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Erste Reihe. Die Hochvögel.

Erste Ordnung.
Die Papageien (Psittacini)


[Allgemeines]

Die Papageien sind befiederte Affen. Dies findet nicht bloß der Laie heraus, sondern muß auch der Forscher anerkennen. Wenn es irgendwie zulässig ist, gewisse Thiere einer Klasse mit denen einer anderen zu vergleichen, ist die Berechtigung obiger Worte erwiesen. Ich halte einen derartigen Vergleich für zulässig, will aber keineswegs durch ihn rechtfertigen, daß ich gerade die Papageien als die höchststehenden Vögel betrachte. Sie rechtfertigen solche Stellung durch sich selbst.

Mit Ausnahme von Lacépède, Illiger, Blainville, Bonaparte, Kaup, Carus, Wallace und anderen Naturforschern glauben die übrigen Vogelkundigen in den Papageien Vögel zu erkennen, denen ein nur untergeordneter Rang innerhalb der Klasse zugestanden werden darf. Sie haben sich beeinflussen lassen durch ein einziges Merkmal, welches andere, wirklich wenig begabte Klassenmitglieder mit den Papageien theilen: durch den Fußbau. Papageien, Spechte, Kukuke, Pfefferfresser, Nageschnäbel, Bart- und Glanzvögel nämlich sind: » Paarzeher«, d. h. solche, bei denen zwei Zehen des Fußes nach vorn, die beiden anderen nach hinten gerichtet sind. Ich bin weit entfernt, die Bedeutung des Kletterfußes wegleugnen zu wollen, kann mich jedoch nicht einverstanden erklären, daß er als hervorragendes Ordnungsmerkmal aufgefaßt werden soll. Man wird, glaube ich, diese Bedeutung nicht unterschätzen, vielmehr dem wahren Werthe nach würdigen, wenn man den Kletterfuß der Vögel mit dem Wickelschwanze der Säugethiere vergleicht. Diesem Befestigungswerkzeug entspricht der paarzehige Vogelfuß. Er befähigt seinen Inhaber zu einem vollkommeneren Baumleben in dieser oder jener Hinsicht, erleichtert oder ermöglicht festes Anklammern an das Gezweige, an die Aeste oder an den Stamm der Bäume, beschränkt sich aber, wie der Wickelschwanz auch, keineswegs auf die nächsten Verwandten, sondern begabt verschiedenartige Baumvögel in einer ihrem Leben zweckdienlichen Weise. Uebrigens ist dieser Klammerfuß durchaus nicht so gleichartig gebaut, als gewöhnlich angenommen wird, sondern kaum minder verschieden, als die Vögel selbst es sind. Der Papageifuß zumal weicht von dem paarzehigen Fuße anderer »Klettervögel« wesentlich ab, hauptsächlich wegen der eigenthümlichen Entwickelung des Mittelfußknochens, welcher mehr, als bei jedem anderen Vogel handartig gebildet ist.

Solche Anschauung zieht zwischen Papageien und anderen Paarzehern oder Klettervögeln weitere Grenzen, als die es sind, welche man zur Trennung verschiedener Familien anzunehmen pflegt. Die Papageien bilden daher eine Ordnung, und diese muß als eine in sich abgeschlossene, nach außen hin scharf begrenzte aufgefaßt werden.

Das wesentlichste Merkmal der Papageien oder Sittiche ist der Schnabel, welcher mit keinem anderen Vogelschnabel verwechselt werden kann, so groß auch seine Ähnlichkeit mit diesem oder jenem erscheinen will. Staude, einer von den vielen, welche versucht haben, ein natürliches System der Vögel aufzustellen, nennt die Papageien » Kugelschnäbler« ( Globirostres), und dieser Name ist durchaus nicht schlecht gewählt. Bei der ersten oberflächlichen Betrachtung scheint der Papageischnabel dem der Raubvögel zu ähneln; er ist jedoch bedeutend dicker und stärker, verhältnismäßig höher und im ganzen übereinstimmender geformt. Beachtenswerth ist das Vorkommen einer Wachshaut, d. h. einer unbefiederten, aber auch nicht hornigen, durch ihren Namen bezeichneten Stelle, welche wie ein Sattel auf der Wurzel des Oberschnabels liegt, und außer den Papageien nur noch den Raubvögeln zugesprochen werden kann. Als hervorragendste Eigenthümlichkeit des Papageischnabels sieht Finsch mit Recht das Verhältnis seiner Höhe zur Länge an: erstere, welche an der Wurzel die Breite meist um das doppelte übertrifft, ist wenig geringer als die Länge, zuweilen sogar größer. Ueber den Bau dieses Schnabels mag uns Burmeister belehren. »Auf dem Oberschnabel der Papageien bemerkt man einen, wenn auch nur schmalen, so doch scharf abgesetzten Rückenstreifen, von welchem nach beiden Seiten die mäßig gewölbten Flächen dachartig herablaufen. Hinten verlieren sie sich in die kurze, besonders unter dem Nasenloche mit steifen Borstenfedern sparsam bedeckte Wachshaut, welche gegen den Mundwinkel hin sich zurückzieht. Das Nasenloch liegt nach oben in der Wachshaut, ist kreisrund und von einem aufgeworfenen Rande umgeben. Die Mundränder des Oberschnabels haben gewöhnlich einen stumpfen, aber starken, zahnartigen Vorsprung in der Mitte, welcher nach vorn schärfer abgesetzt ist als nach hinten. Die hakige Spitze ist sehr lang und auf der unteren leicht vertieften Fläche feilenartig gestreift. Der beträchtlich kürzere Unterschnabel hat ein dickes, korbartiges Ansehen, ist nur wenig niedriger oder selbst höher als der obere und in der Mitte häufig mit einer schwachen Längskante versehen, welche den Kinnwinkel anzeigt. Neben ihr verlaufen in ziemlichem Abstande noch zwei Seitenkanten, welche etwas vorwärts sich vereinigen und die breite, hohe und scharfe Endschneide des Unterschnabels abgrenzen. Vor derselben ist der Mundrand beiderseits, dem Zahne des Oberschnabels entsprechend, tief ausgebuchtet und wird von da nach hinten allmählich höher. Die Seiten des Unterschnabels sind mehr oder weniger gewölbt.« Finsch hebt noch hervor, daß die vordere Hälfte der unteren Seite des Oberschnabels von der hinteren rechtwinkelig abgesetzt ist.

Nicht minder bezeichnend ist der Bau anderer Gliedmaßen und des inneren Leibes der Papageien. »Die Beine«, fährt Burmeister fort, »sind dick, stark, fleischig, aber nie hoch; der Lauf ist viel kürzer als die Mittelzehe und stets nur mit kleinen Schuppentäfelchen bekleidet. Die ziemlich langen Zehen, deren äußere und innere nach hinten gewendet sind, haben eine starke Sohle, aber nur an der Spitze einen besonderen Ballen; sie sind auf der Oberseite wie der Lauf bedeckt; doch werden die Schuppen gegen die Spitze hin allmählich größer und gehen auf dem letzten Gliede vor der Kralle in kurze Tafel- oder Gürtelschilder über. Die Krallen sind nicht lang, aber stark gebogen und ziemlich spitzig, jedoch nie kräftig. Der innere Vorderfinger hat gewöhnlich die kleinste Kralle, und die des Daumens pflegt nicht viel größer zu sein; die größte sitzt an dem vorderen Außenfinger; doch steht ihr die Kralle des hinteren Außenfingers nur wenig nach.« Die Flugwerkzeuge sind, laut Finsch, durchgehends wohl entwickelt, die Flügel groß und spitzig, die Schwungfedern, deren Anzahl zwischen neunzehn und zweiundzwanzig schwankt, meist aber zwanzig beträgt, und unter denen die zweite oder diese mit der dritten, auch wohl die drei ersten, die dritte und vierte, ausnahmsweise selbst die sechste und siebente die anderen überragen, durch derbe Schäfte und breite Fahnen ausgezeichnet, am Ende verschmälert oder ab- und zugerundet; die Flügelspitze beträgt meist ebensoviel wie die Länge des Oberflügels oder etwas mehr; am Eckflügel stehen stets vier Federn. Die zwölf Schwanzfedern ändern hinsichtlich ihrer Gestaltung wie ihrer Länge vielfach ab, und die Gestalt des Schwanzes ist demgemäß eine sehr verschiedene.

Das Kleingefieder der Papageien besteht aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl, daher zerstreut stehender Außenfedern, welche an der Außenseite einen großen Afterschaft zeigen, und Dunen dazwischen. Erstere bilden deutlich begrenzte, jedoch mannigfach abändernde Fluren: die Rückgratflur gabelt sich meist in der Höhe der Schulterblätter, die Unterflur höher oder tiefer am Halse; die Schulterflur pflegt doppelt vorhanden zu sein. Letztere finden sich am Kopfe und Halse, auch auf den Rainen zwischen den Fluren und »schütten«, wie Nitsch glaubt, fortwährend einen weißen oder bläulichen Staub aus dem oberen offenen Ende des Balges, welcher den Schaft umgibt, auf die Außenfedern. Diese Ansicht steht mit meinen Beobachtungen im Widerspruche; denn diese lassen mich annehmen, daß besagter Staub, welcher leicht abgestreift werden kann, von den Außenfedern selbst herrührt. Bemerken will ich noch, daß die Befiederung oft gewisse Stellen, namentlich Wangen und Augengegend freiläßt. Die Färbung des Gefieders muß bei aller Verschiedenheit im einzelnen als eine für die Glieder der Ordnung sehr übereinstimmende bezeichnet werden. Ein mehr oder minder prächtiges Blattgrün ist vorherrschend; doch gibt es ebenso hyacinthblaue, purpurrothe, goldgelbe und düsterfarbige Papageien. Bezeichnend ist die Vertheilung der Farben auf dem Papageigefieder: das Vorhandensein von Farbenfeldern, wie wir es vielleicht nennen können, das häufige Vorkommen von Ergänzungs- oder Gegenfarben auf Ober- und Unterseite (Bläulichviolett, Dunkelblau, Hellblau, Grün oben, Hellgelb, Orangegelb, Zinnoberroth, Purpur unten), welches sich sogar auf ein und derselben Schwung- oder Steuerfeder ausspricht, nicht minder eigenthümlich das Verdecktsein brennender Farben durch weniger lebhafte, wie sich dies z. B. bei einzelnen Kakadus zeigt, deren zinnoberrothe oder gelbe Federwurzeln und Dunen wegen der weißen Federspitzen kaum zur Anschauung kommen. Beide Geschlechter sind meist, aber keineswegs immer, gleich gefärbt, die jungen Vögel in der Regel wenig, ausnahmsweise jedoch erheblich von den alten verschieden.

Der innere Bau der Papageien ist ebenfalls sehr beachtenswerth und bietet besonders im Knochengerüste manche Eigenthümlichkeiten dar. Der verhältnismäßig auffallend große Schädel ist, laut Finsch, auf seiner Oberseite breit und abgeflacht und hinten gerundet, zeigt aber Besonderheiten, welche in der ganzen Klasse nicht wieder gefunden werden. Hierher gehören: die beispiellose Einlenkung des Unterkiefers in dem Quadratbeine, indem der in die Länge gezogene Gelenkknopf des Quadratbeines in einer ebenfalls der Länge nach stehenden Pfanne gelenkt, die Verbindung des Oberkiefers mit dem Stirnbeine, welche, obwohl sie nur aus Bandmasse besteht, ein förmliches Gelenk darstellt, die auffallende Höhe und Länge der Unterkieferäste, welche das Hinterhaupt öfters überragen, die außergewöhnliche Größe der senkrecht stehenden, breiten, plattenähnlichen Gaumenbeine, welche vorn gelenkartig mit dem Oberkiefer verbunden sind, und die Beweglichkeit der Kiefer. Der knöcherne Augenhöhlenrand ist bei vielen, jedoch nicht bei allen Arten vollkommen geschlossen. Die Wirbelsäule besteht aus elf bis zwölf Hals-, sieben bis neun Rücken-, fünf bis sechs Kreuzbein und acht bis neun Schwanzwirbeln; die Anzahl der Rippenpaare beträgt acht bis neun. Das Brustbein fällt auf durch hohen, aber schmalen Kamm, bedeutende Länge bei fast gleichmäßiger Breite und abgerundeten hinteren Theil, ohne Ausschnitte oder Ausbuchtungen; das Kreuzbein ist flach, das Becken lang und auf der Oberfläche gerundet. Das Gabelbein fehlt nicht selten und ist, wenn es vorkommt, stets schwach entwickelt, das Hakenschlüsselbein stark und kurz, das Schulterbein flach und mäßig breit. Das Rabenbein zeichnet sich durch Geradheit, Rundung, Dicke und Verbreiterung des oberen Endes aus; der Oberarm ist stets kürzer als der untere, die Speiche sehr dünn und gerade, die Elle nach hinten und außen gekrümmt, der obere Handwurzelknochen abgeplattet, der untere innen wulstig gerandet, die Mittelhand durch ihre Länge, der Mittelfinger durch seine Breite ausgezeichnet. An den Beinen macht sich die Länge des Schienbeines und die auffallende Kürze des Mittelfußknochens oder Laufes besonders geltend; unter den Zehen ist die äußere die längste, die mittlere die zweitlängste.

Unter den Weichtheilen verdient namentlich die Zunge besonderer Erwähnung, weil sie sich nicht allein durch Kürze, Dicke und Weichheit, sondern zuweilen auch durch zahllose fadenförmige, ihre Spitze besetzende Wärzchen auszeichnet. Der Schlund erweitert sich zu einem Kropfe, der drüsige Vormagen ist durch eine glatte Strecke, den Zwischenschlund, vom eigentlichen Magen getrennt und letzterer bloß schlaffwandig, auf der Innenseite fast zottig; die Gallenblase und die Blinddärme fehlen; der Darm ist gewöhnlich mehr als noch einmal so lang als der Leib. Die Bauchspeicheldrüse ist doppelt, die Milz klein, die Niere tief dreilappig. Zu beachten ist ferner das Vorkommen zweier Halsschlagadern, das bisweilige Fehlen der Bürzeldrüse etc. Die Luftröhre hat am unteren Kehlkopfe drei Muskelpaare.

Wir mögen also die Papageien ansehen wie wir wollen, immer werden wir in ihnen eine durchaus selbständige, von den übrigen Klassenverwandten wohl unterschiedene Vogelgruppe erkennen müssen. Eine solche Gruppe aber nennen wir Ordnung, d. h. ein in sich selbst geordnetes Ganzes, welches anderen Abtheilungen füglich nicht eingereiht werden darf. Ob man dieser Ordnung nur eine einzige Familie zuspricht und diese in Unterfamilien zerfällt oder die letzteren zu Familien erhebt, erscheint unwesentlich.

Die selbständige Stellung der Papageien zeigt sich aber nicht bloß in ihrem Leibesbau, sondern auch in ihrem Leben: in ihrem Treiben und Wesen, in ihren Sitten und Gewohnheiten. Wir müssen von vornherein annehmen, daß dieses Leben mit dem Leibesbaue im innigsten Einklange stehen, also ein ebenso eigenthümliches sein muß wie die Gestalt selbst, werden aber durch genauere Betrachtung des Betragens der Papageien Fingerzeige erhalten für den Werth jener Stellung, welche gerade wegen Nichtachtung des Lebens so arg verkannt worden ist.

Im ersten Theile dieses Werkes habe ich die Säugethiere mit Oken als »Allsinnsthiere« bezeichnet und hervorgehoben, daß die Einhelligkeit und gleichmäßige Entwickelung der Sinne eine hohe Stellung bekundet. Wenden wir diese letztere Behauptung auf die Vögel an, so finden wir, daß gerade die Papageien vor ihren Klassenverwandten durch gleichmäßige Entwickelung der Sinne sich auszeichnen. Bei ihnen ist kein einziger Sinn verkümmert, wie sonst so oft bei den Vögeln, kein einziger auf Kosten der übrigen in auffallender Weise entwickelt. Der Falk zeichnet sich aus durch sein alle anderen Sinne überwiegendes Gesicht, die Eule durch dieses und durch ihr in gleicher Weise ausgebildetes Gehör, der Rabe durch seinen scharfen Geruch, die Ente wahrscheinlich durch ihren feinen Geschmack, der Specht durch sein Tastgefühl, viele andere Vögel durch feines Empfindungsvermögen: der Papagei sieht, hört, riecht, schmeckt, fühlt und tastet ungefähr gleich scharf. Hinsichtlich der Entwickelung seines Gesichtes und Gehöres bedarf es keines Beweises: die Ausbildung der übrigen Sinne aber bekundet das Niesen des Papageien nach eingezogenem Rauche, die überraschende Kenntnis wohlschmeckender Waldfrüchte oder einfach ein irgend welchem gezähmten Papagei vorgehaltenes Stück Zucker, die Beobachtung des mit seiner Zunge tastenden Vogels oder endlich eine leise Berührung seines Gefieders. Unzählige Male habe ich mich von dieser Allsinnsthätigkeit unserer Vögel überzeugt; sie ist nicht wegzuleugnen.

Aber noch weniger zu bestreiten ist die rein geistige Entwickelung der Papageien. Das geistige Wesen, nicht die Gestalt dieser Thiere ist es, welches sie als die Affen unter den Vögeln erscheinen läßt. Wir erkennen den Affen im Papagei erst dann, wenn wir diesen geistig geprüft haben. Er hat, auf das Vogelgepräge übertragen, alle Eigenschaften und Leidenschaften des Affen, die guten Seiten desselben wie die schlechten, das Liebenswerthe wie die Unarten. Er ist der klügste Vogel, welchen wir kennen, bleibt aber immer Affe, launenhaft, wetterwendisch. In diesem Augenblicke ist er der liebenswürdigste, angenehmste Gesellschafter, im nächsten Augenblicke ein unerträgliches Geschöpf. Der Papagei ist verständig, acht- und bedachtsam, vorsichtig, listig, unterscheidet sehr scharf, besitzt ein vortreffliches Gedächtnis und erweist sich deshalb der Belehrung in hohem Grade zugänglich, also bildsam; er ist selbstbewußt, stolz, auch muthig, anhänglich, ja hingebend zärtlich gegen geliebte Wesen, treu bis zum Tode, dankbar, mit Bewußtsein dankbar; er läßt sich erziehen, zum folgsamen, artigen Thiere umwandeln – wie der Affe. Aber er ist auch jähzornig, boshaft, tückisch, hinterlistig und vergißt ihm angethane Beleidigungen ebensowenig wie empfangene Wohlthaten; er ist rücksichtslos gegen Schwächere, mit seltenen Ausnahmen lieblos gegen Unbehülfliche oder Unglückliche – wie der Affe. Sein Wesen ist ein Gemisch von allen möglichen Eigenschaften. So große Vielseitigkeit darf nicht unterschätzt werden: sie ist immer ein Beweis der Hochgeistigkeit eines Geschöpfes.

Vorstehender Schilderung ist von beachtenswerther Seite widersprochen worden, und ich habe mich infolge dessen bemüht, so viele Papageien und alle so vorurtheilsfrei zu beobachten, als dies mir möglich war. In der zwischen dem Erscheinen der ersten und der vorliegenden Auflage dieses Werkes liegenden Zeit habe ich wiederum Hunderte von Papageien theils selbst in Gefangenschaft gehalten, theils in ihr gesehen und ihr Wesen zu ergründen gesucht, mich mit frisch eingefangenen und bereits gezähmten oder abgerichteten beschäftigt, das Urtheil anderer Pfleger eingeholt, kurz alles gethan, was ich zu thun vermochte: und das Ergebnis ist, daß ich obige Worte in vollem Umfange aufrecht erhalte.

Gern und willig gestehe ich auch anderen Vögeln hohen Verstand zu; bei keinem einzigen aber vermag ich eine derartige Einhelligkeit der geistigen Begabungen zu erkennen wie bei dem Papagei. Selbstverständlich bin ich nicht blind geblieben gegen Ausnahmen von der Regel. Ich weiß sehr wohl, daß nicht alle Papageien ihr Geistesleben so verständlich äußern wie die hervorragenden Glieder der Ordnung; ebenso ist mir wohl bekannt, daß einzelne Raben, Staare und Kraniche, Falken und Eulen unverkennbare Beweise ausgezeichneten Verstandes geben und wohl mit einzelnen Papageien wetteifern mögen: dieselbe Ausbildungsfähigkeit und Beweglichkeit des Geistes wie die Sittiche insgemein aber besitzen sie nicht, bekunden sie wenigstens nicht in demselben Umfange wie letztere. Das ausdrucksvolle Gebaren der Papageien, ihr lebhaftes Geberdenspiel, die Leichtigkeit der Auffassung, ihre hingebende Zärtlichkeit an den Gatten, den Pfleger, wie ihre trotzige Abwehr dem mißliebigen menschlichen oder thierischen Wesen gegenüber, ihre Gelehrigkeit und Bildsamkeit mögen wohl von einem oder dem anderen Vogel nahezu erreicht, dürften aber von keinem einzigen übertroffen werden.

Da ich sagte, daß man meiner Auffassung widersprochen hat, muß ich jetzt hinzufügen, daß ich auch rückhaltslose Zustimmung gefunden habe. »Verdient die Mehr-, richtiger die Hauptzahl der artenreichen Ordnung der Sittiche den Namen › gefiederte Affen‹«, so schreibt mir Emil Linden, einer unserer kenntnisreichsten Vogelwirte, »so gilt dies besonders hinsichtlich der Nachahmungsgabe, der Drolligkeit, der Art und Weise des Kletterns, des Gedächtnisses, der List und Vorsicht, aber auch der Launenhaftigkeit, Hinterlist, oft sogar Bosheit und Lieblosigkeit, welche gerade die hervorragendsten Arten bethätigen. Von ihrem scharfen Verstande geben mir meine gefangenen Sittiche tagtäglich Beweise, und ich werde nicht verfehlen, solche später, bei Besprechung der einzelnen Arten mitzutheilen. Hier nur eins: ist es nicht ein Beweis für den Verstand dieser trefflichen Vögel, wenn man sieht, wie ein Papagei das ihm gereichte Stückchen Zucker in sein Wassergefäß taucht, weil er gelernt hat, hier harte Bissen zu erweichen, wie er diesmal aber mit ersichtlicher Verwunderung wahrnimmt, daß der Leckerbissen im Wasser sich auflöst, verschwindet, wie er zum zweiten Male solches Mißgeschick niemals über sich ergehen läßt, Brod dagegen nach wie vor einweicht? Mit Recht wendet man Scheitlins Worte an und nennt den Hund ein ›Menschenthier‹; mit demselben Rechte verdienen die Sittiche den Namen ›Menschenvögel‹. Denn die Anhänglichkeit, mit welcher sie ihren Pfleger erfreuen und belohnen, ihr verständnisvolles Eingehen auf die Wünsche des Menschen, ihr Bestreben, mit letzterem Umgang zu pflegen, ist ebenso groß, vielleicht noch größer als beim Hunde, weil der Vogel um eine hohe Staffel tiefer steht als das Säugethier. Mit Ihnen sage ich: ›So große Vielseitigkeit, wie der Sittich sie bethätigt, darf nicht verkannt werden‹«.

Daß ein so befähigter Vogel von seinen leiblichen Begabungen den besten Gebrauch zu machen versteht, läßt sich erwarten. Man hat die Papageien anderen Vögeln gegenüber zurückstellen wollen, weil man bei ihnen die Beweglichkeit vermißt, welche jene theilweise zeigen. Sehr richtig ist, daß ein Falk besser fliegt, ein Specht gewandter klettert, ein Huhn rascher läuft, eine Ente sicherer schwimmt als ein Papagei. Dasselbe ließe sich aber auch zum Nachtheile des Menschen sagen! In Wahrheit sind die Papageien sehr bewegungsfähige Thiere. Die großen Arten fliegen scheinbar schwerfällig auf, dann aber im raschen Zuge dahin, die kleinen Arten dagegen wundervoll, so wundervoll, daß ich getröstet war über einen mir entfliehenden Wellensittich, als ich ihn fliegen gesehen. Wie ein Edelfalk jagte er durch die Luft, wie eine Schwalbe strich er dahin! »Die Araras«, sagt Prinz von Wied, »haben einen langsamen Flug, schlagen schwer mit ihren Flügeln und der lange Schweif liegt wagerecht nach hinten hinaus; die Maracanas und Perekittos fliegen außerordentlich rasch, schnellen kräftig mit den Flügeln, durchschneiden pfeilschnell die Luft. Die eigentlichen Papageien fliegen mäßig langsam und schlagen sehr schnell mit ihren kurzen Flügeln, um den dicken, kurzen, schweren Körper fortzutreiben.« Andere fliegen in Wellen-, wiederum andere in Zickzacklinien; die Kakadus zeichnen sich, wenn sie schwarmweise die Luft durchschneiden, durch wundervolle Schwenkungen aus, und nur der Eulenpapagei soll, obwohl er mit gut entwickelten Flügeln ausgerüstet ist, von letzteren niemals Gebrauch machen.

Viele Papageien scheinen fremd zu sein auf dem Boden und humpeln hier mehr, als sie gehen; es gibt aber auch Erdpapageien, welche ebenso schnell und geschickt laufen wie ein Strandvogel: der australische Erdpapagei wird mit einer Schnepfe verglichen; von einem Graspapagei berichtet Gould, daß er über den Boden dahin renne wie ein Regenpfeifer! Hüpfen im Gezweig fällt den Papageien schwer, keineswegs aber Bewegung im Geäste. Weitere Zwischenräume überfliegen, geringere überklettern sie, und zwar rasch genug, so schwerfällig das bei einzelnen auch aussehen mag. Sie helfen sich mit dem Schnabel und den Füßen fort, andere Vögel beziehentlich mit den Füßen allein: das ist der ganze Unterschied. So viel ist aber sicher, daß sie ihre Glieder wohl zu benutzen wissen, zwei sogar weit umfänglicher als alle übrigen Vögel: ihren Fuß und ihren Schnabel nämlich. Ersterer wird fast zur Hand; sie gebrauchen ihn wenigstens nach Art der Hände. Der Schnabel, welcher bei den meisten Vögeln die Hand vertreten muß, ist bei den Papageien weit beweglicher als bei irgend einem anderen Mitgliede ihrer Klasse, wird auch in vielseitigerer Weise verwendet als von den übrigen Vögeln. Auch der Papagei benutzt seinen Schnabel, um dieses und jenes vom Boden aufzunehmen oder Früchte abzupflücken und aufzuknacken oder Angriffe abzuwehren, außerdem aber, wie das Nagethier seine Schneidezähne, um Holz abzubrechen, zu zerbeißen und zu zerschleißen und endlich noch, um beim Klettern Hülfe zu leisten.

Die Stimme der Papageien ist stark, oft kreischend, aber doch nicht alles Wohlklanges bar, die mancher Arten sehr biegsam und entschieden ausdrucksvoll. Wenn große Arten gesellschaftsweise zusammenleben und gemeinschaftlich schreien, ist es allerdings kaum zum Aushalten für den menschlichen Hörer. »Man muß«, sagt Humboldt, »in den heißen Thälern der Andes gelebt haben, um es für möglich zu halten, daß zuweilen das Geschrei der Araras das Brausen der Bergströme, welche von Fels zu Felsen stürzen, übertönt«. Auch die Kakadus machen sich durch weithintönendes Geschrei bemerklich; das Kreischen einer zahlreichen Gesellschaft von Edelsittichen ist ohrzerreißend; der Lärm, welchen eine Schar von Zwergpapageien verursacht, wird mit dem Getöse einer Sensenschmiede verglichen. Einzelne Arten lassen bellende, andere pfeifende, andere schnurrende, andere leise murrende Laute vernehmen; diese stoßen kurze, helle Schreie, jene quakende Laute, andere gellende Rufe aus. Einige Arten schwatzen ihren Weibchen so allerliebste Liedchen vor, daß man sie zu den Sängern zählen würde, wären sie nicht Papageien; andere Arten lernen mit solcher Reinheit Lieder pfeifen, daß sie einen Gimpel beschämen. Die Begabung der Papageien für Nachahmung menschlicher Laute und Worte ist bekannt. Sie übertreffen hierin alle übrigen Thiere; sie leisten bewunderungswürdiges, unglaubliches; sie plappern nicht, sondern sie sprechen. Man verstehe mich recht: ich meine damit selbstverständlich nicht, daß sie die Bedeutung der von ihnen nachgeahmten Worte verständen oder im Stande wären, Sätze zu erfinden und zu gliedern, sondern behaupte nur, daß sie die ihnen gelehrten Worte bei passender Gelegenheit richtig anwenden, beispielsweise, wenn sie sachgemäß unterrichtet wurden, morgens bei Begrüßung von Bekannten auch geziemend »guten Morgen«, nicht aber »guten Abend« sagen. Sie verbinden also insofern Begriffe mit den von ihnen erlernten Worten und Satzbruchstücken, als sie im Gedächtnisse behalten, bei welcher Gelegenheit oder zu welcher Tageszeit ihnen dieselben gelehrt wurden, und sie bei einer ähnlichen Gelegenheit oder Zeit die betreffenden Worte, für sie offenbar nur Lautgliederungen, wieder gebrauchen. Genau ebenso verfährt ein Kind, welches sprechen lernt; ihm aber kommt mit der Zeit das volle Verständnis der Worte, während dieses dem Papagei wohl für immer versagt bleibt.

Auch hinsichtlich des eben gesagten stimmen Vogelwirte, welche viele Jahre lang Sittiche mit Achtsamkeit und Liebe gepflegt haben, vollständig mit mir überein. »Nicht immer«, bemerkt Linden, »ist das Sprechen der Papageien bloß ein Nachplappern von Worten, sondern sehr häufig der Ausdruck eines Wunsches oder des Dankes für eine empfangene Wohlthat; oft liegt sogar eine gewisse Innigkeit im Aussprechen von Worten und ganzen Sätzen, welche durch damit verbundenes Geberdenspiel noch besonders bekräftigt wird. Wer so viele Jahre täglich in Gesellschaft der Sittiche lebt, Beweise der Anhänglichkeit und hingebenden Zärtlichkeit von einzelnen, besonders ausgezeichneten erhielt, wie ich, wird mir glauben, daß schon bei manchem Verluste Rührung mich beschlich, als ob ein lieber Mensch gestorben wäre. Manche mißmuthige Stunde wird verscheucht in Gesellschaft von Geschöpfen, welche in ihrer Mehrzahl dem Dasein immer die heiteren Seiten des Lebens abgewonnen haben und zum Ausdrucke bringen. Daß das Sprechen die Innigkeit des Umganges wesentlich befördert, wird niemand in Abrede stellen: es bringt die Sittiche ihrem Pfleger menschlich näher und erhebt sie, in meinen Augen mindestens, hoch über die Affen.

»Wohl sämmtliche Arten der Ordnung haben die Befähigung zum Sprechen oder zum Nachahmen anderer Vogelstimmen, von Gesängen, welche sie dann trotz der besten Sänger zum Ausdrucke bringen, freilich aber auch von Lauten, welche durch Mark und Seele dringen. Ich bin überzeugt, daß diese Begabung der Nachahmung den größten wie den kleinsten Arten eigen ist, weiß aber auch, daß nicht alle Stücke einer und derselben Art sie zur Geltung zu bringen vermögen. Bei Freund Stölker sah ich einen Goldstirnsittich, welcher sehr hübsch und deutlich spricht, und schon vor mehr als zwanzig Jahren, hielt ich einen männlichen Wellensittich in Gesellschaft von Kanarienvögeln und Stieglitzen, welcher bald deren Gesang so lustig schmetterte wie der beste Schläger. Ebenso besaß ich eine Rosella, welche das Lied der Schwarzamsel herrlich wiedergab, und noch gegenwärtig pflege ich einen Singsittich, welcher schwebend singt wie eine Lerche.

»Regelrechten Unterricht kann ich meinen Sittichen nicht ertheilen, finde auch kein Behagen an dem Eindrillen einzelner Worte, welche man beibringt, ohne Verständnis zu erwecken. Während der langen Zeit meines täglichen Zusammenseins mit meinen Pfleg- und Lieblingen stellt sich dagegen unfehlbar ein verständnisvolles Angewöhnen her; dabei gibt es natürlich Fragen und Antworten, und diese sind für mich beredtes Zeugnis, daß die Aeußerungen seitens der Papageien oft mit vollem Verständnis geschehen.«

Die Papageien bewohnen, mit Ausschluß Europas, alle Erdtheile. Von den dreihundertfünfundfunfzig Arten, welche Finsch im Jahre 1868 aufführt, leben einhundertzweiundvierzig in Amerika, fünfundachtzig auf den Papuinseln und Molukken, sechzig in Australien, dreißig in Polynesien, fünfundzwanzig in Afrika und neunzehn in Südasien, einschließlich der Sundainseln. Neuere Entdeckungen haben die Anzahl der bekannten Arten um einige zwanzig vermehrt, das Verhältnis der Vertheilung aber kaum geändert. Die große Mehrzahl gehört dem heißen Gürtel an: von jenen dreihundertundfunfzig überschreiten nur acht den Wendekreis des Krebses und zweiundsechzig den Wendekreis des Steinbocks. Eine amerikanische Art verbreitet sich nach Norden hin bis zum dreiundvierzigsten Grade der Breite, eine andere findet sich auf der südlichen Halbkugel sogar in den »unheimlichen Oeden« des Feuerlandes (dreiundfunfzigster Grad südlicher Breite); Breitschwanzsittiche herbergen selbst auf dem Macquari-Eilande unter dem zweiundfunfzigsten Grad südlicher Breite. In Afrika und Asien überschreiten sie die Grenzen des heißen Gürtels wenig oder nicht, in Westafrika kaum den sechzehnten Grad nördlicher Breite; in Ostafrika finden sie sich nach meinen Erfahrungen nicht nördlich des funfzehnten Grades, während sie in der Südhälfte weiter vom Gleicher sich entfernen; in Asien kommen einige Arten im gemäßigten Gürtel vor. Im allgemeinen sind sie an die Wälder gebunden, obwohl keineswegs ausschließlich, weil einzelne Arten auch die baumlosen Ebenen, die Steppen z. B., bewohnen, andere in den Andes in Höhen über den Holzgürtel, bis zu dreitausendfünfhundert Meter über das Meer, emporsteigen. In Nordostafrika ist mir aufgefallen, daß sie so gut wie ausschließlich da vorkommen, wo auch Affen leben, daß sie gewissermaßen als unzertrennliche Gefährten von diesen betrachtet werden müssen. Je großartiger die Wälder sind, d. h. je reicher die Pflanzenwelt ist, um so häufiger treten sie auf. »Die Papageien«, sagt Prinz von Wied, »machen in den tropischen Wäldern einen großen, ich möchte sagen, den größten Theil der befiederten Schöpfung aus.« Dasselbe gilt für Australien, für manche Gegenden Indiens und theilweise auch für Afrika. Hier treten sie so häufig auf, wie bei uns zu Lande die Krähen, dort sind sie so gemein, wie in Deutschland die Sperlinge.

Und sie verstehen es, sich bemerklich zu machen. Sie schmücken die Wälder und erfüllen sie mit ihrem Geschrei. »Papageien«, sagt der Prinz, »verschönern mit ihrem verschwenderisch gefärbten Gefieder die dunklen Schatten der tropischen Wälder.« – »Es ist unmöglich«, versichert Gould, »den Zauber des Anblicks zu beschreiben, welchen gewisse Papageien, zumal die hochroth gefärbten Arten, gewähren, wenn sie sich in Flügen in den silberblätterigen Akazien Australiens umhertummeln. Ihr herrliches Gefieder sticht wunderbar ab gegen die Umgebung.« – »Die Kakadus«, ruft Mitchell begeistert aus, »verwandeln die Höhen, in denen sie leben, zu Gefilden der üppigsten Wonne.« – »Ich habe«, berichtet Audubon, »Baumzweige von ihnen so vollständig bedeckt gesehen, als es nur möglich sein konnte.« – »Morgens und abends«, bestätigt Schomburgk, »sieht man die unzählbaren Mengen von Papageien in bedeutender Höhe unter unerträglichem Geschrei dahinziehen. Eines Nachmittags sah ich solch einen riesigen Zug auf die Uferbäume sich niederlassen; die Zweige bogen sich tief herab unter der Last der Vögel.« Was wäre einer jener wunderbaren Wälder unter den Wendekreisen ohne sie? Der todte Garten eines Zauberers, ein Gefilde des Schweigens, der Oede. Sie sind es, welche das Leben wachrufen und wachhalten, welche Auge und Ohr in gleicher Weise zu beschäftigen wissen.

Außer der Brutzeit leben die meisten Papageien in Gesellschaften oder in oft äußerst zahlreichen Scharen. Sie erwählen sich einen Ort des Waldes zur Siedelung und durchstreichen von ihm aus tagtäglich ein weites Gebiet. Die Gesellschaften halten treuinnig zusammen und theilen gemeinsam Freud und Leid. Sie verlassen gleichzeitig am frühen Morgen ihren Schlafplatz, fallen auf einem und demselben Baume oder Felde ein, um sich von den Früchten derselben zu nähren, stellen Wachen aus, welche für das Wohl der Gesammtheit sorgen müssen, achten genau auf deren Warnungen, ergreifen alle zusammen oder wenigstens kurz nacheinander die Flucht, stehen sich in Gefahr treulich bei und suchen sich gegenseitig nach Kräften zu helfen, kommen zusammen auf einem und demselben Schlafplatze an, benutzen ihn so viel als möglich gemeinschaftlich, brüten auch, falls es irgendwie angeht, in Gesellschaft. »Schon bei dem ersten Schimmer der heiteren tropischen Morgensonne«, erzählt uns der Prinz, »erheben sie sich von ihrem nächtlichen Standorte, trocknen die vom Thau der Nacht stark benetzten Flügel, üben sie, scherzend und laut rufend, mannigfaltige Schwenkungen über dem hohen Walde beschreibend, und ziehen dann schnell dahin, ihrer Nahrung nach. Am Abend kehren sie unfehlbar auf ihren Stand zurück.« Auch Tschudi beobachtete in Peru die täglichen Wanderungen der Papageien. Eine der dort lebenden Arten wird wegen der Regelmäßigkeit, mit welcher sie täglich vom Gebirge herabkommt und dahin wieder zurückkehrt, vom Landvolke »Tagarbeiter« genannt. Diese täglichen Wanderungen erstrecken sich zuweilen auf Entfernungen von zwölf bis zwanzig Kilometer und geschehen offenbar der Nahrung halber. Levaillant fand, daß ein im südöstlichen Afrika wohnender Papagei in kleinen Scharen nach Nahrung ausflog, gegen Mittag badete, während der glühenden Sonnenhitze im Schatten des Laubes sich verbarg, gegen Abend nochmals sich zerstreute, abends oft wiederum badete und dann derselben Nachtherberge zuflog, von welcher er am Morgen ausgezogen war.

Der Schlafplatz selbst ist verschieden. Er kann eine dichte Baumkrone, eine durchlöcherte Felsenwand, eine Baumhöhle sein. Letztere scheint besonders bevorzugt zu werden. »Ihr Schlafplatz«, sagt Audubon von dem Karolinasittich, »ist ein hohler Baum oder ein von den größeren Spechtarten ausgemeiseltes Nistloch, falls dieses nicht von den rechtmäßigen Eigenthümern selbst bewohnt wird. In der Dämmerung kann man starke Flüge der Papageien um alte hohle Sykomoren oder ähnliche Bäume sich versammeln sehen. Unmittelbar vor der Höhlung hängen sich die Vögel an die Rinde, und einer nach dem anderen schlüpft ins Innere, um hier die Nacht zu verbringen. Wenn solch eine Höhle für die Menge nicht ausreicht, hängen sich die übrigen mit Klaue und Oberschnabel vor dem Eingange an die Rinde an. Es sieht dann aus, als ob der Schnabel allein die Last des Leibes tragen müßte; ich habe mich aber zu meiner Beruhigung mit Hülfe des Fernglases vom Gegentheile überzeugen können.« Auch habe ich in den Urwäldern am Blauen Strome die Papageien in der Dämmerung wiederholt in Höhlen einschlüpfen sehen und andere so regelmäßig auf den vielfach durchlöcherten Adansonien beobachtet, daß mir eine derartige Nachtherberge nach Art der Spechte wohl glaublich erscheint. In Indien schläft der Halsbandsittich, wie uns Layard mittheilt, in Bambusdickichten. »Alle Papageien, Bienenfresser, Grakeln, Krähen der Umgegend, einige Meilen in die Runde, nächtigen gesellschaftlich in größeren Bambusbeständen, und das dumpfe Geräusch, welches man vernimmt, von Sonnenuntergang an bis es dunkel, und vom ersten Grauen im Osten bis lange nach Sonnenaufgang, kommt dem Beobachter vor, als ob eine große Anzahl von Dampfmaschinen im Gange wäre. Viele von den Schwärmen kehren erst spät abends von ihren Ausflügen zurück und fliegen dabei so niedrig über dem Boden dahin, daß sie eben über die Hindernisse wegkommen – wenn auch nicht immer; denn mehrere Nächte nacheinander wurden Papageien gefunden, welche gegen Mauern und andere feste Gegenstände angeflogen und infolge dessen getödtet worden waren.«

Eine sehr lebendige Schilderung des Lebens und Treibens an solchem Schlafplatze gibt Layard von dem Halsbandsittich, welcher auf Ceylon sehr häufig ist. »Zu Chilaw habe ich solch massenhafte Flüge von Papageien zu ihren Schlafplätzen, Kokosnußbäumen, welche den Markt beschatteten, kommen sehen, daß das durch sie hervorgebrachte Geräusch das babylonische Stimmenverwirrsal der Käufer vollständig verschlang. Man hatte mir vorher von den Schwärmen erzählt, welche zu diesem Platze kamen, und ich stellte mich deshalb eines Abends auf einer nahe gelegenen Brücke auf, in der Absicht, diejenigen Flüge, welche von einer einzigen Richtung herkämen, zu zählen. Ungefähr um vier Uhr nachmittags begann der Zuzug: zerstreute Schwärme wendeten sich heimwärts. Ihnen folgten bald stärkere, und im Verlauf einer halben Stunde war der Zug in vollem Gange. Ich fand sehr bald, daß es mir unmöglich wurde, die Flüge noch zu zählen; denn sie vereinigten sich zu einem lebendigen, brausenden Strome. Einzelne flogen hoch in der Luft bis gerade über ihre Schlafplätze und stürzten sich dann plötzlich unter verschiedenen Wendungen auf die Kronen der Bäume herab; andere schwärmten längs des Bodens dahin, so dicht über ihm, daß sie fast mein Antlitz streiften. Sie eilten vorüber mit der Schnelligkeit des Gedankens, und ihr glänzendes Gefieder leuchtete mit prächtigem Schimmer im Strahle der Sonne. Ich wartete auf meinem Schaupunkte, bis der Abend hereinbrach, und konnte, nachdem ich nichts mehr zu sehen vermochte, noch lange die ihrer Herberge zufliegenden Vögel vernehmen. Als ich einen Schuß abfeuerte, erhoben sie sich mit einem Geräusche, gleich dem Rauschen eines gewaltigen Windes; bald aber setzten sie sich wieder fest, und es begann nun solch ein Getöse, daß ich es niemals vergessen werde. Das schrillende Geschrei der Vögel, das flatternde Geräusch ihrer Schwingen, das Rasseln der Blätter auf den Palmen war so betäubend, daß ich mich herzlich freute, als ich, glücklich entronnen, mein Haus wieder erreicht hatte.«

Nächst einem gesicherten Schlafplatze sind dichte Baumkronen ein Haupterfordernis für das Wohlbehagen der Papageien. Es kommt ihnen weniger auf Schutz gegen die Witterung als auf gute Versteckplätze an. Allerdings lieben sie die Wärme vor allem; sie scheuen jedoch auch die Kühle nicht gerade und noch weniger, mindestens zeitweilig, die Nässe. »Bei den heftigen tropischen Gewitterregen, welche zuweilen die Luft verdunkeln«, sagt der Prinz, »sieht man die Papageien oft unbeweglich auf den höchsten dürren Astspitzen der Bäume sitzen, und munter erschallt ihre Stimme, während das Wasser von ihnen herabfließt. Dichtes Laub und dicke Baumäste, wo sie Schutz finden könnten, mögen in der Nähe sein; allein sie ziehen den warmen Gewitterregen vor und scheinen sich darin zu gefallen. Sobald aber der Regen vorüber ist, suchen sie sogleich ihre festen Federn von der Nässe zu befreien.« Anders ist es bei gutem Wetter. Dann bevorzugen sie, wie mich Stumpfschwanzpapageien und Halsbandsittiche der afrikanischen Waldungen belehrt haben, die dichtesten Bäume entschieden, sei es, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, sei es, um sich zu verbergen. Das letztere thun sie gewiß, sobald sie irgend welche Gefahr merken. Sie wissen, welchen Schutz ihnen, den in die Blattfarbe gekleideten Vögeln eine dichtbelaubte Baumkrone gewährt. Es ist nicht leicht, in ihr Papageien zu bemerken. Man weiß, daß vielleicht ihrer funfzig auf einem Baume versammelt sind und sieht keinen einzigen. Beim Versteckenspielen kommt nicht bloß die Blattfarbe des Gefieders, sondern auch die fast allen Papageien eigene List zur Geltung. Sie wollen nicht gesehen werden. Einer der Gesellschaft hat den sich nahenden Feind rechtzeitig bemerkt und gibt ein Zeichen; alle übrigen schweigen sofort still, ziehen sich in die Mitte der Krone zurück, gewinnen, lautlos weiter kletternd, die dem Feinde entgegengesetzte Seite des Wipfels, fliegen weg und lassen erst, wenn sie bereits gegen hundert Schritte zurückgelegt haben, ihre Stimme vernehmen, wie es scheinen will, mehr zum Hohne des glücklich getäuschten Widersachers, als um andere der Gesellschaft zu locken. Solch feines Spiel treiben sie namentlich dann, wenn sie sich, um zu fressen, auf einem Baume versammelt haben, wie denn überhaupt ihre diebischen Einfälle stets mit bemerkenswerther List und Vorsicht ausgeführt werden.

Die Nahrung der Papageien besteht vorzugsweise aus Früchten und Sämereien. Viele Loris aber ernähren sich fast oder ganz ausschließlich von Blütenhonig, Blütenstaub und vielleicht noch von den Kerbthieren, welche in den Blütenkelchen sitzen; Araras und Keilschwanzsittiche fressen neben den Früchten und Körnern wohl auch Knospen und Baumblüten, und einzelne Kakadus nehmen gern Kerbthierlarven, Würmer und dergleichen zu sich. Ueberhaupt ist es mir gar nicht unwahrscheinlich, daß die großen Arten der Ordnung weit mehr thierische Nahrung verzehren, als wir glauben. Dafür scheint der Blutdurst gewisser Papageien zu sprechen, ebenso auch die Gier, welche gefangene nach Fleischkost an den Tag legen, sobald sie einmal daran gewöhnt wurden. Papageien, welche ich gefangen hielt, überfielen andere ihrer Art, bissen ihnen den Schädel auf und entleerten das Hirn: ob sie dasselbe auch fraßen, ist mir nicht mehr erinnerlich. Ein anderer Papagei, welcher aus- und einflog, beschlich, wie sein Besitzer mir erzählte, junge Sperlinge oder andere vor kurzem ausgeflogene Vögel, fing sie, rupfte sie sehr hübsch, fraß sie an und warf sie dann weg. Nach solchen Erfahrungen dürfen wir uns kaum verwundern, wenn uns die neuesten Berichte über die Nestorpapageien erzählen, daß wenigstens einzelne Arten dieser beachtenswerthen Sippe ausgesprochene Fleisch-, ja selbst Aasfresser sind. Dem ungeachtet bleibt festzuhalten, daß Pflanzenstoffe die hauptsächliche Nahrung der Papageien bilden.

Ergötzlich ist, die Papageien bei ihren diebischen Einfällen auf Fruchtbäume und Felder zu beobachten. Sie zeigen sich auch hierin, wie überhaupt in der Art und Weise, sich zu ernähren, wiederum so recht als befiederte Affen. Die List und Verschlagenheit, mit welcher sie ihre Räubereien betreiben, fällt jedem Beobachter auf. Ein mit reifen Früchten beladener Baum, ein gerade ergibiges Feld zieht sie von weitem herbei. »Manche Lieblingsfrucht«, sagt der Prinz, »lockt die sonst äußerst scheuen Araras weit hinaus an die Grenzen der Waldungen.« Die pinselzüngigen Loris fand Gould ausschließlich auf Eukalypten, deren Blüten ihnen die erwählte Nahrung in hinreichender Menge gewähren; auf anderen Bäumen sah gedachter Forscher sie nie. Alle großen Arten sind höchst vorsichtig beim Aufsuchen ihrer Nahrung; sie gebaren sich auch im Walde, als ob sie stehlen wollten. »In Flügen«, so berichtet Pöppig, »fallen die großen, goldgrünen Araras der Andes auf die hochrothen Erythrinen und gelben Tachien nieder, deren Blüten sie gern verzehren. Furchtbar ist ihr Geschrei; allein ihre List lehrt sie seine Gefährlichkeit kennen, wenn sie die Plünderung eines reifenden Maisfeldes beginnen. Jeder bezwingt dann seine Neigung zum Lärmen, und nur unterdrückte, murrende Laute sind hörbar, während das Werk der Zerstörung unglaublich rasch vorschreitet. Nicht leicht vermag der Jäger oder der erbitterte Indianer die schlauen Diebe zu beschleichen; denn stets bleiben ein Paar der ältesten als Wachen auf den höchsten Bäumen ausgestellt. Dem ersten Warnungszeichen antwortet ein allgemeiner halblauter Ruf der gestörten Räuber; beim zweiten Krächzen entflieht unter betäubendem Geschrei der ganze Haufen, nur um nach der Entfernung ihres Feindes sogleich ihre verderbliche Thätigkeit von neuem zu beginnen.« Schomburgk bestätigt diese Mittheilung durch seine eigenen Beobachtungen und fügt ihr hinzu, daß die Gegenwart einer zahlreichen Menge von Papageien gewöhnlich nur durch das Herabfallen der ausgefressenen Hülsen verrathen wird, welche, wenn sie auf die breiten Blätter der Gesträuche des Unterholzes stürzen, ein weit hörbares Geräusch verursachen, »als wenn eine Hagelwolke ihren Inhalt ausschüttet«. Levaillant erfuhr das Verstummen der Papageien bei Ankunft eines verdächtigen Wesens gelegentlich ihrer Massenversammlungen während der Mittagszeit. »Sie halten sich dann«, sagt er, »so still, daß man auch nicht das leiseste Geräusch von ihnen hört, wenngleich sie zu tausenden versammelt sind. Fällt aber zufällig ein Flintenschuß, so erhebt sich plötzlich der ganze Haufen mit wüthendem Geschrei in die Luft.« Ganz anders benehmen sie sich da, wo sie erfahren haben, daß die Gutmüthigkeit des Menschen sie unbehelligt läßt, auch wenn sie, wie überall, ihm lästig werden. In Indien kommen sie, nach Jerdon, nicht nur dreist bis in die Städte herein, sondern setzen sich auch ungescheut auf die Firsten der Häuser nieder, und plündern dann wahrscheinlich von hier aus Gärten und Felder.

Unglaublich groß und die ernsteste Abwehr seitens des Menschen rechtfertigend sind die Verwüstungen, welche Papageien im Felde und Garten anrichten. Vor ihnen ist wenig sicher, nichts eigentlich geschützt. »Sie und besonders die großen Araras«, sagt der Prinz, »zersplittern mit ihrem riesenhaften, kräftigen, beweglichen Schnabel die härtesten Früchte und Nüsse«; aber ebenso gut verarbeiten sie auch eine schlüpfrige Frucht oder ein kleines Korn. Die Riefen- oder Feilkerben im Oberschnabel erleichtern das Festhalten glattschaliger oder kleiner Nahrung ungemein, und die bewegliche Zunge hilft dabei wesentlich mit. Im Nu ist eine Nuß zerknackt, eine Aehre entkernt, ein Samenkorn enthülst. Reicht der Schnabel allein nicht aus, dann wird auch der Fuß noch zu Hülfe genommen, und geschickt führen sie die mit ihm festgehaltene Speise zum Munde. Wie die Affen, verwüsten sie weit mehr, als sie verzehren. Die Unmassen, welche vereint auf die Felder oder Fruchtbäume fallen, fressen dort so viel sie können, beißen noch mehr ab, tragen wohl auch noch einige Kornähren auf die Bäume, um sie dort mit größerer Ruhe für ihren vielbegehrenden Magen zu verwerthen. Sie erscheinen in Obstgärten, untersuchen jeden Baum, welcher in Frucht steht, pflücken von dieser nach Belieben, beißen sie an, werfen sie, falls sie nicht allen Ansprüchen solcher Schlecker genügt, auf den Boden herab und nehmen dafür eine andere. Während des Fressens klettern sie allgemein von unten nach oben; sind sie auf der Spitze des Wipfels angekommen, so schweben sie, meist ohne Flügelschlag, einem zweiten Baume zu, um dort dieselbe Verwüstung zu beginnen. In Nordamerika oder in Chile überfallen sie die Obstbäume, auch wenn deren Früchte noch unreif sind, der milchigen Kerne wegen: man kann sich denken, was sie dabei vernichten! Feimen im Felde sind ihnen, nach Audubons Erfahrungen, zuweilen äußerst erwünscht. Sie setzen und hängen sich außen an, ziehen mit dem Schnabel die Kornähren aus den Garben und ersparen dem Bauer dafür das Dreschen. Den langschnäbeligen Kakadus sagt man nach, daß sie die keimenden Getreidepflanzen aus dem Boden ziehen und dadurch die europäischen Ansiedler schwer schädigen. In manchen Gegenden werden sie zur wirklichen Landplage; hier und da machen sie den Anbau mancher Feldfrüchte geradezu unmöglich. Die einen haben für diese, die anderen für jene Feld- oder Gartenfrucht besondere Vorliebe: gefährdet ist also alles, was der Mensch zu eigenen Gunsten säet und pflanzt, und an Freundschaft zwischen ihm und den Vögeln selbstverständlich nicht zu denken.

Nach eingenommener Mahlzeit fliegen die Papageien zur Tränke und zum Bade. Sie trinken viel, nach Audubon und Schomburgk, auch Salz- oder wenigstens Brackwasser. Außer gelegentlichen Regenbädern nehmen sie auch solche in Lachen. Wie Levaillant uns mittheilt, baden sie sich, »daß die Tropfen sie wie in einen Regen einhüllen«. Nach Audubons Beobachtungen paddeln sie sich gern im Sande, wie die Hühner, und stäuben dabei ihr Gefieder ordentlich ein, kriechen auch wohl in die Nisthöhlen der größeren Eisvögel, um dasselbe zu erreichen. Salzhaltige Erde suchen sie auf; bei Sulzen im Walde erscheinen sie regelmäßig.

Die Fortpflanzung der Papageien fällt in die Monate, welche in ihrer Heimat unserem Frühlinge entsprechen und der Fruchtreife vorausgehen. Alle Arten, über deren Lebensweise wir unterrichtet sind, leben in strenger Ehe auf Lebenszeit, und beide Gatten hängen mit innigster und treuester Liebe aneinander. Gegen die Paarzeit hin vermehren sie die Beweise gegenseitiger Anhänglichkeit, so wenig sie sonst auch mit solchen kargen. Männchen und Weibchen verlassen einander jetzt keinen Augenblick mehr, thun alles gemeinschaftlich, sitzen dicht aneinander geschmiegt und überhäufen sich gegenseitig mit Zärtlichkeiten. Mit Recht hat man einzelne Arten die »Unzertrennlichen« genannt; mit demselben Rechte könnte man alle so nennen. Die größeren Arten scheinen nur einmal im Jahre zu brüten und bloß zwei Eier zu legen; die australischen Graspapageien und die anderen Breitschwänze überhaupt weichen jedoch von dieser Regel ab: sie legen regelmäßig drei bis vier, ja einzelne sogar sechs bis zehn Eier und brüten, wie aus Beobachtungen an gefangenen zu schließen, zwei bis drei Mal im Jahre. Auch Sittiche und Kakadus legen regelmäßig mehr als zwei Eier, brüten aber wohl nur einmal. Die Eier selbst sind immer weiß von Farbe, glattschalig und rundlich.

Baumhöhlen sind die bevorzugten, nicht aber ausschließlichen Nistplätze der Papageien. Einige amerikanische Arten brüten in Erd- oder Felsenhöhlen, indische Sittiche, nach Jerdon, häufig in den Höhlungen alter Gebäude, in Pagoden, Grabmälern, Häusern etc.; der Mönchsittich erbaut aus dicken Zweigen große, ungefüge Nester; die Erdpapageien legen die Eier auf den nackten Boden. Audubon versichert, daß mehrere Weibchen in eine und dieselbe Nesthöhle legen; ich halte diese Angabe für irrthümlich. Soviel ist aber richtig, daß die Papageien in größeren Gesellschaften und zuweilen in ungeheueren Scharen vereinigt nisten. Schon Molina erzählt von einer zahlreichen Ansiedelung nistender Papageien in Chile; Pöppig schildert sie, wohl die derselben Art, ausführlicher. »Die Uneingeweihten«, sagt er, »mögen diese geselligen Niederlassungen sehr überraschen. Man nähert sich bei einer mühsamen Streiferei um die Mittagsstunde einer senkrechten Felsenwand und glaubt sich ganz allein; ringsumher herrscht die tiefste Stille, welche in allen wärmeren Gegenden Amerikas die Mitte des Tages bezeichnet, wann die meisten Thiere in Schlaf versunken sind. Eine Art von Knurren wird von allen Seiten her hörbar; allein man sieht sich umsonst nach den Thieren um, welche es hervorbringen könnten. Plötzlich ertönt der Warnungsruf eines Papageien; er wird von vielen anderen beantwortet, und ehe man noch recht das Ganze begreift, ist man von Scharen jener zänkischen Vögel umringt, die mit augenscheinlichem Zorn in engem Kreise um den Wanderer fliegen und auf ihn zu stoßen drohen. Aus der Menge von Löchern in der mürben Felswand blicken, possierlich genug, die runden Köpfe der Papageien hervor, und was von ihnen nicht umherfliegt, stimmt wenigstens durch lautes Schreien in den Aufruhr ein. Jede Oeffnung bezeichnet ein Nest, das von den Eignern in den Thonschichten, welche sich zwischen den Felswänden befinden, ausgehöhlt wird, und gar nicht selten mag man von ihnen einige hundert zählen. Immer sind aber solche Ansiedelungen so klug angelegt, daß weder von unten noch von oben ein Raubthier sich ihnen nähern kann.« Derartige Gesellschaften können sich im Walde nicht sammeln, weil hier die Schwierigkeit der Nestanlage größer ist. Alte, hohe, womöglich unersteigliche Bäume mit vielen Höhlungen werden sehr gesucht, in Mittelafrika vor allen die Adansonien, auf oder in denen selbst dann Papageien nisten, wenn die Riesenbäume außerhalb des Waldes stehen. So fand ich eine vereinzelte Gruppe von Affenbrodbäumen in der kordofanischen Steppe von Papageien bevölkert, obgleich die Bäume noch nicht einmal ihren Blätterschmuck angelegt hatten. Ohne ihre Höhlungen wären sie ganz sicher gemieden worden!

Nicht immer finden die Papageien einen Nistbaum, dessen hohles Innere ein geschickter Specht oder ein freundlicher Zufall erschloß, sondern oft genug müssen sie selbst die ihnen nöthige Kinderstube herrichten. Dann beweisen sie, wie vielseitig ihr Schnabel verwendet werden kann. Mit ihm arbeitet der Papagei, und zwar hauptsächlich, nicht aber ausschließlich, der weibliche Gatte des Paares, ein kleines Loch, welches einen versprechenden Einblick in das morsche Innere gestattet, zweckmäßig aus. Der Vogel zeigt sich dabei sehr geschickt, hängt sich wie ein Specht an der Rinde an und nagt mehr, als er schneidet, mit dem Schnabel einen Holzspan nach dem anderen ab, bis das Haus gegründet. Das währt manchmal wochenlang; aber Ausdauer erringt das Ziel. Uebrigens ist die Höhle die Hauptsache: auf das Nest selbst kommt es nicht an. Selbst eine Höhle, welche viel zu wünschen übrig läßt, befriedigt die bescheidenen Anforderungen des brütenden Papageien. »An dem weißen Stamme einer Irimipalme«, schildert Pöppig, »wird ein glänzender Schweif von himmelblauen Federn sichtbar; er verräth die gelbe Arara, welche dort beschäftigt ist, ein Spechtloch mit ihrem starken Schnabel zum Neste zu erweitern, aus dem jedoch der halbmeterlange Schmuck auch beim Brüten heraushängt.« Ein und derselbe Nistplatz wird, falls nicht besondere Umstände eintreten, alljährlich wieder benutzt. Bei den alten Mejikanern, welche mit Papageifedern Handel trieben, waren, laut Hernandez, Nistbäume der Papageien Eigenthum und vererbten sich von dem Vater auf den Sohn. Ausfütterung der Nesthöhle kümmert die Papageien wenig. Der nackte, morsche Boden genügt vielen, einige Späne anderen. Doch gibt es Ausnahmen. Zwergpapageien kleiden, wie ich an gefangenen beobachtete, die Nisthöhlung mit fein zerschlissenen Spänen oder Holzfasern oder Stroh aus, und einzelne Plattschweifsittiche sollen aus Grashalmen und Federn eine Nestunterlage herstellen.

In der Regel brüten beide Gatten des Paares abwechselnd. Bei kleineren Arten, wie z. B. bei dem Wellensittich, beträgt die Brutzeit sechzehn bis achtzehn Tage; von anderen Papageien sind neunzehn, dreiundzwanzig, fünfundzwanzig Tage vermerkt worden; wie lange Araras brüten mögen, ist unbekannt. Die Jungen entschlüpfen dem Eie als äußerst hülflose Wesen; ihre Entwickelung geht aber überraschend schnell vor sich. Sie sind anfänglich mit Flaum sehr spärlich bekleidet; nach fünf bis sechs Tagen brechen die ersten Federstoppeln hervor; am achten oder zehnten Tage ihres Lebens öffnen sie die Augen. Wellensittiche verließen am dreiunddreißigsten Tage ihres Daseins das Nest und flogen zwei Tage später umher. Bemerkenswerth ist, daß sich im Schnabel einzelner jungen Papageien zahnartige Gebilde entwickeln, welche später wieder verschwinden, indem sie ausfallen und durch Knorpelmasse ersetzt werden. Man nimmt an, daß diese Zähne nichts anderes sind als die mit Hornwarzen bedeckten Enden jener Blutgefäße und Nerven, welche den Aufbau des Schnabels ermöglichen und regeln.

Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung zu und atzen sie auch einige Zeit nach dem Ausfliegen noch. Die Nahrung wird, wenn sie aus Körnern besteht, vor dem Verfüttern im Kropfe der Alten aufgeweicht und den Jungen in den Schnabel gespieen. Schomburgk beobachtete, daß ein Paar, welches in der Nähe seines Lagerplatzes im Walde genistet hatte, seine Jungen nur zweimal des Tages fütterte, und zwar um elf Uhr vormittags und um fünf Uhr nachmittags. »Sobald sie ankamen, setzten sie sich erst auf einen Ast in der Nähe des Loches, und bemerkten sie, daß sie beobachtet wurden, so blieben sie ruhig sitzen, bis ihnen die Gelegenheit günstig schien, unvermerkt in die Oeffnung zu schlüpfen.« An zärtlicher Sorge für das Wohl ihrer Kinder lassen es die Eltern nicht mangeln. Sie vertheidigen ihre Sprossen bei drohender Gefahr mit aufopferndem Muthe auch in der Gefangenschaft und gegen den sonst von ihnen geliebten Pfleger. Einzelne Arten nehmen sich mit derselben Zärtlichkeit, welche sie ihren eigenen Kindern widmen, verwaister Jungen an, und nicht bloß hülfloser ihrer eigenen Art, sondern auch fremder. »Der Wundarzt des Schiffes Triton, unser Reisegefährte zwischen Neuholland und England«, so erzählt Cunningham, »besaß einen blauen Bergpapagei und einen anderen sehr schönen, kleineren, welchen er so jung aus dem Neste gehoben hatte, daß er seine Nahrung noch nicht selbst aufraffen konnte. Der ältere übernahm es, ihn zu füttern, sorgte eifrig für seine Bedürfnisse und bewachte ihn mit der innigsten Zärtlichkeit. Die gegenseitige Freundschaft der Vögel schien mit der Zeit zuzunehmen; sie brachten den größten Theil des Tages mit Liebkosen zu, schnäbelten sich, und der ältere breitete seine Flügel aufs zierlichste über den kleinen Schützling aus. Ihre Freundschaftsbezeigungen wurden aber zuletzt so laut, daß man sie trennte, um den Reisenden keinen Anlaß zur Klage zu geben. Der jüngere wurde also zu mehreren anderen in meine Kajüte versetzt. Nach einer zweimonatlichen Trennung gelang es dem blauen Bergpapagei, zu entkommen, und siehe da, die Stimme seines jungen Freundes leitete ihn gerade in meine Kajüte, wo er sich an jenen Käfig anklammerte. Nunmehr wurden die beiden Freunde nicht wieder getrennt; aber vierzehn Tage später starb der jüngere an den Folgen einer Verletzung, welche der Fall des Käfigs ihm verursacht hatte. Sein Freund war seitdem stumm und folgte ihm bald nach.« Diese Erzählung steht nicht vereinzelt da. Wer viele Papageien hält, wird früher oder später ähnliche Züge von Edelmuth und Barmherzigkeit erfahren. Ein Karolinasittich, welchen Buxton aussetzte, litt in dem harten Winter von 1860 derartig vom Froste, daß er beide Beine verlor. Des bemitleidenswerthen Vogels erbarmte sich ein Amazonenpapagei, setzte sich an seine Seite, reinigte ihm die Federn und vertheidigte ihn gegen die Angriffe anderer Papageien, welche ihn umzubringen drohten und schließlich auch wirklich tödteten. Der Gegensatz zwischen dem armseligen Krüppel und seinem von Gesundheit strotzenden, glänzenden Pfleger konnte nicht größer sein.

Ebenso wie verschiedenartige Sittiche solche Freundschaften schließen, treten sie miteinander auch in Liebesverhältnisse, welche, obgleich sie anfänglich gewissermaßen gezwungene waren, mit der Zeit derartig sich befestigen, daß sie auch dann nicht gelöst werden, wenn beiden Verliebten Gelegenheit gegeben wird, mit ihresgleichen sich zu verbinden. Besonders häufig gehen verschiedenartige Kakadus solche Vereinigungen ein; man beobachtet sie jedoch auch bei anderen Sittichen. »Von einem Pärchen Mohrenköpfe ( Pionias fuscicollis)«, schreibt mir Linden, »verlor ich durch einen unglücklichen Zufall das Weibchen. Das überlebende Männchen gesellte sich hierauf zu einem weiblichen Alexandersittich, welcher sich alle Liebenswürdigkeiten des Fremdlings gefallen ließ. Viele Male konnte ich beider Begattung beobachten; auch wurden viele Eier gelegt und, leider ohne Erfolg, bebrütet. Doch waren diese Eier keineswegs taub; denn viele, welche ich öffnete, enthielten theilweise schon weit entwickelte Keimlinge. Kein anderer Sittich, welcher den großen Raum mit dem ungleichen Pärchen theilte, durfte es wagen, in die Nähe des Alexandersittichs zu kommen; denn sein Gespons bewachte ihn mit lebhaftester Eifersucht, benahm sich selbst mir gegenüber feindlich, wenn jener, ein vollkommen zahmer und zutraulicher Vogel, nach seiner Gewohnheit, während ich fütterte, auf meine Schulter flog und, wie üblich, um ein Stückchen Milchbrod bettelte, welches er dann mit seinem Gemahle zu theilen pflegte. Wenn ich ihn länger als gewöhnlich auf der Achsel sitzen ließ und liebkoste, wurde der Mohrenkopf sehr unwillig und kam mit gesträubten Federn und eigenartigen Lauten auf die untersten Sitzstangen herab. Auch der Alexandersittich machte mich durch sanftes Zupfen am Ohre oder den Haaren auf die gemeinsamen Wünsche aufmerksam. An einem kalten Winternachmittage entkam mir der letztere, weil ich nicht daran gedacht hatte, daß er auf meiner Schulter saß, als ich ins Freie ging, und flog auf einen unersteigbaren Baum. Die Locktöne des Buhlen konnten die entflohene nicht bestimmen, freiwillig herabzukommen; erst die Kälte des Abends trieb sie von hinnen und brachte sie wieder in meinen Besitz. Doch hatte sie sich bei ihrem Ausfluge eine Lungenentzündung zugezogen, an welcher sie bald darauf starb. Der Mohrenkopf suchte sie mit klagenden Lauten in allen Nistkästen und behielt ihr Angedenken in treuem Herzen. Während sie noch krankte, hatte ich ein Alexandersittichpaar erworben; dem Weibchen desselben wandte sich der vereinsamte Mohrenkopf zu, nachdem er sich überzeugt hatte, daß alles Suchen nach der gestorbenen Geliebten vergeblich war. Das Paar befand sich in einem Käfige seines Flugraumes; es gelang ihm aber, das ersehnte Weibchen durch Zerstören des Käfigs zu befreien, und ich gewährte seine Wünsche. Seitdem lebt er mit dem zweiten Alexandersittichweibchen ebenso vertraut wie mit seiner ersten Buhlin, während der wirkliche Gatte desselben das Nachsehen hat. Oefters versuchte ich, ihn in demselben Raume wie den Mohrenkopf fliegen zu lassen, allein der letztere, welcher den ganzen Raum beherrscht, empfängt ihn stets höchst unfreundlich und zwingt ihn, schleunigst in seinen Käfig zurückzukehren.«

Wie verschiedenartige Sittiche freundschaftliche Bündnisse eingehen, bethätigen sie auch feindschaftliche Gesinnungen und nicht allein anders-, sondern auch gleichartigen gegenüber. Namentlich die australischen Plattschweifsittiche zeichnen sich, sehr zu ihrem Nachtheile, durch Unverträglichkeit aus. Unter Männchen derselben und verschiedener Arten bricht sehr oft ernste Fehde aus, und gar nicht selten endet sie mit dem Tode des schwächeren. Bei den einen wird Eifersucht, bei den anderen Futterneid, bei wieder anderen Herrschsucht Ursache zu blutigen Kämpfen; einzelne aber stürzen sich auch ohne erkennbaren Grund auf schwächere ihres Geschlechtes: ich selbst erfuhr, daß ein von uns gezüchteter Wellenpapagei sofort nach seinem Eintritte in die Welt des Gesellschaftsbauers von anderen seiner Art überfallen und so arg gebissen wurde, daß er infolge dieser Mißhandlung zu Grunde ging! Wie so manche Thiere überhaupt, bethätigen fast alle Sittiche tiefgehende Abneigung gegen Kranke oder Krüppel ihrer eigenen oder einer fremden Art; Ausnahmen, wie die oben mitgetheilte, sind selten. Ein erkrankter Papagei, welcher mit anderen denselben Raum theilen muß, verfällt nicht selten, ein verwundeter fast regelmäßig der Mordlust seiner Genossen.

Durchschnittlich scheinen die Papageien bereits im zweiten Jahre ihres Lebens die volle Pracht ihres Gefieders erlangt zu haben und fortpflanzungsfähig zu sein. Die kleineren Arten der Ordnung sind erfahrungsmäßig schon im ersten Jahre ihres Lebens zeugungsfähig. Demungeachtet leben sie lange Jahre. Man hat an Gefangenen wunderbare Erfahrungen gemacht. Sie haben die Familie, in deren Mitte sie die Jugendzeit ihres Lebens verbrachten, lange überdauert; sie haben, wie in Amerika eine Sage geht, ein ganzes Volk dahinsterben und vergehen sehen. »Es ist wahrscheinlich«, bemerkt Humboldt, »daß die letzte Familie der Aturer erst spät ausgestorben sei. Denn in Maipures lebt noch ein alter Papagei, von dem die Eingeborenen behaupten, daß man ihn darum nicht verstehe, weil er die Sprache der Aturer rede. Dieser Aturenpapagei ist der Gegenstand eines lieblichen Gedichtes geworden:

»In der Orinokowildnis
Sitzt ein alter Papagei,
Kalt und starr, als ob sein Bildnis
Aus dem Stein gehauen sei.

Unten, wo die Wogen branden,
Hält ein Volk die ew'ge Ruh,
Fortgedrängt aus seinen Landen
Floh es diesen Klippen zu.

Und es starben die Aturen,
Wie sie lebten, frei und kühn;
Ihres Stammes letzte Spuren
Deckt des Uferschilfes Grün.

Der Aturen allerletzter
Trauert dort, der Papagei;
Am Gestein den Schnabel wetzt er,
Durch die Lüfte tönt sein Schrei.

Ach, die Knaben, die ihn lehrten
Ihrer Muttersprache Laut,
Und die Frauen, die ihn nährten,
Die ihm selbst das Nest gebaut:

Alle liegen sie erschlagen,
Auf dem Ufer hingestreckt,
Und mit seinen bangen Klagen
Hat er keinen aufgeweckt!« –

Möglicherweise erliegen die meisten größeren Papageien der Last des Alters, nicht aber ihren Feinden. Solche haben auch sie, doch keinen schlimmeren als den Menschen. Den Raubthieren entgehen viele, Dank ihrer Klugheit; andere mögen den Räubern, welche im Stande sind, sie zu verfolgen in ihrer sicheren Höhe, vielleicht zu schaffen machen. Die kleineren Arten fallen wohl oft Falken oder kletternden Raubsäugethieren zum Opfer; die größeren wissen ihren Schnabel auch zur Abwehr mit Erfolg zu benutzen. Aber dem Menschen gegenüber nützt ihnen freilich weder List noch Wehrhaftigkeit. Sie müssen der einen oder der anderen seiner unzähligen Listen schließlich doch erliegen.

Die Papageien werden allerorten verfolgt und mit einer gewissen Leidenschaft gejagt. Es geschieht dies ebensowohl, um sie zu nutzen, als um sich ihrer zu erwehren. Letzteres macht sich überall nothwendig, wo Pflanzungen an Wälder stoßen, welche von Papageien bewohnt werden. »Man bilde sich nicht ein«, sagt Audubon, »daß alle die Uebergriffe, welche die Papageien sich zu Schulden kommen lassen, seitens der Pflanzer ohne ernste Vergeltung hingenommen werden. Im Gegentheile: die Vögel werden wegen ihrer räuberischen Einfälle in das Besitzthum des Bauers von diesem massenhaft abgeschlachtet. Mit geladenem Gewehre in der Hand schleicht sich der erboste Landmann herbei, und acht oder zehn von den Räubern erliegen dem ersten Schusse. Die überlebenden erheben sich, schreien laut auf, fliegen vier oder fünf Minuten lang in Kreisen umher, kehren zu den Leichen der Genossen zurück, umschwärmen sie mit lautem, klagendem Geschreie und fallen als Opfer ihrer Anhänglichkeit, bis schließlich so wenige übrig bleiben, daß sie der Bauer nicht für zahlreich genug hält, sein Kraut und Loth fernerhin an sie zu wenden. Ich habe im Laufe weniger Stunden mehrere Hunderte von ihnen in dieser Weise vertilgt und Körbe mit den erbeuteten gefüllt. Die angeschossenen wissen übrigens sich ihrer Haut zu wehren und bringen mit ihrem scharfen Schnabel gefährliche Wunden bei.« Die Chilesen sprengen, wenn sich die Vögel auf den Feldern niedergelassen haben, mit größter Schnelligkeit unter sie und schlagen mit Ruthen unter den auffliegenden Schwarm; die Australier scheuchen sie von ihren Schlafplätzen auf und schleudern ihre Wurfhölzer in die umherwirbelnden Scharen; kühne Waghälse lassen sich an den Felsenwänden, in denen südamerikanische Arten brüten, herab und ziehen die Jungen mit Haken aus den Nesthöhlen; Sonntagsschützen und zünftige Jäger versuchen sie zu beschleichen, während sie fressen. Die Jungen werden, wenn die Nestbäume unersteigbar sind, durch Fällen derselben gewonnen; es werden Netze, Leimruthen und dergleichen gestellt etc. Das Fleisch der erbeuteten Papageien wird, obgleich es hart und zähe ist, doch gern gegessen, mindestens zur Herstellung kräftiger Brühen verwendet. Schomburgk rühmt die Papageisuppen nach eigener Erfahrung als vorzügliches Gericht; die Chilesen sind förmlich erpicht auf dasselbe. Auch die Indianer Amerikas oder die Wilden Australiens stellen den Papageien ihres Fleisches wegen eifrig nach.

Noch öfter werden die Vögel ihrer schönen Federn halber gejagt. »Nichts ist natürlicher«, sagt der Prinz, »als diese einfachste und schönste Art des Putzes, worauf der Wilde sogleich verfallen mußte. Wie schön sind die rohen Federarbeiten völlig ungebildeter Völker, wovon die Reisenden in den verschiedenen Theilen unserer Erde Nachricht gegeben haben! Viele der Urvölker von Brasilien haben sich in dieser Hinsicht ganz besonders ausgezeichnet! Man hat ihnen die Kraft zugeschrieben, das Gefieder der Papageien mit Hülfe des Blutes eines Frosches bunt zu machen.« Der Prinz hält diese Angabe jedoch für ein Märchen, das möglicherweise auf Unwahrheiten fußen mag, welche die Wilden selbst erfanden und gläubigen Europäern erzählten. Die Vorliebe der Urvölker für Papageienfedern ist uralt und allgemein. »In lang vergangenen Zeiten«, berichtet Pöppig, »brachten die Bewohner der wärmeren Waldgegenden den Inkas die Federn der Araras als Frohngabe zur Schmückung ihrer Paläste, und die früheren Geschichtsschreiber Perus melden, daß diese Federn und die Koka die einzigen Erzeugnisse waren, welche die Urbarmachung und Anvölkerung der gefürchteten heißen Wälder ehemals veranlaßten.« So wurden die Papageien Ursache zu einer weltgeschichtlichen Begebenheit. Und dieser Fall steht nicht vereinzelt da; denn gerade unsere Vögel wirkten, unwillentlich freilich, später noch einmal bedeutungsvoll ein auf eine der weltgestaltenden Umwälzungen. Ein Flug Papageien half Amerika entdecken. Pinzon, der Begleiter und Untergebene des großen Genuesers, hatte diesen dringend gebeten, den bisher festgehaltenen Lauf der Schiffe zu ändern. »Es ist mir«, versicherte er, »wie eine Eingebung, daß wir anders steuern müssen.« »Die Eingebung aber und was das Herz ihm sagte«, so belehrt uns Humboldt in seinem Kosmos, »verdankte Pinzon, wie den Erben des Kolumbus ein alter Matrose erzählte, einem Fluge Papageien, den er abends hatte gegen Südwesten fliegen sehen, um, wie er vermuthen konnte, in einem Gebüsche am Lande zu schlafen. Niemals hat der Flug der Vögel gewichtigere Folgen gehabt. Man konnte sagen, er habe entschieden über die ersten Ansiedelungen im neuen Kontinente, über die ursprüngliche Vertheilung romanischer und germanischer Menschenrassen.«

Es liegt mir fern, diese zufällige Großthat der Papageien ihnen zuschreiben und auf Rechnung ihres Nutzens für die Menschheit stellen zu wollen; ich habe nur gemeint, daß die Erwähnung jenes Geschehnisses in ihrer Geschichte nicht fehlen dürfe. Der Nutzen, welchen die Papageien uns bringen, ist genau derselbe, welchen wir den Affen abzugewinnen wissen. Außer der Verwendung des Fleisches und Kleides der Vögel dienen sie uns als gern gesehene Gesellschafter im Zimmer. Wir gewinnen sie lieb, trotz ihrer Unarten, vergeben ihnen auch die Beleidigungen unseres Gehörs und den nur zu häufigen Mißbrauch ihres zerstörungsfähigen Schnabels, welcher, so unglaublich das auch klingen mag, nicht einmal das Eisen verschont, weil wir uns durch ihr schönes Gefieder bestechen, durch ihre Klugheit einnehmen lassen.

Die Zähmung der Papageien erinnert in gewisser Hinsicht an die Unterjochung unserer Hausthiere. Sie ist uralt. Auf den altegyptischen Denkmälern fehlen, wie ich durch Dümichen erfahre, Abbildungen von ihnen noch gänzlich, und auch die Bibel gedenkt ihrer nicht; in Indien aber fand sie bereits Onesikrit, Feldherr Alexanders des Großen, als gezähmte Hausgenossen der Eingeborenen vor und brachte solche Hausvögel lebend nach Griechenland. Später gelangten sie häufig nach Rom. Plinius beschreibt ihr Gebaren in anschaulicher Weise, kennt aber immer noch ausschließlich Ring- oder Halsbandsittiche. Ihre Schönheit und Klugheit befreundete sie den Römern so, daß diese Liebhaberei auf öffentlichem Markte gerügt wurde. »O unglückliches Rom«, rief der strenge Censor Marcus Portius Cato aus, »in welche Zeiten sind wir verfallen, da die Weiber Hunde auf ihrem Schoße ernähren und die Männer Papageien auf der Hand tragen!« Man setzte sie in Käfige von Silber, Schildpad und Elfenbein, ließ sie von eigens bestellten Lehrern unterrichten, lehrte sie hauptsächlich das Wort »Cäsar« auszusprechen und bediente sich eines besonderen Werkzeuges zu ihrem Unterrichte. Der Preis eines sprechenden Sittichs überstieg oft den Werth eines Sklaven. Ovid fand einen Papagei würdig, dichterisch besungen zu werden; Heliogabal glaubte seinen Gästen nichts köstlicheres vorsetzen zu können als Papageiköpfe. Noch unter Nero's Regierung kannte man wahrscheinlich nur indische Arten; später mögen wohl auch die afrikanischen Papageien eingeführt worden sein. Um die Zeit der Kreuzzüge schmückten sie die Käfige in den Häusern reicher Leute unseres Vaterlandes und wurden auch hier zum Sprechen abgerichtet, wie Christian von Hameln mittheilt, welcher singt:

»Ich wollte, daz der anger sprechen sollte
als der sytich in den glas«.

In Amerika fanden die ersten Entdecker gezähmte Papageien in und vor den Hütten der Eingeborenen. Als die Spanier unter Nicuesa und Hojeda im Jahre 1509 das an der Landenge von Darien gelegene Karaibendorf Yurbaco überrumpeln wollten, verriethen die wachsamen Papageien in den Wipfeln der Bäume vor den Hütten den Anzug der Feinde und ermöglichten ihren Pflegern, rechtzeitig zu flüchten. Durch Schomburgk erfahren wir, daß der Eingeborene Südamerikas seine gezähmten Papageien noch heutigen Tages frei fliegen läßt, ohne ihnen die Flügel zu stutzen. »Ich sah mehrere«, schreibt er, »welche sich des Morgens unter die Flüge der wilden mischten, die über das Dorf hinwegflogen und bei der Rückkehr am Abend sich wieder auf die Hütte ihres Herren niederließen.« »Wir sahen«, heißt es an einer anderen Stelle des anziehenden Werkes dieses Reisenden, »mehrere vereinzelte Bäume, welche mit ungewöhnlich großen gelben Blüten bedeckt zu sein schienen. Schon wurde die Hoffnung in mir rege, daß meiner hier eine neue botanische Entdeckung harre, als ich plötzlich bemerkte, daß sich die vermeintlichen Blüten bewegten und ihren Standort veränderten: es waren zahme Kessi-Kessi-Papageien ( Conurus solstitialis), welche sich bei unserer Annäherung unter einem wahren Höllenlärm erhoben und nach einer der nahen Hütten flogen.« Aus Schomburgks Erzählungen geht hervor, daß zu den indianischen Niederlassungen im Walde die Papageien gehören, wie zu unseren Bauernhöfen die Hühner. Nur nehmen jene weit innigeren Antheil an dem menschlichen Treiben, als unser Hausgeflügel zu thun pflegt. »Auffallend ist die Zuneigung der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Ich habe selten einen Kreis spielender Indianerkinder bemerkt, dem sich nicht auch Affen und Papageien beigesellt gehabt hätten. Diese lernen bald alle Stimmen ihrer Umgebungen nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde, das Weinen der Kinder, Lachen etc.« Bewunderungswürdig und uns noch nicht recht verständlich ist die Fertigkeit der Indianer, Papageien binnen kürzester Frist zu zähmen. Als Bates auf seiner Reise im Gebiete des Amazonenstromes über den Fluß Aveyros setzte, fiel aus einem in der Luft dahinziehenden Fluge von Keilschwanzsittichen plötzlich einer ins Wasser herab. Der Reisende ließ den Vogel auffischen und beabsichtigte, da derselbe keine Wunde zeigte, ihn im Käfige zu halten; der Papagei aber betrug sich äußerst wild, biß nach jedem und verschmähte alle Nahrung, so daß Bates seine Mittel erschöpft sah. Eine alte Indianerin, welche den Ruf einer ausgezeichneten Papageizähmerin besaß, übernahm die Pflege des Wildlings und brachte ihn binnen zwei Tagen vollkommen gezähmt wieder. Von nun an war er das liebenswürdigste Geschöpf unter der Sonne, lernte sprechen und hatte seine früheren Unarten gänzlich vergessen. Welche Mittel die Indianerin angewendet haben mochte, konnte Bates nicht ergründen; ein Bekannter versicherte ihm aber, daß die rasche Zähmung durch den Speichel bewirkt worden sei, welchen die Frau dem Papagei gegeben habe.

Im Vergleiche zu den frei die Hütten der Indianer umfliegenden Gefangenen hat der für Europa bestimmte Papagei freilich ein trauriges Loos. Am übelsten ergeht es ihm, bevor er den Ort seiner Bestimmung erreicht. Der Indianer des Urwaldes, welcher ihn fing, um ihn gegen die Erzeugnisse Europas zu vertauschen, übergibt ihn in der ersten besten Hafenstadt den Händen eines Matrosen, welcher weder von der Pflege noch von der einem derartigen Vogel ersprießlichen Nahrung etwas weiß. Kaum mehr als die Hälfte aller Papageien, welche an Bord eines Schiffes gebracht werden, überstehen die weite Seereise, und von denen, welche glücklich in Europa angelangt sind, gehen auch noch viele in den dunklen, schmutzigen, verpesteten Buden der Händler zu Grunde. Erst wenn der Vogel in geeignete Pflege kommt, bessert sich sein Schicksal: er ist dann aber oft leutescheu, mißtrauisch, heftig und unartig geworden und verliert erst nach längerer Behandlung die Herbheit seines Wesens.

Aber er ist klug und lernt es bald, in die veränderten Umstände sich zu finden. Zunächst gewöhnt er sich an allerlei Kost. Anstatt der saftigen Früchte und der Körner seiner heimatlichen Wälder werden ihm die Nahrungsmittel des Menschen geboten. Sie behagen ihm um so besser, je mehr von ihnen er kennen lernt. Anfänglich genügt ihm Hanf oder Kanariensamen, bald aber verlangt er mehr. Durch Darreichung von Süßigkeiten wird er zum verwöhnten Schlecker, welcher mit einfacher Nahrung sich nicht begnügt. Man kann ihn an fast alle Stoffe gewöhnen, welche der Mensch genießt, auch an Kaffee, Thee, Wein, Bier und dergleichen: er berauscht sich sogar durch Genuß geistiger Getränke. Bloß auf die kleinsten Arten der Ordnung paßt vorstehende Schilderung nicht: sie verschmähen außer ihrem Körnerfutter und Kräuterblättern andere Nahrung. Es wird behauptet, daß Fleischnahrung, welche man unseren Vögeln reicht, die Ursache einer Unart derselben ist. Viele gefangene Papageien nämlich ziehen sich selbst ihre Federn aus, rupfen sich zuweilen vollständig kahl. Sie verfolgen die hervorsprossende Feder mit einem gewissen Eifer und lassen sich durch keine Strafe, gegen welche sie sonst höchst empfindlich sind, von ihrem Beginnen abschrecken. Ich weiß nicht, wie groß der Einfluß unpassender Nahrung auf solches Gebaren ist, habe aber niemals beobachtet, daß Papageien, denen man einfaches Futter vorsetzt, gegen sich selbst wüthen, halte jene Behauptung also nicht für unwahrscheinlich. Andere Beobachter wollen die Ursache des Federausrupfens einfach auf die Langeweile, zu welcher die im Freien sehr thätigen Papageien während ihrer Gefangenschaft verurtheilt werden, zurückführen, und versichern, daß man den Vögeln ihre Unart abgewöhnen könne, wenn man ihnen jederzeit in genügender Menge weiches Holz reiche und gestatte, dasselbe nach Belieben zu zerkleinern, ihnen also Beschäftigung gewähre. Nach meinen Beobachtungen ist es ganz richtig, daß Papageien, denen man überhaupt eine gewisse Zerstörungslust nicht absprechen kann, mit Eifer über Sitzstangen, Nistkasten und andere Holztheile eines Käfigs herfallen und sie, Dank der Fertigkeit ihres Schnabels, auch in kürzester Zeit zerstören; niemals aber habe ich trotz aller entgegenstehenden Angaben beobachtet, daß so beschäftigte Papageien abgelassen hätten, ihr eigenes Gefieder zu zerstören. Als wirklich durchschlagendes Mittel kann ich demgemäß Darreichen von weichem Holze nicht erkennen. Auch der sehr erfahrene Vekemans, Vorsteher des Thiergartens zu Antwerpen, durch dessen Hände alljährlich tausende von lebenden Papageien gehen, stimmt in dieser Beziehung mit mir überein und wußte auf Befragen, wie federnagenden Sittichen ihre Unart abzugewöhnen sei, nur ein einziges allerdings durchschlagendes Mittel anzugeben: ihnen den Hals umzudrehen. Demungeachtet will ich nicht in Abrede stellen, daß durch das oben angegebene Mittel einer oder der andere Papagei seine unangenehme Gewohnheit sich abgewöhnen kann, und empfehle Darreichen von weichem Holze schon aus dem Grunde, um gefangenen Papageien eine ihnen erwünschte Beschäftigung zu gewähren. Wichtiger aber erscheint mir jedenfalls Auswahl einer für sie passenden Nahrung. Erfahrungsmäßig genügen den meisten größeren Papageiarten Hanf, hartgekochter Reis, Hafer, Mais, Salat, Kohl und Früchte, den kleineren Hirse, Kanariensamen, Salat und Pflanzenblätter. Bittere Mandeln und Petersilie sind Gift für sie und werden ihnen verderblich.

Wie unter allen hochstehenden Thieren gibt es auch unter den Papageien, ich meine innerhalb einer und derselben Art, mehr oder minder gelehrige oder, was dasselbe sagen will, höher oder geringer begabte. Der eine lernt rasch und viel, der andere langsam und wenig, der dritte gar nichts. Doch vermag ein regelrechter Unterricht viel, sehr viel. Ihr vortreffliches Gedächtnis kommt ihnen dabei sehr zu statten. Sie bewahren sich empfangene Eindrücke jahrelang. Ihr Gedächtnis ist für das Sprechenlernen ebenso wesentlich wie die Beweglichkeit ihrer Zunge, welche ihnen das Nachahmen menschlicher Laute ermöglicht. Sie erfassen einen Begriff, erlernen ein Wort; zu dem einen erwerben sie sich mehrere, und ihre Fähigkeit wächst, je mehr sie dieselbe beanspruchen. So nimmt das gefiederte Kind des Urwaldes im Umgange mit dem Menschen mehr und mehr von diesem an und wird nach und nach zu einem Wesen, welchem wir Anerkennung nicht versagen. Der Papagei wird gewissermaßen menschlich im Umgange mit Menschen, sowie ein Hund durch Erziehung gebildet, ich möchte sagen, gesittet wird. Als eine Vermenschlichung des Vogels darf man es bezeichnen, daß er nicht allein Sitten und Gewohnheiten des Hauses seines Pflegers annimmt, sondern auch sein ohrzerreißendes Geschrei seltener und immer seltener ertönen läßt und zuletzt, von besonderer Aufregung abgesehen, nur noch die ihm angelernten Worte und Singweisen zum besten gibt. Ein derartiges Anbequemen an die Wünsche des Menschen spricht unbedingt für die trefflichen Geistesanlagen des Papageis. Sein hoher Verstand bekundet sich jedoch noch anderweitig, ich möchte sagen, bei jeder Gelegenheit. Er unterscheidet genau, nicht allein, wie so manche andere Vögel auch, Männer und Frauen oder Hausgenossen und Fremde, sondern verschiedene Menschen überhaupt. Wer wissen will, ob er einen männlichen oder weiblichen Papagei besitzt, kommt in den meisten Fällen, bei den großen, verständigsten Arten fast immer, zum Ziele, wenn er abwechselnd einen Mann und eine Frau ersucht, dem Papagei zu nahen, mit ihm zu kosen, ihn zu erzürnen. Geht er leicht auf Liebkosungen eines Mannes ein, so ist er höchst wahrscheinlich ein Weibchen, läßt er sich leicht erzürnen, ein Männchen. Ebenso verhält es sich, wenn eine Frau einen männlichen Papagei liebkost und einen weiblichen reizt. Ich habe dies nicht glauben wollen, mich von der Thatsächlichkeit aber überzeugen müssen. Verschiedenen Menschen des gleichen Geschlechtes gegenüber benimmt sich ein und derselbe Papagei keineswegs einmal wie das andere. In den meisten Fällen prüft er, bevor er urtheilt oder handelt; zuweilen aber bekundet er gegen jemand von vorn herein Abneigung, und diese mindert sich nicht, sondern vermehrt sich eher mit der Zeit. Oft muß man seine Menschenkenntnis bewundern. Auf alles dieses muß man Rücksicht nehmen, wenn man einen Papagei unterrichten oder erziehen will. Ebenso wie jedes andere Wesen, welches von einem höher stehenden Lehre annehmen soll, verlangt dieser einen regelmäßigen Unterricht und bei aller Liebe in der Behandlung milden Ernst. Sonst läßt er sich wohl verziehen, nicht aber erziehen. Uebergroße Zärtlichkeit in der Behandlung verdirbt ihn ebenso sicher als übergroße Strenge. Einzeln stehende Frauen, welche Papageien pflegen, ziehen sich oft in ihnen ganz unleidliche Thiere heran, weil sie ihre Zöglinge allzu gut, allzu nachsichtig behandeln. Bedingung zur Erziehung ist, daß der betreffende Vogel anfangs in engem Gewahrsam bleibe, damit sein Pfleger im Stande ist, sich jederzeit mit ihm zu beschäftigen. Läßt man ihn frei in einem größeren Raume umherfliegen, so wird er selten zahm und lernt noch seltener sprechen. Größere Freiheit darf man ihm erst gestatten, wenn der ihm gewordene Unterricht fast beendet ist.

Dagegen verlangen die Papageien eine gewisse Freiheit, wenn sie einem Wunsche der wahren Liebhaber entsprechen, nämlich brüten sollen. Letzteres geschieht in der Gefangenschaft gewiß einzig und allein aus dem Grunde selten, weil man den Vögeln die erforderlichen Bedingungen nicht gewährt. Es liegen genügende Erfahrungen vor, um zu beweisen, daß es nicht schwer ist, gefangenen Papageien zur Fortpflanzung behülflich zu sein. Erstes Erfordernis ist und bleibt, dem Pärchen, von welchem man erfuhr, daß es sich verträgt, Raum, Ruhe und einen genügenden Nistbaum zu geben. Ein halbwegs geräumiges Zimmer, in welchem Papageien jahraus, jahrein ungestört verweilen können und ein ausgehöhlter mit entsprechendem Schlupfloch versehener, sonst aber geschlossener Baumstrunk einer weichen Holzart: das sind die Bedingungen, welche erfüllt sein müssen, bevor man hoffen darf, sie zur Fortpflanzung schreiten zu sehen. Sie sind gewiß leicht befriedigt, diese Vögel, welche sich, mehr als andere, in die verschiedensten Lagen des Lebens zu finden wissen!

Ich meinestheils gestehe gern, daß mir Papageien, welche im bunten Durcheinander einen großen wohnlichen Gesellschaftsraum beleben, ungleich lieber sind, als die im engen Käfig eingesperrten, selbst wenn diese prächtig sprechen sollten.

Bisher wurden sie auch in Thiergärten, welche für die Hebung der Thierpflege außerordentlich genützt haben, arg vernachlässigt. Man setzte sie, wie in den Thierschaubuden, angekettet auf Holzgestelle oder stellte sie reihenweise in Käfigen nebeneinander. Es war und ist noch für die Besucher eines zahlreich bevölkerten Papageienhauses mit wirklicher Qual der Gehörwerkzeuge verbunden, in solchem Hause längere Zeit zu verweilen. Papageien, welche gewöhnt sind, ihresgleichen und andere Vögel in einer gewissen Ordnung zu sehen, erheben, sobald diese Ordnung gestört wird, ein Zetergeschrei. Sie zeigen dem Wärter ganz unfehlbar jedes von dem alltäglich gewohnten abweichende Ereignis durch ohrzerreißendes Schreien an, und unterstützen dieses noch besonders durch lebhafte Geberden, durch Schlagen mit den Flügeln, schnelles, wiederholtes Verneigen des Kopfes und dergleichen Zeichen ihrer Erregtheit. Genau ebenso benehmen sie sich, wenn ein ihnen auffallender Mensch in ihren Wohnraum tritt, und wenn einmal einer zu schreien begann, stimmen die anderen gewiß sofort mit ein. Dann ist es in ihrer Gesellschaft wirklich kaum zum Aushalten, und alle die Einwendungen, welche gegen das Gefangenhalten von Papageien gang und gäbe sind, werden laut. So kommt es, daß die Papageienhäuser in den Thiergärten beinahe gemieden werden.

In der Neuzeit hat man wiederholt, namentlich in England und bei uns zu Lande, versucht, freigelassene Papageien einzubürgern. Die Vögel haben wenigstens in Großbritannien bald an unser europäisches Klima sich gewöhnt, in unseren Waldungen sich seßhaft gemacht, wiederholt genistet und Junge aufgebracht, würden auch sicherlich trefflich gedeihen, wenn es nicht, wie ein englischer Berichterstatter sich ausdrückt, »so viele erbärmliche Flinten gäbe«. Man schießt die auffallenden Fremdlinge einfach todt, wo man sie bemerkt, und bereitet damit allen Einbürgerungsversuchen, deren Nützlichkeit übrigens sehr fraglich sein dürfte, ein jähes Ende.

Die umfassendsten und gelungensten Versuche, Papageien einzubürgern, hat wohl Buxton auf zweien seiner in England gelegenen Güter ausgeführt. Ein Amazonenpapagei, welcher zwanzig Jahre in Gefangenschaft verlebt hatte und als »Redner« ersten Ranges bezeichnet wird, brachte ihn zuerst auf den Gedanken, Papageien auszusetzen; denn dieser Vogel blieb, nachdem er entronnen war, nahezu drei Monate auf benachbarten Buchen und Eichen und kam erst, als der Winter begann, in das Haus zurück. Sein Gefieder hatte sich während des Freilebens so prachtvoll entwickelt, daß der Gedanke, weitere Aussetzungsversuche zu unternehmen, Buxton wie von selbst sich aufdrängte. Die Eingewöhnungsversuche wurden in ziemlich großem Maßstabe betrieben. Unser Engländer wählte graue und Amazonenpapageien, vier Arten Kakadus, Edel- und Plattschweifsittiche und zwei Arten Loris. Alle flogen nach Belieben umher, siedelten sich in dem Parke und den nachbarlichen Wäldern an, trieben es ganz wie in der Freiheit und wußten auch in England so trefflich sich zu verstecken, daß nur ein geübtes Auge sie im Schatten des Gelaubes der mächtigen Bäume aufzufinden vermochte. Einzelne unternahmen weitere Ausflüge und kehrten von diesen nicht zurück, sei es, daß sie sich verflogen oder ihren Tod durch eine der erwähnten »erbärmlichen Flinten« gefunden hatten; die übrigen hielten sich mehr in der Nähe des Hauses, von welchem aus sie in den Park geflogen waren, und erschienen morgens und abends, um ihr Futter zu holen. »Nachdem der Korb mit dem Papageienfrühstücke auf einen Dreifuß gesetzt wurde«, schreibt Buxton, »eilt ein Paar von den weißen Kakadus, welches die Vorbereitungen zur Fütterung unausgesetzt von dem Baume oben beobachtet hatte, hernieder und geht sogleich ans Werk. Ein Barettsittich schießt nun herbei und flattert für wenige Minuten fast senkrecht in der Luft, genau in der Stellung, wie Kolibris abgebildet werden, Kopf und Schweif nach innen gekrümmt, die Flügel ausgestreckt. Zwei oder drei Rosenkakadus folgen und hängen an dem Dreifuße, ohne zu wagen, an den Ecken des Korbes Stellung zu nehmen, so lange ihre dreisteren Brüder bei der Mahlzeit sind. Aber jetzt kommt über den Rasenplatz einer der großen Gelbhaubenkakadus schwerfällig herniedergeflogen und treibt die kleineren im Nu in die Flucht. Doch sammeln sie sich wieder, und ein in roth und grün strahlender Lori jagt durch die Luft und schimmert auf der Spitze des Dreifußes, wobei seine brennenden Farben von dem reinen Weiß der Kakadus lebhaft abstechen. Vervollständigt wird die Gruppe durch eine Alpenkrähe, deren glänzend blauschwarzes Gefieder und korallrother Schnabel und Füße nicht minder in die Augen fallen. Sie geräth sofort mit ihren Nebenbuhlern in Streit, wobei ihr der lange Schnabel Vortheile über diese gewährt. Ich kann versichern, daß ein Schauspiel dieser Art, wie ich es hundertmal mit angesehen, von ausgezeichneter Schönheit ist, namentlich an einem hellen Wintermorgen mit Schnee auf dem Boden, welcher die Farben der Vögel besonders glänzend erscheinen läßt. Die Kälte beeinträchtigt sie wenig. Jakos sind bedachtsam genug, in ein Haus zu gehen, welches als Obdach für sie gebaut wurde; aber alle übrigen Vögel trieben sich während des ganzen Jahres in den Wäldern umher. Selbst im Winter von 1867 auf 1868, als der Wärmemesser in meiner Nachbarschaft auf sechs Grad unter Null fiel, blieb mit Ausnahme eines auf unerklärte Weise verschwundenen Kakadus der Rest so lebendig und munter als vorher. In der That glaube ich, daß gesunden und gut gefütterten Vögeln dieser Art die Kälte nicht nachtheilig ist. Thatsächlich haben sie solch wundervolles Feder- und Dunenkleid und so lebhaften Blutumlauf, daß die Kälte sie selten tödtet, und wenn ich auch nicht glaube, daß sie dieselbe lieben, erscheint es doch immerhin merkwürdig genug, Papageien aus Afrika, Sittiche aus Indien und Loris von den Philippinen von unserem Froste und Schnee nicht leiden zu sehen. Bemerken will ich, daß der Gärtner erklärt, die Jakos merkten ein Unwetter im voraus und nähmen, bevor es hereinbräche, oft ihre Zuflucht in den Glashäusern.

»Nichts kann auffallender sein, als der Gegensatz zwischen dem Gefieder der Papageien, wenn sie zuerst ankommen und nachdem sie einige Wochen umhergeflogen sind. Ihr Kleid nimmt dann einen Glanz und Schimmer an wie geglättetes Erz. Abwechselung im Futter ist nicht minder wichtig für sie wie Reinlichkeit verbunden mit gehöriger Leibesbewegung. Einige von ihnen, welche nicht fliegen können oder vorziehen, im Hause zu träumen, sehen immer betrübt aus, sind mürrisch und reizbar, wogegen die lebhafteren Papageien, welche umherfliegen, um ihren Unterhalt selbst zu erwerben, sich lustig, zufrieden und freundlich zeigen. Den Untergärtner, welcher sie füttert, lieben sie außerordentlich, und man kann ihn im Garten selten an der Arbeit anders sehen als mit einem oder zwei Kakadus auf Kopf und Schulter.

»Ein Paar Kakadus machten den ersten Versuch zum Nisten, indem sie höchst erfolglos in einem der Schornsteine ein Nest anzulegen sich bestrebten. Bevor es jedoch halb vollendet war, gab der Bau nach und Nest und Kakadus fielen zu Boden. Da dies während des Sommers geschah, wurden sie erst entdeckt, nachdem sie einen Tag und eine Nacht im Ruße zugebracht hatten und wie kleine Schornsteinfeger aussahen. Sie waren jedoch beharrlich und bauten ein anderes Nest in einem Nistkasten, welcher für derartige Zwecke am Hausgiebel angehängt war. Aber obschon das Weibchen zwei Eier legte und sehr ausdauernd bis September brütete, zeitigte es doch kein Junges. Nachmals baute ein Paar verschiedenartiger Amazonenpapageien sein Nest in einem der Brutkästen und zog ein Junges auf. Als dieses fast flügge war, hielt einer der Kakadus für angemessen, es umzubringen. Im folgenden Jahre erzielte dasselbe Mischpärchen zwei Junge, und es war wirklich ein herrlicher Anblick, die ganze Familie, alle Mitglieder immer zusammen, umherfliegen und auf dem zärtlichsten Fuße leben zu sehen. Unglücklicherweise wurden die Mutter und der älteste Sohn geschossen. Später paarten sich ein gelber Hauben- und Inkakakadu und höhlten sich selbst ein eigenes Nest in dem abgestorbenen Aste eines Akazienbaumes aus, legten zwei Eier und brachten die Jungen auf. Diese Mischlinge sind sehr hübsch, ähneln aber keinem der Eltern, indem sie sehr schöne rothorangefarbene Federbüsche, sonst aber rein weißes Gefieder haben. Die Alten waren so zufrieden mit dem Erfolge ihres Versuches, daß sie ihn wiederholten und drei Junge erzeugten. Es war nun ein Flug von sieben Stück zusammen. Leider aber wurde einer der beiden Erstlinge im Winter angeschossen und kam schwerverwundet nach Hause. Seitdem erlaubten die anderen Vögel ihm nicht mehr, sich ihnen zu gesellen, und er lebte fortan immer in einem Busche, getrennt von den übrigen, nahe dem Hause. Eines Tages setzte ich ihn in den Garten, worauf einige der anderen Kakadus, jedoch keiner seiner Verwandten, über ihn herfielen und ihn tödteten. Im Jahre 1868 hofften wir, daß dasselbe Paar wieder nisten würde; aber unglücklicherweise nahm ihnen ein Paar Jakos die Asthöhlung weg und erzielte zwei Junge. Höchst lächerlich war es zu sehen, als das erwähnte Kakadupärchen in dem Akazienbaume nistete, welche übertriebene Theilnahme die anderen Vögel ihrer Art hieran nahmen. Sie saßen fast den ganzen Tag auf dem Zweige des Baumes gerade über dem Neste, und so wie eines der Eltern ausflog, wurde es von einem Trupp der anderen begleitet, welche zu seiner Ehre entsetzlich schrieen.«

Auch in England verbringen die Papageien den Tag in geregelter Weise. »Sie haben«, so schließt Buxton, »eine bestimmte Stundeneintheilung. Bald nach der Dämmerung können ihre Stimmen von einem entfernten Walde gehört werden, in welchem die meisten von ihnen schlafen; sie kommen dann und warten auf ihr Frühstück; über Mittag wird geschlafen, dann Futter gesucht, schließlich zum Abendbrod herbeigeflogen. Bevor sie zur Ruhe gehen, geben sie sich wie Rabenvögel einer ausgelassenen Lustigkeit hin. Die Papageien steigen dann oft in der Runde in bedeutende Höhe, vor Entzücken kreischend, während die Kakadus mit aufgerichtetem Kamme von Baum zu Baum flattern und dabei ihre Stimme insbesondere dann, wenn sie Menschen im Garten sehen, nach Lust ertönen lassen. Ich muß zugestehen, daß einige von ihnen, wenn nicht alle, namentlich durch Abpflücken von Obst, unnütze Streiche verüben; aber wir glauben, mehr als entschädigt zu sein durch das anmuthige Leben, welches sie dem Garten verleihen und die auserlesene Schönheit ihres Gefieders.«


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