesehen wird und in der That so eigenartig erscheint, daß wir ihn wenigstens als Urbild einer besonderen Unterfamilie ( Sagittarinae) gelten lassen dürfen.

siehe Bildunterschrift

Kranichgeier ( Gypogeranus serpentarius). 1/8 natürl. Größe.

Der Kranichgeier, Sekretär oder Schicksalsvogel ( Gypogeranus serpentarius, africanus, capensis, gambiensis und phillippensis, Falco und Vultur serpentarius, Sagittarius serpentarius und secretarius, Astur secretarius, Ophiotheres cristatus, Otis secretarius, Serpentarius reptilivorus, africanus, cristatus und orientalis zeichnet sich vor allen übrigen Raubvögeln durch seine ungewöhnlich langen Fußwurzeln aus, infolge deren seine Beine an die wirklicher Renn- oder Sumpfvögel erinnern. Er ist schlank gebaut, der Kopf ziemlich klein, breit und auf dem Scheitel etwas flach gedrückt, der Hals verhältnismäßig lang und dünn, der Leib gestreckt, der Schnabel kürzer als der Kopf, dick, stark, fast von der Wurzel an gebogen, seitlich gewölbt, an der Spitze aber zusammengedrückt, der Haken mittellang, jedoch sehr spitzig, die Schneide scharf und gerade, ohne irgendwelche Einbuchtung oder einen Zahn, die Wachshaut fast bis zur Mitte des Oberschnabels und seitlich bis unter das Auge ausgedehnt, das Bein in allen Theilen, besonders aber im Lauftheile verlängert, der Fang kurzzehig und mit mittellangen, wenig gekrümmten, stumpfen, aber kräftigen Klauen bewehrt, der Fittig lang, an der Spitze jedoch fast gerade abgeschnitten, weil die ersten fünf Schwingen unter sich beinahe gleiche Länge haben, der scharf abgestufte Schwanz auffallend lang, die Mittelfeder jederseits über alle anderen noch weit verlängert, das Gefieder endlich reich und großfederig, am Hinterhaupte zu einem Schopfe verlängert, welcher aus sechs Paaren neben und hinter einander gestellter, etwa fünfzehn Centimeter langer Federn besteht und aufgerichtet werden kann, im übrigen dagegen glatt anliegend. Zügel und Augengegend sind unbefiedert. Die Färbung ist einfach, aber ansprechend. Die Obertheile sind licht aschgrau, bräunlich überflogen, die etwas verschmälerten und verlängerten Hinterhalsfedern graulich fahl, die Ohrgegend, Halsseiten und Untertheile schmutzig graugelb, der Nackenschopf, die Hand- und Armschwingen sowie die Handschwingendeckfedern und längsten Schulterdecken, Bürzel, Aftergegend und Unterschenkel schwarz, die oberen Schwanzdecken weiß, vor dem Ende mit unregelmäßig gestaltetem Flecke geziert, die unteren Flügeldecken und längsten unteren Schwanzdeckfedern weiß, die beiden mittleren Steuerfedern an der Wurzel fahlweiß, dunkel gepunktet, in der Mitte graubraun, gegen das Ende hin schwarz, an der Spitze weiß, die übrigen Steuerfedern in der Wurzelhälfte weiß, in der Mitte graubraun, auf der Innenfahne mit schwarzer Querbinde, im Enddrittheil schwarz und an der Spitze weiß. Das Auge ist graulichbraun, der Schnabel dunkel hornfarben, an der Spitze schwarz, die Wachshaut dunkelgelb, der Lauf orangegelb. Das Weibchen unterscheidet sich durch kürzeren Schopf und kürzere Schwanzfedern vom Männchen; sein Gefieder ist lichter, die Schenkelfedern sind braun und weiß gebändert, der Bauch ist weiß. Die Jungen ähneln dem Weibchen. Die Länge des Männchens beträgt 1,15 bis 1,25 Meter, die Fittiglänge 62, die Länge der mittleren Schwanzfedern 68, die Höhe des Laufes 29 Centimeter. Das Weibchen ist etwas größer als das Männchen.

Der Kranichgeier ist über einen großen Theil Afrikas verbreitet. Man hat ihn vom Kap bis zum sechzehnten Grade nördlicher Breite und von der Küste des Rothen Meeres bis zum Senegal gefunden: sein Verbreitungsgebiet umfaßt daher das Kap-, Kaffern- und Namakaland, Natal, Oftafrika bis zur Samhara im Norden von Habesch, Westafrika bis zum Gambia und das ganze Innere des Erdtheiles. Sein eigenthümlicher Bau läßt im voraus vermuthen, daß er nur in jenen weiten, steppenartigen Ebenen lebt, welche sich über den größten Theil des inneren Afrikas ausdehnen. Ein wie der Kranichgeier gebildeter Raubvogel ist auf den Boden angewiesen und mehr oder weniger fremd in der Höhe. Nach Heuglins Befund steigt er in Habesch allerdings auch im Gebirge bis zu dritthalbtausend Meter unbedingter Höhe empor, bewohnt jedoch hier ausschließlich Ebenen. Nicht allein den Wald, sondern schon die Nähe hoher Bäume meidet er: sein Jagdgebiet sind die Steppe, trockene wie feuchte, wiesenartige Flächen, und hier und da vielleicht noch dünn bestandene Felder, nicht aber Waldungen.

»Wie Strauß, Trappe und Wüstenläufer«, sagt Heuglin, »ist auch der Sekretär ein echter Steppenvogel, welcher nur selten, niedrig und schlecht fliegt, aber sein Jagdgebiet flüchtigen Fußes durcheilt. Namentlich Gang und Haltung sind schön. Aufrecht, den Hals und Kopf hoch tragend und gleichmäßig vor- und rückwärts bewegend, selten nur rascher trippelnd, durchschweift er gemessenen Ganges, nach Beute spähend, das Flachland.« Ich stimme hinsichtlich der Würdigung des stolzen Ganges durchaus, nicht aber auch bezüglich der Schilderung des Fluges, mit meinem verstorbenen Freunde überein. Der gehende Kranichgeier ist eine höchst ansprechende, weil edle und stolze Erscheinung; aber auch der in hoher Luft dahinschwebende Vogel verleugnet sein Geschlecht nicht, obgleich er selbstverständlich mit einem fliegenden Falken, Adler oder Geier nicht wetteifern kann. Entsprechend seinen hohen Läufen geht er leichter und besser als jeder andere Raubvogel. Hoch aufgerichtet schreitet er, anscheinend mit Würde, über den Boden, meilenweit, ohne zu ermüden. Bei der Jagd oder auf der Flucht läuft er mit vorgebogenem Leibe ebenso schnell fast wie ein Trappe oder ein anderer Laufvogel, und nur ungern entschließt er sich, seine Schwingen zu gebrauchen; auch muß er, um sich zu erheben, erst einen Anlauf nehmen. Das Fliegen scheint ihm anfänglich schwer zu werden; hat er sich jedoch einmal in eine gewisse Höhe gearbeitet, so schwebt er leicht und schön dahin, gewöhnlich auf weite Strecken, ohne irgend einen Flügelschlag. Dabei streckt er die Ständer wie ein Storch nach hinten und den Hals oft gerade vor, und das Flugbild des Vogels wird dadurch so bezeichnend, daß man ihn mit einem anderen fliegenden Räuber gar nicht verwechseln kann. Es mag sein, daß er vorzugsweise laufend seine Jagd betreibt, und, aufgescheucht, kaum jemals zu bedeutenderen Höhen aufsteigt; daß er letzteres aber zu thun vermag, darf ich, aus eigene Erfahrungen gestützt, bestimmt versichern.

Alle Beobachter stimmen darin überein, daß der Kranichgeier paarweise lebt und ein ziemlich ausgedehntes Gebiet bewohnt. Eigentlich häufig ist er nirgends, kommt aber überall vor. Nur bei besonderen Gelegenheiten vereinigt sich ausnahmsweise eine größere Anzahl dieser merkwürdigen Vögel. Wenn z. B. vor der Regenzeit das Gras der Steppe angezündet wird und der Brand auf Meilen sich ausdehnt, alle Steppenthiere austreibend, findet sich regelmäßig der Kranichgeier ein, reicher Beute gewiß, und läuft und fliegt stundenlang vor der eilend vorrückenden Flammenlinie dahin. Abgesehen von derartigen Ausnahmsfällen beobachtet man ihn stets einzeln oder paarweise und keineswegs immer so leicht, als man, seine Größe berücksichtigend, vermuthen möchte. Zuweilen betreibt er stundenlang seine Jagd in dem Halmenwalde, welcher die Steppen bedeckt und ihn dem Auge entzieht. Dann kann es geschehen, daß er plötzlich aufsteht vor dem Reiter, welcher bis dahin von seinem Vorhandensein keine Ahnung hatte. Ist er gesättigt, so tritt er gern auf eine weite Blöße hinaus und verweilt hier lange Zeit, regungslos auf einer und derselben Stelle sitzend, während der Verdauung träumerischer Ruhe sich hingebend. Doch vergißt er niemals seine Vorsicht, nimmt sich wenigstens unter allen Umständen vor dem Menschen in Acht und wittert in jedem Wanderer einen zu fürchtenden Gegner. Glaubt er sich verfolgt, so sucht er, wie Heuglin erfuhr, laufend immer annähernd dieselbe Entfernung vor seinem Feinde zu halten und freies Land zu gewinnen, oder geht auf, streicht einige tausend Schritte weit, fällt im dichten Hochgrase wieder ein und flüchtet gedeckt, womöglich in anderer Richtung, noch ein Stück weit.

Der Kranichgeier ist hauptsächlich Kriechthier- und Lurchfresser, verschmäht aber auch andere Wirbelthiere nicht, falls solche sich ihm bieten, und noch viel weniger Kerbthiere, welche zeitweilig seine Hauptnahrung bilden. Seine Freßlust ist merkwürdig groß: man kann ihn fast unersättlich nennen. Levaillant zog aus dem Kropfe eines von ihm getödteten einundzwanzig kleine Schildkröten, elf Eidechsen und drei Schlangen hervor, fand aber außerdem noch eine Menge Heuschrecken und in dem weiten Magen einen Klumpen von Wirbelthierbeinen, Schildkrotschalen und Kerbthierflügeln, welcher später wahrscheinlich als Gewölle ausgespieen worden wäre. Heuglin glaubt, daß er unter den Säugethieren noch schlimmer hause als unter den Kriechthieren; alle übrigen Beobachter aber behaupten das Gegentheil, und auch Heuglin scheint später ihnen beizustimmen. Der Kranichgeier ist von Alters her berühmt als Schlangenvertilger. »Er wagt es«, sagt Levaillant, »die gefährlichsten Schlangen anzugreifen und verfolgt sie, wenn sie fliehen, so rasch, daß es aussieht, als ob er über der Erde schwebe. Ist die Schlange eingeholt und setzt sie sich zur Wehre, zischt und bläht sie den Hals gewaltig auf, dann breitet der Vogel einen Flügel aus, hält ihn wie einen Schild vor die Füße, schlägt damit gegen das andringende Kriechthier, hüpft rück- und vorwärts und führt die sonderbarsten Sprünge aus. Die Bisse der Schlange fängt er mit dem einen Flügel auf, erschöpft seinen tückischen Feind dadurch, schlägt ihn mit dem Höcker des anderen nieder, betäubt ihn, wirft ihn hierauf mit seinem Schnabel vielleicht auch noch in die Luft, zerbeißt ihm den Schädel und verschluckt ihn schließlich entweder ganz oder stückweise, nachdem er ihn zerrissen hat.« Jules Verreaux schildert die Schlangenjagd unseres Vogels ähnlich, jedenfalls aber ausführlicher als Levaillant. »Der ohnehin so zierliche und majestätische Vogel erscheint anziehender und anmuthiger als je, wenn er zum Kampfe mit Schlangen schreitet. Um das Kriechthier, welches er anzugreifen beabsichtigt, zu überraschen, entfaltet er alle ihm eigene Vorsicht, nähert sich daher mit größter Behutsamkeit. Sträuben der Schopf- und Hinterhalsfedern bezeichnen den Beginn des Kampfes. Mit mächtigem Sprunge stürzt er sich auf das Kriechthier, verseht ihm mit dem kräftigen Fange einen gewaltigen Schlag und streckt es nicht selten mit dem ersten Streiche zu Boden. Gelingt ihm der erste Angriff nicht, hebt sich die Schlange, breitet die in höchste Wuth versetzte Uräusschlange drohend ihren Schild, so zwingt sie ihn zunächst, mit einem Sprunge zurückzuweichen. Doch thut er dies nur, um lauernd auf den rechten Augenblick zu harren. Mit aufgerichtetem Haupte züngelt und zischt die Schlange, um den Feind zu schrecken; diesem aber wächst der Muth in demselben Grade, wie die Gefahr sich steigert. Mit gelüfteten Fittigen schreitet er von neuem vor, und wiederum versetzt er ihr Fußschläge von so unwiderstehlicher Kraft, daß die Schlange sicherlich binnen kurzem kampfunfähig daniederliegt. Stürzt sich, wie wir dies wiederholt gesehen haben, die Schlange angreifend auf ihren Gegner, so weiß dieser auch jetzt noch ihren Bissen auszuweichen, sei es, daß er ihr die ausgebreiteten Schwingen vorhält, sei es, daß er nach rückwärts oder zur Seite springt. Ermattet und erschöpft fällt die Schlange endlich platt aus den Boden nieder, und nunmehr verdoppelt der Vogel seine Anstrengungen, zerbricht ihr mit vernichtenden Schlägen seiner Fänge die Wirbelsäule, raubt ihr dadurch Beweglichkeit und Macht und setzt ihr endlich, blitzschnell vorgreifend, den eisernen Fang in den Nacken. Ohne weitere Umstände beginnt er sodann seine Mahlzeit. Binnen wenigen Minuten hat er eine Schlange von fast zwei Meter Länge aufgezehrt, bis auf den Kopf, zertrümmert letzteren mittels einiger Schnabelbisse, schreitet hierauf gemächlich seinem Ruheorte zu, zieht den Kopf zwischen die Schultern herab und verweilt, ruhig verdauend, mehrere Stunden nacheinander in dieser Stellung.« Im Gegensätze zu den genannten Forschern versichert Drayson, daß man den Kranichgeier auch fliegend jagen sieht. »Einer dieser Vögel schwebt in einer Höhe von etwa sechzig Meter über dem Boden, hält plötzlich an, senkt sich hernieder und läuft auf die erspähte Beute zu, breitet seine Schwingen, haut angreifend mit dem Schnabel vor und benutzt abwehrend seine Flügel, erhebt sich zuweilen, wahrscheinlich dann, wenn sein Gegner, dessen Tücke ihm wohlbekannt ist, heftige Abwehr versuchte, mit hohen Sprüngen in die Luft, läßt sich jedoch sofort etwa sechs Meter von demselben entfernt wiederum zum Boden herab und rückt von neuem zum Angriffe vor, bis dieser ihm endlich vollständig gelingt.« Heuglin sah, daß ein Kranichgeier Wüstenschildkröten mit einem Schlage des mächtigen Fanges zerschmetterte. Aeltere Beobachter wollen gesehen haben, daß unser Vogel große Schlangen in die Luft hebt und sie aus bedeutender Höhe zu Boden fallen läßt, um sie zu zerschmettern: die neueren Reisenden wissen hiervon zwar nichts zu berichten; doch ist die Angabe keineswegs unwahrscheinlich, weil auch andere Raubvögel in derselben Weise verfahren.

Ob der Kranichgeier einem wirksamen Bisse größerer Giftschlangen unterliegt oder im gewissen Sinne giftfest ist, kann zur Zeit mit Sicherheit noch nicht angegeben werden; so viel aber ist zweifellos, daß er getödtete Giftschlangen sammt ihren Zähnen ohne Bedenken verschlingt, sich also rücksichtslos der Gefahr aussetzt, durch die Zähne innerlich verwundet und bezüglich vergiftet zu werden.

Ueber die Fortpflanzung des Kranichgeiers liegen mehrfache, durchaus übereinstimmende Angaben vor. Am ausführlichsten berichten Levaillant, Verreaux und Heuglin. Im Juni oder Juli beginnen eifersüchtige Kämpfe zwischen den Männchen um den Besitz einer Gattin, welche sodann mit dem glücklichen Sieger gemeinschaftlich den Bau des Horstes in Angriff nimmt. Letzterer steht fast immer auf der Spitze eines hohen und dichten Busches, meist einer Mimose, sonst auch auf einzeln stehenden Bäumen. Zusammengelegte Reiser, welche mit Lehm gedichtet werden, bilden die Grundlage; die flache Mulde ist mit Pflanzenwolle, Federn und anderen weichen Stoffen ausgefüttert. Der Horst wird jahrelang von demselben Paare benutzt; man erkennt sein Alter leicht an den verschiedenen Schichten, deren jedes Jahr eine neue bringt. Nicht selten ereignet es sich, daß die Zweige der äußeren Bedeckung neue Schößlinge treiben, welche alsdann den ganzen Bau vollständig umgeben und verdecken. Jeden Abend begibt sich das Paar zum Neste, zunächst, um hier zu übernachten. Ein zweites Paar seinesgleichen duldet es nicht in dem von ihm in Beschlag genommenen Gebiete; wohl aber gestattet es, wie andere große Raubvögel auch, daß kleine Körnerfresser in unmittelbarer Nähe oder zwischen dem Reisig des Horstes selbst sich ansiedeln. Erst im August legt das Weibchen seine Eier, drei bis vier an der Zahl. Diese haben beinahe die Größe eines Gänseeies, sind aber rundlicher, entweder reinweiß von Farbe oder spärlich mit röthlichen Tüpfeln gezeichnet. Nach sechswöchentlicher Brutzeit, während welcher das Weibchen vom Männchen ernährt wird, entschlüpfen die Jungen in einem schneeweißen Dunenkleide. Sie sind im hohen Grade hülflos und bleiben lange Zeit schwach auf den Beinen, verlassen aus diesem Grunde das Nest auch selten vor Ablauf des sechsten Monats. Entnimmt man sie dem Horste, so erfährt man, daß sie erst nach fünf bis sechs Monaten einigermaßen laufen können, sich aber immer noch oft auf die Fersen niederlassen müssen.

Sorgsam gepflegt, werden sie bald zahm, ergötzen durch ihren Anstand, die edle Haltung, den stolzen Gang, das schöne, feurige Auge und das lebhafte Spiel ihrer Nackenfedern, unterdrücken jedoch, Wie Heuglin erfahren mußte, Raubgelüste niemals gänzlich, werden dem Hofgeflügel oft verderblich und wagen sich selbst an Katzen und Hunde, denen sie, wohl nur aus Kampflust und Uebermuth, nicht selten gefährliche, immer nach dem Kopfe gerichtete Fußschläge versetzen. Sie sind mit jeder Art geeigneten Futters zufrieden, aber überaus gefräßig, verschlingen außerordentlich große Bissen und geben sich nicht oft die Mühe, ein Beutestück erst mit dem Schnabel zu zerfleischen. In unseren Thiergärten zählen sie noch immer zu den Seltenheiten, verfehlen aber nie, die allgemeine Aufmerksamkeit sich zuzulenken. Am Vorgebirge der Guten Hoffnung soll man sie in früherer Zeit wegen ihrer trefflichen Leistungen im Vertilgen von allerlei Ungeziefer als Hofvögel gehalten, und nicht über unerlaubte Uebergriffe zu klagen gehabt haben. Daß sie sich als Vertilger von Schlangen, Ratten, Mäusen und dergleichen nützlich erweisen, läßt sich annehmen, daß sie auch mit dem Hausgeflügel sich vertragen sollten, dagegen kaum für wahrscheinlich halten.

Man hat den Versuch gemacht, den überaus nützlichen Vogel, dessen Tödtung am Vorgebirge der Guten Hoffnung bei harter Strafe verboten ist, auf Martinique einzubürgern, um die überaus gefährlichen Lanzenschlangen, die Geisel jener Insel, zu vertilgen; der Versuch ist jedoch mißlungen, nicht weil der Sekretär das fremde Klima nicht ertragen hätte, sondern der »erbärmlichen Flinten« halber, welche der Einbürgerung ein jähes Ende bereiteten.

Die Jagd des Kranichgeiers hat ihre Schwierigkeiten. Der Vogel ist schwer zu entdecken und noch schwerer zu beschleichen. Heuglin und ebenso Anderson versichern, daß eine längere Zeit fortgesetzte Hatze zu Pferde von dem besten Erfolge gekrönt zu sein pflegt. Der Vogel sucht vor dem Reiter laufend zu entrinnen, ermattet, erhebt sich, schon beinahe athemlos, fällt bald wieder ein, steht nochmals auf, läuft und fliegt abwechselnd, fortdauernd verfolgt, bis er nicht mehr zu fliegen oder zu laufen vermag und fällt dann dem Jäger zur Beute. Heuglin erhielt binnen zwei Tagen nicht weniger als sechs Stück dieser Vögel, welche in dieser Weise gefangen worden waren.

Der Kranichgeier führt von altersher den Namen »Sekretär«, dessen Bedeutung man erst begreift, wenn man erfährt, daß er seines Federbusches halber mit einem Schreiber verglichen wird, welcher die Feder hinter das Ohr gesteckt hat. Die arabischen Namen des Vogels sind dichterischer, aber noch unverständlicher. Im Westen des Sudan wird er das »Roß des Teufels« genannt, im Nordosten heißt er »Schicksalsvogel«. Jeder Eingeborene weiß etwas von ihm zu erzählen; die Berichte gehören jedoch größtentheils der Fabel an und haben für die Naturgeschichte des Kranichgeiers nicht den geringsten Werth. Ich habe niemals erfahren können, was er eigentlich mit dem, in der Anschauung aller Mahammedaner so bedeutsamen Geschick zu thun hat; nicht einmal das sonst so lebendige Märchen konnte mir hierüber Aufschluß geben.


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