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Dritte Ordnung.
Die Schwirrvögel ( Stridores).


[Allgemeines]

»Unter allen belebten Wesen ist der Kolibri das schönste der Gestalt, das prächtigste der Färbung nach. Edelsteine und Metalle, denen unsere Kunst ihren Glanz gibt, lassen sich mit diesen Kleinodien der Natur nicht vergleichen. Ihr Meisterstück ist dieser kleine Vogel. Ihn hat sie mit allen Gaben überschüttet, welche den übrigen Vögeln nur vereinzelt beschieden worden sind. Leichtigkeit, Schnelle, Gewandtheit, Anmuth und reicher Schmuck: alles ist diesem ihrem kleinen Lieblinge zu theil geworden. Der Smaragd, der Rubin, der Topas schimmern auf seinem Gewande, welches er nie mit dem Staube der Erde beschmutzt; denn sein ganzes ätherisches Leben hindurch berührt er kaum auf Augenblicke den Boden. Er ist stets in der Luft, von Blume zu Blume gaukelnd, deren Frische und deren Glanz ihm eigen ist und deren Nektar er trinkt.

»Der Kolibri bewohnt nur die Himmelsstriche, wo Blumen immerdar sich erneuern; denn diejenigen Arten seiner Familie, welche des Sommers bis in die gemäßigten Gürtel kommen, bleiben daselbst nur kurze Zeit. Sie scheinen der Sonne zu folgen, mit ihr vor- und rückwärts zu gehen und auf Zephyrflügeln im Gefolge eines ewigen Frühlings zu wandeln.«

So schildert Buffon in seiner malerischen Weise; aber auch alle nach ihm folgenden Naturforscher, und selbst die ernstesten unter ihnen, stimmen in Bewunderung dieser Prachtvögel ein. »Wen gäbe es wohl«, fragt Audubon, »welcher nicht bewundernd still stehen sollte, wenn er eines dieser lieblichen kleinen Geschöpfe erblickt, wenn es schwirrend durch die Luft schießt, sich in ihr wie durch Zauber festhält oder von Blume zu Blume gleitet, glänzend, als wäre es selbst nur ein Stück Regenbogen, welches so lieblich ist wie das Licht selber?« – »Der Kolibri«, meint Waterton, »ist der wahre Paradiesvogel. Man sehe ihn durch die Luft schießen, mit der Schnelligkeit des Gedankens. Jetzt ist er eine Armeslänge vor Deinem Gesichte, im Nu ist er verschwunden, und einen Augenblick später gaukelt er wieder um Blumen und Blüten. Jetzt gleicht er einem Rubin, jetzt einem Topas, bald darauf einem Esmerald und bald wiederum funkelndem Golde.« – »Es gibt keine schöner gefärbte, zierlicher gebaute und zahlreichere Vogelfamilie auf der Erde«, sagt Burmeister, »als diese in jeder Hinsicht merkwürdigste und eigenthümlichste unter den amerikanischen Vogelgestalten. Man muß die wundervollen Geschöpfe lebend in ihrem Vaterlande gesehen haben, um den ganzen Liebreiz ihrer Natur vollständig bewundern zu können.«

In der Bewunderung der Kolibris stimmen alle Forscher überein, bezüglich ihrer Würdigung in systematischer Hinsicht herrschen verschiedene Ansichten. Bilden die Schwirrvögel wirklich nur eine Familie? Können sie mit Fug und Recht einer anderen Ordnung der Vögel eingereiht werden? Diese Fragen sind schon vielfach erwogen worden; die Forscher haben sich aber noch heutigentages nicht geeinigt.

Das eine ist nicht zu leugnen, daß die Kolibris in dieser oder in jener Hinsicht an andere Vögel erinnern; aber sie erinnern auch nur an sie: vergleichen, zusammenstellen lassen sie sich nicht mit anderen. Erwägt man jede Eigenthümlichkeit, berücksichtigt man die Summe ihrer Merkmale, so wird man sie schwerlich anderen Vögeln ähnlich finden können. Ihr Gesammtgepräge ist ein durchaus selbständiges, und ihre Lebensweise, eine bessere Erläuterung der Gestalt, als wir sie mit Worten zu geben vermögen, hat mit der keines anderen Vogels Ähnlichkeit. Die Schwirrvögel, wie ich sie nennen will, sind, falls man so sagen darf, die Vertreter der Kerbthiere in ihrer Klasse: die Art und Weise ihrer Bewegung, ihres Nahrungserwerbes, ihr Wesen, hat mit gewissen Kerbthieren, zumal mit Schmetterlingen, unverkennbare Ähnlichkeit. Vögel sind die Kolibris, wenn sie sitzen, Kerbthiere in Vogelgestalt, wenn sie sich bewegen. Man hat sie mit den Seglern zusammengestellt: sie haben mit diesen nur im Flügelbaue Ähnlichkeit; man hat sie zu den Dünnschnäblern und insbesondere zu den Honigsaugern gebracht: sie unterscheiden sich in jeder Hinsicht von diesen. Ebenso gut könnte man sie als nahe Verwandte der Spechte betrachten; denn der Bau ihrer Zunge stimmt im wesentlichen mit dem der Spechtzunge überein. Aber sie selbst sind ebensowenig Spechte als Segler oder Dünnschnäbler. Wo sie auch untergebracht werden mögen, überall stehen sie vereinzelt da, und deshalb glaube ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich für sie eine eigene Ordnung bilde. Daß auch andere Naturforscher ähnliche Ansichten gehegt und befolgt haben, geht aus dem von Cabanis aufgestellten Systeme zur Genüge hervor: die von ihm gebildete Ordnung der Schrillvögel ( Strissores) umfaßt außer den Kolibris nur noch die Segler, die Nachtschwalben und – die Mäusevögel, Pisangfresser und Schopfhühner. Zwischen den letztgenannten und den Kolibris irgend welche Ähnlichkeit herauszufinden, ist mir unmöglich; ich kann nicht einmal zwischen Seglern und Nachtschwalben einerseits und den Schwirrvögeln anderseits engere Verwandtschaft erkennen.

Die Größe der Schwirrvögel schwankt in weiten Grenzen; denn einige kommen kleinen Bienenfressern an Leibesumfange gleich, andere sind kaum größer als eine Hummel. Der Leib ist in den meisten Fällen gestreckt oder scheint es wenigstens zu sein, weil der Schwanz oft bedeutende Länge hat; bei denjenigen Arten aber, welche nur einen stummelhaften Schwanz besitzen, fällt es sofort in die Augen, daß der Leibesbau ein sehr gedrungener, kräftiger genannt werden muß. Der Schnabel ist pfriemenförmig gebaut, dünn, schlank, fein zugespitzt, gerade oder sanft gebogen, bald viel länger, bald nur ebenso lang als der Kopf, mitunter fast von der Länge des Rumpfes, selten noch länger, sein Ueberzug eine feine, lederartige Hornscheide, die Spitze meist gerade, der Rand einfach, mitunter jene etwas hakig und dieser am vorderen Ende fein sägenartig gekerbt. Nach innen sind die Schnabelhälften tief ausgehöhlt; der Oberschnabel umfaßt den unteren und bildet mit ihm ein Rohr, worin die Zunge liegt. Nach hinten hebt sich die Firste als stumpfe Kante aus der Schnabelfläche hervor und zeigt neben sich eine seichte Furche, welche zwar als Nasengrube anzusehen ist, aber die Nasenlöcher nicht enthält; denn diese, seine, langgezogene Längsspalten, liegen nicht in ihr, sondern viel weiter nach außen, unmittelbar neben dem Schnabelrande. Der enge, schmale, von nackter Haut ausgefüllte Kinnwinkel reicht mehr oder weniger in den Unterschnabel hinab, bei kurzen Schnäbeln ziemlich bis zur Mitte. Auffallend klein und zierlich gebaut sind die Füße. Der Lauf hat mitunter noch Befiederung, welche indessen mehr anliegt als absteht. Die Zehen sind bald völlig getrennt, bald am Grunde etwas verwachsen und mit kurzen Tafelschildern gedeckt, die Krallen ungemein scharf, spitzig und beinahe ebenso lang, in einzelnen Fällen fast länger, als die Zehen selbst. Die Flügel sind lang, meist schmal und etwas sichelförmig gebogen. Die erste Schwinge ist immer die längste, hat auch gewöhnlich einen stärkeren Schaft als die übrigen und fällt insbesondere noch dadurch auf, daß die untere Schafthälfte sich, bei manchen Arten wenigstens, ungewöhnlich ausbreitet. Man zählt neun oder regelmäßiger zehn Federn an der Hand, aber nur sechs am Armtheile des Flügels. Von den letzteren sind die vier vorderen gleich lang, die zweithintersten stufig abgekürzt; doch erreichen jene vier nicht ganz die Länge der letzten Handschwingen. Der Schwanz besteht immer aus zehn Federn; sie aber sind außerordentlich verschiedenartig gebildet. Sehr viele Arten haben einen Gabelschwanz; die äußersten Federn verlängern sich jedoch mehr oder weniger über die mittleren, bei einzelnen so, daß sie das sechs- und mehrfache von deren Länge erreichen, bei anderen nur wenig. Ihre Fahnen sind bei den einen der ganzen Länge nach ziemlich gleich oder gegen das Ende hin bis zu einem kaum bemerklichen Saume verkümmert, an deren Spitze aber wiederum zu einer rundlichen Scheibe verbreitert, so daß der Schwanz dadurch ein Anhängsel erhält, wie es ähnlich z. B. der Flaggendrongo zeigt, bei den anderen dagegen ungemein schmal, und die ganzen Federn erscheinen gleichsam nur als Schäfte, an denen beiderseits ein Säumchen zu sehen ist. Nicht selten kommt es vor, daß die Steuerfedern geradezu verkümmern, das heißt zu Gebilden geworden sind, welche man eher Stacheln als Federn nennen möchte. Ebenso bemerkt man, daß der Schwanz gegabelt, aber nach außen hin doch abgerundet ist, so daß die Enden der Steuerfedern ausgebreitet eine Bogenlinie darstellen. Bei anderen endlich ist der Schwanz einfach abgerundet; die Mittelfedern sind dann entschieden die längsten. Das Gefieder ist ziemlich derb und im Verhältnisse zur Größe des Vogels reichlich, besitzt fast gar keine dunigen Bestandtheile und bekleidet den Leib durchaus nicht gleichmäßig, sondern verlängert sich an sehr verschiedenen Stellen desselben. So tragen einzelne Kolibris längere oder kürzere Kopfhauben, andere verlängerte Brustkragen oder bartähnliche Federbüschel ec. Rund um das Auge bleibt ein ziemlich breiter Ring nackt. Die Augenlidränder sind mit kleinen schuppenartigen Federn anstatt der Wimpern besetzt. Das Kleid unterscheidet sich je nach Geschlecht und Alter mehr oder weniger, und zwar nicht bloß hinsichtlich seiner Färbung, sondern auch bezüglich der Schmuckfedern. Ob nur einmaliger Federwechsel stattfindet oder ob die Kolibris einer doppelten Mauser unterworfen sind, konnte mit Gewißheit noch nicht festgestellt werden.

»Von dem inneren Baue des Kolibri«, sagt Burmeister, dessen Darstellung ich auch im vorstehenden gefolgt bin, »sind die Hauptzüge bekannt. Das Gerippe ist ungemein zierlich gebaut, das des Rumpfes größtentheils luftführend. Der Schädel hat sehr große Augenhöhlen, deren Scheidewand durchbrochen zu sein scheint. Im Halse sind zwölf bis dreizehn Wirbel vorhanden, im Rücken gewöhnlich acht mit ebensoviel Rippen. Die Gabel ist kurz, fein, hat keinen Stiel und verbindet sich nicht mit dem Brustbeine. Letzteres wird nach hinten zu merklich breiter, ist dort abgerundet und nicht mit Buchten oder Lücken versehen. Der ungemein hohe Kamm tritt stark nach vorn hervor. Das Becken nähert sich durch seine kurze, breite Form mehr dem der Spechte und Kukuke als dem der Singvögel. Der Schwanz besteht aus fünf bis sieben Wirbeln, je nachdem die vorderen sich mit dem Becken verbunden haben oder frei bleiben. Die Flügelknochen sind durch das lange Schulterblatt ebenso merkwürdig wie durch den sehr kurzen Ober- und Vorderarm. Der Handtheil dagegen hat eine sehr bedeutende Länge. Die Knochen der Beine sind sämmtlich sehr fein und ziemlich kurz; doch behalten die Zehen ihre gewöhnliche Gliederzahl.

»Das Zungengerüst hat in der Anlage die meiste Aehnlichkeit mit dem der Spechte, insofern die langen Zungenbeinhörner gebogen am Hinterkopfe hinaufsteigen und darüber hinweg auf die Stirne übergehen, woselbst sie in der Ruhe bis an den Rand des Schnabels reichen. Die eigentliche Zunge besteht aus zwei am Grunde verwachsenen Fäden, welche aber nicht an der Spitze geöffnet sind, sondern in eine abgeplattete, fast häutige Fläche auslaufen, welche seitwärts mit kleinen feinen Zacken versehen ist. Diese hohlen Fäden scheinen nur Luft zu enthalten; wenigstens sah ich sie stets leer. Hinten verbinden sie sich mit einander, und hier ist ihre Höhlung mit lockerem Zellgewebe erfüllt. Die Zunge wird von da nach hinten zu ein wenig dicker und endet mit zwei kurzen, etwas auseinander gehenden glatten Ecken. Dieser Theil der Zunge ist stets so lang wie der Schnabel. Unmittelbar hinter den beiden Wurzelecken wird die Zunge fleischig und gleicht einem kurzen Stiele, dessen Oberfläche in Falten gelegt ist. Bis an den Kehlkopf verdickt sich diese Strecke, welche dem Zungenbeinkörper entspricht, sehr allmählich und theilt sich dann in zwei Schenkel, welche den Kehlkopf zwischen sich nehmen und neben den Aesten des Unterkiefers vorbei und zum Hinterkopfe hinaufsteigen. Das sind die Zungenbeinhörner. Sie werden von einem Paare bandförmiger Muskeln begleitet, welche die Bewegung der Zunge bewirken. Der eine stärkere Muskel liegt hinter dem Zungenbeine, geht an ihm bis zur Zunge und dient zum Herausstrecken der Fäden, wobei sich die gespaltene Scheide des Stieles der Zunge von deren Wurzel bis zum Kehlkopfe stark ausdehnt und eine vier- bis sechsfache Länge erhält. Das andere Muskelpaar geht von den Zungenbeinhörnern in der Mitte am Gelenke derselben zwischen ihren Abschnitten aus, läuft über den Scheitel zur Stirne und heftet sich an die Wurzel des Schnabels vor der Stirn. Dieser Muskel zieht die Zunge zurück und verkürzt die Scheide zwischen der Zungenwurzel und dem Kehlkopfe.

»Die Weichtheile der Kolibris habe ich bei mehreren Arten untersucht, aber nichts besonders merkwürdiges daran gefunden. Der Schlund dehnt sich am Halse zu einem länglichen Schlauche aus, ganz wie bei den Spechten und Kukuken, ehe er in die Gabel tritt. Von da an zieht er sich wieder zusammen und geht durch eine sehr enge Mündung in den kleinen kurzen Vormagen über, dem ein ganz auffallend kleiner, runder, wenig fleischiger Magen folgt. Jener ist auf der Innenseite mit netzförmigen Drüsenmaschen bekleidet, dieser ganz glatt und ohne Lederhaut. Die Blinddärme und die Gallenblase fehlen; dagegen ist die Leber sehr groß, zweilappig und der rechte Lappen entschieden der größere. Die Luftröhre theilt sich schon am Halse ziemlich weit vom Gabelbeine in zwei Schenkel, und an dieser Stelle bildet sich ein deutlich unterer Kehlkopf von beinahe kugeliger Form, dessen ganze Unterfläche von einem dünnen Muskel beiderseits belegt ist, dem noch ein zweiter schmaler sich anreiht. Die Lungenflügel sind sehr klein, das Herz aber ist ungemein groß, über dreimal so groß als der Magen. Auffallend groß und weit ist auch der an der linken Seite der Bauchhöhle herabsteigende Eileiter, wie die außerordentliche Größe der Eier dieses kleinen Vogels fordert. Der Eierstock dagegen und die Hoden sind klein und schwer zu finden. Das räumlichst größte Organ des Rumpfes ist der außerordentlich starke, große Brustmuskel.«

Gegenwärtig kennen wir das Leben der verschiedenen Schwirrvögel noch viel zu wenig, als daß wir im Stande wären, die Unterschiede, welche sich im Betragen dieser und jener Art unzweifelhaft bekunden werden, hervorzuheben. Jede Beschreibung, welche bisher entworfen wurde, gibt mehr oder weniger ein Lebensbild der Gesammtheit. Ich will versuchen, das mir bekannt gewordene übersichtlich zusammenzustellen, glaube aber vorher erst einige Kolibris selbst näher beschreiben zu müssen. Vergebliches Beginnen würde es sein, wollte ich versuchen, an dieser Stelle den Gestaltenreichthum der Ordnung in genügender Ausführlichkeit zu besprechen. Der mir zugemessene Raum verbietet, etwas vollständiges zu geben, und da ich einmal unvollständig sein muß, bleibt es sich gleich, ob ich viele oder wenige von den in mehr als siebzig Unterabtheilungen oder Sippen gebrachten, etwa vierhundert Arten zählenden Vögeln hier beschreibe, soweit es sich um Gestalt und Färbung handelt. Wer die Schwirrvögel kennen lernen will, muß zu dem Gould'schen Prachtwerke oder wenigstens zu Reichenbachs »Vollständigster Naturgeschichte« greifen. In jenem sind sie nicht bloß alle abgebildet, sondern auch beschrieben, dieses bietet mindestens die größtentheils wohlgelungenen Bilder der lieblichen Geschöpfe.


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