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17. Familie: Segler ( Cypselidae)

Die Segler ( Cypselidae) sind kleine, aber kräftig gebauete Vögel mit lang gestrecktem Leibe, und kurzem Halse und breitem, ziemlich flach gewölbtem Kopfe, welcher einen kleinen, äußerst kurzen schwachen, dreieckigen, das heißt hinten verbreiterten, an der Spitze aber zusammengedrückten, etwas bogenförmigen Schnabel trägt, dessen Kinnladen sich so tief spalten, daß der Rachen sehr weit geöffnet werden kann. Die Flügel sind schmal und wegen der gekrümmten Schwingen säbelförmig gebogen; der Handtheil trägt zehn Schwingen, von denen die erste die längste oder bei einigen Arten höchstens etwas gegen die zweite verkürzt ist; am Armtheile hingegen stehen nur sieben bis acht Schwingen, welche breit zugerundet und am Ende leicht ausgebuchtet, aber nicht spitzig sind wie die Handschwingen. Der Schwanz ist sehr verschieden gestaltet, bald länger, bald kürzer, bald seichter, bald tiefer ausgeschnitten, besteht aber immer nur aus zehn Federn. Die Füße sind kurz und verhältnismäßig kräftig, namentlich was den Lauftheil betrifft, die kurzen Zehen mit seitlich zusammengedrückten, stark gebogenen und sehr spitzigen Krallen bewehrt. Das Gefieder ist im allgemeinen kleinfederig und derb, ausnahmsweise durch metallisch glänzende Färbung ausgezeichnet, gewöhnlich einfarbig und düster.

Nach Nitzsch »ähneln die Segler, soweit sich nach Untersuchung des Mauerseglers beurtheilen läßt, den Schwalben wie in den äußeren Formen, so auch in einigen Verhältnissen des inneren Baues, als namentlich in der Form des Kopfgerüstes, besonders der Gaumenbeine, in der Kürze des Oberarmes und in der Länge der Hand. Im Besitze des Röhrenbeinchens, der Armpadelle, in der Beschaffenheit der Luftzellen des Rumpfes, der Leber und der doppelten Bauchspeicheldrüse stimmen sie ebenfalls mit denselben überein. Allein sie entfernen sich in vielen Punkten gar sehr von ihnen und in einigen von allen Vögeln«. Das Brustbein ist groß, länger als breit, nach hinten allmählich immer breiter werdend, ohne Spur einer häutigen Bucht oder Insel, am hinteren Rande mit hohem, großem Kiel. Die Vorderglieder sind durch die Kürze der Oberarmknochen und die Länge der Hand noch weit mehr ausgezeichnet als die der Schwalben, indem der Luft führende Oberarmknochen, welcher drei sonderbare, fast hakenförmige Fortsätze zeigt, nur die Länge des zweiten Gliedes, des Langfingers, hat und der Handtheil im ganzen Vordergliede überwiegt. »Außer den Kolibris dürfte keine Vogelfamilie eine so ungewöhnlich lange Hand und einen so ungemein kurzen Oberarm haben. Ganz einzig ist die Gliederung der Fußzehen; denn statt der gewöhnlichen Steigerung der Zahl der Zehenglieder, nach welcher der Daumen zwei, die innere Vorderzehe drei, die mittlere vier und die äußere fünf Glieder hat, ist die Zahl hier zwei, drei, drei, drei, indem die äußere Zehe um zwei Glieder, die mittlere um ein Glied sozusagen verkürzt ist. (Hierzu bemerkt Burmeister, daß dieses Zahlenverhältnis nur für die echten Segler Gültigkeit habe, während bei anderen Arten das gewöhnliche Zahlenverhältnis, drei, vier, fünf, sich zeige.) Der untere Kehlkopf hat nur ein schwaches Muskelpaar; die Zunge ist fast so platt und breit, auch vorn so zugespitzt, wie bei den Schwalben; der Schlund ist ohne Bauch oder Kropf, der Vormagen klein, der Magen schwachmuskelig, der Darmschlauch kurz und ohne Spur von Blinddärmen.« In besonderem Grade beachtenswerth sind die außerordentlich entwickelten Speicheldrüsen der Segler, welche sie befähigen, eigenthümliche Nester zu bauen. Nach Girtanners Untersuchungen liegen zu beiden Seiten des Zungenbandes zwei große, in der Schleimhaut der Mundhöhle eingebettete Speicheldrüsenanhäufungen. Sie erstrecken sich von der Spitze des Unterschnabels, den Unterkieferästen folgend, bis zur Stimmritze, und jede einzelne zerfällt an und für sich in mehrere Drüsenhaufen. Während der Brutzeit schwellen die Drüsen außerordentlich an und sondern dann in so reichlicher Menge Schleim ab, daß die Segler diesen verwenden können, um ihre Nester zusammenzuleimen.

Die Segler verbreiten sich über alle Erdtheile und bewohnen hier alle Gürtel der Breite, mit Ausnahme des kalten, sowie alle Höhen vom Meeresstrande an bis gegen die Schneegrenze hinauf. Sie finden sich ebensowohl in Waldungen wie in waldlosen Gegenden, vorzugsweise aber in Gebirgen und Städten, weil Felswände und Mauern ihnen die passendsten Nistplätze gewähren.

Mehr als andere Vögel bewohnen sie im eigentlichen Sinne des Wortes das Luftmeer. Vom frühen Morgen an bis in die Nacht hinein sind sie in Thätigkeit. Ihre Kraft scheint niemals zu ermatten und ihre Nachtruhe auf wenige Stunden beschränkt zu sein. Vortreffliche Flugwerkzeuge setzen sie in den Stand, ohne Beschwerde tagtäglich Strecken zu durcheilen, welche zusammengerechnet Hunderte von Kilometern betragen müssen. Abweichend von den Schwalben fliegen sie gewöhnlich in hohen Luftschichten dahin, und einzelne Arten wirbeln und schrauben sich zu solchen Höhen empor, daß sie unserem Auge vollständig entschwinden. Ihr Flug kennzeichnet sie von weitem. Die Flügel gleichen, wenn sie ausgebreitet sind, einem Halbmonde und werden so rasch und heftig bewegt, daß man mehr an das Schwirren der Kerbthiere und bezüglich des Kolibri erinnert wird als an den Flügelschlag anderer Vögel. Zuweilen regeln sie ihren Flug minutenlang nur durch verschiedenes Einstellen der Flugwerkzeuge, durch leichte Drehung der Flügel und des Schwanzes, welches wir kaum oder nicht wahrnehmen, jagen aber trotzdem pfeilschnell durch die Lüfte. Wendungen und Drehungen aller Art wissen auch sie meisterhaft auszuführen; an Zierlichkeit und Anmuth der Bewegung aber stehen sie hinter den Edelschwalben weit zurück. Auf dem Boden erscheinen sie als hülflose Geschöpfe: unfähig, zu gehen, unfähig fast, zu kriechen. Dagegen klettern sie, wenn auch nicht geschickt, so doch mit ziemlicher Fertigkeit an Mauer- oder Felswänden empor und in Höhlungen auf und nieder.

Ihre ewige Rastlosigkeit bedingt bedeutenden Verbrauch der Kraft und demgemäß ungewöhnlich reichen Ersatz. Die Segler sind bei weitem gefräßiger als die Schwalben und vertilgen von den Kerbthieren, welche ihre ausschließliche Nahrung ausmachen, hunderttausende an einem Tage; denn auch die stärksten Arten der Familie, welche einen etwa drosselgroßen Leib haben, nähren sich hauptsächlich von den kleinen Kerfen, welche in hoher Luft sich umhertreiben und uns wahrscheinlich größtentheils noch gänzlich unbekannt sind. Wie viele dieser winzigen Thiere ein Segler zu seiner täglichen Nahrung bedarf, vermögen wir nicht anzugeben; wohl aber können wir behaupten, daß die Nahrungsmasse eine sehr bedeutende sein muß, weil aus dem Betragen des Vogels zur Genüge hervorgeht, daß er jagt und frißt, so lange er fliegt.

Unter den Sinnen steht, wie das große wimperlose Auge vermuthen läßt, das Gesicht obenan; der nächstdem am besten entwickelte Sinn dürfte das Gehör sein; über die übrigen vermögen wir nichts zu sagen. Der Geist scheint wenig ausgebildet zu sein. Die Segler sind zwar gesellige, aber keineswegs friedfertige, im Gegentheile zanksüchtige und rauflustige Geschöpfe, welche nicht bloß mit ihresgleichen, sondern auch mit anderen Vögeln im Streite liegen. Als klug oder listig kann man sie nicht bezeichnen: ihr ganzes Wesen zeichnet sich vielmehr durch stürmische Heftigkeit aus, welche sogar die eigene Sicherheit rücksichtslos auf das Spiel setzen kann.

Alle Segler, welche den gemäßigten Gürtel der Erde bewohnen, sind Zugvögel, diejenigen, welche den Wendekreisländern angehören, mindestens Strichvögel. Der Zug geschieht, wenigstens bei einigen Arten, mit der größten Regelmäßigkeit. Sie erscheinen in ihrem Vaterlande fast mit dem einmal feststehenden Tage und verlassen es zu einer ebenso bestimmten Zeit wieder; die Frist, welche sie in der Heimat verweilen, ist aber nach den verschiedenen Arten sehr verschieden. Daß die innerafrikanischen Arten streichen, das heißt zeitweilig ihre Brutplätze verlassen und wieder zu ihnen zurückkehren, geht nach meinen eigenen Beobachtungen hervor; von den südasiatischen und südamerikanischen Arten ist dasselbe behauptet worden.

Bei den Zugvögeln der Familie beginnt der Bau des Nestes unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Heimat; denn der Aufenthalt hier währt so kurze Zeit, daß sie mit ihrem Fortpflanzungsgeschäfte vollauf zu thun haben. Unter lärmendem Geschrei verfolgen sich die erhitzten Männchen stundenlang, eilfertigen Fluges; wüthend kämpfen sie in hoher Luft unter einander, ingrimmig auch an den Nistplätzen, und rücksichtslos vertreiben sie andere Höhlenbrüter, falls ihnen deren Wohnung passend erscheinen sollte. Die Nester selbst zeichnen sich vor denen aller übrigen Vögel aus. Wenige Arten bauen zierliche, welche mehr oder minder denen der Schwalben ähneln; viele tragen sich bloß in einer Höhlung einen Haufen von Genist zusammen, welcher so unordentlich als möglich über einander geschichtet wird. Unter allen Umständen aber kennzeichnet sich das Nest der Segler dadurch, daß die Stoffe mit dem kleberigen, bald verhärtenden Speichel überzogen und gebunden werden. Bei einigen Gruppen besteht das Nest der Hauptsache nach aus nichts anderem als ebensolchem Speichel. Das Gelege enthält ein einziges oder wenige Eier von walzenförmiger Gestalt und lichter Färbung. Das Weibchen brütet allein; die Jungen werden von beiden Eltern aufgefüttert. Jedes Paar macht eine, höchstens zwei Bruten im Jahre.

Auch die Segler haben ihre Feinde; doch ist die Zahl derselben gering. Der überaus schnelle und gewandte Flug schützt sie vor vielen Nachstellungen; nur die allerschnellsten Falken sind im Stande, einen Segler im Fluge zu fangen. Die Jungen werden, so lange sie noch hülflos im Neste sitzen, durch die kleinen kletternden Räuber gefährdet, gewisse Arten ihrer Nester und ebenfalls der Jungen wegen auch von den Menschen heimgesucht.

Für die Gefangenschaft eignen sich die Segler nicht. Gleichwohl ist es möglich, wenn man sie jung aus dem Neste nimmt, auch diese Vögel groß zu ziehen. Alt eingefangene gewöhnen sich nicht an den Käfig, liegen hier entweder hülflos am Boden oder klettern rastlos an den Wänden umher, verschmähen Futter zu nehmen und gehen infolge ihres Ungestüms oder schließlich an Entkräftung zu Grunde. Jung dem Neste entnommene muß man anfänglich stopfen, um sie nach und nach dahin zu bringen, daß sie selbst fressen. Rechte Freude gewinnt man übrigens auch dann nicht an ihnen. Es ist unmöglich, ihnen einen Raum zu bieten, welcher groß genug wäre, ihnen den nöthigen Spielraum zur Entfaltung ihrer hervorragendsten Fähigkeiten zu gewähren, und hierin liegt der Grund, daß sie nur unbehülflich sich gebaren. Ihre Absonderlichkeit fesselt den Beobachter, ihr Wesen hat wenig ansprechendes.


Indien und seine Eilande, Australien und Afrika beherbergen eine wohl abgeschlossene Gruppe der Familie: die Baumsegler ( Dendrochelidon). Sie kennzeichnen sich durch ihren gestreckten Leib, ihren kleinen Schnabel, die sehr langen Schwingen, in denen die zwei ersten Federn ziemlich gleich lang sind, den langen, tief gegabelten Schwanz und ihre wie bei den Schwalben gebildeten Füße sowie endlich durch eine Kopfhaube. Das Knochengerüst bietet nicht minder bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten dar; ebenso zeichnet sie das Vorhandensein einer Gallenblase aus, welche den eigentlichen Seglern fehlt.

Eine Art dieser Sippe, nach ihrem und ihrer Verwandten Geschrei Klecho genannt ( Dendrochelidon longipennis, Hirundo, Cypselus, Macropteryx und Pallestre Klecho), ist achtzehn, ihr Fittig funfzehn, der Schwanz acht Centimeter lang. Die aus breiten Federn gebildete aufgerichtete Holle auf dem Vorderkopfe, Oberkopf, Mantel, Schultern und Flügeldeckfedern sind dunkel schwarzgrün mit schwach metallischem, die Enden der Flügeldeckfedern mit stahlblauem Schimmer, der Zügel und die Gegend unter dem Auge schwarz, Bürzel und obere Schwanzdecken hell schimmelgrau, Schwingen und Handdecken schwarz mit schwarzblauem, die hinteren Hand- und die Armschwingen mit stahlgrünem Scheine, die letzten Armschwingen schimmelgrau, die längsten Schulterdeckfedern weiß gefärbt. Ein kleiner dunkel rostrother Fleck ziert die Ohrgegend; Kinn, Kehle, Kropf, Hals und Körperseiten sind schimmelgrau, die übrigen Untertheile weiß, die unteren Flügeldecken schwarzgrün, die Steuerfedern, welche eine tiefe Gabel bilden, schwarz, an der Wurzel mit grünem, an der Spitze mit schwarzblauem Scheine. Das Auge ist tief braun, der Schnabel schwarz, der Fuß horngrau. Dem Weibchen fehlt der rostrothe Ohrfleck.

Das Verbreitungsgebiet der Art ersteckt sich über die großen Sundainseln, Java, Sumatra, Borneo, Bangka und die Halbinsel Malakka.

siehe Bildunterschrift

Klecho ( Dendrochelidon longipennis). 1/2 natürl. Größe.

Alle Baumsegler führen ein von ihren sämmtlichen Verwandten abweichendes Leben und zeichnen sich insbesondere auch durch ihr Brutgeschüft aus. Sie sind Bewohner der Dschungeln oder ähnlicher Walddickichte, hauptsächlich derer, welche in Ebenen liegen. Gern setzen sie sich auf Bäume; doch ist ihre Geschicklichkeit im Klettern gering. Eine indische Art findet man, nach Jerdon, zuweilen in sehr zahlreichen Schwärmen, gewöhnlich aber in kleinen Gesellschaften, entweder auf dürren und blätterlosen Bäumen sitzend und dann mit ihrer Kopfhaube spielend, oder jähen Fluges, am liebsten in der Nähe von Gewässern, auf- und niederfliegend und dabei ein lautes papageiähnliches Geschrei ohne Unterbrechung ausstoßend, so daß sie ihre Anwesenheit dem Kundigen verräth, noch ehe er sie zu Gesicht bekommt. Das Geschrei der indischen Art wird durch die Silben »Kia kia kia« wiedergegeben; sie vernimmt man aber nur, so lange der Vogel fliegt, wogegen er im Sitzen eine Art kurzen Gesang vernehmen läßt, welchen man durch die Silben »Tschiffel tschaffel klecho klecho« zu übertragen versucht hat.

Ueber das Brutgeschäft des Klecho, welchen die Malaien »Manuk-Pedang« oder »Schwertvogel« nennen, hat neuerdings Bernstein ausführlich berichtet. »Dieser Vogel«, sagt er, »bietet in seinem Nestbaue so höchst merkwürdige und eigenthümliche Verhältnisse dar, daß er in dieser Hinsicht bis jetzt wohl einzig dasteht. Ganz gegen die Gewohnheit anderer verwandten Arten, an Fels- oder Mauerwänden, in Spalten und Löchern etc. des Gesteins zu nisten, wählt er freistehende Aeste, hoch im Wipfel der Bäume, um sein Nest an dieselben anzubauen. Ist schon die Wahl eines solchen Ortes für einen zur Familie der Segler gehörigen Vogel merkwürdig, so ist das Verhältnis in der Größe zwischen Vogel, Nest und Ei noch viel auffallender. Das Nest erinnert durch seine mehr oder weniger halbrunde Gestalt und die Weise, wie die dasselbe zusammensetzenden Stoffe unter einander verbunden sind, einigermaßen an die Nester der Salangane, ist jedoch viel kleiner und flacher als diese. Die von mir gemessenen Nester waren bei einer Tiefe von zehn Millimeter nicht über dreißig bis vierzig Millimeter breit. Das Nest ist stets an einem wagerechten, etwa zwei Centimeter dicken Aste, welcher zugleich die hintere Nestwand bildet, befestigt und stellt so zur Seite desselben einen ziemlich flachen, länglich halbrunden Napf dar, eben groß genug, um das einzige Ei aufnehmen zu können. Die Nestwände sind äußerst dünn und zart, kaum dicker als Pergament. Sie bestehen aus Federn, einzelnen Stückchen Baumflechten und kleinen Rindentheilen, welche Stoffe durch ein kleberiges Bindemittel zusammengeleimt sind, ohne Zweifel, ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Thieres, zumal auch bei den Baumseglern die Speicheldrüsen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anschwellen. Die Kleinheit und Gebrechlichkeit des Nestes erlaubt dem brütenden Vogel nicht, sich auf dasselbe selbst zu setzen; er sitzt vielmehr, wie ich dieses wiederholt beobachtet habe, auf dem Aste und bedeckt allein mit dem Bauche das Nest und das in demselben befindliche Ei. Dieses entspricht, da es einen Längsdurchmesser von fünfundzwanzig und einen größten Querdurchmesser von neunzehn Millimeter hat, durchaus der Größe des Vogels. Es ist von regelmäßiger, vollkommen eirunder Gestalt, so daß es nicht möglich ist, ein spitzeres oder stumpferes Ende an demselben zu erkennen. Seine Farbe ist ein sehr blasses Meerblau, welche Farbe nach dem Ausblasen noch blasser wird, und dann weiß, schwach ins Bläuliche spielend, erscheint. Meinen Beobachtungen nach macht der Vogel jährlich zwei Bruten bald nach einander, die erste im Mai oder Juni, die zweite bald nach der ersten, bedient sich jedoch nur selten eines und desselben Nestes.

»Das offenbare Mißverhältnis der Größe zwischen Vogel, Nest und Ei machte mich begierig, das Junge zu beobachten, welches anscheinend wenige Tage nach dem Auskriechen aus dem Eie keinen Platz mehr in dem kleinen, gebrechlichen Neste finden konnte. Ich ließ daher ein Paar des Vogels ungestört sein Ei ausbrüten. So wie ich erwartet hatte, füllte das Junge schon nach wenigen Tagen das Nest vollkommen aus und fand bald keinen Platz mehr in demselben. Es verließ also das Nest und nahm dieselbe Stellung ein, die früher das brütende Weibchen eingenommen hatte, das heißt auf dem Aste, an dessen Seite das Nest befestigt war, und ruhte nur mit seinem Bauche in demselben. In diesem Zustande, hülflos auf dem Aste sitzend, würde das junge Geschöpf eine leichte Beute jedes Raubvogels, der Krähen etc., werden, wenn es sich nicht durch ein höchst eigentümliches Benehmen, welches einigermaßen an das der Rohrdommeln erinnert, den Augen dieser Räuber zu entziehen wüßte. Abgesehen nämlich davon, daß das Junge die einmal eingenommene Stelle auf dem Aste vor dem Neste nicht eher verläßt, als bis es völlig erwachsen ist, reckt es, sobald es etwas verdächtiges oder ihm fremdes bemerkt, instinktmäßig den Hals in die Höhe, sträubt die Federn, kauert sich nieder, so daß von den Füßen nichts zu sehen ist, und sitzt völlig unbeweglich, so daß man es, zumal auch sein dunkelgrün, weiß und braun gemarmeltes und geschecktes Gefieder mit der Farbe des meistens mit grünlichweißen Flechten bedeckten Astes übereinstimmt, leicht übersieht. Ja selbst als der Vogel erwachsen war und ich nun den Ast mit dem Neste abschneiden ließ, beobachtete er dasselbe Benehmen und saß, ohne das mindeste Lebenszeichen von sich zu geben, unbeweglich still, während doch andere Vögel mit hungrigem Geschrei die offenen Schnäbel jedem Besucher entgegenzustrecken pflegen.«


Die Segler im engsten Sinne ( Cypselus) zeigen das Gepräge der Familie und unterscheiden sich von ihren Verwandten dadurch, daß die erste Schwinge der zweiten gleich oder diese kaum über jene verlängert, der Schwanz seicht ausgeschnitten oder schwach gegabelt, der Fuß stämmig und auf der Vorderseite mit Federn bekleidet, hinten dagegen nackt ist.

In Europa leben zwei Arten dieser Sippe, welche beide auch in Deutschland vorkommen, die eine aller Orten, die andere in südlicheren Gebirgsgegenden. Letztere zählt zu den größten Arten der Familie und verdient aus diesem Grunde an erster Stelle erwähnt zu werden.

 

Der Alpen- oder Felsensegler, Berg- und Münsterspyr, Alpenhäkler, die Alpen-, Berg- und Gibraltarschwalbe, und wie er sonst noch genannt werden mag ( Cypselus melba, alpinus, gutturalis, gularis und Layardi, Hirundo melba und alpina, Apus und Micropus melba), erreicht eine Länge von 22, eine Breite von 55 bis 56 Centimeter; die Fittiglänge beträgt 20, die Schwanzlänge 8,5 Centimeter. Alle Obertheile, die Kopfseiten und unteren Schwanzdecken haben dunkel rauchbraune Färbung, die Federn äußerst feine, stahlbrännliche Endsäume. Ein ausgedehntes Kinn- und Kehlfeld sowie die Brust, Bauch- und Aftergegend sind weiß, so daß auf der Oberbrust nur ein braunes Band sichtbar wird, welches, beiderseits den Raum zwischen Schnabelwurzel und Schulter einnehmend, auf der Mitte der Brust merklich sich verschmälert. Die Schwingen sind dunkler braunschwarz als die Federn der Oberseite und durch deutlich erzgrünen Schimmer ausgezeichnet; ihre Unterseite wie die der Steuerfedern glänzt graubraun. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der nackte Fuß ebenso gefärbt.

Als den Brennpunkt des Verbreitungskreises dieses stattlichen Seglers haben wir das Mittelmeerbecken anzusehen. Von hier aus erstreckt sich das Wohngebiet einerseits bis zu den Küsten Portugals, den Pyrenäen und Alpen, andererseits bis zum Atlas und den Hochgebirgszügen Kleinasiens, buchtet sich aber nach Osten hin, dem Kaspischen Meere und Aralsee folgend, bis zum nördlichen Himalaya aus. Demgemäß bewohnt der Vogel alle geeigneten Gebirge Spaniens, insbesondere die der Mittelmeerküste, die Alpen an vielen Stellen, sämmtliche höheren Gebirge Italiens und aller Inseln des Mittelländischen Meeres, die geeigneten Bergzüge der Balkanhalbinsel, die transsylvanischen Alpen, steile Felsenwände der Krim, des südlichen Ural und der Gebirge Turkestans bis Kaschmir, einzelne Stellen Persiens, wohl den größten Theil Kleinasiens, Syriens und Palästinas und endlich den Atlas als Brutvogel, siedelt sich als solcher aber gelegentlich auch weit jenseit der Grenzen dieses ausgedehnten Gebietes an: so, nach Heuglins Beobachtungen, in den Hochgebirgen von Habesch, namentlich in den unzugänglichsten senkrechten Basaltwänden von Tenta in Woro Heimano, ebenso, laut Jerdon, hier und da in Ostindien an Felsenwänden, welche seinen Anforderungen entsprechen. Auf keiner der genannten Oertlichkeiten aber ist der Alpensegler Standvogel, im Norden seines Gebietes vielmehr regelmäßiger Zug-, in den übrigen vielleicht Wander-, mindestens Strichvogel.

siehe Bildunterschrift

Alpensegler ( Cypselus melba) und Mauersegler ( Cypselus apus). ½ natürl. Größe.

Er erscheint weit früher als sein Verwandter, der Mauersegler, an der Südküste des Mittelländischen Meeres, laut Tristram bereits um die Mitte des Februar in Syrien, nach Krüpers Beobachtungen zu Ende des März in Griechenland, nicht viel später auch in der Schweiz. Der Zeitpunkt seines Kommens schwankt hier nach den jeweiligen Witterungsverhältnissen zwischen Ende März und Mitte April. Nach den von Girtanner mitgetheilten Beobachtungen des sehr zuverlässigen und verständnisvollen Reinhard, Oberwächters auf dem Münsterthurme zu Bern, zeigen sich im Frühjahre zwei bis drei Stück, welche mit gellendem Geschrei ihre alte Heimat umkreisen, um sofort mit der Ueberzeugung, daß dieselbe noch vorhanden und von stundan zu beziehen sei, wieder zu verschwinden, bald nachher schon in größerer Gesellschaft zurückkehren, bis nach Verlauf von etwa acht Tagen der ganze im Frühjahre auf einhundertundfunfzig Stück zu veranschlagende Schwarm eingerückt ist. Wenn aber, was nicht gerade selten, nach ihrer Rückkehr noch herber und einige Tage lang dauernder Frost oder gar Schneefall eintritt, gehen ihrer viele zu Grunde. So berichtet Reinhard, daß er im Jahre 1860, gegen Ende April, nach einem heftigen Schneegestöber dreiundzwanzig todte Alpensegler von den Gallerien und Balkengerüsten des Berner Münsterthurmes habe aufnehmen können, erklärlicherweise aber nicht im Stande sei, weder die Anzahl jener, welche in unzugänglichen Winkeln verhungert und erfroren, noch derer, welche entfernt vom Münster aus der Lust herabgefallen und umgekommen seien, anzugeben. Vor mehreren Jahren fand auch Girtanner auf dem Rosenberge bei St. Gallen im Anfange des Sommers einen sehr ermatteten und äußerst abgemagerten Alpensegler auf der Erde liegen, welcher wahrscheinlich diesen Ausfall auf Nahrung von den mit neuem Schnee bedeckten Appenzeller Alpen aus unternommen hatte. Ebenso wie im Frühjahre richtet sich im Herbste der Abzug nach dem Süden nach den Witterungs- und Nahrungsverhältnissen, schwankt daher zwischen Mitte September und Anfang Oktober. Das Berner Münster wurde im Jahre 1866 Anfang Oktober, im Jahre 1867 am siebenten Oktober verlassen. Dagegen waren die Vögel im Jahre 1867 am zwölften Oktober noch vorhanden, obwohl sie durch Kälte und Schneegestöber so viel zu leiden gehabt hatten, daß auch um diese Zeit wieder mehrere von ihnen verhungert vorgefunden wurden. In einem an Girtanner gerichteten, mir freundlichst überlassenen Briefe vom dreizehnten Oktober 1869 zeigt Reinhard den Abzug mit folgenden Worten an: »Die Alpensegler haben am siebenten dieses Monats morgens um sieben Uhr die Reise nach Afrika angetreten. Einige Tage, bevor sie abzogen, sind sie alle Morgen ungefähr um dieselbe Stunde von dem Thurme weggeflogen, in der Höhe, wo sie sich gesammelt, in einem Kreise umhergezogen und so hoch emporgestiegen, daß sie nur mit dem Fernrohre zu sehen waren, abends bei Sonnenuntergang aber wiedergekommen, um zu schlafen und auszuruhen. In dieser Zeit waren sie bei Nacht immer ruhig und still, was früher nicht der Fall war, wahrscheinlich infolge ihrer großen Ermüdung nach dem langen Fluge. Andere Jahre hat man noch nach dem Abzuge einige gesehen, welche mehrere Tage um den Thurm herumgeflogen sind. Dieses Jahr ist es ganz anders gewesen. Seit dem siebenten Oktober sind sie alle verschwunden, und kein einziger hat sich mehr sehen lassen.«

Gelegentlich seines Zuges überschreitet der Alpensegler nicht allzu selten die nördlichen Grenzen seines Verbreitungsgebietes und ist demgemäß wiederholt im Norden Deutschlands und ebenso in Dänemark und auf den Britischen Inseln beobachtet worden. So wurde er am achten Juni 1791 von Bechstein auf dem Thüringer Walde gesehen, am zweiundzwanzigsten März 1841 von dem Oberlehrer Bromirski auf dem Thurme von Wittstock ergriffen, am fünfzehnten September 1849 in der Nähe der Stadt Koburg herabgeschossen, ein anderes Mal auch bei Zella St. Blasii den Fängen eines erlegten Wanderfalkens entrissen. Noch ein anderer Alpensegler, welcher in Mecklenburg erlegt wurde, befand sich früher, wie mir Eugen von Homeyer mittheilt, im Museum zu Rostock, ist jedoch durch die Motten zerstört worden. Borggreve bezweifelt ohne allen Grund sein Vorkommen an den genannten Orten und scheint nur einen Fall gelten lassen zu wollen, hat aber unzweifelhaft die betreffenden Stellen nicht nachgeschlagen. Die Angabe Bechsteins namentlich ist so bestimmt, daß man folgenden Worten des trefflichen Beobachters wohl Glauben schenken muß: »Die drei Vögel flogen so nahe und so lange um mich herum, daß ich deutlich genug ihre Größe und Farbe unterscheiden und sie daher nicht mit der Mauerschwalbe verwechseln konnte. Schade, daß ich keine Flinte hatte. Ihre Stimme war ein helles, reines, flötendes ›Scri Scri‹. Ich habe sie in der Folge nicht wieder gesehen«. Nicht minder bestimmt sind die übrigen Angaben, und nur die von Gloger herrührende Mittheilung, daß der Alpensegler auch im Riesengebirge vorkomme, scheint auf einer Verwechselung mit dem dort, nach eigenen Beobachtungen, in Felsenspalten nistenden Mauersegler zu beruhen. Auch auf Helgoland hat man den Alpensegler erlegt, und wahrscheinlich durchfliegt er unbeachtet viel häufiger unser Vaterland, als die Vogelkundigen annehmen mögen. Noch ungleich weiter als nach Norden hin führt ihn seine Winterwanderung. Wie sein Verwandter durchreist er buchstäblich ganz Afrika, trifft regelmäßig im Süden und Südwesten, am Vorgebirge der Guten Hoffnung wie im Namakalande ein und treibt sich über dem Tafelberge ebenso munter umher wie über den höchsten Zacken des Säntisgebirges. Ebenso sah Jerdon an den prachtvollen Felsenabstürzen bei den Fällen von Gairsoppa in ungefähr dreihundert Meter senkrechter Höhe über der Thalsohle tausende von Alpenseglern, welche, wie er sich ausdrückt, den Süden Indiens rastlos durchkreisend allabendlich hier sich versammeln.

»Niemand«, sagt Bolle, »wird den Bewohnern Capris den uralten Glauben nehmen, welcher die Felsensegler anstatt wie andere Vögel übers Meer zu ziehen, in den Klüften der Insel selbst überwintern läßt. Diese guten Leute sind in der Thierkunde so stark wie Aristoteles. Warum, fragen sie pfiffig, fangen denn die Segler des Tages über so viele Fliegen, welche sie in ihre Löcher tragen, auch ohne Junge darin zu haben?« Dieselbe Ansicht hegen auch die Bewohner des Montserrat, welche den Alpensegler unter dem Namen »Falsia blanca« von dem Mauersegler, ihrer »Falsia negra«, sehr wohl unterscheiden. Sie behaupten, daß jener während des ganzen Winters an den Felsenwänden des Montserrat sich aufhalte, wogegen dieser regelmäßig wandere. Die Abreise wie die Ankunft des Mauerseglers gaben sie nur so genau an, daß ihre Angabe hinsichtlich des Alpenseglers mindestens Beachtung verdient. Unmöglich ist es nicht, daß der Alpensegler wirklich in Spanien überwintert: thut dies doch bestimmt die Felsenschwalbe ( Cotyle rupestris), welche mit ihm oft denselben Aufenthalt theilt, und beobachtete ich doch, wie ich weiter unten nochmals zu erwähnen haben werde, den Mauersegler im Süden des Landes noch im November. Falls die Angabe begründet sein sollte, handelt es sich vielleicht gar nicht um dieselben Alpensegler, welche an den Wänden des Montserrat ihre Jungen groß zogen, sondern um andere, welche vom winterlichen Norden her in jener Herberge einrückten, während die Sommerbewohner, gleichsam ihnen Platz machend, weiter nach Süden zogen und Afrika durchwanderten.

Wir haben Recht, unseren Vogel Alpensegler zu nennen, obgleich er in unseren Alpen nirgends in solcher Masse auftritt wie im Süden. Hier erst sammelt er sich an einzelnen Stellen zu staunenerregenden Scharen. In den Alpen begegnet man ihm überall weit spärlicher. Girtanner zählt eine Reihe von Brutplätzen auf, zu denen er regelmäßig zurückkehrt. Alle Hochgebirgszüge der Schweiz beherbergen nach seiner Angabe einzelne Siedelungen; am häufigsten aber tritt der Vogel auch hier im Süden der Alpen, insbesondere in Wallis auf. Bekannte Nistplätze liegen im Oberhasli, Gemmi, Pletschberg und in den Felsen des Entlibuchs, an den riesigen Wänden des Urbachthales im Kanton Bern und manchen Felseneinöden des Heremancethales. Seltener als in der West- und Mittelschweiz findet man solche in der Ostschweiz; doch besitzt deren auch Graubünden und das Appenzeller Gebirge. Mehr nach Osten hin wird der Vogel immer seltener. In Tirol und in Kärnten nistet er nur an wenigen Stellen, im Bairischen Hochgebirge meines Wissens nirgends mehr, und so fragt es sich sehr, ob eine Angabe, daß er auch schon in Deutschland brütend gefunden worden sei, auf Wahrheit beruht. Aber abgesehen von seinen Felswänden, unter denen er wiederum die unmittelbar oder nahe am Meere liegenden allen übrigen bevorzugt, siedelt er sich auch auf verschiedenen hohen Gebäuden an und kehrt, wenn er hier einmal Besitz genommen, mit der allen Seglern eigenen Zähigkeit alljährlich dahin zurück. Solche Brutansiedelungen sind, um nur einige zu nennen, die Kirchen zu Bern, Freiburg und Burgdorf, ebenso wie die Thürme Portugals, namentlich der Provinz Algarve, die Moscheen Konstantinopels und einzelne hervorragende, auf Höhen gelegene Klöster der Krim.

Obwohl das Thun und Treiben, das Wesen und Gebaren des Alpenseglers im wesentlichen mit den Sitten und Gewohnheiten unseres allbekannten Mauerseglers übereinstimmen, gestaltet sich doch das Lebensbild des ersteren in mannigfacher Hinsicht anders als jenes des wohl jedem meiner Leser bekannten Bewohners unserer Städte. Ueber seine Lebensweise liegen vielfache Berichte vor, und namentlich die neueste Zeit hat durch Beobachtungen deutscher, englischer und italienischer Forscher unsere Kenntnis des Vogels wesentlich bereichert: alles aber, was über den Alpensegler gesagt werden kann, ist in zwei köstlichen Schilderungen enthalten, welche wir Bolle und Girtanner verdanken. Sie sind es daher auch, welche ich dem nachfolgenden zu Grunde lege.

»Bald nach seiner Ankunft auf den alten Brutplätzen«, sagt der letztgenannte, durch seine trefflichen Beobachtungen hervorragende Forscher, »beginnt der Bau neuer und die Ausbesserung alter Nester. Die Neststoffe sammeln die Alpensegler, da sie wegen der Schwierigkeit, sich vom Erdboden wieder zu erheben, denselben wohl nie freiwillig betreten, in der Luft. Sie bestehen aus Heu, Stroh, Laub etc., Gegenständen, welche der Wind in die Lüfte entführt, und welche sie nun fliegend erhaschen. Andere gewinnen sie, indem sie, reißend schnell über einer Wasserfläche oder dem Erdboden dahinschießend, dieselben von ihm wegnehmen, oder sie klammern sich an Gemäuer an und lesen sie dort auf. Den Mörtel, welcher alle diese Stoffe zu einem Neste verbinden soll, müssen sie nicht wie ihre Verwandten, die Schwalben, vom Boden aufheben; sie tragen ihn vielmehr beständig bei sich: die Absonderung ihrer großen Speicheldrüsen nämlich, eine zähe, halb flüssige Masse, ähnlich einer gesättigten Gummilösung. Trotz vielfacher Bemühungen, ein dem Gebirge entnommenes Nest zu erhalten, gelang mir dies nicht. Was ich über Nest und Nestbau weiß, bezieht sich auf die Vergleichung von sechs aus dem Berner Münsterthurme stammenden Nestern der Sammlung Dr. Stölkers. Vor allem fällt die zum Verhältnisse des Vogels außerordentliche Kleinheit auf. Das Nest stellt im allgemeinen eine runde, wenig ausgehöhlte Schale dar, von zehn bis zwölf Centimeter Durchmesser am oberen Rande, vier bis sechs Centimeter Höhe und, übereinstimmend an allen sechs Nestern, drei Centimeter Muldentiefe. Ist, wie es scheint, ein so kleines Nest unserem Vogel passend, so durfte es auch keine tiefe Mulde haben, da er sonst mit seinen kurzen Füßen und so verlängerten Flügeln in Zwiespalt kommen mußte. Bei dieser geringen Tiefe der Mulde ist es nun aber trotz der langen Flügel möglich, mit den Füßen den Boden des Nestes zu erreichen. Sitzen beide Eltern oder eine Brut selbst sehr junger Vögel im Neste, so verschwindet es vollständig unter ihnen. Für den kleinen Körper allein bedarf der Alpensegler keines großen Nestes, und gegen das Herausfallen schützt sich alt und jung vermittels der tief in den Netzfilz eingegrabenen scharfen Nägel. Die sorgfältige Zerlegung eines solchen Nestes in seine einzelnen Bestandtheile ergibt, daß der Aufbau in folgender Weise geschieht. Auf die gewählte Niststelle, sei dieselbe nun ein Balken, eine Mauernische oder Felsenspalte, werden Stroh und dürre Grashalme, Laubtheilchen etc., theils in Kreisform, theils kreuz und quer, hingelegt, nachdem die Unterlage mit Speichel gehörig bestrichen und durch den Kitt so fest mit demselben verbunden worden ist, daß beim Wegnehmen eines ganzen Nestes nicht selten Späne eines morschen Balkens mitgenommen werden müssen. Dichter und aus starken Halmen geflochten wird nur der untere Nestrand, welcher sich dem gegebenen Raumverhältnisse anpaßt und die Vögel oft die ursprünglich runde Form zu verlassen zwingt, und auch dieser Theil mit der Unterlage verkittet. Auf dem Unterbau wird das Nest weiter errichtet. Stößt es seitlich an, so wird es auch dort angeleimt und besteht bei den vor mir liegenden Nestern fast ausschließlich aus einem äußerst dichten Filze von Gras, Knospenhüllen und Alpenseglerfedern. Papierschnitzel, Wurzelfasern und dergleichen werden äußerst selten angewendet. Sehr fest wird der obere Rand aus feinen, stark ineinander verfilzten Grashalmen und Federn, womöglich kreisrund, im Nothfalle aber halbrund oder eckig geflochten. Auch die innere Oberfläche erhält keine weitere Auskleidung. Wo sich die Niststoffe nicht ordentlich ineinander fügen wollen, wird immer gekittet und eine starke Alpenseglerfeder geknickt und gebogen. Der Speichel wird hauptsächlich angewendet bei Befestigung des Nestes auf die Unterlage, dem oberen Rande und dem Unterbaue und zu gänzlichem Ueberziehen des inneren Muldenrandes. Der obere Nestrand wird dadurch gleichzeitig gekittet und gehärtet, sowie übrigens das ganze Nest durch diesen an der Luft sehr bald hart und glänzend werdenden Leim an Derbheit sehr gewinnt. Bei einem der Nester ist in den Unterbau ein junger Alpensegler mit Ausnahme eines Flügels vollständig eingebaut worden. Daraus, daß er im untersten Theile des Nestes als Baustoff benutzt wurde, läßt sich schließen, daß es ein junger aus einem früheren Jahrgange war, welcher, aus einem Neste herausgefallen, an dieser Stelle zu Grunde ging, dort ein- und antrocknete und deshalb von den später gerade hier ihr Nest bauen wollenden Vögeln nicht entfernt werden konnte. Die Einbauung des Leichnams ist so vollkommen, daß selbst der weit offen stehende Rachen mit Heu und dergleichen vollgestopft wurde. Auf eine andere Eigenthümlichkeit, welche auch an einem dieser Nester zu beobachten ist, macht Fatio aufmerksam, daß nämlich der bauende Alpensegler offenbar häufig die Gelege der in seiner Nachbarschaft brütenden Sperlinge zur Vollendung seines eigenen Nestes mitbenutzt. Das betreffende Nest ist außen nicht selten stellenweise mit einem gelben Ueberzuge versehen, welcher nur von jenen Eiern herrühren kann. Zum Ueberflusse kleben oft noch große Stücke von Sperlingseierschalen an den Wänden des eben fertig gewordenen Seglernestes.« Ich will hier einmal vorgreifen und bemerken, daß der Mauersegler genau ebenso rücksichtslos mit der Brut anderer Vögel umgeht, glaube daher, daß der Alpensegler nicht anders verfährt als er, nämlich ein vom Sperlinge bereits gebautes und belegtes Nest einfach in Beschlag nimmt, nur mit dem ihm beliebten Baustoffe überdeckt und bei der Verkittung derselben die Eier zerbricht, nicht aber sie aus einem benachbarten Neste herbeiträgt.

Gewöhnlich Anfang Juni, oft schon bevor das Nest halb vollendet wurde, beginnt das Eierlegen, und zwar folgt eines dem anderen in je zwei Tagen, bis das Gelege mit drei bis vier Eiern vollzählig wurde. Das Ei ist, laut Girtanner, immer milchweiß, glanzlos wie ein Gipsmodell und auch so anzufühlen, das Korn mittelfein. Gegen das breite Ende des Eies und auf demselben zeigen sich gröbere, kalkige Auflagerungen, und ebenso sind ziemlich zahlreiche Poren überall sichtbar. Die Form wechselt von der lang gestreckten, allmählich spitz zulaufenden des Eies bis zum fast vollständigen eirund. Der Längendurchmesser von zehn Eiern, welche Girtanner aus einer Reihe von vierzig Stück auswählte und maß, schwankt zwischen neunundzwanzig und dreiunddreißig, der Breitendurchmesser zwischen neunzehn und zweiundzwanzig Millimeter. Jedoch ist meist nur der eine Durchmesser auf Kosten des anderen größer und der Inhalt wie das Gewicht des Eies daher fast immer gleich. Wie der Verwandte, so brütet auch der Alpensegler nur einmal im Jahre.

Wohl kein einziger Beobachter, welcher den Alpensegler im Freien sieht, vermag sich des tiefen Eindruckes zu erwehren, welchen der Vogel auf jedes unbefangene Gemüth ausüben muß. Erhöht wird der Eindruck noch wesentlich durch die Großartigkeit der Umgebung, die erhabene Landschaft des Wohngebietes dieses stolzen und gewaltigen Fliegers. Anziehend und fesselnd wie immer schildert Bolle sein Zusammentreffen mit dem Alpensegler. Er befand sich auf Ischia, und es war am achten Juni nachmittags. »›Tritetirrrrrrr‹ erklang es in der Sommerluft über mir. Spielend jagte sich ein Pärchen durch den hohen Aether. Wie konnte ich den Vogel verkennen! Vaterland, Größe und die blendendweiße Unterseite verriethen ihn mir augenblicklich. Bald gewahrte ich, ohne meinen Dünensitz zu verändern, ihrer mehrere. In außerordentlicher Menge bewohnen sie den hohen Felsberg, welcher inselartig, obwohl mit dem Festlande durch einen Damm verbunden, das Kastell der Stadt Ischia auf seinem Scheitel trägt. Sie mögen aber wohl alle Vorgebirge der Insel in Beschlag genommen haben. Die Punta del Imperatore, welche die Westklippe der Insel bildet, ist ein wundervoller Ort mit seinen schaumspritzenden Brandungen, hoch über dem purpurblauen Meere voller Lavatrümmer, weit hinausschauend bis gegen das Vorgebirge der Circe und die Ponzainseln. Von der Höhe dieser Punta del Imperatore aus sieht man, ein prachtvoller Anblick, die Alpenseglerflüge scheinbar ganz niedrig über der See kreisend. Sich abhebend von dem Dunkelblau der Fluten, erscheinen sie dem Auge silberweiß; ich weiß nicht, ob durch irgend eine optische Täuschung erzeugt, durch eigenthümliche Brechung der Lichtstrahlen auf ihrem doch nicht metallischen Gefieder, oder weil sie schiefen Fluges den hellfarbigen Unterkörper etwas nach oben wenden. Aber auch auf Capri habe ich sie wiedergefunden, die Segler der Lüfte, und als alte Freunde begrüßt. In manch einsamer Stunde sind sie dort meine alleinige Gesellschaft gewesen. Ueberall, wo man an den schwindelnden Rand der Felsenriesen tritt und unten im Boote an ihrem vom Meere umspülten Fuße entlang fährt, sieht man sich von den lauten Schwärmen dieser Vögel umringt. Eine Siedelung derselben reiht sich an die andere wie ein ununterbrochener, das Eiland umschlingender Gürtel. Oft habe ich auf der Ostklippe, welche durch die Trümmer ihres Kaiserpalastes das Andenken an die düstere und einsiedlerische Imperatorengestalt des Tiberius in die Gegenwart hinüberträgt, stundenlang gesessen. Wenn so das Auge zurückkehrte aus den lichten Fernen der gegenüber sich ausbreitenden Landschaftsbilder, vom Vesuv und von Somma, vom Vorgebirge der Minerva oder jenseit der Sirenen, von dem verschwindenden Horizonte des Salernobusens, und ich, über die Böschung gelehnt, voll wollüstigen Schauderns den Grund der ungeheueren Tiefe mit den Augen suchte, ohne ihn anders als in dem Schimmern der Meeresfläche zu finden, über welche wohl wie ein Punkt auf himmelblau gemarmeltem Grunde ganz langsam eine Möve hinglitt: da waren es unwandelbar die Felsensegler, welche das Luftmeer unter mir belebten. Unter der fast vierhundert Meter hohen Klippe Salto di Tiberio schienen sie mir des Gesetzes der Schwere zu spotten.«

Auch ich habe die Alpensegler einmal in einer so großartigen Landschaft gesehen, wie sie solche nur irgendwo bewohnen können: auf dem Gipfel des Montserrat in Katalonien. Bis zu etwa anderthalbtausend Meter über das ihn umgebende Land erhebt sich dieser einzeln stehende Berg. Tausende von Felskegeln der eigenthümlichsten Art setzen ihn zusammen, bauen sich übereinander und ragen endlich wie gewaltige Obelisken nebeneinander empor. Tiefe Schluchten, welche furchtbare Abgründe bilden, senken dazwischen sich ein. Ueber ein weites reiches Land schweift das Auge, bis die Seele trunken wird im Schauen. Von Norden her glänzen die schneeigen Gipfel der Pyrenäen herüber, flimmernd und schimmernd in glühender Beleuchtung; nach Osten hin schweift der Blick über das tiefblaue Mittelmeer, aus welchem in weiter Ferne, vom leichten Dufte halb verhüllt, die Balearen aufsteigen; nach den übrigen Seiten hin haftet das suchende Auge an zerrissenen Bergen und Gebirgsketten ohne Zahl. An einem der gewaltigen Obelisken hat der Alpensegler eine Siedelung gegründet und auch dem verwandten Mauersegler gestattet, an derselben Felswand sich einzunisten. Kein einziger unserer kleinen vogelsammelnden und beobachtenden Gesellschaft konnte dem Gelüste widerstehen, auf die Alpensegler zu jagen, welche das »Roß des heiligen Ferdinand«, wie der erwähnte säulenartige Felsblock im Munde des Volkes genannt wird, zu tausenden umschwirrten. Ihre Nester befinden sich in einer mächtigen Felsenburg hoch über dem Fuße der senkrecht abfallenden Wand. Ich betrat das durch eine schmale Felsenzunge mit dem übrigen Berge zusammenhängende, wie eine Insel aus dem Meere oder wie der Eckthurm einer Riesenfeste aufstrebende Felsstück, um auf die flüchtigen Segler zu fahnden, und schaute in den ungeheueren Abgrund hinab, welcher sich zu meinen Füßen öffnete und erst in dem felsigen, vom Llobregat rauschend durchtobten Flußthale sein Ende zu finden schien. Auf der anderen Seite meines schmalen Standortes wagte ich, der ich nie Schwindel gekannt habe, nicht hinabzusehen. Mir grauste. Ein herabgeworfener Stein brauchte lange Zeit, ehe er wieder auf Felsen fiel; der Schall des durch den Aufprall bewirkten Geräusches drang erst neun Sekunden nach dem Wurfe des Steines zu uns hinauf. Viele, viele Alpensegler in förmlichen Reihen hinter einander durchflogen den engen Paß, welcher sich zwischen dem einzelnen Felskegel und den übrigen Gebirgsmassen einsenkte und die alleinige Stelle war, welche uns erlegte Beute auch bewahrt haben würde. Aber es gelang mir nicht, einen einzigen der Vögel herabzuschießen: die ungeheuere Ausdehnung der mich umgebenden Massen raubte den sicheren Blick des Schützen, indem sie mir jedes Maß zur Vergleichung nahm. Nach einigen vergeblichen Versuchen setzte ich mich nieder, legte das Gewehr aus den Boden und begnügte mich, den herrlichen Vögeln mit den Augen zu folgen, bis längst überwundene Flugessehnsucht wieder einmal über mich kam und des Dichters Worte mir über die Lippen flossen:

»Ach, zu des Geistes Flügeln wird so leicht
Kein körperlicher Flügel sich gesellen.«

Weit hinaus aufs Meer wagen sich außer der Zugzeit die Felsensegler nicht. Bolle versichert, mehrmals zu Schiff an der großen Felsenhalbinsel des Monte Argentaro im südlichen Toscana vorübergekommen zu sein, ohne sie, welche dort sehr häufig sind, das Fahrzeug umkreisen zu sehen. »Und dennoch verdient der Vogel den Namen ›Rondone Marino‹, zu deutsch ›Meersegler‹, welchen er in Toscana trägt, weil er felsige Meeresufer jedem anderen Aufenthalte vorzieht und in Italien niemals zum Stadtebewohner wird wie in der Schweiz oder in Portugal. Häufig sieht man ihn in Italien in ganz niedrig gelegene Grotten schlüpfen und durch Schaum und Gischt der Wellen seinen Flug nehmen.

»Sieht man die Vögel hoch über sich schweben, so hat ihr Flug etwas entschieden Falkenartiges. Lange segeln sie, ohne einen Flügelschlag zu thun. Dann folgen ein paar hastige, unterbrochen von plötzlichem geraden und schiefen Herabstürzen aus der Höhe. Oefters sondert sich aus einer Gesellschaft, welche sich überhaupt abwechselnd zerstreut und zusammenfindet, ein Pärchen ab, um spielend in die Luft emporzusteigen. Bis in die tiefe Abenddämmerung hinein sind sie in Bewegung, wechseln dann jedoch den Platz und die Beschäftigung. Ueber allen Massarien, den sehr mannigfaltig und reizend gemischten, bebauten Strecken des der Küste nicht zu fern gelegenen Landes, namentlich in den Wein- und Obstgärten, sieht man sie jetzt ruhigen, schwimmenden Fluges und niedrig wie Schwalben hingleiten, jeden Vogel für sich, lautlos, nicht mehr tändelnd mit seinesgleichen, sondern eifrig mit dem Aufsuchen von Kerbthiernahrung beschäftigt. Um Sonnenuntergang sind sie bereits vollständig dieser Thätigkeit anheimgegeben, welche auf eine besondere Vorliebe für nächtliche Kerfe hindeutet. Wie ganz anders doch der Mauersegler, welcher gerade um diese Stunde truppweise am lautesten lärmt. Wäre nicht die Größe und wären nicht die langen spitzigen Flügel nebst der dunkleren Oberbrust, man könnte den Felsensegler dann der leicht und deutlich sichtbaren Unterseite halber für eine Hausschwalbe ansehen. Er gaukelt förmlich durch die Luft. Man gewahrt, wie er inne hält, um nach einer Beute zu schnappen; manchmal rüttelt er auch. Wie unedel erscheint doch neben dem Vogel die ihm zur Seite flatternde kleine Fledermaus, welche hier und in den Straßen Neapels so häufig ist und nachmittags oft schon bei hellem Tageslichte fliegt.«

In demselben Grade wie der Alpensegler das Luftmeer beherrscht, zeigt er sich unbehülflich, wenn er durch Zufall auf flachen Boden fiel. Girtanner hat über das viel besprochene Unvermögen dieses Seglers, vom Erdboden aus zum Fluge sich zu erheben, Versuche angestellt, aus denen folgendes hervorgeht. In einem großen Zimmer möglichst nahe an die Decke desselben gebracht, ließen sie sich fallen, breiteten dann schnell die Flügel aus und kamen in einem gegen den Boden gewölbten Bogen diesem nahe, erhoben sich nun allmählich wieder und waren im Stande, einige Kreise zu beschreiben, hängten sich jedoch bald irgendwo an, da ihnen zu größeren Flugübungen der Raum zu mangeln schien. Der gleiche Versuch in einem kleinen Zimmer ausgeführt hatte zur Folge, daß sie die entgegengesetzte Zimmerwand berührten, ehe sie sich wieder erhoben hatten, anstießen und immer zu Boden fielen. Von diesem aus waren sie nie im Stande, frei sich zu erheben. Denselben mit den ausgebreiteten Flügeln peitschend, die Füße an den Körper angezogen, stoben sie dahin, bis sie die Wand erreichten. Hier, selbst an einer rauhen Mauer, hinaufzuklettern, vermochten sie nicht. »Es besteht wohl kein Zweifel«, meint Girtanner, »daß sie, wenn sie in der Freiheit auf die Erde gelangten, dieselben Bewegungen ausführen. War der Vogel so glücklich, auf ein Hausdach oder die Oberfläche eines Felsens zu fallen, so hilft er sich auf die genannte Weise bis an den Rand, über welchen er sich, um freien Flug zu gewinnen, einfach hinabstürzt. Auf weiter Fläche aber, deren Ende er flatternd nicht zu erreichen vermag, oder in einem von senkrechten Wänden umgebenen Raume ist er unfehlbar dem Tode Preis gegeben. Es wird indessen versichert, daß ihm, wie auch einem hülflos auf der Erde liegenden Mauersegler, durch seinesgleichen in der Weise aus der Noth geholfen werde, daß andere seiner Art pfeilschnell an dem verunglückten hinschießen, diesen nicht selten vom Boden aufzureißen und wieder in Flug zu bringen vermögen. Ich bezweifle die Möglichkeit einer solchen Hülfeleistung nicht, um so weniger, als ich mich mit Vergnügen einer mit stark beschnittenen Flügeln frei umhergehenden Dohle erinnere, auf welche eine Gesellschaft in der Abreise begriffener wilder auf das Geschrei der gestutzten herbeieilte und sie vor meinen Augen mit großer Beharrlichkeit in die Lüfte zu entführen versuchte, indem sie dieselbe zu wiederholten Malen mit dem Schnabel an die Flügel faßten, ziemlich hoch in die Luft hoben und von ihrem edlen Vorhaben erst abstanden und abzogen, als sie sich von der Nutzlosigkeit ihrer Anstrengungen überzeugt hatten.« Ich meinestheils will Girtanners Zweifel nicht bestreiten, kann aber seiner Meinung, daß ein auf den Boden gerathener Segler dem Tode preis gegeben sei, nicht beitreten. Er behilft sich unzweifelhaft in derselben Weise wie der Mauersegler in gleichem Falle. Aber freilich darf man ihn nicht im engen Raume eines Zimmers auf den Boden legen, um letzteres zu erfahren, muß sich vielmehr im Freien einen Ort erwählen, welcher dem geängstigten Thiere weite Umschau und dadurch wohl das nöthige Selbstvertrauen gewährt.

»Sind viele Alpensegler zusammen«, bemerkt Bolle, »so wird ihr Ruf zu einem lang gezogenen Trillern, in welchem ein deutliches R vorwaltet und am Anfange und zu Ende etwas vom I sich einmischt. Es ist dies ein Naturlaut, welcher sehr gut zu dem wilden, aber lichtumflossenen Gepräge der von diesem Segler bewohnten Uferlandschaften paßt, je nach dem Kommen und Gehen der Vögel sich verstärkend oder verklingend, um immer aufs neue wieder an das Ohr des Beobachters zu schlagen. Es gewinnt an Deutlichkeit durch seine anhaltende Dauer, ich möchte sagen, durch seine einförmige Unaufhörlichkeit.« Einzeln fliegende Felsensegler rufen in der Luft »Ziep ziep«. Es ist dies wohl der Lockton, ihresgleichen zu sich einzuladen; sind ja doch auch stets mehrere in Sicht.

Fesselnd, wie der erste Eindruck, ist auch die Beobachtung des täglichen Lebens und Treibens der Alpensegler. »Die Umgebung eines alten Thurmes, ja eines ganzen Gebirgszuges, welcher einer größeren Gesellschaft dieser zwar geselligen und doch immer streitsüchtigen, außerordentlich wilden und stürmischen Vögel zur Heimat dient«, so schildert Girtanner, »wird durch ihr Leben und Treiben ungemein belebt. War schon während der ganzen Nacht des Lärmens und Zankens in den Nisthöhlen kein Ende, so daß schwer zu begreifen ist, wie sie die so nöthig erscheinende Ruhe finden, so entfaltet sich doch mit Anbruch des Tages erst recht ihr wildes Treiben. Noch sieht der junge Tag kaum in die dunkle Felsenspalte hinein, so schicken sich deren Bewohner auch schon an, sie zu verlassen. Mühsam kriechend, die Brust fest auf den Boden gedrückt und mit den Flügeln eifrig nachhelfend, streben sie, die Oeffnung der Höhle zu erreichen. Dort angekommen, hat alle Noth für die Dauer des Tages ein Ende. Mit gellendem Geschrei, welches von Zeit zu Zeit in einen schrillenden Triller übergeht, in die lautlose Dämmerung hinausrufend, auf die düstere Stadt, die dunkle Waldschlucht hinabjauchzend, schwebt jetzt die wunderliche Schar räthselhafter Gestalten durch die frische Morgenluft dahin, im Fallen erst die nie ermüdenden Schwingen zum Fluge ausbreitend. Bis in Höhen kreisend, in denen das unbewaffnete Auge sie nicht zu erreichen vermag, scheint sie plötzlich der Gegend ihres nächtlichen Aufenthaltes entrückt zu sein. Doch schon ist sie wieder sichtbar. In unendlicher Höhe flimmern die tadellos weißen Bäuche, die glänzenden Flügel, wie Schneeflocken im Sonnenglanze. Jetzt umtobt sie wieder, bald jagend, bald spielend, immer aber lärmend, das heimatliche Felsrevier. So bringt sie, inzwischen der klaren Morgenluft Nahrung abjagend, bei freundlicher Witterung den ganzen langen Morgen zu. Wird später die Hitze drückend, so zieht sie sich ihren Höhlen zu, und still werden die Segel eingezogen. Denn sie läßt die größte Hitze lieber in den kühlen, schattigen Felsnischen liegend vorübergehen. Offenbar schläft dann die ganze Bande; wenigstens ist in dieser Zeit fast kein Laut zu hören, und erst der Abend bringt wieder neues Leben. In großen, ruhigen Kreisen bewegt sich der Schwarm durch einander, im vollen Genusse unbedingter Freiheit. Von Beginn der Abenddämmerung bis zu ihrem Erlöschen hat wilde, zügellose Fröhlichkeit die Oberhand, und noch spät, wenn die Straßen der Stadt und die belebten Alpentriften schon lange öde geworden sind, müssen sie noch diesen wilden Gesellen der Lüfte zum Tummelplatze dienen. Bei unfreundlichem, regnerischem Wetter würde unser Lärmmacher freilich lieber zu Hause bleiben; der Nahrung wegen aber muß er doch einen Flug unternehmen. Unter solchen Umständen zieht er mehr einzeln, eifrig Kerbthiere fangend, über die Alpenweiden hin oder verfolgt stillschweigend den Lauf eines Flüßchens, welches ihm Libellen und dergleichen liefern soll, und der stolze Gebirgsbewohner ist dann froh und zufrieden, schweigsam durch die Thalsohle streichend, seinen Hunger stillen zu können. Tritt in dem höheren Alpengürtel starke Wetterkühlung ein, oder tobt eines jener majestätischen Hochgewitter durch das Gebirge, so läßt er sich wohl auch im Thale sehen. Nach langer Trockenheit ist ihm ein warmer Regen sehr willkommen; trinkend, badend und gleichzeitig seiner lästigen Schmarotzer sich entledigend, schwärmt er dann im Kreise über seiner Wohnstätte, und selbst der dem Brutgeschäfte obliegende soll sich diesen Genuß nicht versagen können.

»Dieses ungebundene Leben dauert fort, bis das Nest mit Eiern besetzt ist, deren Bebrütung der freien Zeit schon Abbruch thut. Ist aber das Gelege ausgeschlüpft, so ist einzig die volle Tätigkeit auf Herbeischaffung der nöthigen Nahrung gerichtet. Mit wahrer Wuth, den Rachen weit aufgesperrt, schießt der Vogel jetzt nach allen Richtungen dahin, und wo ein Kerbthier seinen Weg kreuzt, hängt es im nächsten Augenblicke auch schon an dem kleberigen Gaumen. Weiter stürmt er in wilder Jagd, bis so viele Kerfe gesammelt worden, daß sie im Rachen einen großen Klumpen bilden. Mit ihm eilt er dem Neste zu und stößt ihn dem hungrigsten Jungen tief in den Schlund. Da die Jungen natürlich erst ausfliegen, wenn sie ohne vorherige Flugversuche gleich in die weiten Lüfte sich hinauswerfen dürfen, so dauert dieses Fütterungsgeschäft sieben bis acht Wochen. Drei Wochen nach Legung des letzten Eies schlüpfen die abwechselnd von beiden Eltern bebrüteten Jungen aus. Sie sind in diesem Alter ganz mit grauem Flaume bedeckt wie junge Raubvögel. Die Federn, durch breite weiße Säume verziert, fangen zuerst an Kopf, Flügel und Schwanz an, sich zu zeigen. Die Füße sind vollständig nackt und rosenroth. Auch wenn das Gelege ursprünglich vier Eier besaß, so findet man nachher doch oft nur drei Junge vor, sei es, daß durch die immer stürmischen Bewegungen der Alten ein Ei zertrümmert oder ein Junges durch seine Geschwister aus dem engen Bette hinausgedrängt und hinabgestürzt wurde. Auch ihre weitere Entwickelung geht wohl wegen der nur mühsam in genügender Menge herbeizuschaffenden Nahrung langsam vor sich. Das kleine Nest aber verlassen sie schon lange vor dem ersten Fluge. Sie hängen sich an den Wänden der weiteren Nesthöhle an und werden auch, in derselben Stellung oft stundenlang verbleibend, von den Alten gefüttert. Endlich fliegen sie gegen Ende, frühestens Mitte August aus und lernen nun bald die Flugkünste der Alten. Denn schon naht der Abzug nach dem Süden.«

In der Regel führt der Alpensegler, geschützt sowohl durch die zu weiten Nachforschungen wenig einladende Lage seiner Brutplätze als durch seinen beständigen Aufenthalt in hoher Luft und den reißenden Flug, ein ziemlich unbehelligtes Dasein. Nur Kälte und Hunger erreichen ihn dennoch und zehnteln ganze Siedelungen. Wie der Mauersegler kämpft er wüthend mit seinesgleichen und verkrallt sich in seinen Gegner dabei oft so, daß er mit ihm zu Boden stürzt, wo dann meist beide Kämpfer auf die eine oder andere Weise zu Grunde gehen. In der Schweiz läßt sich niemand, welcher seiner nicht zu wissenschaftlichen Zwecken bedarf, einfallen, ihn zu verfolgen; in Italien und Griechenland dagegen wird er noch jetzt, genau wie zu Geßners Zeiten, in der Luft geangelt. »Ein Knabe«, sagt Bolle, »liegt an steilem Klippenrande oder auf dem Dache eines Hauses ausgestreckt und so gut als möglich verborgen. Ein langes Rohr dient ihm zur Angelruthe bei seiner Luftfischerei. Himmelblau muß der feine Faden sein, welcher daran befestigt ist und an seinem äußersten Ende das zwischen Federn und Baumwolle versteckte Häkchen trägt. Es flattert im Winde zwischen anderen gelegentlich umhergestreuten Federn. Beim Schnappen danach, um sie zum Nestbau zu verwenden, wird der Vogel gefangen.« In Portugal verführt man, wie Rey mir mittheilt, genau ebenso. In Griechenland spannt man, laut von der Mühle, zwischen zwei erhabenen Punkten Schnüre aus und bringt an denselben Roßhaare mit kleinen Angelhaken und Flaumfedern als Köder an, welche von den Vögeln, so lange sie zu Neste tragen, aufgenommen werden. Auch stellt man sich an einer Felsenspitze, um welche ein beständiger Luftzug weht, auf den Anstand und schießt einen nach dem anderen der vorüberstreichenden Vögel herab, um sie als beliebte Waare auf den Markt zu bringen. Abgesehen von solcher Bubenjägerei, wird der Alpensegler wohl nur noch durch einzelne Falken gefährdet. Auf Capri wohnt der Wanderfalk freilich oft dicht neben ihm und ist im eigentlichen Sinne des Wortes sein Nachbar; Bolle glaubt daher auch, daß er ihm wohl kaum etwas anhaben möge: aber der nicht minder fluggewandte Räuber fängt sie doch, wie die bereits gegebene Mittheilung unwiderleglich beweist. Lästige Feinde besitzt der Vogel endlich auch in allerlei Schmarotzern, welche ihn namentlich während der Brutzeit heimsuchen.

»Ein großer Nutzen im Haushalte der Natur«, sagt Girtanner, »kann unserem Alpensegler nicht gerade nachgewiesen werden; noch viel weniger aber lastet der leiseste Verdacht eines Schadens auf ihm. Durch sein Geschrei macht er sich nicht beliebt, und des Fleisches halber lohnt es sich hier zu Lande nicht, ihn zu jagen. Die außerordentliche Anzahl fliegender Kerbthiere, welche er vertilgt, ist aber wohl zu bemerken und der Eindruck, welchen er auf den Beobachter übt, ihm ebenfalls gutzuschreiben. Sein fröhliches Geschrei hoch über den unheimlich stillen Gehängen belebt die ödesten Felsen, und es lohnt sich wohl der Mühe, im Gebirge einem Schwarme der in der Sonne flimmernden Vögel zuzusehen, ihre Spiele und Kämpfe, ihr ganzes fesselndes Leben und Treiben zu beobachten.«

Obwohl vorauszusehen war, daß das Leben dieses Vogels in der Gefangenschaft ein sehr verkümmertes sein müsse, glaubte Girtanner doch den Versuch wagen zu dürfen, Alpensegler im Käfige zu halten. Alt eingefangene Vögel benahmen sich scheu und unbändig, stießen bei jeder Berührung ihr durchdringendes Geschrei aus, verkrochen sich in die dunkelste Ecke des Zimmers und blieben regungslos hier liegen, bis man sie wegnahm. Nachdem es ihnen einige Male gelungen war, ihre furchtbaren Nägel in die Hand des Pflegers einzukrallen, fand dieser es in der Folge gerathen, lederne Handschuhe anzuziehen, wenn er sie zum Füttern in die Hände nehmen mußte. Infolge beharrlicher Verweigerung und Hinauswürgens aller beigebrachten Nahrung verendete der eine von ihnen, ein Weibchen, schon nach fünf Tagen; der andere ließ sich mit Noth künstlich ernähren, magerte jedoch dabei beständig ab und starb drei Wochen später. Um ihre Jungen, welche mit dem alten Paare gefangen worden waren, kümmerten sich beide nicht im geringsten, da ihnen die Möglichkeit, sie zu ernähren, abgeschnitten war. Auch an den alten Vögeln konnte Girtanner die von Fatio angeführte Beobachtung bestätigen, daß sie kleine Bissen nicht verschlangen, sondern immer warteten, bis sich ein den Rachen anfüllender Klumpen von Nahrung gebildet hatte, welchen sie dann in einer heftigen Schlingbewegung hinunterwürgten. Die vier Jungen, deren Alter auf fünf bis sechs Wochen anzuschlagen war, sahen den Eltern bereits sehr ähnlich und verloren die breiten weißen Säume bis zum Februar des nächsten Jahres vollständig, worauf die Mauser des Kleingefieders begann. Ihr Gefangenleben war höchst einförmig. Ihr Nest bestand in einem kleinen, mit Moos gefüllten Korbe und war der einzige Gegenstand, zu welchem sie einige Zuneigung knndgaben. Flugversuche machten sie gegen Ende August; zum wirklichen Fliegen brachten sie es aber nicht, obwohl sie sehr gut genährt und lebhaft genug waren. Bald kamen sie zum Boden und schoben sich dann kleinen Schubkarren ähnlich in die nächste Ecke, einer dem anderen nach, wo sie, die Köpfe so gegen einander gesteckt, daß sie einen Stern bildeten, lange verblieben. An eine Mauer gehängt, dachten sie ebenfalls nicht daran, wegzufliegen, und wenn es geschah, fielen sie bald zum Boden herab. Selbst Trinken lernten sie nach drei Monaten, thaten es dann oft und ganz wie andere Vögel. Dagegen brachte sie Girtanner nicht dahin, das Futter selbst aufzunehmen. Letzteres mußte stets in großen Bissen tief in den Rachen gesteckt werden, weil sie sonst mit aufgesperrten Schnäbeln sitzen blieben. Bei überhand nehmender Kälte war der Pfleger gezwungen, sie in einen großen Käfig zu bringen, in welchem sie fleißig herumkletterten und lärmten. Berührte einer den anderen ohne Noth, so waren stets allgemein werdende Balgerei und endloses Geschrei die Folge. Da von Ende November an keine weitere geistige oder körperliche Entwickelung zu erwarten war, tödtete Girtanner den ersten vier, den zweiten fünf, den dritten sechs Monate nach dem Einsangen und behielt nur den vierten bis Anfang Mai. Ihnen die Freiheit schenken, hätte geheißen, sie geflissentlich einem gewissen Tode Preis zu geben. »Sogar der Alpensegler also«, schließt Girtanner, »läßt sich in Gefangenschaft und selbst im Käfige halten. Doch könnte ich ihn niemandem mit gutem Gewissen als Zimmergenossen empfehlen. Ungestört möge er vielmehr fortan in unbegrenzter Freiheit sein tolles Wesen treiben.«

 

Der auf vorstehenden Seiten wiederholt erwähnte Verwandte des Alpenseglers, unser Mauer- oder Thurmsegler, Mauerhäkler, die Mauer-, Thurm-, Stein-, Geier-, Feuer- und Spyrschwalbe ( Cypselus apus, murarius, barbatus, vulgaris, dubius, turrium, Hirundo apus, Brachypus murarius), erreicht eine Länge von achtzehn, eine Breite von vierzig Centimeter; die Fittiglänge beträgt siebzehn, die Schwanzlänge acht Centimeter. Das Gefieder ist einfarbig rauchbraunschwarz mit schwarzgrünem Erzschimmer, welcher am stärksten aus Mantel und Schultern hervortritt. Kinn und Kehle werden durch einen rundlichen weißen Fleck geziert. Das Auge ist tief braun, der Schnabel schwarz, der Fuß lichtbräunlich. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht, die Jungen durch helleres Gefieder und äußerst schmale fahlweißliche Endsäume der Federn.

In Egypten wird der Mauersegler durch den Maussegler vertreten, welcher zuerst von meinem Vater und mir unter dem Namen Cypsolus murinus, von Shelley fünfzehn Jahre später unter dem Namen Cypselus pallidus beschrieben worden ist und sich durch mäusegraues Gefieder und weißen Kehlfleck von den Verwandten unterscheidet. In China lebt eine dem Maussegler sehr ähnliche Art, Cypselus pecinensis.

Der Mauersegler ist es, welchen wir vom ersten Mai an bis zum August unter gellendem Geschrei durch die Straßen unserer Städte jagen oder die Spitzen alter Kirchthürme umfliegen sehen. Der Vogel ist weit verbreitet. Ich fand ihn von der Domkirche Drontheims an bis zu der von Malaga in allen Ländern Europas, welche ich kennen gelernt habe. Andere Beobachter begegneten ihm in dem größten Theile Nord- und Mittelasiens. Auch in Persien zählt er stellenweise unter die häufigsten Sommervögel und brütet auf einzelnen Oertlichkeiten, so in der Umgegend von Schiras, in außerordentlicher Menge. Den Winter verbringt er in Afrika und Südindien. Erstgenannten Erdtheil durchstreift er vom Norden bis zum Süden. Er trifft mit merkwürdiger Regelmäßigkeit bei uns ein, gewöhnlich am ersten oder zweiten Mai, und verweilt hier bis zum ersten August. In sehr günstigen Frühjahren kann es geschehen, daß einzelne auch schon in der letzten Woche des April bei uns sich zeigen, in günstigen Sommern ebenso, daß man unseren Brutvogel noch während der ersten Hälfte des August bemerkt; das eine wie das andere aber sind Ausnahmen. Diejenigen, welche man später sieht, sind solche, welche im hohen Norden brüteten, durch schlechtes Wetter in ihrem Brutgeschäft gestört wurden und ihrer noch unselbständigen Kinder wegen einige Tage länger im Lande ihrer Heimat verweilen mußten. Solche Nachzügler sah ich noch Ende August in Deutschland und auf dem Dovrefjeld. Da, wo viele Mauersegler brüten, wird die Beobachtung über ihr Kommen und Gehen erklärlicherweise erschwert; da, wo das entgegengesetzte der Fall, kommt man eher ins klare. So konnte ich im Jahre 1877 feststellen, daß das einzige Pärchen, welches den Kirchthurm meines heimatlichen Dorfes bewohnt, bereits am sechsundzwanzigsten Juli verschwunden war. Von dieser Zeit an bis Mitte August wanderten andere Mauersegler einzeln, in Paaren und Familien durch, umkreisten den erwähnten Kirchthurm einige Male und verschwanden dann wieder. Vom dreizehnten August an zeigte sich in diesem Jahre keiner mehr. Eugen von Homeyer beobachtete sehr verspätete Zuggesellschaften noch am achten und zehnten September. In Spanien findet sich der Mauersegler um dieselbe Zeit ein wie bei uns und verläßt das Land ebenso früh, als er von Deutschland scheidet. Für Griechenland scheint diese auf eigene Beobachtungen gegründete Angabe nicht zu gelten. Hier trifft er früher ein und wandert erst später südwärts. Nach Lindermayers schwerlich richtiger Angabe erscheint er hier bereits zu Ende des März, früher als der Alpensegler, nach Krüpers Beobachtungen um die Mitte, ausnahmsweise wohl auch im Anfange des April, gleichzeitig mit dem Verwandten und zieht mit ihm schon frühzeitig wieder ab. Im mittleren Persien zeigt er sich ungefähr um dieselbe Zeit wie in Griechenland, bleibt aber, laut St. John, bis zu Ende Oktober im Lande; im südlichen Persien sieht man ihn bereits im Februar. Im Inneren Afrikas kommt er schon wenige Tage nach seinem Wegzuge an: ich sah ihn am dritten August das Minaret der Moschee Chartums umfliegen. Sein Zug hat viel eigenthümliches. In Oberegypten sieht man den merkwürdigen Vogel, welcher zuweilen erst am Vorgebirge der Guten Hoffnung Ruhe findet, in manchen Jahren bereits im Februar und März in großer Anzahl, und gar nicht unmöglich ist es, daß in gewissen Jahren hier schon einzelne überwintern. Zu meinem nicht geringen Erstaunen aber sah ich auch während unseres Aufenthaltes in Malaga zwischen dem dreizehnten und achtundzwanzigsten Oktober noch eine Menge Mauersegler die Kirchthürme umfliegen. Es waren, wie ich zu glauben geneigt bin, solche, welche von Afrika aus zurückgeschwärmt waren; denn nach den eingezogenen Erkundigungen soll der Mauersegler auch die Südspitze Spaniens genau zu derselben Zeit verlassen wie die mittleren und nördlichen Theile des Landes, in denen wir vom ersten August ab nur noch einige Tage lang wenige Nachzügler beobachteten. Unter Umständen, deren Ursachen uns noch unbekannt sind, können letztere auch weiter nördlich in sehr später Zeit bemerkt werden. So erwähnt Dowell eines einzelnen Mauerseglers, welcher mit verschiedenen Schwalben im Oktober in England gesehen wurde, und Collett eines anderen, welcher im November in der Gegend des Waranger Fjords umherflog und am funfzehnten des genannten Monats todt gefunden wurde: offenbar verhungert.

Wie es scheint, wandern die Mauersegler stets in großen Gesellschaften. Sie kommen gemeinschaftlich an, und man sieht da, wo man Tags vorher nicht einen einzigen bemerkte, mit einem Male dutzende oder selbst Hunderte, und ebenso verlassen sie eine Stadt gewöhnlich in einer und derselben Nacht. Nach Naumann sollen sie ihre Reise kurz vor Mitternacht antreten.

Ursprünglich wohl ausschließlich Felsenbewohner, hat sich der Mauersegler im Laufe der Zeit zu den Behausungen der Menschen gefunden und ist allgemach zu einem Stadt- und Dorfvogel geworden. Hohe und alte Gebäude, namentlich Thürme, wurden zuerst zu Wohnsitzen oder, was dasselbe, zu Brutstätten erkoren; als die hier vorhandenen Löcher nicht mehr ausreichten, sah sich der Vogel genöthigt, auch natürlichen oder künstlichen Baumhöhlungen sich zuzuwenden, und wurde so zum Waldbewohner. Er gehört zu der keineswegs unbeträchtlichen Anzahl von Vögeln, welche sich bei uns zu Lande stetig vermehren, leidet daher schon gegenwärtig an vielen Orten und selbst in ganzen Gegenden unseres Vaterlandes an Wohnungsnoth. Da, wo für ihn passende Felsen sich finden, bewohnt er nach wie vor solche und steigt im Gebirge bis zu ungefähr zweitausend Meter unbedingter Höhe empor.

Es wird auch dem Laien nicht schwer, unseren Mauersegler zu erkennen. Seine Bewegungen, sein Gebaren, Wesen und Treiben sind gänzlich verschieden von denen der Schwalben. Er ist, wie seine Verwandten, ein im höchsten Grade lebendiger, unruhiger, bewegungslustiger und flüchtiger Vogel. Sein Reich ist die Luft; in ihr verbringt er sozusagen sein ganzes Leben. Vom ersten Morgenschimmer an bis zum letzten Glühen des Abends jagt er in weiten Bogen auf und nieder, meist in bedeutenden Höhen, nur abends oder bei heftigem Regen in der Tiefe. Wie hoch er sich in der Ebene erheben mag, läßt sich nicht feststellen; wohl aber kann dies geschehen, wenn man ihn im Gebirge beobachtet. Von der Spitze des Montserrat und von dem Rücken des Riesengebirges aus sah ich ihn so weit in die Ebene hinausfliegen, als das bewaffnete Auge ihm folgen konnte. Hier wie dort also durcheilt er Luftschichten von mehr als tausend Meter unbedingter Höhe. Seine Flugzeit richtet sich nach der Tageslänge. Zur Zeit der Hochsonnenwende fliegt er von morgens drei Uhr zehn Minuten an spätestens bis abends acht Uhr funfzig Minuten, wie es scheint, ohne Unterbrechung umher. Jedenfalls sieht man ihn bei uns zu Lande auch über Mittag seinen Geschäften nachgehen; in südlichen Ländern dagegen soll er um diese Zeit sich in seinen Höhlen verbergen. So berichtet Bolle von den Kanarischen Inseln, woselbst der Mauersegler von zehn Uhr vormittags an verschwindet und bis nachmittags in seinen Löchern verweilt. Wir kennen keinen deutschen Vogel, welcher ihn im Fluge überträfe. Dieser kennzeichnet sich durch ebenso viel Kraft und Gewandtheit wie durch geradezu unermüdliche Ausdauer. Der Mauersegler versteht zwar nicht die zierlichen und raschen Schwenkungen der Schwalben nachzuahmen, aber er jagt dafür mit einer unübertrefflichen Schnelligkeit durch die Luft. Seine schmalen, sichelartigen Flügel werden zeitweilig mit so großer Kraft und Hurtigkeit bewegt, daß man nur ein undeutliches Bild von ihnen gewinnt. Dann aber breitet der Vogel dieselben plötzlich weit aus und schwimmt und schwebt nun ohne jegliche sichtbare Flügelbewegung prächtig dahin. Der Flug ist so wundervoll, daß man alle uns unangenehm erscheinenden Eigenschaften des Seglers darüber vergißt und immer und immer wieder mit Entzücken diesem schnellsten Flieger unseres Vaterlandes nachsieht. Jede Stellung ist ihm möglich. Er fliegt auf- oder abwärts mit gleicher Leichtigkeit, dreht und wendet sich leicht, beschreibt kurze Bogen mit derselben Sicherheit wie sehr flache, taucht jetzt seine Schwingen beinahe ins Wasser und verschwindet dem Auge wenige Sekunden später in ungemessener Höhe. Doch ist er nur in der Luft wirklich heimisch, auf dem Boden hingegen fremd. Man kann sich kaum ein unbehülflicheres Wesen denken als einen Segler, welcher am Fliegen verhindert ist und auf dem Boden sich bewegen soll. Von Gehen ist bei ihm keine Rede mehr; er vermag nicht einmal zu kriechen. Man hat behauptet, daß er unfähig sei, sich vom Boden zu erheben; dies ist aber, wie ich mich durch eigene Beobachtung genügend überzeugt habe, keineswegs der Fall. Legt man einen frisch gefangenen Segler platt auf den Boden nieder, so breitet er sofort seine Schwingen, schnellt sich durch einen kräftigen Schlag derselben in die Höhe und gebraucht sodann seine Flügel mit gewohnter Sicherheit. Uebrigens weiß der Mauersegler seine Füße immer noch recht gut zu benutzen. Er häkelt sich geschickt an senkrechten Mauern oder Breterwänden an und verwendet die scharf bekrallten Zehen außerdem zur Vertheidigung.

Der Segler ist ein Schreivogel, nicht aber ein Sänger, seine Stimme ein schneidender, gellender Laut, welcher durch die Silben »Spi spi« oder »Kri« wiedergegeben werden kann. Bei Erregung irgend welcher Art vernimmt man letzteren oft zum Ueberdruß, und wenn eine zahlreiche Gesellschaft durch die Straßen hindurchjagt, ist es manchmal kaum zum Aushalten. In ihren Schlaf- oder Nisthöhlen zwitschern Alte und Junge.

Ueber die höheren Fähigkeiten des Mauerseglers ist wenig günstiges zu sagen. Unter den Sinnen steht das große Auge unzweifelhaft obenan; auch das Gehör kann vielleicht noch als entwickelt betrachtet werden; die übrigen Sinne scheinen stumpf zu sein. Das geistige Wesen stellt den Vogel tief. Er ist ein herrschsüchtiger, zänkischer, stürmischer und übermüthiger Gesell, welcher streng genommen mit keinem Geschöpfe, nicht einmal mit seinesgleichen, in Frieden lebt und unter Umständen anderen Thieren ohne Grund beschwerlich fällt. Um die Nistplätze zanken sich die Mauersegler unter lautem Geschrei oft tagelang. Aus Eifersucht packen sich zwei Männchen wüthend in der Luft, verkrallen sich fest in einander und wirbeln nun von oben bis zum Boden herab. Ihre Wuth ist aber so groß, daß sie hier häufig noch fortkämpfen und sich mit Händen greifen lassen. Meinem Vater wurden Mauersegler gebracht, welche todt aus der Luft herabgefallen waren. Bei der Untersuchung zeigte sich, daß ihnen während der nebenbuhlerischen Kämpfe die Brust vollständig zerfleischt worden war. Auch andere Vögel werden von dem Segler zuweilen angegriffen. So sah ihn Naumann ohne weitere Veranlassung einen Sperling, welcher sich Maikäferlarven vom frischen Acker aufgesucht hatte, verfolgen, nach Art eines kleinen Edelfalken wiederholt auf ihn stoßen und dem erschrockenen Spatz so zusetzen, daß dieser zwischen den Beinen der Feldarbeiter Schutz suchte. Nur seinen Jungen gegenüber legt der Mauersegler zärtliche Gefühle an den Tag.

Der Nistort wird je nach den Umständen gewählt. In Deutschland sind es entweder Kirchthürme und andere hohe Gebäude in deren Mauerspalten, oder Baumhöhlungen der verschiedensten Art, seltener Erdhöhlungen in steilen Wänden, in denen unser Segler sein Nest anbringt. Regelmäßig vertreibt er Staare oder Sperlinge aus den für sie auf Bäume gehängten Nistkasten und ist dabei so rücksichtslos, daß er sich selbst von den brütenden Staaren- oder Sperlingsweibchen nicht abhalten läßt, sondern ihnen oder ihrer Brut sein weniges Geniste im buchstäblichen Sinne des Worts auf den Rücken wirft und sie so lange quält, bis sie das Nest verlassen. Findet er ernsteren Widerstand, so greift auch er zu seinen natürlichen Waffen und kämpft verzweifelt um eine Stätte für seine Brut. »Ein Staar«, schreibt mir Liebe, »welcher bei Vertheidigung seiner Burg gegen einen Mauersegler von diesem arg verletzt und zuletzt, als der Garteneigenthümer ihm zu Hülfe kommen wollte, verendet in dem Kasten gefunden worden war, zeigte tiefe Risse in der Haut der Flügelbeuge und des Rückens, namentlich aber auch am Kopfe, wo sogar die Haut theilweise abgelöst war. Solche Wunden kann der Segler unmöglich mit seinem weichen, biegsamen Schnabel beibringen; sie lassen sich nur erklären, wenn man annimmt, daß sie mit ihren zwar kleinen, aber scharf bekrallten Füßen kämpfen, falls Schnabel und Flügel nicht mehr ausreichen wollen.« Kein Wunder, daß vor einem so ungestümen und gefährlichen Gegner selbst der kräftige Staar seine Brut im Stiche und dem Mauersegler überlassen muß. Dieser kümmert sich nicht im geringsten um die Klagen der betrübten Eltern, wirft aus der Luft gefangene Federn, Läppchen und anderen Kram auf die Eier oder bereits erbrüteten Jungen, zerdrückt theilweise die ersteren, erstickt die letzteren, überkleistert mit seinem Speichel Eier, Junge und Genist.

Herr Daumerlang schildert in einem an mich gerichteten Briefe, nach mehrjährigen Beobachtungen die Kämpfe des Seglers mit Staaren wie folgt. »Am Bodenfenster über meiner Arbeitsstube befindet sich ein Staarenkasten, welcher seiner günstigen Lage halber regelmäßig bewohnt wird, wenn nicht von Staaren, so doch von Sperlingen und während des Sommers von Mauerseglern. Den Sperlingen gegenüber bleiben die Staare immer Sieger, nicht so aber in ihren Kämpfen mit den Seglern. Letztere lassen sich durch nichts abschrecken, von dem Kasten, in welchem bei ihrer Ankunft das Staarenweibchen brütet, der Niststätte halber Besitz zu ergreifen. Ohne mein Dazwischentreten werden die brütenden Staare nach langen, heftigen Kämpfen jedesmal vertrieben. Das eindringende Weibchen läßt es sich, allen Schnabelhieben seitens der Staare trotzend, nur angelegen sein, nach unten zu kommen, um sich im Neste festzusetzen. Dann werden die Staare vertrieben und deren Eier zerstört oder deren Junge mittels der außerordentlich scharfen Krallen getödtet.

»Da ich den Mauerseglern, ihrer unermüdlich regen Lebenskraft halber, sehr zugethan bin, brachte ich für sie neben dem Staarkübel einen besonderen Nistkasten an, fand aber, daß derselbe nicht angenommen wurde, und zwar einzig und allein deshalb, weil er kein Nest enthielt. Denn nur um letzteres ist es ihnen zu thun.

»Um nun die Segler zu verscheuchen, fing ich sie einzeln vom Staarkasten weg. Ich stellte mich dabei frei an das Fenster und nahm sie, wenn sie angeflogen waren, einfach mit der Hand vom Flugloche weg; denn diese stolzen Flieger kennen keine Gefahr und scheuen den Menschen nicht im geringsten. Manchmal fing ich im Laufe weniger Stunden vier bis sechs Stück; aber ebenso viele entgingen, weil sie sich nicht niederließen, meinen Nachstellungen. Um zu sehen, ob sie den Verlust ihrer Freiheit sich zur Warnung dienen ließen, sperrte ich sie einige Zeit ein und bestrich ihnen dann den Kopf oder die Flügel mit weißer Oelfarbe. Sie kümmerten sich deshalb nicht: so lange die jungen Staare nicht herangewachsen waren, wiederholten sie ihre Versuche, des Nestes sich zu bemächtigen. Um das zu verhindern, fertigte ich, nachdem mir die Geduld ausgegangen war, einen Kragen aus Pappe und stülpte ihn einem hartnäckig wiederkehrenden Weibchen über den Kopf. Bald aber war der Kragen abgestreift, und von neuem drang der Mauersegler in den Staarkübel ein. Daß das Staarenmännchen ihm tapferen Widerstand leistete, behelligte ihn nicht. Zweimal stürzte es sich mit solcher Wuth auf den Angreifer, daß beide sich an einander festkrallten und zum Boden herabwirbelten. Auch ich unterstützte den tapferen Vertheidiger seiner Familie, indem ich mit Sand nach den ankommenden Mauerseglern warf; allein unsere gemeinschaftlichen Anstrengungen blieben fruchtlos. Der Staar hatte meine wohlwollende Absicht bald erkannt und ließ sich durch den Sandhagel nicht verscheuchen: der Mauersegler achtete desselben ebenso wenig wie der Angriffe des Nesteigenthümers. Sobald dieser oder ich nicht auf der Hut waren, drang er, immer derselbe, unverkennbar gezeichnete, in das Innere des Nistkastens ein, während andere seiner Art sich begnügten, anzufliegen, an dem Flugloche sich anzuklammern, durch dasselbe in den Nistraum zu schauen und, wenn sie hier Junge erblickten, von weiteren Uebergriffen abzustehen. Da die jungen Staare beinahe erwachsen waren, tödtete das zudringliche Seglerweibchen sie zwar nicht, suchte sie aber aus dem Neste zu drängen, und wenn dann die alten Staare dazu kamen, gab es neue Kämpfe. Zuletzt war ich zum äußersten entschlossen, fertigte einen neuen, noch größeren und wasserdichten Kragen an und stülpte ihn dem zudringlichen Geschöpfe zum zweiten Male über den Kopf. Was ich hätte voraussehen können, geschah: die Last war zu schwer und zog den Segler in die unmittelbar an meinem Hause vorüberfließende Pegnitz. Von mir so schnell als möglich aus dem Wasser gezogen, erholte sich der dem Ertrinken nahe Vogel bald und vollständig wieder, wurde in Freiheit gesetzt und kehrte nunmehr nicht zurück.

»Die ungewöhnliche Hartnäckigkeit dieses einen Seglers erkläre ich mir dadurch, daß derselbe, nachdem er in früheren Jahren die Staare von Nest und Brut vertrieben und, von mir ungestört, seine Brut groß gezogen hatte, ein gewohntes Anrecht auf das Nest zu haben glaubte. Andere ließen sich leicht von mir verscheuchen, dieser eine erst nach tagelanger Gegenwehr. Ihm darf ich es auch wohl zur Last legen, daß seit elf Jahren kein Staarenpärchen zur zweiten Brut gelangte.«

Im Hochgebirge, woselbst er bis über den Waldgürtel und an schönen Sommertagen bis zum höchsten Gürtel aufsteigt, kümmert sich der Mauersegler weder um alte Gebäude noch um Baumhöhlungen, weil ihm hier zahllose Spalten und Ritzen höherer Felsenwände geeignete Nistplätze in beliebiger Menge bieten; er bevorzugt dann höchstens große, trockene Höhlen anderen, minder zweckdienlichen Brutstätten und bewohnt solche oft zu Hunderten. Gleichgültig oder rücksichtslos anderen Vögeln gegenüber, drängt er sich ohne Bedenken in deren Mitte. Wir fanden ihn in Spanien im innigsten Vereine mit Thurmfalken, Steinsperlingen und Röthlingen; Alexander von Homeyer traf ihn auf den Balearen unter Felsentauben und Fliegenfängern, Göbel im Süden Rußlands unter Bienenfressern und Blauraken, Eugen von Homeyer in Vorpommern mit Uferschwalben, deren Nesthöhlen er sich angeeignet, in einer und derselben Erdwand nistend an. Wo beide europäische Seglerarten zusammen vorkommen, wie in den Gebirgen der Schweiz und Spaniens, siedeln auch sie sich gemeinschaftlich an einem und demselben Orte an. Wenn ein Pärchen einmal eine Nisthöhle sich erworben hat, kehrt es alljährlich zu derselben zurück und vertheidigt sie hartnäckig gegen jeden anderen Vogel, welcher Besitz von ihr nehmen will. Die Wiege der Jungen besteht aus Halmen, Heufaden, dürren Blättern, Zeuglappen, Haaren und Federn, welche entweder aus Sperlingsnestern weggenommen oder bei heftigem Winde aus der Luft aufgeschnappt, seltener aber vom Boden oder von den Baumästen abgerissen, ohne Auswahl zusammengelegt, dann aber gänzlich mit dem kleberigen Speichel, welcher wie bei anderen Seglern an der Luft erhärtet, überzogen werden. Zwei, höchstens drei sehr lang gestreckte, fast walzenförmige und an beiden Enden ungefähr gleichmäßig zugerundete weiße Eier bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein und wird währenddem von dem Männchen gefüttert, jedoch nur, wenn das Wetter günstig ist; denn bei länger anhaltendem Regen kann dieses nicht so viel Atzung herbeischaffen, als zwei Mauersegler bedürfen, und das Weibchen sieht sich dann genöthigt, selbst nach Nahrung auszugehen. Die Jungen werden von beiden Eltern geatzt, wachsen aber sehr langsam heran und brauchen mehrere Wochen, bis sie flugbar sind. Man findet die Eier frühestens Ende Mai, die eben ausgekrochenen Jungen Mitte Juni oder Anfang Juli, die ausgeflogenen Jungen erst zu Ende des Monats.

Der Mauersegler ernährt sich von sehr kleinen Kerbthieren, über welche man aus dem Grunde schwer ins klare kommen kann, als ein erlegter Vogel seine gefangene Beute größtentheils bereits verdaut, mindestens bis zur Unkenntlichkeit zerdrückt hat. Jedenfalls müssen die Arten, welche seine hauptsächlichste Nahrung bilden, in sehr hohen Luftschichten und erst nach Eintritt entschieden günstiger Witterung fliegen. Denn nur so läßt sich das späte und nach den Oertlichkeiten verschiedene Kommen und Verweilen des Mauerseglers erklären. Daß er, wie seine Verwandten, die allerverschiedenartigsten fliegenden Kerbthiere, beispielsweise Bremsen, Käfer, kleine Schmetterlinge, Mücken, Schnaken, Libellen und Hafte, nicht verschmäht, wissen wir wohl, da sich die Ueberreste der genannten Arten in den ausgewürgten Gewöllen auffinden lassen: sie aber sind es gewiß nicht, welche den Haupttheil der Mahlzeiten eines Mauerseglers ausmachen, weil im entgegengesetzten Falle der Vogel nicht nöthig hätte, bis zum Mai in der Fremde zu verbleiben und die Heimat bereits im August wieder zu verlassen. Im Süden seines Verbreitungsgebietes fliegen seine Jagdthiere erklärlicherweise früher, im Norden später, hier wie dort aber länger als bei uns zu Lande, und einzig und allein diese Annahme erklärt die verschiedene Zeit seines Kommens und Gehens. Auch er bedarf, wie alle Arten seiner Familie, eine sehr erhebliche Menge von Nahrung, um den außerordentlichen Verbrauch seiner Kräfte zu ersetzen. Einige Beobachter haben behauptet, daß er nicht trinke; diese Angabe ist jedoch falsch, wie ich, gestützt auf eigene Beobachtungen, versichern kann. Bäder nimmt er wahrscheinlich nur, wenn es regnet; in das Wasser taucht er sich nicht ein, wie Schwalben es thun. Seine fast ununterbrochene Thätigkeit erklärt sich einzig und allein durch seinen beständigen Heißhunger; gleichwohl kann er im Nothfalle erstaunlich lange fasten: gefangene Segler, welche ohne Nahrung gelassen wurden, sollen erst nach sechs Wochen dem Hungertode erlegen sein.

Alle Seglerarten haben wenig Feinde. Bei uns zu Lande jagt höchstens der Baumfalk dem nur fliegend sich zeigenden und im Fluge so überaus raschen Vogel nach. Auf seinen Winterreisen bedrohen ihn andere Falken derselben Familie. Die Jungen mögen zuweilen von den Siebenschläfern und anderen kletternden Nagethieren heimgesucht werden, jedoch vielleicht nur dann, wenn das Nest, wie erwähnt, in Staarkübeln oder in Baumhöhlen angelegt wurde. Der Mensch verfolgt ihn bei uns zu Lande erst, seitdem, oder nur da, wo er den Staaren lästig und gefährlich wird; jeder Verständige aber würde wohl thun, ihm, wie Liebe anräth, Wohnungen, flache Kästchen von etwa fünfzig Centimeter lichter Länge, fünfzehn Centimeter Breite und halb so viel Höhe mit rundlichem, fünf Centimeter weitem Eingangsloche an der Stirnseite und innen von nestartiger Ausfütterung, wenigstens einigem Gerüste, zu schaffen, um dadurch ihm und mittelbar den jetzt bedrohten Staaren Schutz zu gewähren. Im Süden Europas erleidet der nützliche Vogel ohnehin Verfolgungen der ungerechtfertigtsten Art. Wie Savy berichtet, gilt dort das Fleisch der Jungen als vortrefflich und ist deshalb sehr gesucht. Um nun diese Leckerei zu erlangen, bereitet man den sehr häufigen Mauerseglern eine bequeme Wohnung, indem man in hohen Wänden oder Thürmen Brutlöcher herstellt, welche man von innen untersuchen und bezüglich ausheben kann. Vor dem Flüggwerden wird dann die Brut bis auf ein Junges ausgenommen und geschlachtet, gebraten und verzehrt. Bei Carrara hat man der Mauersegler halber ein eigenes Brutthürmchen auf einem vorspringenden Felsen gebaut.

 

Von den Seglern hat man neuerdings mehrere kleine Arten unter dem Namen Zwergsegler ( Cypsiurus) getrennt, obgleich hierzu kein stichhaltiger Grund vorliegt. Außer der geringen Größe zeichnet sich die äußerste Schwanzfeder der betreffenden Vögel dadurch aus, daß sie in einer langgestreckten Spitze endigt. Ich erwähne eines dieser Thierchen seines eigentümlichen Nestbaues wegen.

 

Der Zwergsegler ( Cypselus parvus, ambrosiacus, palmarum und battasiensis, Cypsiurus und Macropterys ambrosiacus, Dendrochelidon und Atticora ambrosiaca), »Putta Deuli« der Hindu, »Batassia« oder »Windvogel« der Bengalen, ist bedeutend kleiner als der Mauersegler. Seine Länge beträgt nur funfzehn, seine Breite neunundzwanzig, die Fittiglänge zwölf, die Länge des tief gegabelten Schwanzes acht Centimeter. Das Gefieder ist einfarbig rauchbraun mit schwachem Erzschimmer, etwas lichter an der Kehle, weil hier die Federn verwaschene, fahlweißliche Seitensäume haben. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel wie der Fuß schwarz.

Erst tief im Inneren Afrikas, da wo es bereits Urwaldungen gibt, begegnet man dem Zwergsegler öfters, jedoch keineswegs überall. Heuglins Angabe, daß er schon im südlichen Egypten Standvogel sei, steht mit meinen Beobachtungen nicht im Einklange. Doch mag es vorkommen, daß einzelne so weit nach Norden hin sich verfliegen. Als regelmäßigen Bewohner des Landes findet man ihn erst im südlichen Nubien und noch häufiger längs des Weißen und Blauen Flusses, immer und überall da, wo die Dompalme vorkommt. Außer den Nilländern bewohnt der Vogel das ganze mittlere Afrika von der Westküste an bis zur Ostküste. Ob der auf Madagaskar vorkommende kleine Segler, wie anzunehmen, unser Zwergsegler oder eine ihm sehr nahe stehende Art ist, scheint bis jetzt noch nicht endgültig festgestellt worden zu sein, weil Hartlaub in seinem neuesten Werke über die Vögel des merkwürdigen Eilandes die Frage noch zweifelhaft läßt. Da aber der Zwergsegler außer Afrika auch über einen großen Theil Südasiens sich verbreitet, darf man glauben, daß er es ist, welcher auf Madagaskar lebt. In den meisten Theilen dieses ausgedehnten Wohngebietes tritt er als Strichvogel auf. Nur außer der Brutzeit streift auch er ziel- und regellos im Lande umher; während der Brutzeit beschränkt sich sein Gebiet auf einen sehr kleinen Umkreis.

Nach meinem Dafürhalten stehen seine Bewegungen hinter denen anderer Arten seiner Familie durchaus nicht zurück. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß er der schnellste aller mir bekannten Vögel ist; doch zeigt er, diese Gewandtheit abgerechnet, in seinen Bewegungen nichts absonderliches. Merkwürdig ist nur sein Nestbau.

Während einer Reise auf dem Blauen Flusse sah ich im September eine einzeln stehende, über den niederen Wald sich erhebende Dompalme, welche für den Zwergsegler etwas ganz besonders anziehendes haben mußte, weil sie von mehr als fünfzig Pärchen fortwährend umschwärmt wurde. Die Vögel flogen unter lebhaftem Geschrei hin und wieder, kehrten jedoch immer wieder zu der Palme zurück, wenn sie sich einmal eine Strecke weit entfernt hatten. Hierdurch aufmerksam gemacht, ging ich auf den Baum zu und bemerkte nun, daß die Segler sich zuweilen zwischen die Fächerblätter des Baumes begaben und dort sich niederließen. Kleine weiße Punkte, welche von dem Dunkelgrün der Fächerpalme abstachen, veranlaßten mich, den Baum zu ersteigen und die Sache näher zu untersuchen. Ich fand zu meiner nicht geringen Ueberraschung, daß jene Blätter die Niststätten, gedachte weiße Punkte die Nester des Zwergseglers waren.

Die Bauart dieser Nester ist höchst merkwürdig. Die große Blattfläche ist so schwer, daß sie den Blattstiel sprenkelähnlich herniederbiegt, der untere Theil des Blattes also senkrecht nach unten hängt. Nun sitzen aber die Blattflächen unter einem spitzen Winkel an dem Blattstiele an, und es entsteht somit in der Mitte des Blattes selbst eine Rinne oder richtiger ein Winkel, wie im Zimmer da, wo zwei Wände aneinander stoßen. In diesen Winkel heftet der Zwergsegler sein Nestchen an. Es besteht größtentheils aus Baumwollfasern, ist aber ganz mit Speichelkleister überzogen und mit diesem an das Blatt festgeklebt. Der Gestalt nach könnte man es mit einem tief ausgebogenen, runden Löffel vergleichen, auf welchem ein breiter Stiel senkrecht steht. Der letztere ist angeleimt und muß das eigentliche Nest halten und tragen. Weiche Federn, welche ebenfalls angekleistert wurden, betten die etwa fünf Centimeter im Durchmesser haltende Nestmulde aus; auf ihr liegen die zwei Eier oder die beiden Jungen. Der Zwergsegler verfährt aber mit besonderer Vorsicht, um zu verhüten, daß Eier oder Junge aus dem Neste fallen oder aus ihm geschleudert werden. Bei heftigem Winde wird selbstverständlich das große Blatt mit Macht bewegt, und dabei würden die kleinen Jungen oder mindestens die Eier unfehlbar aus dem flachen Neste geworfen werden. Dem kommt der kluge Vogel zuvor, indem er die Eier und die Jungen ebenfalls mit seinem Speichel festleimt. Besonders auffallend war mir, daß die walzenförmigen, weißen, siebzehn Millimeter langen Eier nicht der Länge nach im Neste lagen, sondern mit der einen Spitze aufgeleimt waren. Ich fand ziemlich große Junge, welche noch festgekittet waren, vermuthe aber, daß diese Vorsichtsmaßregel unnöthig wird, sobald die Jungen das Dunenkleid angelegt haben und im Stande sind, sich selbst festzukrallen. Heuglin bestätigt meine Beobachtung im vollsten Umfange und ebenso meine Vermuthung hinsichtlich der halbflüggen Jungen, indem er sagt, daß diese sich krampfhaft an ihre Behausung anklammern. In Indien wählt der Zwergsegler anstatt der Dompalme die Palmyra- und Kokospalme und verwendet, in Ermangelung von Baumwolle, Gras, Federn und dergleichen zur Grundlage des Nestes, ohne jedoch Pflanzenwolle gänzlich zu verschmähen.


Salanganen ( Collocalia) nennt man die seit mehreren Jahrhunderten bekannten und noch heutigen Tages wenig gekannten Segler, welche die berühmten eßbaren Nester bauen. Die Kennzeichen der Sippe sind: geringe Größe, sehr kleiner, starkhakiger Schnabel und sehr schwache Füße, deren Hinterzehe sich nach hinten richtet, ziemlich lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längste ist, und mittellanger, gerade abgestutzter oder leicht ausgeschnittener Schwanz. Das Gefieder ist ziemlich hart, aber einfach gefärbt. Unter den inneren Theilen verdienen vor allem die sehr entwickelten Speicheldrüsen Beachtung.

siehe Bildunterschrift

Salangane.

Das Urbild der Sippe, die Salangane, »Sarong-Burong« und »Lajong« der Malayen, »Lawet« der Javaner, »Jenwa« und »Jeniku« der Japanesen ( Collocalia nidifica, unicolor, concolor und brevirostris, Hirundo esculenta und maritima, Cypselus esculentus), übertrifft unsere Uferschwalbe kaum an Größe: ihre Länge beträgt dreizehn, die Breite dreißig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge sechs Centimeter. Das Gefieder der Oberseite ist dunkel rauchschwarzbraun mit Erzschimmer, das der Unterseite rauchgraubraun. Die Schwingen des sehr schwach ausgeschnittenen Schwanzes sind etwas dunkler als die Oberseite und einfarbig schwarz. Das Auge hat tief braune, der Schnabel wie der Fuß schwarze Färbung.

Früher kannte man die Salangane nur als Bewohnerin der Sundainseln; in der Neuzeit hat man sie auch in den Gebirgen von Assam, in den Nilgerris, in Sikkim, Arrakan, längs der Ostküste der Bucht von Bengalen, in Siam, Cochinchina, auf Ceylon, den Nikobaren und Andamanen beobachtet. Sie ist die Art, über welche das meiste berichtet und gefabelt worden ist. »An der Küste von China«, sagt der alte Bontius, »kommen zur Brütezeit kleine Vögelchen vom Geschlechte der Schwalben aus dem Inneren des Landes an die Klippen des Meeres und sammeln in dem Meerschlamme am Grunde der Felsen einen zähen Stoff, möglicherweise Walrath oder Fischlaich, aus welchem sie ihre Nester bauen. Die Chinesen reißen diese Nester von den Klippen und bringen sie massenhaft nach Indien, wo sie für theures Geld gekauft, in Hühner- und Hammelbrühe gekocht und von Schleckern allen übrigen Gaumenreizen vorgezogen werden.« Bis in die neueste Zeit wird diese Meinung mehr oder weniger festgehalten. Fast sämmtliche Reisebeschreiber sind der Ansicht, daß der Stoff zu den eßbaren Nestern dem Meere und seinen Erzeugnissen entnommen werde. Kämpfer gibt an, daß chinesische Fischer versichert hätten, die eßbaren Nester seien nichts anderes als das von den Schwalben irgendwie zubereitete Fleisch von einer großen Tintenschnecke. Rumph beschreibt ein kleines Pflänzchen von weichlicher und knorpeliger Beschaffenheit, halb durchsichtig, glatt und schlüpfrig, weiß und roth gefärbt, zähe wie Leim, welches sich am Strande des Meeres auf Felsengeröll und Muschelschalen findet und der eigentliche Baustoff der Schwalbennester sein soll, bezweifelt aber doch die Wahrheit der ihm gewordenen Angabe und hält es für wahrscheinlich, daß die Salangane den Baustoff zu ihren Nestern aus ihrem Leibe von sich gebe, wogegen Poivre seiner Zeit Buffon versicherte, daß er das Meer zwischen Java und Cochinchina und zwischen Sumatra und Neuguinea mit einer Masse bedeckt gefunden habe, welche auf dem Wasser schwimme, wie halb aufgeweichter Leim aussehe und von den Schwalben aufgenommen werde. Erst Raffles kommt wieder auf Rumphs Ansicht zurück und hält den Baustoff für eine Absonderung der Schwalbe selbst, welche zuweilen mit solcher Anstrengung ausgebrochen werde, daß sich Blut mit ihm vermische. Home besichtigte darauf hin den Magen der Salangane und fand namentlich die Ausführungsgänge der Magendrüsen ganz eigenthümlich gestaltet, die Mündung derselben röhrenförmig und verlängert, in mehrere Lappen wie eine Blume zertheilt. Diese Lappen, meint Home, sollen den Schleim zu dem Neste absondern. Marsden untersuchte den Stoff der Nester und fand, daß er ein Mittelding zwischen Gallerte und Eiweiß ist. Er widersteht geraume Zeit den Einwirkungen des heißen Wassers, quillt nach einigen Stunden auf und wird beim Trocknen wieder hart, aber spröde, weil etwas Gallerte im Wasser bleibt. Auf die übrigen Angaben brauchen wir hier nicht weiter einzugehen: sie sind sämmtlich mehr oder minder Muthmaßungen von geringem Werthe. Durch Bernsteins umfassende Beobachtungen wissen wir jetzt genau, aus welchem Stoffe die eßbaren Schwalbennester bestehen.

»Es darf uns gar nicht Wundern«, sagt dieser ausgezeichnete Forscher, »daß so höchst verschiedene Ansichten über den Stoff der eßbaren Nester bestanden; denn so lange man den Angaben der unwissenden und abergläubischen Eingeborenen unbedingten Glauben schenkte und ihre Aussagen als wahr annahm oder sich durch die äußere Aehnlichkeit jener Nester mit anderen ganz verschiedenen Stoffen zu voreiligen Schlußfolgerungen verleiten ließ, durfte man kaum hoffen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Nur durch eigene, vorurtheilsfreie Beobachtung der Vögel an ihren Brutplätzen konnte man zum Ziele gelangen. Dies ist jedoch mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden, da diese Thiere in dunklen, kaum zugänglichen Höhlen nisten, in denen es oft schwer fällt, die nächsten Gegenstände deutlich zu unterscheiden wie vielmehr erst die äußerst beweglichen Vögel zu beobachten. Dies gilt jedoch nur von der Salangane im engeren Sinne. Viel leichter ist es, eine andere Art zu beobachten, welche auf Java einheimisch ist und dort Kusappi genannt wird, da sie ihre Nester an besser zugänglichen Stellen anlegt, entweder in den vorderen, helleren Theilen der Höhlen, welche auch durch die Salanganen bewohnt werden, oder auch an ganz freien Stellen, an überhängenden Felswänden und dergleichen. Mehrere Male war ich so glücklich, diese Art bei der Anlage ihres Nestes genau beobachten zu können, während es mir bei der Salangane aus den oben angeführten Gründen seltener und nie so vollkommen glückte.

»Die eßbaren Nester sind ihrer äußeren Gestalt nach schon lange bekannt, und mehrere der älteren Schriftsteller haben gute und genaue Beschreibungen derselben gegeben. Sie haben im allgemeinen die Gestalt des Viertels einer Eischale, wenn man sich diese ihrem Längsdurchmesser nach in vier gleiche Theile zerfällt denkt. Von oben sind sie offen, während der Felsen, an welchem sie befestigt sind, zugleich die hintere Wand des Nestes bildet. Dieses selbst ist äußerst dünn; doch breitet sich sein oberer, freier Rand nach hinten, da, wo er sich an den Felsen anlegt, auf beiden Seiten in einen flügelförmigen Anhang von verschiedener Stärke aus, welcher, indem er mit breiter, platter Grundlage mit dem Gesteine verbunden ist, die hauptsächlichste Stütze für das Nest selbst bildet. Letzteres besteht aus einem, bei der erwähnten Dünnheit der Nestwände meistens durchscheinenden, weißlich oder bräunlich gefärbten, leimartigen Stoffe, in welchem man schon bei oberflächlicher Betrachtung deutliche Querstreifung wahrnimmt. Die Querstreifen verlaufen wellenförmig, mehr oder weniger in gleicher Richtung mit einander und sind offenbar durch das schichtenweise Auftragen der Neststoffe entstanden. Sie sind die einzige Spur eines Gefüges, welche man an diesen Nestern bemerken kann. Die dunkleren, bräunlichen, im Handel wenig geschätzten Nester halte ich für ältere, in denen Vögel ausgebrütet und aufgezogen worden sind, die weißen, theueren dagegen für neu angelegte. Andere glauben sie zwei verschiedenen Vögelarten zuschreiben zu müssen; da ich noch keinen aus einem braunen Neste gefangenen Vogel habe bekommen können, vermag ich die Sache nicht zu entscheiden. Die vielfältigen Uebergänge von ganz braunen zu völlig weißen Nestern sowie ihr vollkommen gleicher Bau sprechen für eine Art. Manche Nester zeigen, zumal an ihrer inneren Seite, eine zellen- oder maschenähnliche Bildung, welche offenbar eine Folge ist der beim Verdunsten des ursprünglich feuchten Stoffes eintretenden Verdickung und Zusammenziehung derselben. Endlich finden sich noch hier und da einzelne kleine Federn als zufällige Beimengung in und an den Neststoffen.

»In dieses Nest nun legt der Vogel, ohne weitere Unterlage, seine beiden glänzend weißen, ziemlich langen und spitzigen Eier. Bisweilen findet man auch deren drei; doch ist zwei wohl die gewöhnliche Anzahl. Ihr Längendurchmesser beträgt etwa zwanzig, ihr Querdurchmesser vierzehn Millimeter.

»Das Nest des Kusappi ( Collocalia fuciphaga) ähnelt in seiner äußeren Gestalt dem der Salangane vollkommen, unterscheidet sich von demselben jedoch wesentlich dadurch, daß es hauptsächlich aus Pflanzenstengeln und dergleichen besteht, und daß jene eigenthümliche, leim- oder hornartige Masse nur dazu dient, jene Stoffe untereinander zu verbinden und das ganze Nest an seinem Standorte zu befestigen. Daher findet sich dieselbe in größerer Menge an den hinteren Theilen des Nestes, zumal an den erwähnten flügel- oder armförmigen Fortsätzen des oberen, freien Randes. Diese finden sich übrigens weniger regelmäßig, als bei den Nestern der anderen javanischen Art, und fehlen bisweilen gänzlich, besonders wenn der übrige Baustoff ein festerer, einer Unterstützung weniger bedürftiger ist. Ich besitze eine ziemlich bedeutende Anzahl Nester dieser Vögel, welche unter dem Dachstuhle eines öffentlichen Gebäudes in Batavia gefunden wurden. Sie sind durchgängig aus feinen, sehr schmiegsamen Blumenstengeln, Pferdehaaren und einzelnen Grashalmen erbaut, welche Stoffe beinahe in gleicher Richtung auf- und übereinander liegen, ohne unter sich, wie bei den Nestern anderer Vögel, verflochten zu sein. Hier hatte das Thier also ein Bindemittel nöthig, und daher sind die genannten Baustoffe mit jener mehrerwähnten leim- oder hornähnlichen Masse überzogen und verbunden, ja, dieselbe findet sich in größerer Menge an den hinteren Theilen des Nestes. Drei andere Nester fand ich an einer überhängenden Felswand. Sie waren aus anderen Pflanzenstoffen, welche sich leicht untereinander verbinden und verflechten lassen. Daher machte der Vogel in diesem Falle auch nur selten von jener Leimmasse Gebrauch; ich fand sie hauptsächlich nur am hinteren Theile des Nestes angewendet: die Pflanzenstoffe waren nur mit dem Leime an die Felsen angeheftet oder höchstens dünn überzogen worden.«

Bernstein kommt nun auf die alten Sagen zurück und erzählt, daß er wiederholt Kusappis beobachtete, während sie sich mit dem Nestbaue beschäftigten, andere eine Zeitlang lebend unterhielt und andere zergliederte und so das Ergebnis gewonnen, daß jener leimartige Stoff nichts anderes ist, als eine Absonderung des Vogels selbst. In einer seiner früheren Mittheilungen hat er bereits auf die auffallende Entwickelung der Speicheldrüsen, namentlich der Unterzungendrüsen, aufmerksam gemacht und die Vermuthung ausgesprochen, daß sie es sein möchten, welche den Nestschleim absondern. Hiervon hat er sich seitdem überzeugt und zugleich auch gefunden, daß die genannten Drüsen nur während der Brutzeit zu zwei großen Wülsten anschwellen, schon während des Eierlegens aber wieder zusammenschrumpfen und dann wenig größer erscheinen als dieselben Drüsen bei anderen Vögeln. »Gedachte Drüsen also scheiden in reichlicher Menge einen dicken, zähen Schleim ab, welcher sich im vorderen Theile des Mundes, in der Nähe der Ausführungsgänge der genannten Drüsen unterhalb der Zunge ansammelt. Dieser Schleim, der eigentliche Speichel, hat viele Aehnlichkeit mit einer gesättigten Lösung von arabischem Gummi und ist gleich diesem so zähe, daß man ihn in ziemlich langen Fäden aus dem Munde herausziehen kann. Bringt man das Ende eines solchen Schleimfadens an die Spitze eines Hölzchens und dreht dieses langsam um seine Axe, so läßt sich auf diese Weise die ganze Masse des augenblicklich vorhandenen Speichels aus dem Munde und selbst aus den Ausführungsgängen der genannten Drüsen herausziehen. An der Luft trocknet er bald ein und ist dann in nichts von jenem eigenthümlichen Neststoffe verschieden. Auch unter dem Vergrößerungsglase verhält er sich wie dieser. Zwischen Papierstreifen gebracht, klebt er dieselben wie arabisches Gummi zusammen. Ebenso kann man Grashalme damit überziehen und dann zusammenkleben.

»Wenn nun die Vögel mit der Anlage ihres Nestes beginnen wollen, so fliegen sie, wie ich öfters beobachtet habe, wiederholt gegen die hierzu gewählte Stelle an und drücken hierbei mit der Spitze der Zunge ihren Speichel an das Gestein. Dies thun sie oft zehn- bis zwanzigmal hintereinander, ohne sich inzwischen mehr als einige Meter weit zu entfernen. Mithin holen sie den Baustoff nicht jedesmal erst herbei, sondern haben ihn in größerer, sich schnell wieder ansammelnder Menge bei sich. So beschreiben sie zunächst eine Halbkreis- oder hufeisenförmige Form an der erwählten Stelle. Die anfangs dickflüssige Masse verdunstet bald und bildet nun eine feste Grundlage für das weiter zu bauende Nest. Der Kusappi bedient sich hierzu, wie erwähnt, verschiedener Pflanzentheile, welche er mehr oder weniger mit seinem Speichel überzieht und verbindet, die Salangane hingegen fährt mit dem Auftragen ihres Speichels allein fort. Sie klammert sich dann, je mehr der Nestbau fortschreitet, an dasselbe an und indem sie unter abwechselnden Seitenbewegungen des Kopfes den Speichel auf den Rand des schon bestehenden und verhärteten Nesttheiles aufträgt, entstehen jene oben erwähnten wellenförmigen Querstreifen. Bei dieser Gelegenheit mögen dann wohl auch die einzelnen kleinen Federn, welche wir an den Nestern finden, an dem halb eingetrockneten Speichel kleben bleiben und als zufällige Bestandtheile dem Neststoffe beigefügt werden. Auch mag wohl der Reiz, den die angeschwollenen Drüsen verursachen, die Thiere veranlassen, sich der Absonderung derselben durch Drücken und Reiben zu entledigen. Hierbei kann es denn bisweilen geschehen, daß diese Theile wund gerieben werden und somit Veranlassung gegeben wird zum Austritte einiger Blutstropfen: diesem Umstande dürften wohl die kleinen Blutspuren, welche man bisweilen an den Nestern wahrnimmt, ihre Entstehung verdanken. Uebrigens muß ich noch erwähnen, daß die Absonderung des Speichels sowie vieler Drüsen in geradem Verhältnisse zur Menge der aufgenommenen Nahrung steht. Wenn ich meine einige Tage lebend unterhaltenen Vögel gut gefüttert hatte, trat alsbald reichliche Speichelabscheidung ein, welche hingegen sehr gering war, wenn die Thiere einige Stunden gehungert hatten. Und hiermit stimmen andere Beobachtungen überein, zumal der Umstand, daß zu manchen Zeiten die Vögel ihre Nester schneller bauen und diese größer und schöner sind als zu anderen. Im ersteren Falle hatten die Thiere höchst wahrscheinlich Ueberfluß an Nahrung, im letzteren Mangel.«

Solchen Beobachtungen gegenüber bedarf es weiterer Auslassungen nicht. Wir wissen jetzt ganz genau, welchen Stoff die Gutschmecker verzehren, wenn sie die berühmten indischen Vogelnester zu sich nehmen.

Nicht so ausführlich sind wir über das Leben der Schwalbe selbst unterrichtet. Die eingehendste Beschreibung verdanken wir Junghuhn; doch schildert auch er uns weniger den Vogel selbst als seine Aufenthaltsorte. »Die schroff gesenkten Mauern der Südküste von Java«, sagt er, »bieten einen malerischen Anblick dar. Das üppigste Waldgebüsch hat sich bis zur äußersten Grenze des Landes vorgedrängt; ja, Pandanen wurzeln noch an den schroffen Wänden selbst oder blicken zu tausenden vom Rande der Felsmauern in geeigneter Stellung hinab. Unten am Fuße der Mauer ist die Brandung des dort sehr tiefen Meeres thätig und hat im Verlaufe von Jahrtausenden weit überhängende Buchten im Kalkfelsen gebildet. Hier ist es, wo die Salangane gefunden wird. Dort wo die Brandung am stärksten tobt, wo das Meer Höhlen ausgewaschen hat, sieht man ganze Schwärme dieser kleinen Vögel hin- und herschwirren. Sie fliegen absichtlich durch den dichtesten Wellenschaum, welcher an den Felsen zerschellt, und finden in dieser zerstiebenden Brandung offenbar ihre Nahrung, wahrscheinlich ganz kleine Seethiere oder Reste von solchen, welche die Brandung an den Klippen zerstückelt hat und emporschleudert. Begibt man sich auf das hervorragende Felsenvorgebirge östlich von Rongkap und setzt sich am Rande der Felsenmauer hin, so erblickt man am Fuße der diesseitigen Wand den Eingang zur Höhle. Folgt man dann mit seinen Blicken dem Spiele des Meeres, welches unaufhörlich auf- und niederwogt, so gewahrt man, wie die Oeffnung der Höhle oft ganz unter Wasser verborgen ist, bald wieder offen steht, und wie im letzteren Falle die Schwalben mit Blitzesschnelle aus- und einziehen. Ihre Nester kleben an dem Felsen tief im Inneren, an der hochgewölbten, finsteren Decke der Höhle. Sie wissen den rechten Augenblick, an welchem der enge Eingang zur Höhle gerade offen steht, geschickt zu benutzen, ehe ein neuer Berg von Wasser ihn verschließt. So oft eine größere Woge sich heranwälzt, tritt das Meer mit dumpfem Donner in die Höhle. Die Oeffnung ist dann ganz geschlossen; die Luft im Inneren der Höhle wird zusammengepreßt, durch das hineingedrungene Wasser auf einen kleinen Raum zusammengedrängt und übt nun einen Gegendruck aus. Sobald also die Woge hineintritt und die Oberfläche des Meeres am Fuße der Wand wieder anfängt, sich zu einem Thale hinabzusenken, offenbart sich die Ausdehnungsfähigkeit der eingeschlossenen Luft; das hineingedrungene Wasser wird, größtentheils zerstäubt, wieder herausgespritzt, herausgeblasen, kann die noch nicht ganz abgezogene Brandung in wagerechter Richtung bis hundert Meter weit mit Gewalt durchbrechen: und ähnlich wie aus einem losgebrannten Geschütz der Dampf hervorschießt, so fährt nun eine Säule von Wasserstaub laut pfeifend aus der Höhle heraus, welche bald wieder von einer neuen Woge geschlossen wird. Während draußen in einiger Entfernung von der Küste der tief indigoblaue Spiegel des Meeres ruhig und hell glänzend daliegt, hört es hier am Fuße der Felsenmauern nicht auf, zu kochen und zu toben. Hier bricht sich das Sonnenlicht in jeder Welle, welche zu Staub zerpeitscht wird, mit wunderbarer Klarheit; hier sieht man in jeder Säule, welche aus der Höhle geblasen wird, die glänzendsten Regenbogen hingezaubert.

»Eine solche großartige Natur, welche uns merkwürdige Erscheinungen zur Schau gibt, wie zeitweilig fauchende, blasende Höhlen und farbige, verschwindende und wiederkehrende Bogen über der Brandung, eine solche Natur muß nothwendig von überirdischen Wesen belebt sein. Ganz gewiß wohnen hier unsichtbare Geister. Erkundigt man sich bei den Javanen, so vernimmt man, daß die Königin Loro es ist, welche in dieser Höhle wohnt, der Brandung gebietet, ja über die ganze Küste herrscht. Diese Göttin wird von der Bevölkerung in hohen Ehren gehalten. In Rongkap steht oben auf der Küstenmauer in einem Palmenhaine ein schönes aus Palmen gebautes Haus, worin kein Sterblicher wohnt, an welchem niemand vorübergeht, ohne seine Hände zu ehrerbietigem Gruße au das Haupt zu bringen. Man würde des Todes sein, wenn man es wagen wollte, dieses Haus zu betreten. Es gehört der Königin, welcher es zuweilen behagt, dem Busen des Meeres zu entsteigen oder ihre Felsenhöhle zu verlassen und unsichtbar ihren Einzug zu halten in dieses Haus, wo ihr das fromme Volk Hausgeräthe, Betten und schöne Kleider hingelegt hat, deren sie sich nach Belieben bedienen kann. Nur zuweilen begibt sich ein Häuptling der Vogelnestsammler, eine Art Priester, in die Wohnung des Geistes, um sie vom Staube zu reinigen, während Weihrauchdampf als frommes Opfer an der Pforte des Hauses emporsteigt. Kein Laut darf während dieser Zeit seinen Lippen entschallen, ebensowenig auch denen der übrigen Javanen, welche vor der Wohnung geschart in banger Ehrfurcht knieen. Wird zur Zeit der Nesterernte eine Festmahlzeit gehalten, hat man zwischen den Gebüschen vor dem Haufe reinliche Matten auf dem Grasboden ausgebreitet und mit Speisen besetzt, so wird erst die Göttin angerufen, damit sie Platz an der Tafel nehme. Ist das Gebet gesprochen, so werfen sich alle Anwesenden nieder, um der Königin Zeit zu lassen, wie ihr gefallen möchte, von den Speisen zu kosten, und sei es auch nur die nährende Kraft, welche sie aus ihnen saugt. Nachher aber thun an dem übrig gebliebenen, größeren Mahle die Javanen sich gütlich, während im Hintergründe der Gamelan seine harmonischen Töne erklingen läßt und gutherzige Fröhlichkeit das Fest belebt.«

Abgesehen von diesen durch Großartigkeit der Natur und Reichhaltigkeit der Nesternten hervorragenden Siedelplätzen der Salangane kommt diese noch an vielen anderen Orten Javas auch im Inneren des Landes vor. Die eingangs erwähnte Höhle liegt in der Residenz Bagalen, die Siedelung der Schwalbe in der Mitte der Insel in den Kalkbergen der Perangeregentschaft in einer unbedingten Höhe von sechs- bis achthundert Meter, ungefähr gleich weit von der Nord- und Südküste entfernt. Hier werden sechs, zu Karang-Bolong neun Höhlen von den Schwalben bewohnt. Bei der Gedahöhle liegt der Rand der Küstenmauer fünfundzwanzig Meter über dem Spiegel des Meeres zur Ebbezeit, und die Mauer biegt sich eingebuchtet nach innen, bildet jedoch in einer Höhe von acht Meter über dem Meere einen Vorsprung, bis wohin die aus Rotan gefertigte Leiter senkrecht vom Rande herabhängt. Diese Leiter besteht aus zwei seitlichen Rotansträngen, welche im Abstande von fünfzig Centimeter durch Querhölzer mit einander verbunden sind. Die Decke des Einganges der Höhle liegt jedoch nur drei Meter über dem Spiegel des Meeres, welches den Boden des Innenraumes auch zur Ebbezeit in seiner ganzen Ausdehnung bedeckt, während zur Flutzeit die Oeffnung, wie geschildert, von jeder herbeirollenden Woge gänzlich geschlossen wird. Die Sammler der Vogelnester können daher nur zur Ebbezeit und bei sehr stillem, niedrigem Wasser in das Innere des Raumes gelangen. Aber auch dann noch würde dies unmöglich sein, wäre der Felsen am Gewölbe der Höhle nicht von einer Menge von Löchern durchbohrt, zernagt und zerfressen. In diesen Löchern, an den hervorragendsten Zacken, hält sich der stärkste und kühnste der Nestersammler oder, wie man auf Java sagt, der Nesterpflücker, welcher zuerst hineinklettert, fest und bindet Rotanstränge an ihnen an, so daß sie von der Decke anderthalb bis zwei Meter herabhängen. An ihrem Ende werden andere lange Rotanstränge festgeknüpft, welche in einer mehr wagerechten Richtung unter der Decke hinlausen, deren Unebenheiten aus- und absteigend folgen, sich wie eine hängende Brücke durch die ganze über fünfzig Meter breite Höhle hinziehen und im Inneren mit der absteigenden Decke bis zu acht Meter über den Spiegel des Meeres sich erheben. Die Daharhöhle ist bei fünfzehn Meter Breite hundertundfunfzig Meter lang. Ihr Eingang liegt nur vier Meter über dem Spiegel des Meeres, welches auch ihren Boden bedeckt, und steigt im Inneren bis zu zwanzig Meter an. Ehe man zum Pflücken der Vogelnester die Leitern aushängt und auf ihnen hinaussteigt in die grausende Nachbarschaft der schäumenden See, richtet man ein feierliches Gebet zu der erwähnten Göttin, welche an verschiedenen Theilen der Insel verschiedene Namen führt, dem ungeachtet aber keine andere ist, als die Göttin Durga, die Gemahlin des Gottes Schiwa, in den Augen der heutigen Javanen das Sinnbild der Zeugungskraft, Fruchtbarkeit und unerschöpflichen Lebensfülle. Obwohl die heutigen Javanen sich zum Islam bekennen, hat sich die Verehrung dieser Göttin und die Anschauung über sie doch nicht geändert.

Nach den Angaben der ältesten und erfahrensten Nestpflücker und eigenen Beobachtungen konnte Junghuhn über das Leben der Salanganen folgendes mittheilen: Die Vögel wohnen, auch wenn sie nicht brüten, in den geschilderten Höhlen, fliegen aber, wenn sie nicht durch die Sorge um ihre Brut im Inneren festgehalten werden, bei Aufgang der Sonne in gedrängtem Schwarme aus dem Inneren der Höhle und verschwinden, so daß man weder im Gebüsche noch über Bächen und Teichen im Laufe des Tages eine einzige von ihnen erblickt. Erst spät am Abend, wenn die Sonne untergeht und die Fledermäuse sich zum Ausfliegen anschicken, kehrt der ganze Schwarm auf einmal zurück, um des Nachts in der Höhle zu bleiben. Sie fliegen pfeilgeschwind durch die engsten Spalten, ohne anzustoßen, und dies auch, wenn es vollkommen finster ist. Höher gelegene Höhlen theilen sie mit den Fledermäusen, ohne sich gegenseitig zu behelligen. Letztere schlafen bei Tage, zu welcher Zeit die Salanganen die Höhlen verlassen haben, um Nahrung zu suchen, und fliegen, wenn die gefiederten Mitbewohner des Raumes des Abends heimkehren, aus, um erst am folgenden Morgen wieder zurückzukommen, zu welcher Zeit dann von neuem die Salanganen ausziehen. So sind diese verschiedenen Thiere doch nicht gleichzeitig bei einander und stören einander nicht. Die eine Hälfte fliegt jederzeit aus, wenn die andere einfliegt, und kehrt zurück, wenn sie von der anderen Schar verlassen wird. Nur wenige Nestersammler haben erkannt, daß die Salanganen wie ihre Verwandten auch, von kleinen Kerbthieren, insbesondere von Mücken leben; die meisten nehmen im Gegentheile verschiedene Seethiere und Theile derselben als die Beute an, welcher die Salanganen nachstreben, glauben daher auch, daß die im Inneren der Insel brütenden Vögel tagtäglich mindestens zweimal je siebzig Kilometer zurücklegen müßten, um von ihrer Bruthöhle zum Meere und wieder zum Neste zu gelangen. Junghuhn scheint die Ansicht der Eingeborenen zu der seinigen zu machen, gibt wenigstens ihre Auslassung ohne alle Nebenbemerkung wieder, obgleich er von der theilweisen Unrichtigkeit derselben von vornherein überzeugt sein konnte. In den Bandongschen Höhlen brüten die Vögel nach Versicherung der Pflücker viermal im Laufe des Jahres, und während der Brutdauer bleibt stets die Hälfte von ihnen in der Höhle. Männchen und Weibchen sollen sich im Brüten sechsstündlich ablösen und alle Paare bis auf einen Unterschied von zehn Tagen zu gleicher Zeit ihrem Brutgeschäfte obliegen. Niemals machen die Salanganen von einem Neste zweimal Gebrauch, bauen vielmehr bei jedesmaligem Eierlegen ein neues Nest, obgleich sie an ihm einen ganzen Monat lang arbeiten müssen. Das alte Nest wird stinkend und fällt ab.

Man erntet drei- oder viermal im Jahre, in den Bandongschen Höhlen das erstemal im April oder Mai, das zweitemal im Juli oder August, das drittemal im November oder December. Beim Beginne des Einsammelns der Nester sind die Jungen erst aus der Hälfte der Nester ausgeflogen. In der anderen Hälfte findet man theils noch unflügge Junge, theils Eier. Erstere werden gegessen, letztere weggeworfen; die Hälfte der jungen Brut geht also bei jeder Ernte verloren. Gleichwohl vermindert sich die Anzahl der Salanganen nicht, ebensowenig wie sie sich da vermehrt, wo man im Jahre nur dreimal erntet und eine Brut ausfliegen läßt. In den Bandongschen Höhlen gilt die erste Ernte als die schlechteste, die zweite als die beste, die dritte als eine ziemlich gute. Die Ernte beginnt, wenn die Mehrzahl der Nester Junge zeigt, welche bereits mit Stoppeln versehen sind. Bis zu dieser Zeit, welche man die der Reife nennt, begeben sich einige Pflücker jeden Tag in die Höhle, um nachzusehen, in welchem Zustande die Nester mit ihrem Inhalte sich befinden. Diejenigen Nester, in denen Junge mit keimenden Federn liegen, sind die besten und bilden Waare erster, die Nester mit noch ganz nackten Jungen solche zweiter und die Nester mit Eiern endlich solche dritter Güte. Nester mit flüggen Jungen sind schwarz und unbrauchbar.

Die sechs Bandongschen Höhlen liefern jährlich im Durchschnitte dreizehntausendfünfhundertundzwanzig oder jedesmal dreitausenddreihundertundachtzig Nester, werden also von sechstausendsiebenhundertundsechzig Vögeln bewohnt. Die Anzahl der Nester, welche man zu Karang-Bolong erntet, beläuft sich auf fünfhunderttausend, und wenn man diese auf drei Ernten vertheilt, so ergibt sich, daß mehr als dreiunddreißigtausend Salanganen in der Höhle von Karang-Bolong wohnen müssen. Einhundert Nester liefern durchschnittlich einen Kati, und hundert Katis bilden einen Pikol oder fünfhundert Kilogramm. Solcher Pikols erntet man jährlich neunundvierzig bis fünfzig. Die Chinesen bezahlen für den Pikol Nester vier- bis fünftausend Gulden oder einen Gulden für zwei bis zweieinhalb Nester, so daß die jährlichen Einkünfte, abgerechnet zehntausend Gulden Unkosten, ungefähr vierundzwanzigtausend Gulden betragen. Diese Angaben wurden von Junghuhn im Jahre 1847 aus den Mittheilungen verschiedener Pflücker, insbesondere aber aus den Berichten des Aufsehers der Vogelnesthöhlen in Karang-Bolong geschöpft. Hier bilden die Nestpflücker gleichsam eine besondere Kaste, deren Geschäft vom Vater auf den Sohn erbt.

Alle übrigen mir bekannten Berichte neuerer Beobachter geben ebensowenig wie die Junghuhns ein klares Lebensbild der Salangane.

»Im Jahre 1846, Ende December«, erzählt Jerdon, »besuchte ich eine der Höhlen am Ende der Taubeninsel bei Honore und erfuhr durch einen Eingeborenen, welcher uns zu der Höhle geführt hatte, daß die jetzt nicht brütenden Vögel abends zwischen acht und neun Uhr ankommen würden. Wir beauftragten ihn, diese Zeit abzuwarten und einige von den Thieren für uns zu fangen. Er kehrte am folgenden Morgen zu uns zurück und brachte uns mehrere lebende Salanganen, welche er im Neste gefangen hatte, wie er sagte, erst um neun Uhr abends. Die Vögel mußten also aus großer Ferne herbeigekommen sein, da sie drei volle Stunden nach Sonnenuntergang unterwegs gewesen waren. In einer anderen Höhle, welche ich später, im März, besuchte, fand ich ungefähr fünfzig bis hundert Nester und in einigen von ihnen Eier. Wenige dieser Nester waren alt, die meisten frisch gebaut. Etwa zwanzig Paare der Vögel mochten vorhanden sein. Bei Darjiling erscheint die Salangane zuweilen in großen Massen, nach Tickels Angabe im August als Zugvogel, welcher in südwestlicher Richtung dahinstreicht. Ich habe sie aber auch noch im Oktober und ebenso zu anderen Zeiten gesehen, immer in zahlreichen Schwärmen, welche sich über einen beträchtlichen Theil des Bodens vertheilten und hier mit großer Schnelligkeit hin- und herflogen.«

Außer auf Java erntet man auch an verschiedenen anderen Plätzen, eigentlich im ganzen indischen Inselmeere, Salanganennester, so daß den Schätzungen der Reisenden zufolge alljährlich Millionen von ihnen nach China ausgeführt werden und der Gesammtwerth der Ausbeute ungefähr sechs Millionen Mark beträgt.


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