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Vierte Ordnung.
Die Spechtvögel ( Pici).


[Allgemeines]

Mit demselben Rechte, mit welchem wir die Papageien und Kolibris als besondere Ordnungen auffassen, erheben wir auch die Gesammtheit der Spechtvögel zu einer solchen. Die meisten Vogelkundigen huldigen dieser Ansicht nicht, sondern vereinigen Papageien, Spechte und einen großen Theil der Leichtschnäbler; indessen scheint sich doch die Anschauung, daß Papageien, Spechte, Kukuke und Verwandte wenig gemeinschaftliches haben, mehr und mehr Bahn zu brechen. In der That bilden unsere allbekannten Waldzimmerleute eine so streng nach außen hin abgeschlossene Gruppe, daß es kaum als Fehler erklärt werden kann, wenn wir dieser Gruppe den Rang einer Ordnung zusprechen. Streng genommen zeigen die Spechte so eigenthümlichen Bau und infolge dessen so eigenartige Lebensweise, daß sie sich unter anderen kletternden Vögeln nicht wohl einreihen lassen.

Die Spechtvögel kennzeichnen sich durch folgende Merkmale. Der Leib ist gestreckt, der Schnabel stark, meist gerade, kegelförmig oder meiselartig, aus dem Rücken scharfkantig und an der Spitze senkrecht zugeschärft. Die Füße sind kurz, stark und einwärts gebogen, die Zehen lang und paarig gestellt; das vordere Paar ist bis zur Hälfte des ersten Gliedes verwachsen. Der eigentlichen Hinterzehe, welche die kleinste von allen ist, hat sich die äußere Vorderzehe, die längste des Fußes, gesellt; es kommt aber auch vor, daß die Hinterzehe verkümmert oder gänzlich fehlt, so daß der Fuß nur drei Zehen zeigt. Alle Zehen sind mit sehr großen, starken, scharfen, halbmondförmigen Nägeln bewehrt. Die Flügel sind mittellang und etwas abgerundet, die Handschwingen, zehn an der Zahl, schmal und spitzig, die Armschwingen, neun bis zwölf an der Zahl, etwas breiter, aber gewöhnlich nicht viel kürzer als die erstgenannten. Unter diesen ist die erste Schwinge sehr klein, die zweite mittellang, die dritte oder die vierte aber die längste. Sehr ausgezeichnet ist der Schwanz. Er besteht aus zehn großen und zwei kleinen Seitenfedern, welche aber nicht unter, sondern über den ersten liegen. Die beiden mittleren Schwanzfedern sind die längsten und stärksten. Ihre Schäfte nehmen nach der Spitze zu an Stärke ab, sind sehr biegsam und besitzen bedeutende Schnellkraft. Während die Fasern ihrer Fahnen in der Wurzelhälfte der Feder dicht neben einander stehen und verbunden sind, werden sie gegen die Spitze hin frei, nehmen an Stärke zu, ändern ihre frühere Richtung und wenden sich beiderseits nach unten, so daß die Feder einem Dache ähnlich wird, als dessen Firste der Schaft anzusehen ist. Unter diesem Dache liegt die genau ebenso gebaute zweite Mittelfeder und unter ihr die dritte. Die vierte Feder jeder Seite ähnelt noch der dritten; die fünfte äußerste ist wie gewöhnlich gebildet und die sechste, außer durch ihre Lage, auch noch durch besondere Härte beachtenswerth. In dem Gefieder fehlen Dunen fast gänzlich, und die Außenfedern herrschen daher unbedingt vor. Sie zeichnen sich aus durch einen kleinen dunigen Afterschaft, sind am Kopfe klein, länglich, oft zu einer Holle oder Haube verlängert, haarig zerschlissen und dicht gestellt, am Rumpfe breit, kurz und zerstreut, in mehrere Fluren geordnet, unter denen die meist ungetheilt bis zu den Schulterblättern verlaufende, von hier aus oft in zwei seitliche Züge getheilte und bis zur Oeldrüse reichende, auch wohl mit anderen verbundene Rückenflur und eine gewöhnlich vorhandene zweite innere Schulterflur besondere Erwähnung verdienen, sowie anderseits hervorgehoben werden mag, daß von der Schnabelwurzel bis zum Hinterhaupte ein federloser Rain verläuft. Die Färbung zeigt bei aller Mannigfaltigkeit doch große Uebereinstimmung: so ist namentlich die Kopfgegend durch prachtvolles Roth geziert. Die Geschlechter unterscheiden sich hauptsächlich durch größere oder geringere Ausdehnung, Vorhandensein oder Fehlen der rothen Kopfzeichnung. Mehr als bei irgend einer anderen Gruppe endlich ist es zulässig, die Spechte nach der Farbenvertheilung zu ordnen, und deshalb üblich von Schwarz-, Grün-, Buntspechten etcc. zu sprechen.

Ebenso eigenthümlich wie der äußere ist der innere Leibesbau unserer Vögel. Das Knochengerüst ist zierlich gebaut, der Schädel mäßig groß, der Scheitel sehr gewölbt, seitlich durch eine von den Nasenbeinen an jederseits nach hinten ziehende Leiste, an deren äußerer Seite eine die Zungenbeinhörner ausnehmende Rinne sich befindet, besonders ausgezeichnet, die Augenhöhlenscheidewand von einer einzigen Oeffnung durchbohrt, das Pflugscharbein aus zwei neben einander liegenden, zuweilen getrennt bleibenden, stabförmigen Knöchelchen zusammengesetzt, das Gaumenbein jederseits nach hinten bis zur Einlenkung der Flügelbeine verschmälert, nach vorne als dünner Knochenstreifen mit den Oberkiefern verschmolzen, das Quadratbein auffallend kurz. Das Schulterblatt ist kurz, am Ende lappenförmig erweitert, das Gabelbein schwach, das Schlüsselbein sehr stark, das Brustbein hinten meist breiter als vorn und jederseits mit zwei tiefen Einschnitten versehen, der Kamm am Hinterrande kaum ausgeschweift. Die Wirbelsäule besteht aus zwölf Hals-, sieben bis acht Brust-, zehn Kreuzbein- und sieben Schwanzwirbeln, deren letzterer besonders groß, stark, sehr breit an der Hinterfläche und mit langen, starken Dornfortsätzen versehen ist. Kopf- und Rumpftheile sowie Ober- und Vorderarm sind luftführend. Unter den weichen Theilen zeichnet sich vor allen die Zunge aus. Sie ist klein, hornig, sehr lang gezogen und an jeder Seite mit fünf bis sechs kurzen, steifen Stacheln oder Borsten besetzt, welche wie Widerhaken an einer Pfeilspitze erscheinen. »Diese kleine Zunge«, sagt Burmeister, »sitzt an einem langen, geraden, griffelförmigen Zungenbeine von der Länge des Schnabels, von welchem nach hinten noch zwei doppelt so lange, zweigliederige Zungenbeinhörner ausgehen. Das Zungenbein steckt in einer höchst elastischen warzenreichen Scheide, welche eingezogen wie eine Sprungfeder aussieht, im Munde liegt und sich gerade ausdehnt, wenn die Zunge vorgestreckt wird. In der Ruhe biegen sich die Zungenbeinhörner um den Hinterkopf zur Stirne hinauf, liegen hier unter der Haut und reichen mit ihren Spitzen sogar bis in die hornige Scheide des Schnabels weit über die Nasenlöcher hinaus, indem sich daselbst (am rechten Nasenloche) eine eigene Röhre zu ihrer Aufnahme befindet. Sie steigen von hier, wenn der Specht die Zunge ausstreckt, in die elastische Scheide des Zungenbeinkörpers hinab und schieben so die Zunge vor sich her, mehrere Centimeter weit aus dem Schnabel heraus.« Mit dieser eigenthümlichen Zungenbildung ist eine ungewöhnliche Entwickelung eines Schleimdrüsenpaares verbunden. Diese Drüsen ziehen sich an den Unterkieferseiten dahin, reichen bis unter die Ohröffnungen, sondern kleberigen Schleim ab und überziehen mit diesem den langen Zungenhals in ähnlicher Weise, wie es bei dem Ameisenfresser geschieht. Der Schlund ist ohne Kropf, der Vormagen meist lang, der Magen muskelig. Blinddärme fehlen oder sind verkümmert; eine Gallenblase dagegen ist vorhanden.

Es leuchtet ein, daß der eigenartige Bau der Füße, des Schnabels und der Zunge den Specht zu seiner eigenartigen Lebensweise außerordentlich befähigt. Mit seinen scharf eingreifenden Nägeln, welche eine ausgedehnte Fläche umklammern, hängt er sich ohne Mühe an senkrechte Stämme an, und der Schwanz unterstützt ihn dabei gegen das Hinabrutschen. Wenn er sich nun auf diesen stemmt, drücken sich nicht bloß die Spitzen der acht Hauptfedern, sondern auch fast alle einzelnen, gleichsam selbständig gewordenen Federenden, die widerstandsfähigen Fahnenstrahlen der drei mittleren Federn jeder Seite, an den Stamm und finden wegen ihrer großen Anzahl auch in der kleinsten Ungleichheit desselben sichere Anhaltepunkte. Der kräftige, scharfe Schnabel ist zum Meiseln vortrefflich geeignet, und der Schwanz unterstützt auch solche Arbeit, indem er beim Arbeiten des Spechtes als Schnellfeder dient. Die Zunge endlich dringt vermöge ihrer Dünne oder Fadenartigkeit in alle Löcher und vermag, dank ihrer allseitlichen Beweglichkeit, jeder Biegung eines von dem Kerbthiere ausgehöhlten Ganges zu folgen.

Die Spechte sind, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands oder des australischen Gebietes überhaupt und ebenso der Insel Madagaskar, über alle Theile der Erde verbreitet und auch im Norden keineswegs seltene Erscheinungen. »Ihre Gesammtzahl«, sagt Gloger, »steigt mit dem zunehmenden Reichthume der Länder an Wäldern und wächst mit dem üppigen Gedeihen der letzteren.« Wahre Paradiese für sie bilden die ausgedehnten, zusammenhängenden Urwaldungen der Wendekreisländer, namentlich Südamerikas und Indiens; denn in Afrika kommen merkwürdigerweise nur wenige und fast ausschließlich kleine Arten vor. In den brasilischen Waldungen gehören sie, wie uns der Prinz mittheilt, zu den gemeinsten, allerorts verbreiteten Vögeln. »Ueberall gibt es verfaulte alte Stämme, überall reiche Kerbthierernte für diese einsamen Waldbewohner. Da, wo in Brasilien die Stille der weiten Wildnis nicht durch die Stimme anderer lebenden Wesen unterbrochen wird, hört man doch gewiß den Ruf der Spechte. Aber sie bewohnen in jenem schönen Lande nicht bloß die Urwälder, sondern beleben auch die Vorhölzer und Gebüsche, ja sogar die offenen Triften.« Warum sie in den oben genannten Ländern fehlen, ist schwer zu begreifen. Glogers Meinung, daß sie Bäume mit fester Rinde und sehr hartem Holze meiden, mag im ganzen das rechte treffen, schließt aber doch manche Einwendung nicht aus; denn einerseits gibt es in den Waldungen jener Länder viele Bäume, auf welche jene Angabe nicht paßt, und anderseits leben in ihnen kletternde Vögel, welche scheinbar noch weit weniger, als die Spechte, für solche Bäume geeignet sind. Bei uns zu Lande finden sie sich in Waldungen, Baumpflanzungen und Gärten, überall nur einzeln; denn auch sie zeigen sich, anderen ihrer Art gegenüber, ungesellig und vereinigen sich zwar dann und wann mit kleinen Strichvögeln der Wälder, denen sie zu Führern und Leitern werden, aber nur sehr selten mit anderen Arten ihrer Ordnung oder Familie. Allerdings kann es vorkommen, daß man auf einem und demselben Baume gleichzeitig zwei bis drei verschiedene Spechtarten sieht; von ihnen aber bekümmert sich keiner um das Thun und Treiben des anderen, und jeder geht unbekümmert um den zeitweiligen Gesellen seinen Weg. Dagegen kann es geschehen, daß besonders reiche Nahrung zeitweilig viele Spechte einer und derselben Art oder auch mehrere Arten von ihnen vereinigt, und ebenso bemerkt man während der Strich- oder Wanderzeit oft auffallend zahlreiche Gesellschaften, nach Versicherung einzelner Beobachter dann und wann sogar Scharen von ihnen.

Das Verbreitungsgebiet der einzelnen Arten kann ziemlich beschränkt und auch wiederum sehr ausgedehnt sein. Unsere deutschen Arten, mit alleiniger Ausnahme des Mittelspechtes, werden fast in ganz Europa und ebenso im nördlichen Mittelasien gefunden; andere hingegen sind auf verhältnismäßig enge Grenzen beschränkt. Jeder Erdtheil besitzt seine eigenen Arten, auch wohl seine eigenen Gruppen, denen man bei der großen Uebereinstimmung derselben freilich kaum den Rang von Sippen, geschweige denn Unterfamilien zugestehen kann. Annähernd gleiche Verhältnisse begünstigen wie bei den meisten anderen Vögeln weite Verbreitung, aus verschiedenartigen Bäumen zusammengesetzte Waldungen das Vorkommen mehrerer Arten innerhalb eines und desselben Gebietes. Ersichtlicher als die meisten übrigen Vögel sind die Spechte streng an einzelne Bäume gebunden. Mehrere von ihnen siedeln sich allerdings ebensowohl im Nadel- wie im Laubwalde an, bevorzugen jedoch den einen entschieden, und fehlen Gegenden, wo der andere vorherrscht, gänzlich, berühren sie mindestens nur während ihres Zuges. In noch höherem Grade bestimmend für ihr Vorkommen ist die Beschaffenheit der Bäume selbst; denn fühlbarer als anderen Vögeln wird ihnen der Mangel an passenden Wohnungen. Wohl scheinen sie, da sie letztere selbst sich gründen, minder abhängig zu sein als andere Höhlenbrüter; in That und Wahrheit aber ist dies keineswegs der Fall. Nicht jeder Specht findet in einem weit ausgedehnten Forste einen passenden Baum, wie er ihn braucht, um sich seine Behausung zu zimmern, und die nothwendige Folge davon ist, daß er solchen Forst gänzlich meidet. Da er die Höhlungen nicht bloß zur Niststätte seiner Jungen, sondern auch zu Schlafplätzen benutzt, kann sein Wohngebiet nicht ausgedehnt sein; denn er muß allabendlich zum Mittelpunkte desselben, eben der Wohnung, zurückkehren. Demgemäß durchstreift er einen Wald oder Forst, welcher ihm keine Unterkunft gewährt, auch nur flüchtig gelegentlich seiner Wanderungen und wird daselbst in den übrigen Monaten des Jahres nicht bemerkt. Aendern sich die Verhältnisse, erlangt ein einziger Baum die erforderlichen Eigenschaften, um wiederum als Wohn- und Brutraum dienen zu können, so entgeht er dem Spechte sicherlich nicht, und dieselbe Art, welche ein Menschenalter hindurch fehlte, stellt sich zur Freude des Beobachters plötzlich wieder ein. Nur so erklärt sich die Abnahme der einen und nicht minder auch die Zunahme der anderen Arten in gewissen Gegenden, welche von tüchtigen Beobachtern überwacht werden.

Alle Spechte führen im wesentlichen dieselbe Lebensweise. Sie bringen den größten Theil ihres Lebens kletternd zu, hängen sich sogar, während sie schlafen, in der Kletterstellung an die inneren Wände der Baumhöhlungen, also an senkrechte Flächen an. Zum Boden herab kommen sie selten, und wenn sie es thun, Hüpfen sie mit ungeschickten Sprüngen umher. Sie fliegen ungern weit; doch geschieht dies wahrscheinlich weniger deshalb, weil sie der Flug anstrengt, als vielmehr infolge der ihnen überhaupt eigenen Ruh- und Rastlosigkeit, welche sie veranlaßt, womöglich jeden Baum auf ihrem Wege zu untersuchen. Der Specht fliegt in sehr tiefen Wellenlinien dahin. Er erklettert gewissermaßen den aufsteigenden Bogen einer dieser Linien mit raschen, schwirrenden Flügelschlägen, legt dann plötzlich die Flügel hart an den Leib und schießt nun in steilen Bogen wieder tief nach unten herab, worauf er das Aufsteigen von neuem beginnt. In der Nähe eines Baumes angelangt, pflegt er sich tief herabzusenken und wenige Meter über dem Boden an den Stamm anzuhängen; nunmehr aber klettert er mit großen, rasch aufeinander folgenden Sprüngen aufwärts, manchmal auch seitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, selten auf wagerechte Aeste hinaus, bisweilen wohl ein wenig rücklings, niemals aber kopfabwärts nach unten. Beim Anhängen beugt er Brust, Hals und Kopf weit nach hinten; beim Sprunge nickt er mit dem Haupte. Mit dem Schnabel hämmernd oder meiselnd arbeitet er je nach Verhältnis seiner Stärke größere oder geringere Stücke der Borke los, deckt dadurch die Schlupfwinkel der Kerbthiere auf, zieht sie mit der Zunge hervor und verschlingt sie. In welcher Weise dies geschieht, ist mir trotz sorgfältiger, oft wiederholter Beobachtungen an zahmen Spechten noch nicht vollständig klar geworden. Wenn man gefangene Spechte in einem Bauer mit fester Decke hält, diese an verschiedenen Stellen durchbohrt und dann beliebte Nahrung auf die Decke wirft, kann man das Spiel der Zunge in nächster Nähe auf das genaueste beobachten. Allein so sehr man sich auch bemüht, über die Arbeit derselben sich klar zu werden, so wenig gelangt man zur unbedingt sicheren Erkenntnis, bleibt vielmehr immer noch zweifelhaft. Es läßt sich von vorne herein annehmen, daß die Widerhaken an der harten Hornspitze der Zunge ihre Dienste leisten und manche Made aus verschlungenen Gängen hervorziehen mögen; man bemerkt jedoch auch, daß Nahrungsbrocken, beispielsweise Ameisenpuppen, dem Schlunde zugeführt werden, ohne daß die Zungenspitze dabei in Thätigkeit kommt. Die wurmförmige Zunge wird durch das Loch des Kistenkäfigs gesteckt, biegt sich um und bewegt sich nun mit unvergleichlicher Geschmeidigkeit tastend nach allen Richtungen, bis sie eine Ameisenpuppe oder einen Mehlwurm ausgekundet hat. In vielen Fällen wird die Beute nun allerdings mit der Zungenspitze ausgenommen, also wohl durchspießt, in anderen aber bemerkt man nach dem ersten Erscheinen der Zunge einige schlängelnde Bewegungen, und Ameisenpuppe oder Mehlwurm verschwinden mit dem zurückgleitenden Organe so rasch, daß man nicht im Stande ist, zu sehen, ob sie angeleimt oder durch Umschlingung festgehalten wurde. Dank dieser außerordentlichen Beweglichkeit und Schmiegsamkeit der Zunge ist der Specht im Stande, auch kreuz und quer verlaufenden Gängen eines holzzerstörenden Kerbthieres zu folgen und dasselbe an das Tageslicht oder in seinen Magen zu befördern. Gerade hierdurch erweist er sich als ein Waldhüter ersten Ranges.

Verschiedenartige Kerbthiere in allen Zuständen des Lebens, vor allen solche, welche verborgen in Bäumen, entweder in oder unter der Borke oder im Stammholze selbst, leben, bilden die bevorzugte Nahrung weitaus der meisten Spechte; einige von ihnen fressen jedoch nebenbei auch verschiedene Beeren und Sämereien, legen sich selbst Vorrathskammern an, welche sie mit letzteren füllen. Mehreren amerikanischen Arten sagt man nach, daß sie unter Umständen ein Vogelnest plündern und Eier und Junge verzehren oder ihrer Brut zutragen sollen, und, wie ich erzählen werde, hat man auch unsere einheimischen Arten bezüchtigt, dasselbe zu thun; die hierauf bezüglichen Angaben scheinen mir jedoch in keiner Weise verbürgt, genaue Beobachtungen in dieser Hinsicht mindestens dringend erforderlich zu sein.

Das Wesen der Spechte erscheint ernst und gemessen, ist aber in Wirklichkeit eher ein heiteres und fröhliches zu nennen. Dies bekunden alle Arten, welche man in Gefangenschaft hält und so weit gezähmt hat, daß sie ihrem Pfleger vollkommenes Vertrauen schenken. Wer sie kennen gelernt hat, wird sie als kluge Thiere bezeichnen müssen, wer sie längere Zeit in Gefangenschaft, im Zimmer oder im Käfige, hielt, ihnen auch eine gewisse Drolligkeit zusprechen dürfen. »Feinere Sitten«, meint Liebe, »darf man von ihnen freilich nicht erwarten. Ihre Gewohnheiten sind die der Waldbewohner, der Köhler, Holzhauer und ähnlicher Leute, welche nicht salonfähig erklärt werden können; aber das ganze Wesen und Gebaren spricht wenigstens den vorurtheilsfreien Pfleger aufs höchste an.« Dasselbe gilt aber auch für die freilebenden Spechte. Wer möchte sie missen, wer unseren Wald ohne sie wünschen wollen? Schon ihre Stimme erfreut den Beobachter, und namentlich das laute, lachende Geschrei, welches auf weit hin durch Wald und Flur erschallt, besitzt so unverkennbar das Gepräge der Heiterkeit, daß man die Spechte unbedingt den am liebsten gesehenen Vögeln beizählen muß. Abgesehen von ihrer Stimme bringen sie jedoch noch eine eigenthümliche Musik im Walde hervor: sie »trommeln, schnurren, dröhnen oder knarren«, wie man zu sagen pflegt, indem sie sich an einen dürren Ast hängen und diesen durch sehr schnelle Schläge mit dem Schnabel in zitternde Bewegung bringen. Hierdurch bewirken sie ein laut schallendes Geräusch, welches nach der Stärke des Zweiges bald höher, bald tiefer klingt, aber auf weithin im Walde gehört wird. Wiese vermuthet, daß die Veranlassung zu dieser eigentümlichen Musik im Zusammenhänge mit der Witterung steht, weil er überhaupt die Spechte für die besten Wetterprofeten hält, meint auch, daß es bisweilen geschehen könne, um die Kerbthiere aus dem stark bewegten Aste herauszutreiben, irrt sich aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geschieht, um das Weibchen zu erfreuen. Meines Wissens ist es noch nicht festgestellt worden, ob das Weibchen seine Gefühle in gleicher Weise äußert wie das Männchen; so viel aber ist sicher, daß letzteres durch sein Trommeln zu Kampf und Streit herausfordert, daß andere auf dieses Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler auszufechten, und daß man durch Nachahmung dieses Trommelns viele Spechte leicht zu sich heranlocken kann. Der Specht bekundet also gewissermaßen auch seine Gefühle durch den Gebrauch des ihm wichtigsten Werkzeuges.

Das Nest steht stets in einer von den Spechten selbst gezimmerten Baumhöhlung und ist im Grunde genommen nichts anderes als der mit einigen Spänen ausgekleidete Boden der Höhle selbst. Das Gelege besteht aus drei bis acht sehr glänzenden, reinweißen Eiern, welche von beiden Geschlechtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche Geschöpfe, welche anfangs mit ihren Eltern kaum Ähnlichkeit zeigen und ihre hauptsächlichste Fertigkeit, das Klettern, früher ausüben, als sie jener Gestalt und Bekleidung erhalten, werden nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang von Vater und Mutter geführt, dann aber rücksichtslos aus deren Nähe vertrieben.

Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlich genug versichert werden, daß uns die Spechte Nutzen, nicht aber Schaden bringen. Bechstein war der erste Naturforscher, welcher der unsinnigen Vernichtungswuth entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nach vieljähriger Untersuchung und Beobachtung schlechterdings keine schädliche Eigenschaft an unseren Spechten habe entdecken können. Alle späteren Forscher, welche das Leben der Thiere beobachteten, oder wenigstens den Beobachtern Glauben schenkten, haben nach ihm dasselbe versichert, und gleichwohl gibt es heutigen Tages noch einzelne, welche meinen, daß ein Specht durch sein Arbeiten an den Bäumen diesen Schaden zufügen könnte. Wahrhaft überraschen muß es, wenn man erfährt, daß ein gewisser König, welcher ein Buch über die Waldpflege geschrieben hat, noch in unseren Zeiten eine, wenn auch keineswegs begründete, so doch deutlich genug ausgesprochene Anklage gegen die Spechte zu schleudern wagt.

Neuerdings stellt sich auch Altum, wenngleich nicht auf die Seite der Gegner unserer Vögel, so doch auf einen anderen Standpunkt als die Mehrheit der Vogelkundigen, indem er den Spechten hauptsächlich dreierlei vorwirft. Sie schaden den Waldungen seiner Meinung nach durch Vertilgen der nützlichen Ameisen und Aufzehren der Waldsämereien, durch das Bemeiseln der Bäume, welches die Ansiedelung zerstörender Pilze zur Folge haben soll, und endlich durch eine absonderliche, bis jetzt noch nicht erklärte Spielerei, indem sie einzelne Bäume »ringeln«, das heißt, ein junges Stämmchen ringsum der Rinde berauben. Ich kann die Aufzählung ihrer Uebelthaten noch vermehren. Sie schaden hier und da, indem sie, wenigstens einzelne Arten von ihnen, das morsche Holz in Gebäuden zermeiseln oder aus Kleibwerk hergestellte Fachwände zerstören, und ebenso, indem sie im Winter Bienenstöcke besuchen, die Wandungen derselben durchlöchern und unter den schlummernden Immen bedenklich aufräumen. Allein alle diese Anklagen erweisen sich als bedeutungslos gegenüber dem außerordentlichen Nutzen, welchen sie unseren Waldungen und Nutzholzpflanzungen überhaupt bringen. Wahr ist es, daß einzelne Spechte, hauptsächlich der Schwarz- und die Grünspechte, gern, zeitweilig fast ausschließlich, von Ameisen in allen Lebenszuständen sich ernähren, ebenso wahr, daß andere, insbesondere unser Buntspecht und vielleicht auch einige seiner europäischen Verwandten während der Reifzeit unserer Waldsämereien vorwiegend solche, auch wohl Haselnüsse verzehren; allein die Ameisenarten sind in unseren gepflegten und beaufsichtigten Forsten noch so häufig, und unsere Waldbäume tragen in Samenjahren so reichlich, daß auf den in dieser Beziehung verursachten Schaden in der That kein Gewicht gelegt werden darf. Ich bin weit entfernt, den Nutzen der Ameisen unterschätzen zu wollen, glaube jedoch, daran erinnern zu müssen, daß die nützlichsten von ihnen, unsere großen Waldameisen, sich gleichzeitig mit den Spechten und trotz ihrer in allen Waldungen vermehren, welche ihnen die entsprechenden Lebensbedürfnisse gewähren, eine Behinderung dieser Vermehrung durch die Spechte bis jetzt auch noch nirgends nachgewiesen worden ist. Ich gestehe ferner zu, daß in so armen Kieferwaldungen, wie die der Mark und Norddeutschlands überhaupt es sind, der Buntspecht durch seine Liebhaberei für Kiefersämereien das Einsammeln der letzteren beeinträchtigen kann, behaupte aber mit vollster Bestimmtheit, daß überall da, wo die Kiefer zu wirklicher gedeihlicher Entwickelung gelangt, sämmtliche Buntspechte einer meilenweiten Umgebung nicht im Stande sind, die, um mich so auszudrücken, unbeschränkte Ertragsfähigkeit dieses Baumes zu beeinträchtigen. Viel schädlicher wirken, wie Eugen von Homeyer mit Recht hervorhebt, die Eichhörnchen, welche ihrer anmuthigen Beweglichkeit verdanken, daß man ihre Nichtsnutzigkeit und verderbliche Thätigkeit nach jener Richtung hin nur zu gern übersieht. Noch weniger dürste der Schaden ins Gewicht fallen, welchen die Spechte durch Bemeiseln der Bäume den Waldungen zufügen. Alle Forstleute und Vogelkundigen, welche Spechtlöcher untersuchten, stimmen darin mit einander überein, daß die Spechte behufs Ausarbeitung eines Schlaf- oder Brutraumes nur solche Bäume in Angriff nehmen, deren Kern morsch ist, so gesund auch der Baum von außen erscheinen mag. Vielleicht mag es vorkommen daß da, wo passende Bäume selten sind, auch gesunde, weichholzige Stämme, insbesondere Espen, Pappeln oder Weiden angemeiselt werden; überall da aber, wo solche Bäume in größerer Menge auftreten, wie hier und da in Rußland oder Sibirien zum Beispiel, gilt auch für sie das gesagte. Der Specht macht, um mit Eugen von Homeyer zu reden, die Bäume nicht faul, sondern zeigt nur die faulen Bäume an. Ueber das Ringeln habe ich eigene Beobachtungen bis jetzt noch nicht angestellt und muß daher meinen verehrten Freund Eugen von Homeyer für mich reden lassen. »Wenn man die verschiedenen Reviere nach den Ringelbäumen durchsucht, so mag es nicht schwer sein, eine gewisse Anzahl derselben aufzufinden. Es mag auch lehrreich für alle sein, welche sich für Forstwissenschaft interessiren, eine Sammlung von Abschnitten solcher Bäume anzulegen; aber man darf darum nicht erwarten, daß man die sogenannten Ringelbäume in jedem Forste zu dutzenden oder hunderten antrifft. In den meisten Wäldern Hinterpommerns sind sie entschieden selten, so selten, daß ich in meinem Walde von etwa vierhundert Hektar trotz jahrelangen Bemühens auch nicht einen einzigen von Spechten geringelten Baum angetroffen habe. Es mag sein, daß in anderen Gegenden solche Fälle öfter vorkommen, und namentlich ist es auch mir nicht unwahrscheinlich, daß Spechte ihnen fremde Holzarten vorzugsweise zu diesen Versuchen wählen; solche Beschädigung jedoch, wie Herr Altum bei Pflänzlingen erwähnt, kommen so selten vor, daß sie bei dem Nutzen und Schaden des Spechtes im großen und ganzen nicht entscheiden. Wenn die Spechte ganz gesunde Bäume ringeln und dies tagelang an demselben Baume wiederholen, wie thatsächlich geschieht, alle anderen daneben stehenden Bäume aber verschonen, so müssen diesem Treiben andere Beweggründe unterliegen. Sie aufzufinden, wird es zweckmäßiger sein, auch fernerhin vorurtheilsfrei zu beobachten, als sich eine ungenügende und unsichere Erklärung zurechtzulegen und damit seine Untersuchungen abzuschneiden und zu beschränken. In jeder Wissenschaft kann es nur von großem Nachtheile sein, zweifelhafte Fälle für erledigt zu halten. Mag nun aber auch eine Erklärung ausfallen, wie sie wolle, so ist ein irgendwie erheblicher Schaden der Bäume durch die Spechte nicht nachgewiesen. Durchschnittlich wird auf tausende von Bäumen kaum ein Ringelbaum kommen. In den meisten Fällen ist auch die Beschädigung eine ganz unerhebliche und kann in keinem Falle ins Gewicht fallen.« Nicht viel anders verhält es sich mit dem Schaden, welchen einzelne Spechte an Gebäuden anrichten. Es sind immer nur wenige, welche bis in das Innere der Gehöfte eindringen und diese können, wenn sie lästig werden, leicht verscheucht werden. Ebenso verhält es sich endlich mit den Uebergriffen, welche ein Specht dann und wann an Bienenstöcken sich zu Schulden kommen läßt. Dem aufmerksamen Zeidler wird solches Beginnen nicht entgehen, und er Mittel finden, des ungebetenen Gastes sich zu erwehren.

Wägt man Nutzen und Schaden der Spechte gewissenhaft und vorurtheilsfrei mit einander ab, so kann die Entscheidung nicht zweifelhaft sein. Einzelne Spechte können uns selbstsüchtigen Menschen lästig werden, vielleicht auch unbedeutenden Schaden zufügen; das eine wie das andere aber steht in gar keinem Verhältnisse zu dem außerordentlichen Nutzen, welchen diese Vögel uns bringen. Wer glaubt, daß sie nur solche Kerfe verzehren, welche dem Walde nicht besonders schädlich werden, wird sich eines besseren belehren, wenn durch Ungunst der Verhältnisse der verderbliche Borkenkäfer übermäßig sich vermehrte und von allen Seiten her die Spechte zu dem heimgesuchten Walde strömen, um unter der verderblichen Brut aufzuräumen. Nicht die ungefährlichsten, sondern die schlimmsten Waldverderber sind es, denen die Spechte entgegentreten. Der Nutzen, welchen sie hierdurch unseren Waldungen leisten, läßt sich nicht berechnen, nicht einmal abschätzen. Aber der Nutzen der Spechte ist nicht blos ein unmittelbarer, ein solcher, welcher sich einfach durch die Worte »Vertilgung der schädlichen Forstkerfe« ausdrücken läßt, sondern wie bereits Gloger treffend hervorgehoben und Forstmeister Wiese wiederholt hat, auch ein mittelbarer; denn die Spechte sind bis jetzt die alleinigen Erbauer der Wohnungen unserer nützlichen Höhlenbrüter. Leider will man noch immer nicht einsehen, daß diesen Waldhütern Wohnungen gebaut oder wenigstens belassen werden müssen, daß ein alter hohler Baum, welcher ihnen geeignete Nistplätze bietet, ungleich höhere Zinsen trägt, wenn er im Walde stehen bleibt, als wenn er gefällt und zu Klaftern aufgeschichtet wird, und deshalb sollte man um so mehr bedacht sein, die Spechte gewähren zu lassen. Gloger meint, daß jeder »einzelne Specht für sich allein durchschnittlich schon im Verlaufe eines Jahres gewiß mindestens ein Dutzend, ja oft wohl mehr als doppelt so viele bestens eingerichtete Höhlen für andere Höhlenbrüter fertig liefere«, mithin ebenso viele Paare der letzteren versorge; denn es bleibe ohne Zweifel bei den Spechten »als geborenen Zimmerleuten der Vogelwelt noch der bei weitem unbedeutendere Theil ihres nützlichen Schaffens, daß jedes Paar von ihnen sich im Frühlinge stets eine ganz neue Bruthöhle anfertigt, um sie niemals wieder selbst zu benutzen.« Dies ist nun freilich nicht wahr; denn mein Vater sowohl als ich selbst und andere Beobachter haben gerade das Gegentheil erfahren; aber sehr richtig ist die weiterhin von Gloger aufgestellte Behauptung, daß die Spechte eine gewisse Neigung zeigen, sich auch während der Strichzeit überall, wo sie nicht bloß ganz kurze Zeit verweilen, eine Höhle zum Schlafen zurecht zu machen, und daß sie bei dieser Arbeit einen gewissen Eigensinn bekunden, indem sie nicht selten eine, auch wohl zwei bereits angefangene und halb fertig gearbeitete Höhlen wieder verlassen, welche den meisten anderen Höhlenbrütern schon ausgezeichnet brauchbar erscheinen, kurz, daß sie für das Wohl dieser nützlichen Geschöpfe nach besten Kräften sorgen. Und deshalb schließe ich mich mit vollster Ueberzeugung der in einer wenig gelesenen fachwissenschaftlichen Zeitschrift ausgesprochenen Bitte Wiese's an, die Spechte zu schonen und empfehle auch meinen Lesern sie ohne alle Ausnahme »die großen und die kleinen, die schwarzen, grünen und bunten als bewährte Freunde der Wälder. Die Spechte, wenn sie auch die schadhaften Stellen an den Bäumen aufdecken, schaden entschieden weniger, als sie im Haushalte der Forste unmittelbar wie mittelbar Nutzen stiften. Sie werden schon durch die Einrichtungen des Forstmannes genug beengt und beschränkt in ihrer Vermehrung; es bedarf dazu nicht mehr einer unmittelbaren Verfolgung durch Schießgewehr. Immer seltener werden in vielen Forsten die Bäume, welche sie regelmäßig und gern behufs Anlage von Höhlungen aufsuchen, und wohl dürfte es an der Zeit sein, zu ihrer Hegung einige von diesen anbrüchigen Bäumen recht absichtlich überzuhalten, damit Spechte und Höhlenbrüter sie benutzen. Ich bin der Ueberzeugung, daß dadurch ebensowenig dem Vortheile des Waldbesitzers, wie dem Rufe des Forstmannes irgend eine Beeinträchtigung erwachsen kann.« Also Schutz und freies Geleit, Hegung und Pflege diesen nützlichsten und wichtigsten aller unserer Waldhüter! Sie haben ohnehin der Feinde genug. Nicht allein Raubsäugethiere und Vögel stellen ihnen nach, sondern auch unverständige Menschen, insbesondere Bubenschützen aller Art, denen sie sich nur zu oft zur Zielscheibe bieten. Mancherlei Unglücksfälle suchen sie heim. Erst neuerdings schildert Altum »ein Spechtgrab«, welches einer großen Anzahl von ihnen verderblich geworden ist. In einer alten Buche fand sich nach dem Fällen ein etwa drei Meter langer und vierzig Centimeter breiter ausgefaulter Hohlraum in Gestalt eines umgekehrten Zuckerhutes, welcher durch zwei Löcher, eines in der unebenen Decke der Höhle und ein vom Spechte eingemeiseltes mit der Außenwelt in Verbindung stand. Durch ersteres Loch wurde nach jedem Regengusse der Hohlraum auf 2, 3 Meter unter Wasser gesetzt, und in ihm fanden viele von den Spechten und neben ihnen auch Staare, welche nachts hier Unterschlupf gesucht hatten ihr Grab. Der Forstaufseher Hochhäusler untersuchte die verrätherische Höhlung genauer und zählte hundertundfünf Schädel, welche noch nicht gänzlich in Verwesung übergegangen waren. Nach seiner Schätzung mußten alljährlich mindestens zwölf Grünspechte in dieser Buche ihr nasses Grab gefunden haben; jeder des Weges kommende Specht nahm hier, oft für immer, seine verhängnisvolle Herberge. Manch einer mag sich aus dem Wasser gerettet haben; die übrigen waren nicht im Stande gewesen, dem feindlichen Elemente zu entrinnen.


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