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Füchse ( Vulpes).

Die Füchse ( Vulpes ) unterscheiden sich von den Urhunden, Wölfen, Schakalen nebst Verwandten und den Haushunden durch den Bau ihres Gebisses zwar nicht wesentlich, wohl aber durch den langgestreckten Leib, den gestreckten, spitzschnäuzigen Kopf, den in der Regel länglichrunden, etwas schief stehenden Augenstern, die niederen Läufe, den sehr langen, dickbuschig behaarten Schwanz sowie den nur schwach gebogenen, fast wagrechten, am Vorderrande seicht vertieften Brauenfortsatz des Stirnbeines merklich genug, um sie nach Ansicht einiger Forscher in einer besonderen Gruppe zu vereinigen, möge man dieser nun den Rang einer Sippe (nach Gray's Meinung sogar einer Unterfamilie) zugestehen oder nicht. Auch in ihrem Wesen und Gebaren bekunden sie, bei aller Uebereinstimmung mit den Sitten und Gewohnheiten anderer Hunde, so manche Eigentümlichkeit und verdienen besondere Beachtung.

Unter den in unserem Vaterlande wildlebenden Säugethieren steht der Fuchs ( Canis vulpes, C. alopex, Vulpes vulgaris) unzweifelhaft obenan. Kaum ein einziges anderes Mitglied der ersten Klasse genießt einen so hohen Ruhm und erfreut sich einer so großen Bekanntschaft wie Freund Reineke, das Sinnbild der List, Verschlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich sagen möchte, gemeinen Ritterlichkeit. Ihn rühmt das Sprichwort, ihn preist die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht; ihn hielt einer unserer größten Meister für würdig, seinen Gesang ihm zu widmen. Es ist gar nicht anders möglich: der Gegenstand einer so allgemeinen Theilnahme muß ein ausgezeichnetes Geschöpf sein. Und das ist denn auch unser Schlaukopf und Strauchdieb in jeder Hinsicht. Wir müssen ihm seiner geistigen wie leiblichen Eigenschaften wegen unsere Achtung zollen, ihn gewissermaßen liebgewinnen. Gleichwohl erfreut sich Reineke keineswegs unserer Freundschaft. Trotz aller Anerkennung, welche seine Fähigkeiten uns einflößen, wird er von uns verfolgt und befehdet, wo sich nur immer Gelegenheit dazu bietet. Es scheint fast, als bestände zwischen dem Menschen und Thiere ein Wettstreit, als bemühe sich der Mensch, ihm gegenüber zu zeigen, daß die geistigen Fähigkeiten des Erdenbeherrschers denn doch noch die des Fuchses überträfen: und Reineke seinerseits läßt es sich angelegen sein, seinem Verfolger immer und immer wieder zu beweisen, daß man auch trotz aller Hindernisse noch zu leben verstehe.

Der Fuchs ist ein vollendetes Thier in seiner Art. »Zierlicher, als seine Verwandten in Tracht und Haltung«, sagt Tschudi, »feiner, vorsichtiger, berechnender, biegsamer, von großem Gedächtnis und Ortssinn, erfinderisch, geduldig, entschlossen, gleich gewandt im Springen, Schleichen, Kriechen und Schwimmen, scheint er alle Erfordernisse des vollendeten Strauchdiebes in sich zu vereinigen und macht, wenn man seinen geistreichen Humor hinzunimmt, den angenehmen Eindruck eines abgerundeten Virtuosen in seiner Art.« Reineke ist unbedingt der allervollendetsten Spitzbuben einer. Mit seinen leiblichen Begabungen stehen seine geistigen Fähigkeiten nicht bloß im Einklange, sondern helfen ihm gewissermaßen über manche Mängel seiner leiblichen Ausrüstung, im Vergleiche zu anderen, besser begabten Raubthieren hinweg. Reineke versteht sein Handwerk zu treiben und läßt sich kaum von einem zweiten Geschöpfe übertreffen. Ihm scheint nichts unerreichbar, seiner List und Tücke kein Wild zu schnell oder zu stark, seiner Behendigkeit nichts zu rasch und zu gewandt zu sein. Gefahr würdigt er vollkommen, aber fürchtet sie nicht; denn für ihn sind alle Netze, Fallen, Schlingen und Jagdwaffen eigentlich kaum da; für ihn findet sich aus jeder Verlegenheit noch ein Ausweg, und nur die größere Menschenlist oder die durch Verbindung mit des Fuchses eigenen Familiengenossen unberechenbar vermehrte Macht des Erdenbeherrschers kostet unserem Strauchdiebe Haut und Haar.

Reineke lebt, hundertfach durch Wort und Bild gezeichnet, in Jedermanns Anschauung und ist wohl bekannt. Demungeachtet verdient er den weniger mit der Natur Vertrauten besonders vorgestellt zu werden. Seine Länge beträgt bis 1,3 Meter, wovon freilich 40 Centim. auf den Schwanz kommen, die Höhe am Widerrist dagegen nur 35, höchstens 38 Centim., das Gewicht sieben bis zehn Kilogramm. Der Kopf ist breit, die Stirn platt, die Schnauze, welche sich plötzlich verschmälert, lang und dünn. Die Seher stehen schief und die Lauscher, welche am Grunde sich verbreitern und nach oben zuspitzen, aufrecht. Der Leib erscheint feines ziemlich dichten Haarkleides wegen dick, ist in Wahrheit aber ungemein schlank, jedoch äußerst kräftig und der umfassendsten Bewegung fähig. Die Läufe sind dünn und kurz, die Standarte oder Lunte aber ist lang und buschig, der Balg sehr reichlich, dicht, weich, und hinsichtlich seiner Färbung ein wirklich vollendeter zu nennen. Reineke sammt seiner ganzen edlen Sippschaft trägt ein Kleid, welches seinem Räuberthume in der allervortrefflichsten Weise entspricht. Die Färbung, ein fahles, grauliches Roth, welches sich der Bodenfärbung förmlich anschmiegt, paßt ebenso zum Laubwalde wie zum Nadelholzbestande, er sei hoch oder niedrig, oder ist für die Heide wie für das Feld und für das Stein- oder Felsengeklüfte gleich geeignet. Mehr als anderen Thieren scheint dem Fuchse der Rock nach dem Lande angepaßt zu sein; denn der südliche Fuchs ist von dem nördlichen und der Gebirgsfuchs von dem der Ebene nicht unwesentlich in der Färbung verschieden. Seine im Norden in der Steppe und Wüste lebenden Verwandten zeigen uns, wie wir später sehen werden, ihre Gleichfarbigkeit mit dem Boden noch deutlicher. Wenn wir das Gewand unseres Raubgesellen genau prüfen, finden wir, daß die Farbenvertheilung etwa folgende ist: Auf der ganzen Oberseite ist der Pelz rost- oder gelbroth gefärbt; die Stirn, die Schultern und der Hintertheil des Rückens bis zur Schwanzwurzel sind, weil die einzelnen Haare an dieser Stelle in eine weiße Spitze endigen, mit Weiß überlaufen, die Lippen, Wangen und die Kehle weiß. Ein weißer Streifen zieht sich an den Beinen herab; die Brust und der Bauch sind aschgrau, die Weichen weißgrau, die Vorderläufe roth,die Lauscher wie die Branten oder Zehen schwarz; die Standarte endlich ist rostroth oder gelbroth, schwärzlich überlaufen und ihre Blume oder Spitze weiß. Alle diese Farbenschattirungen gehen ganz unmerklich in einander über, keine sticht grell von der anderen ab, und daher kommt es eben, daß das ganze Kleid für alle Verhältnisse so außerordentlich sich eignet. Der vorsichtig dahinschleichende Fuchs wird kaum bemerkt, eben weil seine ganze Umgebung ihm ähnlich gefärbt ist und ihn dadurch deckt. Alle Verwandten haben mehr oder weniger dieselbe Färbung, nur daß diese je nach der Oertlichkeit sich ändert und den durch sie bedingten Abweichungen entspricht.

Gerippe des Fuchses ( Canis vulpes). Aus dem Berliner anatomischen Museum.

Jede einzelne Fuchsart weicht hinsichtlich ihrer Färbung vielfach ab und so auch unser Reineke. Der schönste Rothfuchs ist der nördliche, welcher jedoch ebenfalls sehr abändert. Je weiter man nun von dem Norden nach Süden herabkommt, um so kleiner, schwächer und weniger roth zeigt sich der Fuchs. In flachen, sumpfigen Gegenden ist er am schlechtesten; gibt es aber bergige Strecken dazwischen, so wird er in diesen wieder etwas besser. In Deutschland findet man die schönsten Füchse im nördlichen Tirol. Im südlichen Theile Tirols und der Schweiz ist er als Bergfuchs noch immer ziemlich groß und rauh, aber schon mehr grau, und es kommen auch einzelne sogenannte Kohlfüchse vor. In der Lombardei und dem Venetianischen zeigt der Fuchs ein ganz anderes Gepräge; er ist hier kleiner, grauer und fahlgelber, und es finden sich bereits viele Kohlfüchse. In Südfrankreich ist er ebenso, und in Spanien bereits sehr klein und fahl geworden. Aus diesem Grunde hat man die südlichen Füchse als Art von den unserigen und namentlich von den nordischen unterschieden, ob mit Recht oder Unrecht, lassen wir dahingestellt sein. Die Unterschiede sind jedenfalls ziemlich hervorstechend, da sie sich auch auf die Größe beziehen.

In der Weidmannssprache heißt nur das Männchen Fuchs, die Füchsin » Fähin« oder » Betze«; die Augen nennt man » Seher«, die Ohren » Lauscher«, die Beine » Läufe«, die Zehen » Branten«, den Schwanz » Standarte, Stange, Lunde oder Lunte und Ruthe«, die Schwanzspitze » Blume«, die Afterdrüse » Viole«, das Fell » Balg«, das Grannenhaar » Haar«, das Wollhaar » Wolle«. Der Fuchs » schleicht, trabt und schnürt, wird flüchtig«, er » läuft« vor den Hunden oder aufs Reizen, » bellt, kriecht zu Baue, steckt im Baue, fährt aus demselben, raubt, mauset, reißt und frißt den Raub, nimmt die »Schleppe, den Brocken, Vorwurf oder Abzugsbissen«; er » ranzt« oder » rollt«, d. h. begattet sich; die Füchsin » rennt« während der » Ranz- oder Rollzeit« und » wirft« oder » wölft« ihre Jungen.

Reineke bewohnt den größten Theil der nördlichen Hälfte unserer Halbkugel. Er geht durch ganz Europa, Nordafrika, West- und Nordasien. Man vermißt ihn nirgends gänzlich und trifft ihn in manchen Gegenden häufig an. Seine Allseitigkeit läßt ihn aller Orten passende Wohnplätze finden, wo andere Raubthiere, aus Mangel an solchen, sich nicht aufhalten können, und seine List, Schlauheit und Gewandtheit befähigen ihn, diese Wohnsitze mit einer Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit zu behaupten, welche geradezu ohne Beispiel dasteht.

Seine Wohnplätze werden immer mit äußerster Vorsicht gewählt. Es sind tiefe, gewöhnlich verzweigte Höhlen im Geklüft, zwischen Wurzeln oder anderen günstigen Stellen, welche am Ende in einen geräumigen Kessel münden. Wenn es nur irgend angeht, gräbt er sich diese Baue nicht selbst, sondern bezieht alte, verlassene Dachsbaue oder theilt sie mit Grimbart, trotz der Abneigung desselben, mit anderen Thieren Geselligkeit zu pflegen. Alle größeren Fuchsbaue sind ursprünglich vom Dachse angelegt worden. Falls er es haben kann, gräbt er den Bau an Berggehängen, so daß die Röhren aufwärts führen, ohne zu flach unter den Boden zu kommen. In ganz ebenen Gegenden liegt der Kessel oft dicht unter der Oberfläche. Zur Herbst- und Winterszeit bezieht er, namentlich in ebenen Gegenden, gern zusammengefahrene Steinhaufen, und unter Umständen müssen eine alte Kopfweide und Kopfeiche als Wohnung und Wochenzimmer dienen. Bei Platzregen, Sturm, kalter Witterung und während der Paarungszeit, auch im Sommer während der größten Hitze oder solange die Füchsin kleine Junge hat, findet man unseren Buschklepper regelmäßig in seinem Baue; bei günstiger Witterung aber durchwandert er sein Gebiet und ruht da aus, wo sich gerade ein passendes Plätzchen findet, gewöhnlich im Dickichte, im Rohre, im Getreide, im Riedgrase etc. In waldarmen Ebenen, beispielsweise in dem Fruchtlande Unteregyptens, graben sich die Füchse nur für ihr Gewölfe wirkliche Baue, während die alten unter dem milden Himmel des Landes jahraus jahrein im Freien leben.

Der Fuchs zieht, um zu rauben, die Nacht dem Tage vor, jagt jedoch auch recht gern angesichts der Sonne, an stillen Orten über Tages lieber noch als in der Dunkelheit. In den langen Tagen der Sommermonate zieht er an gedeckten Stellen seines Gebietes oft mehrere Stunden vor Sonnenuntergang mit seinen Jungen auf Raub aus, und bei anhaltender Kälte und tiefem Schnee scheint er nur in den Morgenstunden zu ruhen; denn schon von zehn Uhr vormittags an sieht man ihn in den Feldern umherstreichen. Wie der Hund hält er die Wärme sehr hoch. Bei schönem Wetter legt er sich auf einen alten Baumstamm oder Stein, um sich zu sonnen, und verträumt in behaglichster Gemüthsruhe manches Stündchen. Da, wo er sich sicher fühlt, überläßt er sich auch an wenig oder nicht gedeckten Stellen ziemlich sorglos dem Schlafe, schnarcht laut wie ein Hund und schläft so tief, daß es bisweilen selbst den durch einen klugen Hund aufmerksam gemachten Jäger gelingt, ihn in solcher Lage zu überraschen und zu beobachten. Mit Einbruch der Dämmerung oder schon in den Nachmittagsstunden beginnt er einen seiner Schleich- und Raubzüge. Aeußerst vorsichtig strolcht er langsam dahin, äugt und windet von Zeit zu Zeit, sucht sich beständig zu decken und wählt deshalb immer die günstigsten Stellen zwischen Gestrüpp, Steinen, hohen Gräsern und dergleichen zu seinen Wegen, Pässen oder Wechseln. So lange es irgend angeht, hält er das Dickicht, und wenn er dieses verlassen muß, geschieht es sicher nur da, wo einzelne Büsche und ähnliche Deckungsmittel ihm nach einer anderen ebenso günstigen Stelle des Waldes gleichsam eine Brücke schlagen. Daher kennen erfahrene Jäger die Fuchspässe sehr genau und können mit ziemlicher Sicherheit im voraus bestimmen, welchen Wechsel Reineke unter den gerade obwaltenden Umständen annehmen wird. Der Fuchs achtet auf alles und bemerkt auch das geringste, noch ehe andere Thiere davon etwas ahnen. Seine Sinnesfähigkeiten kommen ihm dabei vortrefflich zu statten: er vernimmt, äugt und windet außerordentlich scharf und weiß mit überraschender Geistesgegenwart und Schlauheit jede gemachte Beobachtung zu benutzen. List und Verstellung sind ihm zur zweiten Natur geworden. Ein auf die Jagd gehender Fuchs sieht harmlos aus und ist doch entschieden eines der gefährlichsten Raubthiere, welche wir in bewohnten Gegenden noch besitzen.

Seine Jagd gilt allem Gethier von dem jungen Reh an bis zum Käfer herab, vorzüglich aber den Mäusen, welche wohl den Haupttheil seiner Mahlzeiten bilden. Er schont weder Jung noch Alt, verfolgt die Hasen und Kaninchen aufs eifrigste, wagt es sogar, ein Reh- oder Hirschkälbchen zu beschleichen, wenn er glaubt, daß dieses einen Augenblick lang unbewacht ist, obgleich er weiß, daß ihn die Mutter, sobald sie ihn bemerkt, abtreibt und, wenn sie ihn erreichen kann, mit den starken Vorderläufen dergestalt durchprügelt, daß er lendenlahm davonhinkt. Er plündert nicht allein die Nester aller auf dem Boden brütenden Vögel, indem er Eier und Junge verzehrt, sondern versucht auch die flugbegabten, alten Vögel zu überlisten und kommt nicht selten zum Ziele. Er schwimmt und wadet durch Sumpf und Moor, um den auf dem Wasser brütenden Vögeln beizukommen: es sind Fälle bekannt, daß er brütende Schwäne erwürgt hat. Außerdem überfällt er die Herden des zahmen Geflügels und stiehlt sich zur Nachtzeit bis in die Höfe einzelnstehender Bauerngüter: wenn er ein gutes Versteck besitzt, schleicht er dem Hausgeflügel selbst bei hellem Tage nach. Wahrhaft furchtbar wird die Füchsin, welche Junge hat. Diese vermag sie mit Mäusen nicht zu sättigen und füttert sie deshalb fast ausschließlich mit größerem Wilde. »Mein Jäger«, so schreibt mir Eugen von Homeyer, »erlegte eine alte Füchsin auf dem Wege zu ihren Jungen, welche ein ganzes Bündel fast flügger Kiebitze den letzteren zutrug und in ihrem Magen nichts hatte als eine Maus. Sie lebt, wie ich anderweitig erfuhr, auch in dieser Zeit fast ausschließlich von Mäusen, während sie ihre Sprößlinge mit größerem Wilde versorgt. So fand ich in einem Baue zwei Hasen, ein frisches, aber bereits angeschnittenes Rehkalb, eine alte Wildente und ein Entenei. Mehr als zwanzig Hasengerippe lagen in der Nähe.« So arg treibt es der Fuchs wohl nie, geht sogar mit Vorliebe allerlei Kleinwild nach und liebt nur einige Abwechslung. In großen Gärten und Weinbergen ist er sicherlich ein viel häufigerer Gast, als man gewöhnlich glaubt. In beiden fängt er Heuschrecken, Maikäfer und deren Larven, Regenwürmer etc., oder sucht süße Birnen, Pflaumen, Trauben und andere Beeren zusammen. An dem Bache lungert er umher, um eine schöne Forelle oder einen dummen Krebs zu überraschen; am Meeresstrande frißt er den Fischern die Netze aus; im Walde entleert er die Schmeißen der Jäger. Kerfe aller Art: Käfer, Wespen, Bienenlarven und Fliegen und dergleichen zählen im Sommer wohl zu seinen regelmäßigen Gerichten. So kommt es, daß seine Tafel fast immer gut bestellt ist und er nur dann in Noth geräth, wenn sehr tiefer Schnee ihm seine Jagd besonders erschwert. Dann ist ihm alles genießbare recht, nicht allein Aas, welches er überhaupt und zu jeder Jahreszeit angeht und, wie viele Hunde, recht gern zu fressen scheint, sondern auch ein alter vertrockneter Knochen, selbst ein Stück halbverfaultes Leder. Mit der gefangenen Beute spielt er, falls er halbwegs gesättigt ist, lange und grausam vor dem Erwürgen.

Es würde selbst den Raum unseres Buches überschreiten, wollte ich alle die Listen und Verstelluugskünste hier wieder erzählen, welche man ihm bei Beobachtung seiner Jagdausflüge nach und nach abgesehen hat; von denen, welche er überhaupt zur Anwendung bringt, gar nicht zu reden. Nicht allein die Thierfabel, sondern auch die Thiergeschichte führen deren in Menge auf, und manche von ihnen haben bis zum heutigen Tage noch nicht allen Glauben verloren, so wenig wahrscheinlich sie auch sind. »Ist ein listig, boszhasstig vnd fürwitzig thier«, sagt der alte Geßner, »den ygel kehrt er sattlich vmb vnd beseicht jm den kopff, von welchem er dann erstickt; den hasen betriegt er mit schimpff mit jm ze gopen; die vögel indem dz er sich besudelt vnd als ob er todt seye, sich auf den wasen streckt, die vögel also als zu einem schelmen lockt vnd sy erfasset; die fischly facht er mit seinem schwantz, den er in das Wasser streckt, vnd so sich die fischlein daryn geschwummen zeucht er sy herauß, erschütt den schwantz vnd labt wol vmb ein kleine vnten. Ich geschwyg deß lists den er mit den bynen vnd wäspen braucht, damit er das honig vnd waben vnverletzt fräste etc.« Solche und ähnliche Geschichten werden noch heutigen Tages erzählt und von nicht Wenigen als baare Münze genommen. Ein Körnlein Wahrheit ist auch in ihnen zu finden: die Thatsache, daß der Fuchs bei seinen Jagden allerdings mit Ueberlegung, Umsicht und Schlauheit zu Werke geht und deshalb Thiere, welche ihm leicht zu entrinnen vermögen, ebensogut zu erlisten weiß als langsames und täppisches Wild. »Daß unser Raubritter«, schreibt E. von Homeyer ferner, »alte Vögel greift, ist unzweifelhaft; es erscheint mir jedoch auch wahrscheinlich, daß die alten Schilderungen der Art und Weise, wie er es anstellt, solche zu überlisten, theilweise richtig sind. Wenn der Fuchs, um sich zu sonnen, auf einer Waldblöße liegt, versammeln sich Krähen in immer wachsender Anzahl unter stetem Lärm und rücken dem Fuchse, welcher regungslos daliegt, allmählich näher, bis ein sicherer Sprung des Todgeglaubten einen der Schreier zum Opfer fordert. Mein Vater hörte einmal im Mai, ehe es noch junge Krähen gab, von fern anhaltendes Schreien der Krähen eines Waldes, und vermuthete, daß dasselbe einem Raubvogel gelte. Schon in die Nähe gekommen, vernahm er einen furchtbaren Lärm, welcher sich auf ihn zu bewegte, und bald sprang ein Fuchs mit einer Krähe im Maule vorüber, gefolgt von einem großen Schwarme schreiender Genossen des Opfers. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß das plötzliche Aufschreien aller Krähen den Augenblick bezeichnete, an welchem der Fuchs eine derselben ergriff.«

Bei seinen Jagdzügen gilt ihm die eigene Sicherheit als erstes Gesetz; ihr ordnet er alle Lüste und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er so vielfachen Nachstellungen. Niemals wagt er sich auf einen von scharfen Hunden geschützten Hof oder in ein Gehege, welches mit Scheuchen umstellt ist. Alles ihm nicht bekannte erregt seinen Verdacht, und wenn er erst mistrauisch geworden ist, bekundet er erstaunliche Selbstbeherrschung. Verdächtige Beute untersucht er vorher genau und läßt sie weit lieber im Stiche, als daß er sich der Gefahr aussetzt; deshalb schleppt er nur sehr ausnahmsweise todte Körper weg oder besinnt sich lange, Köder anzunehmen, welche man ihm stellt, um ihn zu berücken. Erst nachdem er alles sorgfältig geprüft hat, wendet er sich rascher, doch auch jetzt noch auf Umwegen, seinem Ziele zu.

Ganz anders benimmt er sich, wenn er sich vollkommen sicher weiß. Dann verwandelt sich seine Vorsicht in eine wirklich unverschämte Frechheit. Er erscheint bei hellem Tage in dem Hofe, holt sich angesichts der Bewohner ein Huhn, eine Gans, macht sich mit seiner Beute offen davon und trägt sie ruhig seines Weges, selbst wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. Nur im äußersten Nothfalle läßt er so schwer errungenes im Stiche, und regelmäßig kehrt er dann zurück, um zu sehen, ob er es nicht noch wegbringen könne. Dieselbe Dreistigkeit zeigt er zuweilen unter Umständen, welche schleunigste Flucht zur Nothwendigkeit machen. So packte ein Fuchs, welcher in einem Treiben von Hunden gejagt wurde und schon zweimal Schrote hatte pfeifen hören, in vollster Flucht einen kranken Hasen und trug ihn eine Strecke weit fort. Ein anderer hob sich bei einem Kesseltreiben aus dem von den Jägern umstellten Felde, raubte einen verwundeten Hasen, erwürgte ihn vor den Augen der Jagdgesellschaft, verscharrte ihn rasch noch im Schnee und entfloh dann mitten durch die Linie der Treiber und Schützen. Ein dritter erschien, wie Krückeberg mittheilt, während eines Treibens vor der Dickung an einer Stelle, auf welcher ein stark angeschossener, bald darauf verendeter Fuchs stark geschweißt hatte, nahm, der blutigen Spur folgend, sofort die Fährte desselben auf, würgte seinen Kameraden trotz des Lärmens der Treiber und des lauten Jagens eines Dächsels in der Dickung und wiederholte seine Angriffe so oft, daß einer der Schützen herbeischleichen und ihm mit wohl gezieltem Schusse auf dem Leichname niederstrecken konnte. »Auf dem Anstande«, erzählt E. von Homeyer, »hörte ich einmal einen kurz vorher gesehenen Hasen klagen, eilte leisen Schritts hinzu und bemerkte einen Fuchs, welcher den armen Schelm würgte. Seine Mordlust war so groß, daß ich ihn erlegen konnte, bevor er mich wahrgenommen hatte.« In allen diesen Fällen machte, so darf man glauben, die einmal erwachte, nicht mehr zu bändigende Raub- und Mordlust den Fuchs taub und blind gegen alle Gefahren; denn daß er diese gar nicht zu würdigen gewußt hätte, läßt sich kaum annehmen, weil andere Beispiele dagegen sprechen. Ein Fuchs, welcher in einer Scheune gefangen worden war und mit Knitteln und Heugabeln erschlagen werden sollte, entwischte dem drohenden Schicksale glücklich, rannte lustig davon, bemerkte auf der nächsten Wiese Gänse, würgte schnell zwei von ihnen und nahm eine mit sich hinweg, gleichsam denen zum Hohne, welche ihm den Hals brechen wollten. Forstrath Liebig erzählt, daß ein Fuchs in Mähren auf den Hof eines Bauern kam, um Hühner zu würgen, mit dem Stocke verjagt wurde, wiederkehrte, nochmals vertrieben wurde und zum dritten Male einrückte, dabei aber sein Leben lassen mußte. Aehnliche Beispiele ließen sich wohl noch mehrere auffinden. Solche Züge aus dem Leben des Thieres, solche Beweise von Geistesgegenwart können dem Unbetheiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewisse Hochachtung für den schlauen Burschen abnöthigen. Daß der vortrefflichste aller Raubritter bei seinen Zügen mehr umbringt, als er wirklich auffressen kann, und, wenn er es vermag, ein entsetzliches Blutbad unter der gefiederten Herde anrichtet, thut dieser Achtung in meinen Augen keinen Abbruch: dafür ist er eben ein Raubthier, welches von mein und dein nach menschlichen Begriffen keine Vorstellung hat und den »Kampf ums Dasein« ebensogut bestehen muß wie der Mensch oder jedes andere Geschöpf. Ob es gedachter Kampf erfordert, auch Füchse zu fressen, will ich freilich nicht behaupten; ich enthalte mich hierüber des Urtheils ebenso wie über die bei so vielen Völkerschaften noch übliche Menschenfresserei. Hunger thut weh, und aus dem Fuchse wird unter solchem Wehgefühle ein Wolf, welchem seine Artgenossen ebensowenig gelten als den Kanibalen ihre Menschenbrüder. Jener aber ist ein Raubthier ersten Ranges, welches seinen Wirkungskreis mit vollendeter Meisterschaft auszufüllen sucht, und so erklärt es sich, daß er noch weniger Bedenken hat als der Menschenfresser, seinesgleichen zu verspeisen. Der Fall, daß er einen schwer Verwundeten seiner eigenen Art zerreißt und auffrißt, ist freilich durchaus nicht selten, und die Entschuldigung, welche sich auf den quälenden Hunger stützt, keineswegs immer zutreffend. Ein Bekannter Winckells traf einen Fuchs darüber an, einen anderen, welcher sich über Nacht im Schwanenhalse gefangen hatte, zu verzehren, und zwar that er das mit so vieler Lüsternheit, daß der Jäger im Freien herangehen und sich durch Erlegung des Räubers für den zerrissenen Balg des Gefangenen bezahlt machen konnte. Förster Müller sah mit an, wie sechs junge Füchse miteinander spielten, dann zankten und dabei den einen blutig bissen. Der Verwundete suchte zu entkommen, wurde aber augenblicklich von der ganzen Schar mörderisch angefallen, umgebracht und aufgefressen. Aehnlich erging es einem jungen Fuchse, welcher angeschossen worden war, sich aber noch bis zu seinem Baue fortschleppte: als man letzteren kurze Zeit darauf öffnete, hatten ihn seine Brüder bereits verzehrt. Wildmeister Euler schoß eine säugende Füchsin und legte sie neben dem Baue in ein Loch, fand aber am anderen Morgen nur noch den Balg und die Knochen: das übrige hatten die jungen Füchschen verzehrt. Gefangene Füchsinnen haben sogar ihre halberwachsenen Kinder aufgefressen.

Der Lauf des Fuchses ist schnell, ausdauernd, behend und im höchsten Grade gewandt. Er versteht zu schleichen, unhörbar auf dem Boden dahinzugleiten, aber auch zu laufen, zu rennen und außerordentlich weite Sätze auszuführen. Selbst gute Jagdhunde sind selten im Stande, ihn einzuholen. Bei rascherem Laufe trägt er die Lunte gerade nach rückwärts gestreckt, während er sie beim Gehen fast auf dem Boden schleppt. Wenn er lauert, liegt er fest auf dem Bauche, wenn er ruht, legt er sich nicht selten, wie der Hund, zusammengerollt auf die Seite oder auch selbst auf den Rücken; sehr häufig sitzt er auch ganz nach Hundeart auf den Keulen und schlägt dabei die buschige Standarte zierlich um feine Vorderläufe. Vor dem Wasser scheut er sich nicht im geringsten, schwimmt vielmehr leicht und rasch über Flüsse von der Größe der Elbe; auch im Klettern zeigt er sich nicht ungeschickt, da man ihn zuweilen auf Bäumen bis fünf Meter über dem Boden antrifft. »Mir sind viele Beispiele bekannt«, schaltet E. von Homeyer hier ein, »daß der Fuchs ebensowohl aus freiem Antriebe wie verfolgt auf Bäume steigt. In der Regel wählt er hierzu solche, welche vom Winde umgebogen wurden und unter einem Winkel von 45 bis 50 Graden einen Stützpunkt gefunden haben. Aber er steigt auch in der Dickung drei bis vier Meter hoch auf die Bäumchen, um junge Vögel aus dem Neste zu nehmen.« Daß er hohle Bäume zu seinem Wochenbette benutzt, werden wir weiter unten sehen. Die Stimme des Fuchses ist ein kurzes Gekläff, welches mit einem stärkeren und höheren Kreischen endet. Erwachsene Füchse »bellen« bloß vor stürmischem Wetter, bei Gewittern, bei großer Kälte und zur Zeit der Paarung; die Jungen dagegen schreien und kläffen, sobald sie hungerig sind oder sich langweilen. Im Zorne oder bei großer Gefahr knurrt oder heult der Fuchs; einen Schmerzenslaut vernimmt man von ihm nur dann, wenn er von einer Kugel getroffen oder ihm durch einen Schrotschuß ein Knochen zertrümmert worden ist: bei jeder anderen Verwundung schweigt er hartnäckig still. Im Winter, namentlich bei Schnee und Frost, schreit er laut und klagend; am meisten aber hört man ihn zur Zeit der Paarung.

Reineke zählt nicht zu den geselligen Thieren und unterscheidet sich auch dadurch von Urhunden, Wölfen und Schakalen. Zwar trifft man nicht selten mehrere Füchse in einem Dickichte und selbst in einem und demselben Baue an; sie aber vereinigte, in den meisten Fällen wohl gewohnheitsmäßig, die Oertlichkeit, nicht der Wunsch mit anderen ihresgleichen gemeinsam zu leben und zu wirken. Unter Umständen, namentlich in Zeiten der Noth, geschieht es wohl, daß Füchse gesellschaftlich jagen; ob jedoch hierbei gemeinschaftlich gehandelt wird, dürfte fraglich sein. In der Regel geht jeder Fuchs seinen eigenen Weg und bekümmert sich um andere seiner Art nur in so weit, als es sein Vortheil angemessen erscheinen läßt. Selbst die verliebten Füchse halten nur so lange zusammen, als ihre Liebe währt, und trennen sich sofort nach der Ranzzeit wieder. Freundschaft gegen andere Thiere kennt der Fuchs ebensowenig wie Geselligkeit. Man hat allerdings wiederholt beobachtet, daß er sogar mit seinem Todfeinde, dem Hunde, freundlich verkehrte: dies aber geschah jedenfalls nur in seltenen Ausnahmsfällen. Auch das Verhältnis zu Vetter Grimbart darf nicht als ein freundschaftliches aufgefaßt werden, da es Reineken keineswegs um den Dachs, sondern nur um dessen Wohnung zu thun ist. Er nimmt diese mit der ihm eigenen Dreistigkeit wenigstens theilweise in Besitz, ohne viel nach Grimbart zu fragen. Besondere Kniffe und Listen, um den Dachs zu vertreiben, wendet er nicht an; denn die uralte Erzählung: »So der Tachs hinauß gefaren ist, so befleckt er jm den eyngang mit seinem kaat, welcher so er widerkommen, von großem abschühen das er ab sölichem gestanck hat, verlaßt er sein eigen loch vnd näst, welches dann dem Fuchs eynzewonen gantz bequemlich ist«, muß nach Adolf Müllers Erfahrungen unerbittlich in das Bereich der Fabel verwiesen werden. Er zieht ohne weiteres ein, wählt sich die vom Dachse nicht in Besitz genommenen Theile des Baues zu seinen Wohnräumen und haust dann, falls es Grimbart nicht vorzieht, auszuwandern, gemeinschaftlich mit diesem in einem und demselben Baue. Von einem freundschaftlichen Zusammenleben der so verschiedenen Gesellen bemerkt man nichts, eher das Gegentheil. Ein Fuchs, berichtet Oberförster Hoffmann, flüchtete beim Treiben in einen Dachsbau und sollte nun gegraben werden. Der Bau wurde, weil die Nacht hereinbrach, verfeuert und das Graben am anderen Tage fortgesetzt. Nachdem man mehrere Einschläge gemacht hatte, fand man endlich nicht den Fuchs, sondern nur dessen Kopf, eine Menge zerzauster Wolle und frischen mit Sand vermischten Schweiß. Die Bewohner des Baues hatten aus Aerger wegen der gestörten Winterruhe auf etwas barbarische Weise von ihrem Hausrechte Gebrauch gemacht und Reineke, welcher keinen Ausweg fand, verzehrt.

Die Ranzzeit fällt in die Mitte des Februar und dauert einige Wochen. Um diese Zeit gesellen sich gewöhnlich mehrere Rüden zu einer Fähin, folgen ihr auf Schritt und Tritt und machen ihr nach Hundeart den Hof. Jetzt vernimmt man ihr Gekläff öfter als je; auch werden unter den verschiedenen Mitbewerbern lebhafte Händel ausgekämpft. Zwei Füchse beißen sich oft mit größter Wuth einer Füchsin wegen. In Egypten, wo sie bei weitem nicht so vorsichtig sind als bei uns, treiben sie die Paarung offen im Felde und vergessen in der Liebesaufregung sich nicht selten so weit, daß sie den Menschen nahe herankommen lassen. Ich selbst habe einmal den Fuchs eines sich gerade begattenden Paares mit der Kugel erlegt und dasselbe von einem meiner dortigen Jagdgefährten gesehen. Auch bei uns zu Lande geschieht die Paarung zuweilen im freien Felde, »auf offener Wüstung«, wie Adolf Müller, welcher sie mit angesehen hat, sich ausdrückt, in der Regel aber Wohl im Innern des Baues. Wenigstens versichert von Bischofshausen, dies durch eigene Beobachtung in Erfahrung gebracht zu haben. Es findet, wie man von außen recht gut vernehmen kann, ein fortwährendes Hin- und Herjagen im Baue statt, wobei gepoltert, geknurrt und »gegäckert« wird, als ob ein Dachshund den Fuchs im Baue umherhetze. Beide Baue, welche Bischofshausen aufgraben ließ, und in denen Fuchs und Füchsin gefunden wurden, waren Nebenbaue mit zwei hufeisenförmig verlaufenden Röhren. Wenn die Fähin sich trächtig fühlt, verläßt sie, wahrscheinlich um den Nachstellungen noch verliebter Füchse besser entgehen und ihre ungestümen Zumuthungen leichter abweisen zu können, das Hochzeitsgemach wieder und hält sich in schützenden Dickichten auf, welche in der Nähe der von ihr zur Wochenstube ersehenen Baue liegen. Während der Trächtigkeitsdauer besucht und erweitert sie, laut Beckmann, verschiedene Baue ihres Wohngebietes und bezieht zuletzt in aller Stille denjenigen, dessen Umgebung in der letzten Zeit am seltensten von Menschen und Hunden betreten wurde. Ob dieser Bau versteckt oder frei liegt, kommt wenig in Betracht. In Ermangelung eines ihr passenden Baues gräbt sie eine Nothröhre oder erwählt sich einen hohlen Baum, einen Reisighaufen oder endlich ein in dichtem Gebüsche wohl verstecktes Lager, welches besonders sorgfältig hergerichtet und mit Haaren ausgekleidet wird, zum Wochenbette. »Mir sind«, so theilt Oberjägermeister von Meyerinck mir mit, »zwei Fälle bekannt geworden, daß eine Füchsin in hohlen Eichen gewölft hatte. In der Oberförsterei Harte bei Nauendorf hat ein Förster sieben junge Füchse mit der alten Fähin aus einer solchen Eiche herausgeholt. Die Eiche war von oben eingefault und das Loch nur etwas über einen Meter eingetieft. Ich selbst sah an einem Maimorgen, vom Pürschgange zurückkehrend, auf einer mit einzelnen Kopfeichen bestandenen Hütung etwa dreihundert Schritte von mir einen weißen Gegenstand langsam und ruhig fortziehen, lief schnell darauf zu und erkannte einen Fuchs, welcher eine zahme Gans schleppte und sich eben anschickte, mit derselben eine etwa fünf Meter hohe Eiche zu erklimmen, wobei er einen Maserauswuchs in ungefähr einundeinhalb Meter Höhe zum Aufsprunge benutzte. Mittlerweile war ich bis auf siebenzig Schritte herangekommen und wollte schießen, als der Fuchs die Gans fallen ließ, mit einigen gewandten Sätzen von Auswuchs zu Auswuchs die Eiche erstieg und auf derselben verschwand. Nachdem ich die Eiche ringsum mit Papierschnitzeln und Schießpulver verwittert hatte, begab ich mich, die am Halse verletzte Gans mit mir nehmend, nach Hause, um Hülfe zu holen. Zwei Stunden später war ich in Begleitung einiger Jäger mit Aexten und Leitern wieder zur Stelle, ließ tüchtig klopfen und erlegte den endlich erscheinenden Fuchs oder richtiger, eine Füchsin, deren Gesäuge auf Junge deutete. Nunmehr wurde die Eiche erstiegen und das eingefaulte über einundeinhalb Meter in die Tiefe herabreichende Loch mit einem Stocke untersucht. Sofort meldeten sich die jungen Füchschen; es wurde darauf an passender Stelle ein Loch eingehauen und das ganze Gehecke von vier Stück etwa einen Monat alten Füchschen herausgezogen.« Ausnahmsweise kommt es, wie Waldbereiter Schwab in der Jagdzeitung mittheilt, vor, daß zwei Füchsinnen in demselben Baue wölfen. Einer seiner Untergebenen grub einen Bau aus und zog aus demselben vierzehn Füchschen und eine Fähin hervor. Beide Gehecke wurden in verschiedenen Abtheilungen des Baues gefunden, und unterschieden sich wesentlich durch die Größe; denn sechs von ihnen waren noch sehr klein, acht dagegen bereits ziemlich erwachsen. Anscheinend hatten sich die beiden starken Familien ganz gut vertragen. Adolf Müller hat neuerdings ganz dasselbe beobachtet.

Fuchs.

Schon während der Tragzeit rupft sich die Füchsin, wie Bischofshausen feststellte, ihre Bauchhaare aus, in der Nabelgegend beginnend und bis zum Halse damit fortfahrend, hauptsächlich wohl, um das Gesäuge für die erwarteten Jungen freizulegen und gleichzeitig diesen ein weiches und warmes Lager bereiten zu können. Sechszig bis dreiundsechszig Tage oder neun Wochen nach der Begattung, Ende Aprils oder anfangs Mai, wölft die Füchsin. Die Anzahl ihrer Jungen schwankt zwischen drei und zwölf; am häufigsten dürften ihrer vier bis sieben in einem Neste gefunden werden. Sie kommen nach Pagenstechers Untersuchungen mit verklebten Augen und Ohren zur Welt, haben ein durchaus glattes, kurzes, braunes, mit gelblichen und graulichen Spitzen gemischtes Haar, eine fahle, ziemlich scharf abgesetzte Stirnbinde, eine weiße Schwanzspitze und einen kleinen weißen undeutlichen Fleck auf der Brust, sehen äußerst plump aus, erscheinen höchst unbeholfen und entwickeln sich anfänglich sehr langsam. Frühestens am vierzehnten Tage öffnen sie die Augen; schon um diese Zeit aber sind bereits alle Zähnchen durchgebrochen. Die Mutter behandelt sie mit großer Zärtlichkeit, verläßt sie in den ersten Tagen ihres Lebens gar nicht, später nur auf kurze Zeit in tiefer Dämmerung, und scheint ängstlich bestrebt zu sein, ihren Aufenthalt zu verheimlichen. Ein oder einundeinhalb Monat nach ihrer Geburt wagen sich die netten, mit röthlichgrauer Wolle bedeckten Raubjunker in stiller Stunde heraus vor den Bau, um sich zu sonnen und unter einander oder mit der gefälligen Alten zu spielen. Diese trägt ihnen Nahrung in Ueberfluß zu, von allem Anfange an auch lebendiges Wildpret: Mäuse, Vögelchen, Frösche und Käfer, und lehrt die hoffnungsvollen Sprößlinge, gedachte Thiere zu fangen, zu quälen und zu verzehren. Sie ist jetzt vorsichtiger als je, sieht in dem unschuldigsten Dinge schon Gefahr für ihr Gewölfe und führt es bei dem geringsten Geräusche in den Bau zurück, schleppt es auch, sobald sie irgend eine Nachstellung merkt, im Maule nach einem anderen Baue, ergreift selbst hartbedrängt noch ein Junges, um es in Sicherheit zu bringen. Selten nur gelingt es dem Beobachter, die spielende Familie zu bemerken. Wenn die Kleinen eine gewisse Größe erlangt haben, liegen sie bei gutem Wetter morgens und abends gern vor der Eingangsröhre und erwarten die Heimkunft der Alten: währt ihnen diese zu lange, so bellen sie und verrathen sich hierdurch zuweilen selbst. Schon im Juli begleitet das Gewölfe die jagende Alte oder geht allein auf die Jagd, sucht bei Tage oder in der Dämmerung ein Häschen, Mäuschen, Vögelchen oder ein anderes Thierchen zu überraschen, und wäre es auch nur ein Käfer. »Sie haben«, sagt Tschudi, »schon ganz die Art der Alten. Die längliche, spitze Schnauze folgt emsig am Boden der Fährte, die feinen Oehrchen stehen gerade aufgerichtet, die kleinen, graugrünen, schief blitzenden Aeuglein visiren scharf das Revier, die reichwollige Standarte folgt leise dem leisen Auftritte der Sohlen. Bald steht der junge Jäger mit den Vorderfüßen auf einem Steine und spürt umher, bald duckt er sich in den Busch, um die Ankunft der Nestvögel zu erwarten, bald steht er heuchlerisch harmlos am Bergstalle, um den nächtlicher Weile das muntere Volk der Mäuse das Heugesäme durchsucht.« Ende Juli's verlassen die jungen Füchslein den Bau gänzlich, und beziehen mit ihrer Mutter die Getreidefelder, welche ihnen reichen Fang versprechen und vollkommene Sicherheit gewähren. Nach der Ernte suchen sie dichte Gebüsche, Heiden und Röhricht auf, bilden sich inzwischen zu vollkommen gerechten Jägern und schlauen Strauchdieben aus, und trennen sich endlich im Spätherbste gänzlich von der Mutter, um auf eigene Faust ihr Heil zu versuchen.

Lenz theilt Beobachtungen mit, welche die Mutterliebe der alten Füchsin auf das glänzendste beweisen. »Am 19. April 1830 grub der Jäger des Herrn von Mergenbaum zu Nilsheim, in Gesellschaft des Hauptmanns Deßloch, Hofgärtners Resserl und mehrerer Anderer, einen Bau mit jungen Füchsen aus. Nachdem ein scharfer Dachshund eine kurze Zeit den Füchsen vorgelegen hatte und die Röhren mit Schützen besetzt waren, wurde an der Stelle, wo der Hund die Füchse verrathen, stark auf den Bau geklopft, welches Klopfen die Füchsin zu dem schnellen Entschlusse brachte, die Flucht zu ergreifen. Sie vergaß aber dabei ihrer Jungen nicht, nahm eines derselben ins Maul, brach neben dem vorliegenden Hunde durch, sprang aus dem Baue und ließ auch jetzt das Kleine nicht fallen, obgleich mehrere Flinten ganz aus der Nähe, jedoch ohne zu treffen, auf sie abgefeuert wurden.«

Eckström, ein schwedischer Naturforscher, gibt einen anderen Beleg für die Mutterliebe der Füchsin. »In der Nähe eines Gutes hatte ein Fuchspaar seinen Bau und Junge darin. Der Verwalter stellte eine Jagd auf die alten Füchse an, erlangte sie aber nicht. Man bot Tagelöhner aus, um den Bau zu graben. Zwei Junge wurden getödtet, das dritte nahm der Verwalter mit sich auf den Hof, legte ihm ein Hundehalsband an und band es dicht vor seinem Kammerfenster an einen Baum. Dies war am Abend des nämlichen Tages bewerkstelligt worden. Am Morgen, als die Leute im Gehöfte erwachten, wurde ein Mann hinausgeschickt, um nachzusehen, wie es mit dem jungen Fuchse stände. Er stand sehr trübselig an derselben Stelle, hatte aber einen fetten Truthahn mit abgebissenem Kopfe vor sich. Nun wurde die Magd herbeigerufen, welche die Aufsicht über das Hühnerhaus hatte, und mit Thränen im Auge mußte sie gestehen, daß sie vergessen hatte, die Truthühner einzutreiben. Infolge angestellter Untersuchung fand sich, daß die alte Füchsin während der Nacht vierzehn Truthühner geschlachtet hatte, deren zerstückte Körper hier und da im Wohn- und Viehhofe herumlagen; eins hatte sie, wie schon gesagt, vor ihr angefesseltes Junge gelegt.«

Der Fuchs bekümmert sich, so lange die Füchsin am Leben ist, nicht im geringsten um seine Nachkommen, deren Vaterschaft er, entsprechend der Vielehigkeit, welche unter seinem Geschlechte gilt, auch freilich kaum für sich allein beanspruchen kann. Während die Fähin sich redlich abmüht, ihre zahlreichen Sprößlinge standesgemäß zu ernähren, bei ihrer Jagd geradezu tolldreist verfährt, und angesichts des in gerechten Zorn gerathenden Besitzers am hellen Tage die Ente aus dem Bache, vor den Augen des Hundes das Huhn aus dem Garten, vor dem Rohre des Jägers den Hasen, in Gegenwart der Rike das Rehkälbchen überfällt, abwürgt und fortschleppt, in und vor dem Baue eine wahre Schlachtbank anlegend, bummelt er gemächlich durch Wald und Feld und erscheint, laut Adolf Müller, höchstens dann vor dem Baue, wenn ihm einige leckere Reste besagter Schlachtbank allzu verführerisch in die Nase duften, um solche Reste zu stehlen. Von einer Unterstützung des schwierigen Erziehungsgeschäftes seinerseits kann also nicht gesprochen werden, es sei denn, daß man ihm Spiele mit den Jungen, in welche er sich in einem Anfalle besonders guter Laune zuweilen einlassen soll, als Verdienst anrechnen wolle. Dagegen scheint, übereinstimmenden Angaben verschiedener Beobachter zufolge, wirklich festzustehen, daß er ebensogut wie eine ledige Füchsin sich verwaister Jungen annimmt und, durch das klägliche Bellen der hungerigen Thierchen gerührt, ihnen Nahrung zuschleppt. In der Freundlichkeit, mit welcher alte Füchse beiderlei Geschlechts junge, hülflose und, was wohl zu beachten, gesunde Füchschen behandeln, offenbart sich ein edler Zug des Wesens dieses nicht mit Unrecht als im höchsten Grade selbstsüchtig bezeichnten Raubthieres. »Zu einer alten, völlig gezähmten Füchsin«, erzählt Beckmann, »welche in einem Zwinger an der Kette liegt, brachte ich einen Drahtkäfig mit drei jungen Füchschen. Beim ersten Anblicke derselben wedelte die Füchsin mit der Lunte, rannte unruhig hin und her und bot alles auf, um in den Käfig zu gelangen. Da ich dem Dinge doch nicht recht traute, ließ ich den Käfig weiter rücken; allein abends bei der Fütterung sah ich mit Erstaunen, daß die Füchsin unter beständigem Winseln ihr Pferdefleisch in der Schnauze hin und her trug, ohne zu fressen. Als ich sie von der Kette befreite und die Thüre des Käfigs öffnete, schlüpfte sie sofort in diesen, ließ indessen im Eifer das Fleisch unterwegs fallen. Im ersten Augenblicke des Begegnens standen Alt und Jung mit weit gesperrtem Rachen einander unbeweglich gegenüber; nach einigem Verhandeln durch Berühren der Nasenspitzen mit zustimmendem Ruthenwedeln aber stürzte plötzlich die ganze Gesellschaft in ausgelassenster Freude über- und durcheinander, und die Balgerei wollte kein Ende nehmen. Als jedoch die Jungen anfingen, mit ihren scharfen Zähnchen das Gesäuge ihrer Pflegemutter zu untersuchen, wurde es dieser unheimlich; sie scharrte heftig an der Thüre, um hinauszukommen, und zeigte seitdem keine Lust mehr, das Innere des Käfigs zu betreten. Dagegen versäumte sie nie, bei der abendlichen Fütterung den größten Theil ihres Futters oft im vollen Regen stundenlang hin und her zu tragen. Ward sie von der Kette gelöst, so war sie mit zwei Sprüngen vor dem Käfige, legte das Fleisch dicht vor dem Gitter nieder und kehrte sodann beruhigt zurück. Mit dem Heranwachsen der Füchschen nahm ihre Aufmerksamkeit allmählich ab. Einem meiner Freunde entwischte ein eben eingefangenes ganz junges Füchschen und blieb fast acht Tage lang spurlos verschwunden. In der entferntesten Ecke des ziemlich großen Gartens lag ein zahmer männlicher Fuchs an der Kette: eines Abends wurde er im Spiele mit dem Jungen überrascht. Das junge, menschenscheue Füchschen flüchtete sofort in die Hütte; der Alte nahm vor dem Eingange Stellung und litt nicht, daß man seinem Pflegling zu nahe kam. Dies hübsche Verhältnis währte nach der Entdeckung noch fast vierzehn Tage lang, bis der junge Fuchs plötzlich verschwand und nicht wieder gesehen wurde.« Obgleich ich erfahren mußte, daß von mir gefangen gehaltene Füchse, ungeachtet des Vorhandenseins der Mutter, ihre Jungen ohne Gewissensbisse verzehrten, will ich zur Ehre des alten Rüden jeden Verdacht an Ermordung des Pfleglings ausschließen; wie dem aber auch sein möge: der Beweis für obige Angabe ist durch das Verhalten dieser beiden Füchse vollständig erbracht.

Jung eingefangene Füchschen können leicht aufgezogen werden, weil sie mit der gewöhnlichen Kost junger Hunde fürlieb nehmen, sich auch gern von einer gutmüthigen Hündin, welche sie am Gesäuge duldet, bemuttern lassen. Sie werden, wenn man sich viel mit ihnen abgibt, bald zahm und erfreuen durch ihre Munterkeit und Beweglichkeit. Während meines Aufenthaltes in Egypten besaß ich eine Zeitlang einen, welcher mir innerhalb meiner Wohnung wie ein Hund auf dem Fuße nachlief und mich sehr liebte. Gleichwohl schien er es nicht gern zu haben, wenn ich ihn auf den Arm nahm und ihm schmeichelte. Er that zwar so, als ob er vor Zärtlichkeit und Glück ganz außer sich sei, leckte mich und fächelte wie ein Hund bei großer Hitze: es war aber alles bloß Heuchelei; denn er bezweckte durch seine Schmeicheleien nichts anderes, als so schnell wie möglich wieder wegzukommen. Gelang ihm dies, so ließ er sich auch so leicht nicht wieder fangen, obwohl er immer jene heuchlerische Miene annahm, wenn ich mich ihm näherte. Auf den Hühnerhöfen meiner Nachbarn wußte er in der allerkürzesten Zeit sehr genau Bescheid, verfehlte auch nicht, so oft er konnte, sich von dort ein Hühnchen zu holen. Bei dem geringen Preise, welchen das Geflügel in Egypten hat, war die Bezahlung der durch ihn umgebrachten Hühner eben keine große Ausgabe für mich, und ich leistete sie schon aus dem Grunde sehr gern, um meinem Fuchse auch sein Vergnügen zu lassen und die Leute nicht gar zu sehr gegen ihn aufzubringen. Leider schien er die Straflosigkeit, deren er sich früher trotz seiner Diebereien erfreut hatte, endlich verscherzt zu haben: man brachte ihn eines Tages als Leiche.

»Von mehreren Füchsen, welche ich aufgefüttert habe«, erzählt Lenz, »war der letzte, ein Weibchen, der zahmste, weil ich ihn am kleinsten bekam. Er fing eben an, selbst zu fressen, war aber doch schon so boshaft und beißig, daß er, wenn er eine Lieblingsspeise vor sich hatte, dabei immer knurrte und, wenn ihn auch Niemand störte, doch rings um sich in Stroh und Holz biß. Durch freundliche Behandlung ward er bald so zahm, daß er sichs gern gefallen ließ, wenn ich ihm ein eben gemordetes Kaninchen aus dem blutigen Rachen nahm und statt dessen den Finger hineinlegte. Ueberhaupt spielte er, selbst als er erwachsen war, außerordentlich gern mit mir, war außer sich vor Freude, wenn ich ihn besuchte, wedelte wie ein Hund und sprang winselnd um mich herum. Ebenso freundlich war er gegen jeden Fremden; ja, er unterschied Fremde schon auf fünfzig Schritte weit, wenn sie um die Hausecke kamen, sogleich von mir und lud sie mit lautem Gewinsel ein, zu ihm zu kommen, eine Ehre, welche er mir und meinem Bruder, die wir ihn für gewöhnlich fütterten, in der Regel nicht erwies, wahrscheinlich, weil er wußte, daß wir doch kämen. Kam ein Hund, so sprang er, jener mochte groß oder klein sein, ihm mit feuersprühenden Augen und grinsenden Zähnen entgegen. Er war am Tage ebenso munter wie bei Nacht. Sein liebstes war, wenn er an mit Fett geschmierten Schuhen nagen oder sich darauf wälzen konnte. Anfangs befand er sich frei in einem eigens für ihn gebauten Stalle. Gab ich ihm da z. B. einen recht großen, beißigen Hamster, so kam er gleich mit funkelnden Augen leise geschlichen und legte sich lauernd nieder. Der Hamster faucht, fletscht die Zähne und fährt grimmig auf ihn los. Er weicht aus, springt mit den geschmeidigsten Wendungen rings um den Hamster herum oder hoch über ihn weg und zwickt ihn bald mit den Pfoten, bald mit den Zähnen. Der Hamster muß sich unaufhörlich nach ihm wenden und drehen und wirft sich endlich, wie er das satt kriegt, aus den Rücken und sucht mit Krallen und Zähnen zugleich zu fechten. Nun weiß aber der Fuchs, daß sich der Hamster auf dem Rücken nicht drehen kann; er geht daher in engem Kreise um ihn herum, zwingt ihn dadurch aufzustehen, packt ihn, während er sich wendet, beim Kragen und beißt ihn todt. Hat sich ein Hamster in einer Ecke festgesetzt, so ist es dem Fuchse unmöglich, ihm beizukommen; er weiß ihn aber doch zu kriegen, denn er neckt ihn so lange, bis er vor Bosheit einen Sprung thut, und packt ihn im Augenblicke, wo er vom Sprunge niederfällt. – Einst, da mein Fuchs kaum die Hälfte seiner Größe erreicht hatte und noch nie ins Freie gekommen war, benutzte ich die Gelegenheit, als bei einem Feste wohl achtzig Menschen versammelt waren, und setzte ihn zur Schau auf den drei Fuß breiten Rand eines runden, kleinen Teiches. Die ganze Gesellschaft versammelte sich sogleich rings um das den Teich umgebende Geländer, und der Fuchs schlich nun, betroffen über den unbekannten Platz und den Anblick der vielen Menschen, behutsam um den Teich herum, und während er die Ohren bald anlegte, bald aufrichtete, bemerkte man in seinem kummervollen Blicke deutlich die Spuren ernsten Nachdenkens über seine gefährliche Lage. Er suchte, wo gerade Niemand stand, Auswege durch das Geländer, fand aber keinen. Dann fiel es ihm ein, daß er gewiß in der Mitte am sichersten sein würde, und weil er nicht wußte, daß man im Wasser sinkt, so that er vom Ufer, welches etwa einen Fuß hoch war, einen großen Satz nach der Mitte zu, erschrak aber nicht wenig, als er plötzlich untersank, suchte sich indeß doch gleich durch Schwimmen solange zu halten, bis ich ihn hervorzog, worauf er sich den Pelz tüchtig ausschüttelte. Einstmals fand er Gelegenheit, bei Nacht und Nebel seinen Stall zu verlassen, ging in den Wald spazieren, gelangte am folgenden Tage nach Reinhardsbrunn, ließ sich aber dort ganz gemüthlich von Leuten anlocken, aufnehmen und zu mir zurückbringen. Das zweite Mal, als er ohne Erlaubnis spazieren gegangen, traf er mich zufällig im Walde wieder und sprang voller Seligkeit an mir empor, so daß ich ihn aufnehmen konnte. Das dritte Mal suchte ich ihn in Begleitung von sechszehn Knaben in den Ibenhainer Berggärten. Als wir in Masse kamen, hatte er keine Lust, sich einfangen zu lassen, saß mit bedenklicher Miene an einem Zaune und sah uns mit Mistrauen an. Ich ging ihm von unten her langsam entgegen, redete ihm freundlich zu; er ging ebenso langsam rückwärts bis zur oberen Ecke des Zaunes, wo ich ihn zu erwischen hoffte. Dort hielt ich ihm die Hand entgegen, bückte mich, ihn aufzunehmen, aber wupp! da sprang er mit einem Satze über meinen Kopf hin, riß aus, blieb aber auf etwa fünfzig Schritte stehen und sah mich an. Jetzt schickte ich alle die Knaben in weitere Ferne, unterhandelte und hatte ihn bald auf dem Arme. Als ich ihm zum ersten Male ein Halsband umthat, machte er vor Aerger drei Ellen hohe Sprünge, und als ich ihn nun gar anlegte, wimmerte, wand und krümmte er sich ganz verzweiflungsvoll, als wenn er das schrecklichste Bauchweh hätte, und wollte tagelang weder essen noch trinken. Als ich einmal einen recht großen Kater in seinen Stall warf, war er wie rasend, fauchte, grunzte, sträubte alle Haare, machte ungeheuere Sprünge und zeigte sich feig. Gegen mich aber bewies er sich desto tapferer; denn als ich einmal seine Geduld erschöpft hatte, gab er mir einen Biß in die Hand, ich ihm eine Ohrfeige, er mir wieder einen Biß und ich ihm wieder eine Ohrfeige; beim dritten Bisse packte ich ihn am Halsbande und hieb ihn jämmerlich mit einem Stöckchen durch; er wurde aber desto rasender, war ganz außer sich vor Wuth und wollte immer auf mich losbeißen. Das ist das einzige Mal gewesen, wo er mich oder sonst Jemand absichtlich gebissen hat, obgleich jahrelang täglich mit ihm Leute spielten und manche ihn neckten.«

Eine allerliebste Fuchsgeschichte erzählt Jäger, der frühere Vorsteher des leider eingegangenen Wiener Thiergartens. »Reineke Fuchs, der Held der mittelalterlichen Thierfabel und der gefürchtete Feind von allem was fleucht und kreucht, spielt im Thiergarten eigentlich eine klägliche Rolle. Da dieser Landstreicher einer anständigen Erziehung schwer zugänglich ist, und seine Enthaltsamkeit im Thiergarten wirklich auf eine harte Probe gestellt würde, wenn man es versuchen wollte, ihm freieren Spielraum zu gewähren, wird er gewöhnlich zu geisttödtender Einzelhaft in einem beliebigen Käfige verurtheilt, und die Folgen sind bei ihm dieselben wie bei einem menschlichen Verbrecher, den man in die Einzelzelle steckt. Nach einigen vergeblichen Versuchen, seine Freiheit zu erlangen, ergibt er sich mit Gleichmuth in sein Schicksal. Seine Geisteskräfte verlieren ihre Schmiegsamkeit; er sitzt den ganzen Tag in stillem Brüten versunken, betrachtet theilnahmlos seine Begaffer und führt sein Gefangenleben mit einer musterhaften Ergebung wie ein vollendeter Weltweiser. Er, dieses schlaueste, erfindungsreichste, in seinem Erfindungsreichthum sogar witzige Geschöpf, bietet das vollendetste Bild eines zur Einzelzelle verurtheilten politischen Verbrechers, welcher zu stolz ist, sein inneres Leid zur Schadenfreude seiner Peiniger zu enthüllen. Aus diesen Gründen ist es für mich immer ein unangenehmes Ereignis, wenn ein Gönner des Thiergartens einen dieser Freigeister mir mit der Bitte übergibt, ihn in getreue Obhut zu nehmen. Ich erscheine mir wie ein Kerkermeister und ziehe es in vielen Fällen vor, den armen Teufel zu Pulver und Blei zu begnadigen, als täglich aus seinem Blicke den Vorwurf zu lesen, daß ich ein zur Freiheit geborenes Wesen in geisttödtender Gefangenschaft halte.

»Eine Anwandlung von solchem höchst unstaatsmännischen Gefühle brachte mich einstmals auf den Gedanken, Meister Reineke in den Bärenzwinger zu werfen. Ich konnte den mir wie Vorwurf klingenden, theilnahmlosen Blick nicht länger ertragen. Aus seiner Lage mußte er unter allen Umständen befreit werden, sei es todt oder lebendig. War er wirklich der, als welcher er gilt, der Erfindungsreiche, nie in Verlegenheit zu setzende, in alle Verhältnisse sich fügende, nun so mußte er sich wohl auch in einer so ungeschlachtenen Gesellschaft, wie der Bärenzwinger sie ihm bot, zurechtfinden; wenn nicht, so blieb es für ihn gleichgültig, ob ein Bär ihn verspeiste oder eine Pistolenkugel seinem Leben ein Ziel setzte. Kurz, eines schönen Tages sah sich Freund Reineke nach mehrmonatlicher Einzelhaft plötzlich auf ein, seinem Verständnisse zu leben, würdiges Feld gebracht. Im ersten Augenblicke mochte es ihm vielleicht ebenso sonderbar vorkommen, wie wenn ein großstädtischer Stutzer mitten unter die Gäste einer Bauernhochzeit versetzt wird. Aber offenbar mußte ihm sogleich das Sprichwort: »Bange machen gilt nicht« eingefallen sein. Mit einer Gleichgültigkeit, wie ein Stutzer seine Halsbinde zurechtlegt, schüttelte er seinen Pelz und betrachtete sich die vier ungeschlachtenen Lümmel in Ermangelung eines Sehglases mit seinen eigenen Augen. Wie die Weiber stets die größte Neugierde entwickeln und die Häßlichen auf einem Balle einen neu ankommenden Tänzer am aufmerksamsten mustern, so war auch die hinkende Bärenjungfer unseres Zwingers zuerst bei der Hand, um den schmucken Gesellen zu begucken und zu beschnüffeln. Reineke bestand diese Musterung mit bewundernswerther Ruhe. Als jedoch die Bärin seinem Antlitze in etwas zu bedenklicher Weise nahe kam, fuhr er ihr mit den Zähnen über das Gesicht und belehrte sie auf nachdrückliche Weise, daß er nicht Liebe um jeden Preis suche. Sie wischte sich etwas verdutzt die Schnauze und blieb in achtungsvoller Entfernung stehen. Mittlerweile untersuchte das Füchslein, ohne sich von der Stelle zu bewegen, aufmerksam die Oertlichkeit, entdeckte an der vorspringenden Ecke des Thurmes einen vortrefflich gelegenen Punkt und gewann diesen mit zierlichen Sprüngen. Nicht lange dauerte es, so machte ihm die ganze Gesellschaft des Bärenzwingers ihre Aufwartung. Es sah unendlich komisch aus, wie die vier zottigen Bestien mit keineswegs Gutes verheißenden Blicken im geschlossenen Halbkreise den in die Ecke gedrückten, schmächtigen Ankömmling beguckten und ihm immer näher auf den Leib rückten. Beim Fuchse war keine besondere innere Erregung sichtbar. Er schaute seinen Gegnern ruhig ins Gesicht, und als endlich einer derselben seine Schnauze etwas weiter vorwagte als die anderen, hatte er auch schon eine blutige Nase gekriegt. Da zeigte sich nun recht, wie nur der Schaden die Mutter der Weisheit ist. Jeder der vier Bären brauchte eine blutige Nase, um zur Erkenntnis zu gelangen, daß Reineke Lebensart genug besitze, auch mit Bären umzugehen. Immerhin aber gereichte es ihrem Verstande zur Ehre, daß diese Ueberzeugung bei ihnen sehr schnell zum Durchbruche kam. Einer um den anderen zog brummend ab, und der Fuchs genoß wieder seine freie Aussicht. Er machte sich nun unbesorgt auf den Weg, untersuchte seinen neuen Wohnort mit bewundernswerther Gemüthsruhe und erkor sich ein Plätzchen zwischen ein paar größeren Steinen für seinen Tagesschlummer. Die Bären, durch das erste Zusammentreffen belehrt, ließen ihren Gast ungeschoren und gingen anderen Unterhaltungen nach, während Reineke sein Fell ordnete. Nach wenigen Tagen war er in dem Bärenzwinger vollkommen zu Hause. Er hielt es unter seiner Würde, mit den Bären in nähere Unterhaltung zu treten, während die letzteren es für besser erachteten, den sonderbaren Kauz seinen eigenen Betrachtungen zu überlassen, anstatt sich wieder blutige Nasen zu holen. Wie wenig dieser sich um sie kümmerte, geht daraus hervor, daß er seine Lebensweise nicht im mindesten veränderte. Während die Bären Tags über sich viel mit den Beschauern zu schaffen machten, blieb er in stolzer Ruhe auf seinem Plätzchen sitzen; nachts dagegen, wenn seine Mitbewohner im tiefsten Schlummer lagen, machte er seinen Rundgang. Kurz, er schloß sich an Niemand an und lebte wie ein Vornehmer unter Bauern. Wie er sich alle Verhältnisse nutzbringend zu machen wußte, so hatte er auch den Steigbaum zu seinem Ruheplätzchen erkoren, wußte, trotzdem er für den ebenen Boden geschaffen ist, mit einem gewandten Sprunge die erste Gabel zu gewinnen und schlief dort mit einer Sorglosigkeit, als wenn er allein Herr des Zwingers wäre. Kam zufällig einmal ein Bär auf den Gedanken, den Baum zu besteigen, so wich er auf die höhere Gabel aus, und wenn der Bär die erste Gabel erreicht hatte, sprang er demselben mit mustergültigem Gleichmuthe auf den Rücken und von dort auf den ebenen Boden herab. Als die Kälte des Winters auch dem dicken Fuchspelze zu nahe auf den Leib rückte, legte er den glänzendsten Beweis von der Gabe ab, sich in die Verhältnisse zu schicken. Da die Bären zur Befriedigung seiner geistigen Bedürfnisse gar nichts beitrugen, machte er sich ungesäumt daran, wenigstens leiblichen Nutzen von seinen zottigen Hausherren zu ziehen. Er ging also des Nachts in den Bärenstall und legte sich mit derselben Gemüthsruhe zwischen die schnarchenden Bären, kroch sogar zwischen ihre Pranken hinein, als wenn er es mit zwei Wollsäcken zu thun hätte. Offenbar waren die Gebrüder Petz durch diese Unverschämtheit so verblüfft, daß sie sich in das unvermeidliche Schicksal, Kopfpolster und Matratze für Freund Reineke abzugeben, ruhig fügten. Das köstlichste dabei war, daß aus diesem rein nützlichen Verhältnisse durchaus kein eigentliches Freundschaftsbündnis wurde. War der Zweck der gegenseitigen Warmhaltung erfüllt, so kümmerte sich der Fuchs nicht im geringsten mehr um seine lebendigen Wärmflaschen, zog sich ruhig auf seinen Standort zurück und verbrachte den Tag als vollendeter Einsiedler.

»Man muß gestehen, die Probe, auf welche Reineke gestellt wurde, war keine leichte gewesen: er hatte sie aber mit vollendeter Meisterschaft gelöst. Nicht nur, daß er sich so schnell in die Verhältnisse schickte, er hat auch verstanden, den möglichsten Nutzen aus ihnen zu ziehen und jedem Besucher des Thiergartens die Lehre gegeben, daß ein gebildeter Mensch selbst mit den gröbsten Schlingeln sich vertragen kann, wenn er dem Grundsätze huldigt: Bange machen gilt nicht.«

Reineke ist der Jägerei ungemein verhaßt, steckt deshalb jahraus jahrein im Waldbanne und ist vogelfrei: für ihn gibt es keine Zeit der Hegung, keine Schonung. Man schießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus seinem sicheren Baue und schlägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hetzt ihn zu Tode, holt ihn mit Schraubenziehern aus der Erde heraus, kurz, sucht ihn zu vernichten, wo immer nur möglich und zu jeder Zeit. Wäre er nicht so gescheit und schlau: der Mensch hätte ihn längst vollkommen ausgerottet. Bei allen Jägern gilt es als Evangelium, an welchem zu rütteln unverantwortliche Ketzerei ist, daß der Fuchs eines der schädlichsten Thiere des Erdenrunds sei und deshalb mit Haut und Haar, Kind und Kindeskind vertilgt werden müsse. Das sonst offene Weidmannsgemüth schreckt vor keinem Mittel zurück, nicht einmal vor dem gemeinsten und abscheulichsten, wenn es sich darum handelt, den Fuchs zu vernichten. Vom Standpunkte eines Jägers aus, in dessen Augen Wald und Fluren einzig und allein des Wildes wegen da zu sein scheinen, mag eine so unerbittliche, fast unmenschliche Verfolgung berechtigt erscheinen, von jedem anderen Gesichtspunkte aus ist sie es nicht. Denn Wald und Flur werden nicht der Rehe, Hasen, Auer-, Birk-, Hasel-, Rebhühner und Fasanen halber bestellt und gepflegt, sondern dienen ungleich wichtigeren Zwecken. Demgemäß ist es die Pflicht des Forst- und Landwirtes von beiden Gebieten nach Kräften alles fernzuhalten, was ihren Ertrag schmälern oder sie sonstwie schädigen kann. Nun wird Niemand im Ernste behaupten wollen, daß irgend eine der genannten Wildarten unseren Fluren und Forsten Nutzen bringen könnte: alle ohne Ausnahme zählen im Gegentheile zu den schädlichen Thieren. Man kann den von ihnen verursachten Schaden übersehen und verzeihen, nicht aber in Abrede stellen. Allen Gewinn, welchen man aus dem Wildstande ziehen kann, wiegt den Wildschaden nicht auf: jedes Reh, jeder Hase verzehrt an sonstwie zu verwerthenden Pflanzenstoffen mehr als sie einbringen. Schon daraus geht hervor, daß ein Raubthier, welches den Wildstand vermindert, streng genommen nicht zu den schädlichen, sondern zu den nützlichen Thieren gezählt werden muß. Beeinträchtigung des Wildstandes ist aber die geringste Leistung Reinekes: unverhältnismäßig mehr macht er sich verdient durch Vertilgung von Mäusen. Sie, die überaus schädlichen Nager, bilden, wie bereits bemerkt, seine Hauptspeise: er fängt nicht bloß so viele, als er zu seiner Nahrung braucht, zwanzig bis dreißig Stück auf die Mahlzeit, sondern fährt, auch wenn er vollkommen gesättigt ist, zu seinem Vergnügen mit der Mäusejagd fort, beißt die erlangten Wald- und Feldfeinde todt und läßt sie liegen. Hierdurch macht er sich in so hohem Grade nützlich, daß seine Thätigkeit allgemeine Beachtung, nicht aber nur Misachtung verdient. Ich bin weit entfernt, ihn von den Sünden, welche er sich zu Schulden kommen läßt, freisprechen zu wollen; denn ich weiß sehr wohl, daß er kein schwächeres Geschöpf verschont, viele nützliche Vögel frißt und deren Nester plündert, in Geflügelställen wie ein Marder würgt und andere Schandthaten begeht: dies alles aber wird durch den von ihm gestifteten Nutzen sicherlich aufgewogen. Im Jagdgehege wird er empfindlich schädlich, im Forste und auf Flur und Feld bringt er mehr Nutzen als Schaden. Daß ihn der Jäger haßt und verfolgt, finde ich begreiflich; daß der liederliche Bauer, welcher seinen Hof nicht in Ordnung hielt, den Hühnerstall des Nachts offen stehen ließ und von Rechtswegen dafür bestraft wurde, alles Unheil auf sein Haupt herabwünscht, ebenfalls: daß aber ein Naturforscher in das rückhaltlose Verdammungsurtheil des Jägers und Bauern einstimmen kann, wie Giebel in seiner » landwirtschaftlichen Zoologie« es gethan, ist mir unbegreiflich.

Uebrigens verlange ich nur Aufgeben der gegenwärtig noch üblichen unweidmännischen Vertilgungsarten, keineswegs aber Schonung des Fuchses. Gerade die Jagd dieses schlauesten unserer wildlebenden Thiere gewährt außerordentliches Vergnügen, belohnt sich verhältnismäßig auch so gut wie jede andere. Gewöhnlich erlegt man den Fuchs bei der Treibjagd, hat dabei jedoch alle Vorsichtsmaßregeln zu gebrauchen, weil Reineke, selbst wenn scharfe Hunde hinter ihm her sind, niemals blind ins Blaue tappt, sondern Weg und Steg mit Ueberlegung wählt, sorgfältig auf jedes Geräusch, jede Bewegung des Schützen achtet, bald hier, bald dort die Nase aus dem Dickichte steckt und sich seine Leute ansieht, bevor er blitzschnell über die Schneuße springt. Wenn man sehr vorsichtig ist, schießt man ihn auch wohl auf dem Anstande, indem man ihn durch Nachahmung des Lautes eines jungen Hasen oder einer Maus herbeilockt, oder erlegt ihn bei hellem Mondscheine vor der Schießhütte, einem in die Erde gegrabenen, von dichtem Gebüsche verdeckten und oben mit Erde und Moos bedachten Gemache, vor dem ein freier, womöglich von Gebüsch umgebener Platz sich befindet, auf welchem der Fuchs geludert d. h. durch Aas geködert wird. Gelegentlich seiner winterlichen Raubzüge auf den verschneiten Feldern gibt er Gelegenheit zu einer ungemein anziehenden Jagd. »Bekannt ist«, bemerkt E. von Homeyer, »daß man mit Fuhrwerk so nahe an ihn herankommen kann, um mit Erfolg Windhunde auf ihn zu hetzen, weniger bekannt dagegen, daß er sich vom Schlitten aus erlegen läßt. Man umfährt ihn zuerst in weiten, sodann in immer enger werdenden Kreisen, und der schlaue Räuber legt sich zuletzt platt auf den Boden und läßt sich, in der Hoffnung, übersehen zu werden, bis auf gute Schußweite nahe kommen. Ja ich habe es einmal erlebt, daß ein verwundeter Fuchs, welcher im besten Laufe nach einer nahen Schonung war, zum zweiten Male von Schlitten umkreist, sich von neuem legte und so lange liegen blieb, bis das Gewehr geladen worden war und er getödtet werden konnte.« Bewunderungswürdig ist die Selbstbeherrschung des durch den Schuß verwundeten Fuchses. Selten vernimmt man einen Klagelaut von ihm, öfterer sieht man ihn Thaten verrichten, welche Heldenmuth erfordern. Winckell hatte mit der Kugel einem Fuchse den Vorderlauf dicht unterm Blatt entzweigeschossen. Beim Ausreißen schlug ihm dieser immer um den Kopf; darüber ärgerlich, fuhr er mit der Schnauze herum, biß den Lauf schnell ab und war nun eben so flüchtig, als fehle ihm nichts. Ueberhaupt besitzt der Fuchs eine überraschende Lebenszähigkeit. Es sind mehrere Beispiele bekannt, daß für todt gehaltene Füchse plötzlich wieder auf- und davonsprangen. Scheintodte bissen die Leute, welche sie schon längere Zeit getragen hatten; Wildungen sah, daß ein Fuchs, dem man den Balg schon bis zu den Ohren abgestreift hatte, den Abstreifer noch tüchtig in die Finger biß. Auf drei Beinen laufen verwundete Füchse noch ebenso schnell als auf vieren; ja sie sind selbst dann noch weggelaufen, wenn man sie angeschossen und ihre Hinterläufe eingehesset d.h. durch einander gesteckt hatte, wie man bei erlegten Hasen zu thun pflegt.

Lebendig fängt man den Fuchs in Fallen aller Art, am häufigsten aber doch im Schwanenhalse und Tellereisen oder auch in dem sogenannten Kunstbau. Dieser wird in der Nähe des eigentlichen Fuchsbaues angelegt und besteht aus einer Röhre, welche in einem Bogen hufeisenförmig umläuft und für beide Enden nur einen einzigen Eingang hat. Der hinterste Theil dieser Röhre wird etwas erweitert und höher angelegt als der Eingang, damit sich kein Wasser dort ansammle, die Röhre selbst mit Steinplatten allseitig ausgekleidet. Ueber dem Kessel liegt dicht unter dem Boden eine größere Platte, welche man mit leichter Mühe abheben kann. Wenn nun der Fuchs nachts auf seine Jagd ausgegangen ist, schleicht man leise zu dem von ihm befahrenen Bau und verstopft alle Röhren desselben. Der Heimkehrende versucht vergeblich, in das Innere seiner Wohnung einzudringen und flüchtet sich, weil ihm der Tag über den Hals kommt, in den nebenanstehenden Kunstbau, aus welchem er dann mit geringer Mühe ausgehoben wird. Der Fang mit dem Schwanenhalse erfordert einen echten Jäger, welcher mit der Lebensweise und den Sitten des Thieres genau vertraut ist, glückt auch nur vom Anfang Novembers bis Ende Januars, wenn die Nahrung knapp ist; denn wenn der Fuchs viel zu fressen hat, fällt es ihm gar nicht ein, den Köder anzugehen. Schon mehrere Tage, bevor man das Eisen stellt, muß man Lockspeise oder den Vorwurf auf den Platz legen und somit den Fuchs an diesen gewöhnen. Erst wenn er mehrere Nächte die Speise aufgenommen hat, wird das gereinigte und mit etwas Witterung bestrichene Eisen gangbar gestellt, mit frischer Füllung und mit frischem Vorwurfe versehen und sorgfältig den Blicken verborgen.

»Unglaublich ists«, sagt Winckell, »wie vorsichtig der Fuchs auf für ihn eingerichteten Fangplätzen zu Werke geht. Ich hatte einst die Freude, Augenzeuge zu sein, als im harten Winter nach einem fest angekirrten Fuchse das Eisen gelegt worden war. Es fing eben an zu dämmern, als Reineke, durch Hunger getrieben, herangetrabt kam. Emsig und ohne Arg nahm er die entferntesten Vorwurfsbrocken an, setzte, so oft er einen verzehrte, sich gemächlich nieder und wedelte mit der Standarte. Je näher er dem Orte kam, wo das Eisen lag, desto behutsamer wurde er, desto länger besann er sich, ehe er etwas nahm, desto öfter kreiste er den Platz. Gewiß zehn Minuten blieb er unbeweglich vor dem Abzugsbissen sitzen, sah ihn mit unbeschreiblicher Lüsternheit an, wagte es aber dennoch nicht zuzugreifen, bis er wieder drei- oder viermal das Ganze umkreist hatte. Endlich, als er ganz sicher zu sein glaubte, ging er wieder vor das Eisen, streckte den einen Vorderlauf nach dem Brocken aus, konnte ihn aber nicht erreichen. Wieder eine Pause, während welcher er wie vorher unverwandt den Abzugsbissen anstarrte. Endlich, wie in Verzweiflung, fuhr er rasch darauf los, und in dem Augenblicke war er mit der Halskrause geziert.«

In früheren Zeiten fing man viele Füchse durch Ausgraben ihrer Baue, um hohen Herrschaften das absonderliche Vergnügen des Prellens zu bereiten. Man brachte die Thiere in einen rings umschlossenen Hof und trieb sie über schmale und lange Netze hinweg, welche an dem einen Ende von einem Herrn, an dem anderen von einer Dame gehalten wurden. Die Mitte des Netzes lag am Boden auf, und über sie mußten die Füchse weglaufen. Sobald sich nun einer gerade auf dem Netze befand, wurde dieses schnell straff gezogen, das Thier flog in die Höhe und fiel derb auf den Boden nieder oder unter Umständen auch auf einen Herrn, auf eine Dame, auf andere Netze etc., bis es endlich doch auf einem harten Gegenstande sich zerschmetterte. Wenn im Freien geprellt wurde, umhegte man den Platz mit hohen Tüchern und bildete innerhalb derselben mehrere Gassen, durch welche die Füchse getrieben wurden, um auf die Netze zu kommen. »Die gnädigsten Herrschaften sehen«, so erzählt Flemming, »dem Prellen mit Vergnügen zu und delektiren sich an den vielfältigen Luftsprüngen und Kapriolen der Füchse und Hasen, und dem Umfallen und Stolpern der Cavalliers und Dames, welche sämmtlich in grüner, mit Gold und Silber verchamarirter Kleidung erschienen sind. Sie schicken mit vielfältigem Prellen die Füchse und Hasen nach mancherley wunderlichen Figuren in die Luft, daß die Herrschaft ihr Vergnügen haben kann. Soll es nun bald zu Ende gehen, so werden junge Sauen herausgelassen, und die machen denn bey den Dames unter den Reifröcken einen solchen Rumor, daß nicht zu beschreiben.«

Zu den vielen seit alter Zeit üblichen Vertilgungsmitteln ist neuerdings Gift gekommen. Mit ihm bestreut man in strengen Wintern ausgeworfenes Aas oder Fleischbrocken, welche man auf die Wechsel wirft, und ist in den meisten Fällen des Erfolges sicher. Der arme Schelm nimmt, nicht ohne Bedenken, aber vom Hunger getrieben, den Brocken auf und ist wenige Augenblicke später eine Leiche. »Erst wenn es zu spät«, sagt Radde, welcher in Sibirien viele Füchse mit Strychnin vergiftete, »erkennt er sein Unglück. Er benimmt sich in seinem Elende auf sehr verschiedene Weise. Entweder springt er angestrengt in Sätzen hastig davon, läßt ein bis einundeinhalb Faden Springweite hinter sich, stellt die Hinterläufe in eine Linie, schlägt den rechten Vorderfuß weit vor, so daß bis auf die Zeichnung die Spur in ihrer Stellung der des springenden Rehes gleichkommt. So rast er fort, bis er mit dem letzten Satze umschlägt und verendet, die Füße zum weiteren Sprunge gespannt. Oder aber ganz langsam geht er von dannen; drei, vier Schritte hat er gethan, so deutet die Scharte in der Spur, welche der Innenzeh veranlaßte, schon auf die Wirkung des Giftes hin. Der Gang wird schwankender; es stellt sich Speichelfluß ein, einige Tropfen davon fallen seitwärts vor die Vorderfüße in den Schnee; die Spur wird weniger scharf: die Hinterfüße beginnen seitwärts zu gleiten, ihre Nägel treten weiter vor; das Thier schnappt nach den Weichen, in welche es jedoch nur selten die Zähne haut; endlich wird die Spur entweder enger und enger, und der Fuchs bleibt stehen und fällt mit gekrümmtem Rücken, oder er setzt die Füße in fast gerader Richtung und fällt beim langsamen Dahinschleichen. Weiter als dreißig bis achtzig Meter entfernt sich kein Fuchs von der Stelle, auf welcher das Gift lag; keiner bleibt aber auch am Platze; die meisten gehen acht bis zehn Meter weit und fallen.«

»Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg«: dieses Jägersprichwort hat noch heutigen Tages seine volle Bedeutung. Fuchspelze werden zwar bei uns zu Lande nicht besonders gesucht, wohl aber in Polen, Rußland, der Türkei und in ganz Sibirien. Bei den Mongolen gelten, laut Radde, Rothfüchse mehr als andere, werden auch viel höher bezahlt als in Deutschland. In Radde's Gegenwart wurden mehrere Male Fuchsbälge gegen zwei bis drei Zobelfelle eingetauscht. Für die schlechtesten Felle zahlte man zwei bis drei, für die besten zehn bis fünfzehn Rubel Silber, während bei uns zu Lande gewöhnliche Fuchsbälge vier bis fünf Mark, die besten höchstens zwanzig Mark werth sind. Sogenannte »Schwarzfüchse«, Felle der dunkelfarbigen Spielart kosten sogar 100 bis 250 Rubel das Stück. Deutschland allein liefert gegen hunderttausend Fuchsbälge; sie aber stehen hinter den nordischen weit zurück. Die besten Felle kommen, nach Lomer, aus Norwegen, Schweden und dem inneren Rußland; auf sie folgen, der Reihe nach sich verschlechternd, die aus Sibirien, Dänemark, der Schweiz, Bayern, Steiermark, Norddeutschland, den Rheinländern, Frankreich, Italien und Spanien.

Während wir einzig und allein den Balg des Fuchses verwerthen, wähnten unsere Vorfahren das ganze Thier, alle einzelnen Theile in besonderer Weise zu Arzneizwecken ausnutzen zu können. Nach dem Pröbchen, welches ich bei Schilderung des Haushundes gegeben habe, dürfte es genügen, wenn ich sage, daß ein im Sinne der Quacksalber des siebenzehnten Jahrhunderts verwendeter Fuchsleichnam so ziemlich alle heutigen Tages gebräuchlichen Arzneistoffe ersetzen konnte. Sollte ein Quacksalber der Gegenwart genaueres erfahren wollen, so möge er des alten Geßners Werke aufschlagen: er findet dort die verschiedenen Heilmittel und deren Verwendung ausführlich beschrieben und – selbst unter den »Gebildeten« unserer Zeit noch eine für das Gelingen eines etwa beabsichtigten Heilmittelschwindels vollkommen genügende Anzahl von Gläubigen.

Außer dem Menschen hat der Fuchs immer noch eine Anzahl von Feinden. Nicht allein der Wolf fängt und verspeist ihn, sondern auch die Hunde haben so großen Groll auf ihn, daß sie ihn wenigstens zerreißen. Merkwürdig ist es, daß trächtige oder säugende Füchsinnen häufig von den männlichen Hunden geschont und gar nicht verfolgt werden. Die übrigen Säugethiere können Reineke nichts anhaben: unter den Vögeln hat er aber mehrere sehr gefährliche Feinde. Der Habicht nimmt junge Füchse ohne Zögern weg, der Steinadler sogar erwachsene, obgleich ihm dies zuweilen schlecht bekommt. Tschudi berichtet einen solchen Fall. »Ein Fuchs lief über den Gletscher und wurde blitzschnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an, sonderbar mit den Flügeln zu schlagen und verlor sich hinter einem Grat. Der Beobachter stieg zu diesem heran, da lief zu seinem Erstaunen der Fuchs pfeilschnell an ihm vorbei: – auf der anderen Seite fand er den sterbenden Adler mit aufgebissener Brust. Dem Fuchse war es gelungen, den Hals zu strecken, seinen Räuber bei der Kehle zu packen und diese durchzubeißen. Wohlgemuth hinkte er nun von dannen, mochte aber wohl sein Leben lang die sausende Luftfahrt nicht vergessen.« In den übrigen Thierklassen hat der Fuchs keine Feinde, welche ihm gefährlich werden könnten, wohl aber solche, welche ihn belästigen, so namentlich viel Flöhe. Daß er diese durch ein sorgfältig genommenes Bad in ein im Maule getragenes Bündel Moos treibe und dann durch Wegwerfen dieses Bündels sich jene unangenehme Gäste vom Halse schaffe, ist eine Fabel.

Es ist erwiesen, daß der Fuchs fast alle Krankheiten des Hundes theilt und auch von der fürchterlichen Tollwuth befallen wird. Ja, man kennt sogar Beispiele, daß er, von dieser entsetzlichen Seuche getrieben, bei hellem Tage in das Innere der Dörfer kam und hier alles biß, was ihm in den Weg lief. »Im kleinen österreichischen Kronlande Kärnten«, so schreibt man mir, »wurde zuerst vor fünf Jahren eine Krankheit der Füchse bemerkt, welche seither an Umfang zuzunehmen scheint, über deren Ursprung und Wesen man aber heute noch nicht im Klaren ist. Unzweifelhaft verhält sich die aufgetretene Krankheit der Hundswuth sehr ähnlich, theilt sich das Krankheitsgift durch den in die Bißwunde dringenden Geifer der Füchse den Gebissenen mit, wie das Wuthgift toller Hunde, und ruft Erscheinungen wie dieses hervor. Allen Beobachtungen zufolge, zieht der kranke Fuchs planlos, in einer Art Irrsinn, welcher ja beim wüthenden Hunde ebenfalls auftritt, umher, weicht menschlichen Wohnungen auch bei hellem Tage nicht aus, geht dort in ebenerdige Vorlauben, selbst Wohnzimmer oder in Stallungen und läßt sich von seiner Richtung oft selbst durch Schläge nicht abbringen. Seine Gangart ist Schritt oder langsamer Trapp; Thiere mit vorgeschrittener Krankheit schleppen das mehr und mehr gelähmte Hintertheil. Kommt dem kranken Fuchse ein Thier in den Wurf, so sucht er ihm einen Biß beizubringen und setzt dann seinen Marsch wieder fort, aus dessen Richtung ihn das Ansichtigwerden von Menschen nicht abwendet, wenn schon bisher kein Fall bekannt wurde, daß er auch auf Menschen so losginge, um sie zu beißen, wie auf Thiere. Schicken sich Leute an, ihn zu erschlagen, so flieht er nicht, setzt sich aber auch nur schwach zur Wehre. In den Mägen so erschlagener Füchse, die stets ganz abgemagert waren, fanden sich Gräser, Holztheile, thierischer Koth, doch keine Fleischfressern zukommenden Nahrungsreste. Die von kranken Füchsen gebissenen Hausthiere: Rinder, Schweine, Schafe, sind in allen uns bekannt gewordenen Fällen dem Bisse erlegen, und zwar stets unter Anzeichen, wie sie der Biß eines wüthenden Hundes hervorruft. So wurde vor Kurzem ein dem Bauer Pitschacher in Griffen, Gerichtsbezirk Gurk, gehöriger, auf der Alpe weidender Ochse unter den Augen des in einiger Entfernung beschäftigten Hirten von einem Fuchse gebissen. Der nicht tiefe und bald vernarbte Biß belästigte den Ochsen nicht; er weidete friedlich unter einer Schar Rinder noch etwa vierzehn Tage auf der Alpe fort, von welcher ihn dann sein Besitzer zur Ackerbestellung holte, und er that dann, mit einem Kameraden vor den Pflug gespannt, seine Schuldigkeit wie sonst. Doch etliche Tage später verliert er die Freßlust, trinkt nicht mehr, will eingespannt nicht in der Furche bleiben, oft trotz Antreibens nicht von der Stelle gehen, dann wieder plötzlich wie wüthend sich ins Joch legen, stürzt, desselben entledigt, auf seinen Gefährten los, so daß das Paar nicht mehr in einen Stall zu bringen räthlich erscheint, rennt, abgesondert eingestallt, wiederholt mit dem Kopfe an die Wand und läßt aus dem aufgerissenen Maule die Speichel triefende Zunge weit heraushängen. Schließlich muß er gebeilt werden. Die inneren Organe zeigten sich bei der Oeffnung dieses Thieres ganz gesund und regelrecht, nur die Blutgefäße strotzten von gallertartig verdicktem Blute. Ein ganz ähnlicher Fall trug sich in der Nachbargemeinde Glöcknitz mit einem dem Simon in Eden gehörigen Ochsen, welcher in Gegenwart des Eigenthümers von einem Fuchse gebissen worden war, vor wenigen Wochen zu. Von Fällen, daß Menschen durch kranke Füchse gebissen wurden, ist unseres Wissens nur einer ganz sicher festgestellt worden. In der Nähe der Stadt St. Veit wurde ein Knecht beim Erschlagen eines in den Schweinestall gedrungenen Fuchses von diesem leicht in den kleinen Finger gebissen. Mehrere Wochen darnach stellten sich bei dem bisher sehr gesunden, kräftigen Menschen Trübsinn und allmählich auch Appetitlosigkeit und Schlingbeschwerden ein. Der in Kenntnis gesetzte Vorstand der politischen Behörde ließ den Knecht ärztlich untersuchen und beobachten und dann ins Krankenhaus der Landeshauptstadt bringen, wo er nach einigen Tagen mit allen Anzeichen der Hundswuth verschied.«

 

Als treues Spiegelbild Reineke's darf der Grau- oder Silberfuchs ( Canis cinereo-argenatus, C. griseus, C., Vulpes, Urocyon virginianus) angesehen werden, obgleich nicht er, sondern eine zweite Art Nordamerika's sein westlicher Vertreter zu sein scheint. Der Graufuchs unterscheidet sich von unserem Fuchse durch etwas höhere Läufe und verhältnismäßig kürzeren Schwanz, erreicht auch kaum die Größe des Verwandten. Seine Länge beträgt 1,05 bis 1,1 Meter, wovon ungefähr 40 Centim. auf den Schwanz gerechnet werden müssen, die Höhe am Widerrist etwa 30 Centim. Ein eigenthümlich gesprenkeltes Grau, welches Stirn, Scheitel, Hinterbacken, Nacken und die ganze Oberseite deckt und aus Schwarz und Silbergrau zusammengesetzt wird, bildet die vorherrschende Färbung. Die einzelnen Haare sind an der Wurzel weiß, übrigens schwarz, vor der Spitze breit weiß geringelt. Wangen und Kehle haben gelblichweiße, Ohren und Halsseiten graugelbliche, Unter- und Innenseite hellrostgelbe oder gelblichweiße Färbung; ein Brustband ist dunkler; ein schwarzer Streif zeichnet die Vorderläufe; der Schwanz endlich ist oberseits schwarz, unterseits rostroth, an der Spitze grau.

Nach Audubon sind es mehr die südlichen als die nördlichen Staaten Nordamerika's, welche den Graufuchs beherbergen; nördlich von Maine scheint er nicht mehr vorzukommen. In Neuengland und Kanada ist er selten, in Pennsylvanien und Neujersey ungefähr ebenso häufig wie der Rothfuchs, in den südlichen Staaten dagegen, die Gebirge von Virginien ausgenommen, die einzige dort vorkommende Art und zumal in Florida, Mississippi und Louisiana ungemein häufig. Nach Westen hin verbreitet er sich bis Kalifornien.

Es läßt sich schwer sagen, in welcher Hinsicht der Graufuchs von Reineke und seiner Sippschaft im engsten Sinne des Wortes sich unterscheidet. Die mir bekannten Schilderungen, unter denen die ausführliche Darstellung Audubons obenan steht, gleichen einer Lebensbeschreibung unseres Fuchses wie ein Ei dem anderen. Ungeachtet seiner höheren Beine soll der Graufuchs nicht so schnell und ausdauernd laufen können wie der letztgenannte oder der amerikanische Roth- und zumal der Schnellfuchs; im übrigen aber dürfte er sich in seinem Auftreten von dem Verwandten kaum wesentlich unterscheiden. Schwer zu begehende oder großen Raubthieren undurchdringliche Dickichte und Felsgeklüft mit Höhlungen und Spalten bilden seine Wohnsitze, die Umgebung seiner Aufenthaltsorte vom Meeresstrande an bis zu dem Gehöfte des Bauern sein Jagdgebiet. Ob er mit größerer Vorliebe als Reineke und der Rothfuchs dem Sumpfgeflügel nachstellt und seltener als diese in Hühnerställe einbricht, lasse ich dahingestellt sein. Audubon versichert, daß er zwar weit furchtsamer und scheuer wäre als der Rothfuchs und nicht allein durch das Anschlagen eines Hundes, sondern schon durch das Knacken eines Zweiges in eilige Flucht geschreckt würde, daß man auch von räuberischen Ueberfällen geschützter Geflügelgehege oder gar der Schafherden wenig oder nichts vernehme, bemerkt aber ausdrücklich, daß unser Thier im Süden ebenso gehaßt und verfolgt werde wie der Rothfuchs im Norden. Der letztere, meint unser Gewährsmann, läßt sich mit einem listigen und kühnen Räuber, der erstere mit einem stehlenden Diebe vergleichen; doch sind die Weibchen beider Arten, wenn sie Junge haben, von derselben Dreistigkeit beseelt. Wie Reineke, stellt auch der Graufuchs mit Vorliebe Mäusen und Ratten, insbesondere der Wiesenmaus und der Baumwollratte nach, ohne irgend etwas anderes genießbares zu verschmähen. Audubon schildert in sehr anschaulicher Weise, wie das Thier, einem trefflichen Spürhunde vergleichbar, mit sorgfältigster Benutzung des Windes an eine Kette von Baumwachteln sich anschleicht und glücklich einen der Vögel davonträgt. »An einem kalten regnerischen Reisetage«, so erzählt er, »bemerkten wir einen Graufuchs, welcher in der Art und Weise eines Vorstehhundes ausging. Gegen den Wind, durch das hohe Gras schleichend, stand er plötzlich still und ließ sich auf seine Keulen nieder. Einen Augenblick später erhob er sich wieder und schlich mit langsamen und vorsichtigen Schritten vorwärts, seine Nase dann und wann hoch in die Luft erhebend und von einer Seite zur anderen bewegend. Zuletzt schien er sich seiner Beute versichert zu haben und bewegte sich in gerader Richtung, jedoch noch immer sehr behutsam, zeitweilig auf der Erde kriechend, vorwärts, kam uns dabei auch dann und wann aus den Augen, bis wir ihn endlich wieder bemerkten, als er den letzten Halt machte. Von einem Bewegen der Lunte, wie man es bei der Hauskatze beobachtet, bemerkten wir nichts; die Ohren waren niedergebeugt, der Kopf wurde nur wenige Zoll über dem Boden erhoben: so verblieb er ungefähr eine halbe Minute, und nun erst sprang er mit gewaltigem Satze auf seine Beute. Das Schwirren einer aufstehenden Kette von Baumwachteln und zwei oder drei scharfe, kreischende Laute wurden vernommen, und der vom Erfolge begünstigte Räuber zeigte sich kurz darauf mit einer Baumwachtel im Maule. Wir hatten ein Gewehr bei uns und wären wohl im Stande gewesen, ihn zu erlegen, aber wozu? Er hatte uns gezeigt, daß er nicht allein zu dem Hunde gehört, sondern es auch einem trefflichen Vorstehhunde gleichthun kann, hatte sich außerdem in einer rechtlichen Weise ernährt: warum ihn also tödten?« Etwas weniger mild gestimmt wird man, wenn man die von ihm geplünderten Nester des Truthahns und anderer nützlicher Vögel auffindet oder an eine Stelle kommt, auf welcher sich die Spuren eines zwischen ihm und einer Truthenne stattgefundenen Kampfes erkennen lassen, und man begreift dann, daß er ebenso verfolgt wird wie seine Verwandten, obgleich man wohl annehmen darf, daß er, wie diese, durch Verminderung der verderblichen Nagerbrut mehr Nutzen als durch Aufzehren uns nützlicher Thiere Schaden bringt. Neben größerem Wilde, insbesondere Wirbelthieren aller Klassen, stellt der Graufuchs übrigens auch Kerbthieren nach, zerkratzt, beispielsweise, um zu solchen zu gelangen, halbverfaulte Baumstrunke in den Waldungen, und ebenso verzehrt er Pflanzenstoffe verschiedenster Art. Audubon wurde von einem Landwirte im Staate New York auf ein Maisfeld aufmerksam gemacht, in welchem einige unbekannte Thiere dadurch, daß sie sich von einem reifenden Kolben genährt, nicht unbeträchtlichen Schaden verursacht hatten. Die Fährte des Thieres lehrte uns den Silberfuchs als Thäter kennen, und die vorläufige Feststellung der Diebe wurde durch den Fang von drei derselben vollkommen bestätigt.

Grau- oder Silberfuchs ( Canis cinereo-argentatus).

In Carolina wölft der Graufuchs in den letzten Tagen des März oder in den ersten des April, in den nördlichen Staaten etwas später. Die Jungen bleiben ungefähr drei Monate lang unter der Obhut ihrer Mutter und zerstreuen sich dann, sowie sie selbständig geworden und das einsame Leben der Alten zu führen im Stande sind. Auch wenn sie bereits volle Größe erhalten haben, erkennt man sie noch leicht an ihrer verhältnismäßig geringen Vorsicht und namentlich bei der Jagd mit Hunden daran, daß sie nur im Nothfalle in längerer Flucht ihr Heil, vielmehr im Besteigen passender Bäume ihre Rettung zu suchen pflegen, während die gewitzigten Alten durch allerlei Künste und Kniffe sich ihren Todfeinden öfter mit Erfolg zu entziehen wissen. Audubon scheint es sehr auffällig zu finden, daß ein Fuchs Bäume besteigt, während wir, nach den von Reineke uns gegebenen Probestückchen urtheilend, diese Meinung nicht theilen. Für ein so gewandtes Thier, wie der Fuchs es ist, hat es keineswegs besondere Schwierigkeiten, einen Baum mit weit nach unten ragenden Aesten, seitlichen Auswüchsen, Knollen und anderen Unebenheiten zu erklimmen, während der plumpere Hund sich außer Stande sieht, dies nachzuthun.

Hinsichtlich der Jagd und anderer Vertilgungsarten des Graufuchses gilt mit wenig Abänderungen dasselbe, was man von unserem Fuchse sagen kann. Man wendet aber auch in Amerika die verschiedensten Fallen an, um den lästigen Strolch in seine Gewalt zu bringen, und betreibt ebenso eifrig wie in England die Fuchshatze, in welcher man eine vorzügliche, Nerven und Glieder stärkende Uebung und ein hochfeines Vergnügen findet.

Gefangene Graufüchse betragen sich im wesentlichen wie ihr europäischer Verwandter, sollen aber niemals ganz zahm werden und immer den unbesieglichen Hang nach Befreiung bewahren. Besonders schwer soll es sein, ihnen das bissige Wesen abzugewöhnen; Audubon wenigstens versichert, daß er niemals einen Gefangenen dieser Art gesehen habe, welcher mehr als halbzahm geworden wäre. In einer Hinsicht unterscheidet sich der Graufuchs jedoch zu seinem Vortheile von den Verwandten: er besitzt nicht den unangenehmen Geruch derselben.

Das Fell hat seines groben Haares wegen geringen Werth und wird meist nur zur Fütterung von Reisepelzen verwendet. Nach Lomer, welcher das Thier nicht »Silberfuchs«, wie die meisten Kürschner, sondern »Griesfuchs« nennt, gelangen jährlich fünfundzwanzigtausend dieser Felle in den Handel, welche einen Werth von ebensoviel Thalern haben.

Korsak ( Canis Corsac).

Von den übrigen Fuchsarten darf ich hier bloß noch diejenigen erwähnen, welche sich durch besondere Eigenthümlichkeiten in der Lebensweise oder durch auffallende Färbung wesentlich unterscheiden. Zu den kleineren Arten der Sippe gehört der Nachbar unseres Reineke in Asien, der Korsak, wie die Russen ihn nennen, die Kirsa oder »Kirassu« der Mongolen, »Korrsuk« und »Stepnaja Lisiza« oder Steppenfuchs der Kosaken ( Canis Corsac, Vulpes Corsac). In der Größe steht das Thier unserem Reineke merklich nach, da er höchstens 90 Centim. Gesammt- oder 55 bis 60 Centim. Leibes- und 35 Centim. Schwanzlänge hat; in Gestalt und Wesen ähnelt er dem Verwandten sehr, ist jedoch verhältnismäßig etwas höher gestellt und kurzschwänziger, hat auch einen mehr rundlichen Augenstern. Die Färbung des dichten Pelzes ändert weniger ab als bei Wolf und Fuchs, unterscheidet sich jedoch nach der Jahreszeit. Das frischgewachsene Sommerhaar hat röthliche Färbung, das allmählich nachwachsende, dieses und das Wollhaar später überwuchernde sogenannte Winterhaar einen breiten silberweißen Ring vor der dunkleren Spitze, wodurch eine bald mehr röthliche, bald mehr fahlweiße Gesammtfärbung entsteht. Kehle, Untertheile und Innenseite der Beine sind gelblichweiß, ein auf der Schnauzenseite vor dem Auge stehender dreieckiger Fleck dunkelgrau, eine Brustbinde röthlich, die Beine fahlröthlich; der Schwanz ist an der Wurzel isabell-, auf der Oberseite fahlgelb und schwarz gemischt, unterseits am Enddrittel und an der Spitze schwarz, das Ohr außen einfarbig fahlgraugelb, der Augenring erzgelb gefärbt.

Das Verbreitungsgebiet des Korsak erstreckt sich von den Steppen um das Kaspische Meer an bis in die Mongolei; jedoch findet sich das Thier ausschließlich in Gegenden mit Steppen- oder Wüstengepräge, niemals in Waldungen und demgemäß ebensowenig in Gebirgen. In die nördlichen Theile seines Verbreitungsgebietes wandert er alljährlich in namhafter Anzahl ein und mit beginnendem Frühjahre wieder zurück. Einen festen Wohnsitz hat er überhaupt nicht, da er sich ebensowenig wie Wolf und Fuchs eigene Baue gräbt, vielmehr unstet umherschweift und schlechtweg unter freiem Himmel sich zur Ruhe legt oder höchstens zufällig gefundene Bobakbaue benutzt, vielleicht nachdem er sie ein wenig erweitert hat. In solchen Murmelthierhöhlen sollen häufig mehrere, mindestens zwei Korsaks zusammengefunden werden, was auf größere Geselligkeit, als Reineke sie liebt, hindeuten würde. Alpenhasen und verschiedene Wühlmäuse bilden wahrscheinlich seine Hauptnahrung; außerdem jagt er auf Vögel, Eidechsen und Frösche, wahrscheinlich auch auf größere Kerbthiere, zumal Heuschrecken. Seine Fortpflanzungsgeschichte scheint noch wenig erforscht zu sein; mir wenigstens sind eingehende Berichte über diesen Lebensabschnitt des Thieres nicht bekannt geworden.

Seines weichen, dichten, warmen und gut aussehenden Winterbalges wegen wird er eifrig gejagt, besonders von den Kirgisen, Karakalpaken, Truchmenen und anderen diesseits des Urals wohnenden Nomadenstämmen. Man wendet alle nur denkbaren Mittel an, um sich seiner zu bemächtigen. Außer den Fallen und Schlingen, welche man vor einen Ausgang seiner Höhlen stellt, jagt man ihn auch mit Hunden, welche man vor die Röhren seines Baues bringt, während man ihn ausräuchert. Sucht er sein Heil in der Flucht, so ist er regelmäßig verloren. Laut Radde hetzt man ihn da, wo der Bobak lebt, selten am Tage, weil er dann in den verlassenen Murmelthierbauen schläft, spürt ihn vielmehr nach frischem Schneefalle bis zu seinem Lagerplatze auf und stellt hierauf die gebräuchliche Bogenfalle. Alte Thiere, welche die ihnen verderbliche Falle kennen, gehen angesichts derselben oft zum Lager zurück und lassen sich erst in der sechsten bis neunten Nacht durch den Hunger zwingen, nach außen zu gehen, ziehen selbst den Hungertod dem in der Falle vor. In letzterem Falle gräbt man den Leichnam erst im kommenden Frühjahre aus, nachdem der tiefgefrorene Steppenboden aufgethaut ist. Neben den Hunden haben die Tataren noch andere und viel gefährlichere Jagdthiere auf ihn abgerichtet. Sie bedienen sich nämlich gezähmter Steinadler, wohl auch Jagdedelfalken, zu seinem Fange, und solchen geflügelten Räubern kann der arme Schelm natürlich nicht entgehen. Die Kirgisen fangen ihn häufig mit dem Krätzer d. h. einem Werkzeuge, welches einem doppelten Korkzieher ähnelt und an einer Stange befestigt wird. Mit diesem fahren sie in den Bau, bohren durch Drehen die beiden Spitzen fest in den Balg des beklagenswerthen Geschöpfes und ziehen es dann gewaltsam hervor. Ein so eingekrätzerter Korsak zittert, wenn er an das Tageslicht kommt, am ganzen Leibe und läßt alles über sich ergehen, ohne auch nur einen Versuch zu machen, sich zu wehren.

Die gedachten Stämme allein bringen jährlich bis fünfzigtausend Felle in den Handel, ungerechnet diejenigen, welche sie selbst verbrauchen. In Rußland trägt man den Korsak weniger, um so öfter aber in China, wo er über Kiächta eingeführt wird.

Ueber gefangene Korsaks hat zuerst Hablitzel einige Beobachtungen veröffentlicht. Ungeachtet aller Versuche ist ihm niemals gelungen, einen dieser Füchse zu zähmen, und selbst derjenige, welchen er ganz jung erhalten und beständig unter seiner Aufsicht hatte, gestattete seinem Herrn nie, ihn anzugreifen, ohne sich nach Kräften dagegen zu wehren. Nur seinem Wärter, welcher ihn fütterte, erlaubte er dies. Sobald sich aber ein anderer ihm näherte, empfing er denselben mit funkelnden Augen, zeigte ihm murrend die Zähne und biß um sich, soviel er konnte. Sah er ein, daß er mit seinem Beißen nichts auszurichten vermochte, so begann er vor lauter Angst zu zittern und verrichtete auf beiderlei Art seine Nothdurft. Bei Tage verhielt er sich ruhig und schlief gewöhnlich; mit Eintritt der Nacht aber wurde der Trieb nach Freiheit in ihm rege, und er bemühte sich dann unaufhörlich, von der Kette loszukommen. Dabei winselte er beinahe wie ein Fuchs. Die Gesellschaft anderer Thiere verabscheute er gänzlich, mit seinesgleichen dagegen vertrug er sich sehr gut. Drei Korsaks, welche Hablitzel besaß, lagen fast beständig dicht neben einander, oft einer förmlich in den anderen gerollt.

Diese Mittheilungen besagen, bei Lichte betrachtet, herzlich wenig; denn sie schildern einfach das Benehmen aller nicht von Jugend an erzogenen, sondern wild eingefangenen Füchse. Ich habe den Korsak längere Zeit lebend gehalten und neuerdings oft in Gefangenschaft gesehen, erhebliche Unterschiede zwischen seinem und Reineke's Betragen jedoch nicht wahrgenommen. Unter Umständen wird er sich, wenn auch nicht genau ebenso, so doch sehr ähnlich benehmen. Er gehört zu den glücklichsten Bewohnern eines Thiergartens, richtet sich in dem ihm angewiesenen Käfige bald ein, scheut weder die Hitze des Sommers noch die Kälte des Winters und setzt sich mit demselben Gleichmuthe den Strahlen der Sonne aus, mit dem er sich bei eisiger Kälte auf das Steinpflaster seines Käfigs legt. Mit seinen Mitgefangenen verträgt er sich ebenso gut und ebenso schlecht wie der Fuchs, lebt manchmal monatelang mit dem Gefährten in Frieden und Freundschaft, erbost sich einmal plötzlich, beginnt Streit mit dem Genossen, beißt wüthend um sich, verwundet und tödtet, frißt den Getödteten auch ohne Gewissensbisse auf, wenn sonst der Hunger ihn quält. Demungeachtet pflanzt er sich ohne sonderliche Umstände im Käfige fort, weil zwischen verschiedenen Geschlechtern der Frieden wenigstens vorherrscht, behandelt seine Jungen zärtlich und zieht sie in der Regel glücklich groß. Jüngere Weibchen verzehren freilich, wie so viele Raubthiere thun, nicht selten ihre Nachkommenschaft, und auch dem Vater ist niemals recht zu trauen; doch hört man im allgemeinen mehr von glücklich als von unglücklich verlaufenden Zuchten unserer Thiere.

 

Auch im Thierreiche gibt es ausgeartete Mitglieder guter Familien; auch hier finden sich Verwandte, welche sich leiblich außerordentlich nahe stehen und geistig doch in jeder Hinsicht unterscheiden. Ein solcher, aus der Art geschlagener Gesell ist der Eisfuchs, ein nahestehender und gleichwohl in Sitten und Lebensweise auffallend sich unterscheidender Verwandter unseres Reineke, eines der einfältigsten und zugleich zudringlichsten, der dümmsten und doch auch schlauesten Glieder der Fuchsfamilie. Ich selbst bin auf meinen vieljährigen Reisen von keinem Thiere mehr überrascht oder in Erstaunen versetzt worden: als gerade von dem Eisfuchse. Kein anderes mir bekanntes Säugethier, kein Vogel, ja kein Wirbelthier überhaupt, scheint in gleich störrischer Weise an dem einmal Gewohnten festzuhalten und alle Erfahrungen so hartnäckig in den Wind zu schlagen wie dieser nordische Fuchs, der Vetter des unserigen, welcher sich bekanntlich mit überraschender Fähigkeit in jede Ortsgelegenheit zu schicken und alle Erfahrungen auf das beste zu benutzen weiß.

Der Eis-, Polar- oder Steinfuchs ( Canis lagopus, Vulpes und Leucocyon lagopus, V. fuliginosus, Canis isatis), wegen seiner stumpfen und dicken Schnauze, der kurzen, rundlichen Ohren, der niederen Beine, der wie der übrige Leib dicht mit Fell bekleideten Fußballen, des sehr buschigen, vollen Schwanzes sowie endlich der absonderlichen Färbung von Gray zum Vertreter der Untersippe Leucocyon erhoben, ist merklich kleiner als unser Fuchs, ungefähr 95 Centim. lang, wovon ein reichliches Drittheil auf den Schwanz kommt, und trägt im Sommer ein erd- oder felsenfarbiges, im Winter dagegen entweder ein schneefarbiges oder ebenfalls dunkles Kleid. Bald nach der Härung, welche je nach der Heimat und Oertlichkeit früher oder später im Sommer, gewöhnlich aber im Juni eintritt, sprossen auf der Ober- und Außenseite erdbräunliche, mehr oder weniger ins Graue, Schieferfarbene und Bläuliche spielende, im Gesichte und auf der Unterseite dagegen weiße Haare hervor und bilden mit den allmählich nachwachsenden Wollhaaren von gleicher Färbung den Sommerpelz. Im Verlaufe der Zeit verlängert und verdichtet sich dieser, entsprechend dem stetig fortschreitenden Wachsthume der Haare, mehr und mehr, und ist mit Beginn des Herbstes schon sehr reich geworden. Nunmehr beginnt langsam die Umfärbung desselben Haares. Einzelne Spitzen verbleichen und werden weiß, sind jedoch noch nicht zahlreich genug, um den dunklen Untergrund zu decken, und es entsteht somit eine graulich gesprenkelte Färbung. Mehr und mehr schreitet die Verbleichung und Umfärbung fort; es bilden sich weiße Farbenfelder und endlich eine weiße Decke, unter welcher das dunkle Wollhaar noch hindurchschimmert. Nach und nach verbleicht auch dieses sammt den Wurzeln der Grannenhaare, und mit Beginn des Winters hat der ganze Pelz eine reinweiße Färbung erhalten. Wachsthum und Verbleichung der Haare werden, wie bei allen mir bekannten Wildhunden und Raubthieren überhaupt, durch frühzeitig eintretende rauhe Witterung sehr beschleunigt; eine doppelte Härung jedoch, d. h. ein zweimaliges Abwerfen und Neuwachsen des Haares, findet nach meinen, an gefangenen Eisfüchsen sehr sorgfältig durchgeführten Beobachtungen bestimmt nicht statt. Nun aber gibt es auch Eisfüchse, welche im Winter nicht ein weißes, sondern ein bräunlich schieferfarbenes, bräunlich blaues oder braunes Kleid erhalten. Man hat geglaubt, sie als eigene Art ansehen zu dürfen; die grönländischen Eskimos versicherten jedoch Brown, daß man zuweilen weiße Mütter mit blauen Jungen finde und umgekehrt, und es sind somit die sogenannten Blaufüchse, welche nach unseren an gefangenen angestellten Beobachtungen auch im Alter ihre Färbung nicht verändern, ebensogut wie buntgescheckte Eisfüchse nur als Spielarten des am häufigsten und regelmäßigsten auftretendenWeißfuchses zu betrachten. Laut Newton soll es auf Island ausschließlich Blaufüchse geben, vielleicht infolge des verhältnismäßig milden Klimas der Insel; auf Spitzbergen dagegen kommen, so viel man bis jetzt erkundet, nur Weißfüchse vor. Bemerkt zu werden verdient, daß ein in St. Petersburg gefangen gehaltener und in einem warmen Zimmer eingesperrter Eisfuchs seinen weißen Winterpelz genau zu derselben Zeit wie in der Freiheit erhielt.

Eisfuchs ( Canis lagopus) im Sommerkleid.

Wie der Name sagt, bewohnt der Eisfuchs die Polargegenden oder die Länder, in denen es viel Eis gibt, und zwar die der Alten Welt ebensogut wie die der Neuen, die Inseln nicht seltener als das Festland. Es ist anzunehmen, daß er sich mit den Eisbergen über die ganze nördliche Erde verbreitet hat; wenigstens sah man oft Eisfüchse auf solchen natürlichen Fähren im Meere schwimmen oder fand sie, als einziges Landsäugethier, auf Eilanden, welche weit von anderen entfernt sind, in überraschender Menge vor, konnte also nur annehmen, daß er hier einmal eingewandert sei. Aus freiem Antriebe geht er nicht leicht über den 60. Grad nördlicher Breite nach dem Süden hinab; ausnahmsweise kommt er nur in Sibirien in niederen Breiten vor. An allen Orten, welche ihn beherbergen, ist er häufig, am häufigsten aber doch auf Inseln, von denen er nicht so leicht wieder auswandern kann. Daher kennen ihn alle hochnordischen Völker sehr wohl. Die Russen nennen ihn »Hündchen« (Pessez), die Tataren Weißfuchs (Aik-tilkoe), die Jakuten Kyrrsa, die Samojeden Noga und Sellero, die Ostjäken Kiön, die Tungusen Tschitara, die Grönländer Terienniak und Kaka etc.

Nur bei bevorstehendem Unwetter oder an Orten, an denen er sich nicht recht sicher fühlt, zieht er sich in Höhlen im Geklüfte oder auch in selbstgegrabene Röhren zurück und wagt sich dann bloß des Nachts heraus, um auf Raub auszugehen; an allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, vor dem Menschen sich zu verbergen, nimmt er sich nicht die Mühe, selbst Gruben und Höhlen zu scharren, sondern lauert unter Steinen, Büschen, in abgeworfenen Argalihörnern und ähnlichen Verstecken auf Beute. Er ist kein Kostverächter und nimmt mit aller thierischen Nahrung fürlieb. Unter den Säugethieren fällt ihm zur Beute, was er bewältigen kann; am liebsten jagt er auf Mäuse. Die Züge der Lemminge verfolgt er oft meilenweit und setzt ihnen auch über die Flüsse und Meere nach, so daß, wie man versichert, oft der vierte Theil des Zuges solcher Wühlmäuse ihm zum Fraße wird. Aus der Klasse der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, sobald er diese erwischen kann, und namentlich den Bruten wird er überaus verderblich. Außerdem beansprucht er alles, was das Meer von Thieren auswirft, diese mögen einer Klasse angehören, welcher sie wollen. Im Nothfalle frißt er selbst thierischen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das Innere der Häuser ein und stiehlt hier weg, was sich forttragen läßt, selbst ganz unnütze Dinge. Wenn er viele Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derselben und sucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf. Dasselbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menschen gestört zu werden. Diese Vorrathskammern scharrt er, nachdem sie gefüllt sind, wieder zu und ebnet sie mittels der Schnauze so glatt, daß man sie nicht im geringsten bemerken kann.

Eisfuchs ( Canis lagopus) im Winterkleid.

Auf Spitzbergen lebt er, laut Newton, in großer Anzahl. »Wir sahen ihn«, sagt genannter Beobachter, »nicht allein wiederholt in der Nachbarschaft der Klippen, auf denen Alken brüten, sondern vernahmen auch fortwährend sein kläffendes Bellen. Er ist in der That der gefährlichste Feind aller Vögel der Eilande, und die Furcht vor ihm scheint von wesentlichem Einflüsse auf die Anlage der Brutplätze zu sein. Was ihm zur Beute sich bietet, wenn die Seevögel Spitzbergen verlassen haben und nur das Schneehuhn zurückbleibt, dünkt mich eine der am schwierigsten zu beantwortenden Fragen zu sein. Die größere Anzahl von Eisfüchsen soll im Lande verbleiben und im Winter ebenso rege sein wie im Sommer; es gibt auf Spitzbergen aber keine Beeren, welche ihm das Leben fristen könnten, und an offenes Wasser kann er auch nicht gelangen. So bleibt nur übrig anzunehmen, daß er sich Vorräthe anlegt. Möglicherweise diente eine große Menge von Muscheln, welche ich auf der Moräne eines Gletschers im Sicherheitshafen fand, zu solchem Zwecke.«

Man trifft den Eisfuchs häufig in Gesellschaften; gleichwohl herrscht keine große Eintracht unter diesen: es finden vielmehr blutige Kämpfe statt, welche für den Zuschauer sehr viel ergötzliches haben. Einer faßt dabei den anderen, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn so lange fest, bis er ihn hinreichend gebissen zu haben glaubt. Dabei schreien die Kämpen wie die Katzen, während sie, wenn sie ungeduldig werden, mit heller Stimme heulen.

Die geistigen Fähigkeiten des Thieres sind keineswegs gering; demungeachtet zeigen sich gerade bei der Beobachtung des Wesens die sonderbarsten Widersprüche, und man geräth oft in Zweifel, wie man diese oder jene Handlung zu beurtheilen habe. List, Verschlagenheit, Kunstfertigkeit, kurz, Verstand zeigten alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreistigkeit wie bei kaum einem anderen Thiere. Hiervon habe ich mich selbst überzeugen können. Wir, mein norwegischer Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieser Füchse aus dem Doverfjeld in Norwegen und schossen mit der Büchse siebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrschenden Dämmerung genau auf das Korn nehmen und somit auch erlegen zu können. Anstatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieser Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogener Hund seinem Herrn, und erst da, wo das felsige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er ließ sich durch gutgezielte Steinwürfe ebensowenig vertreiben, als er sich von den hart vorüberpfeifenden Kugeln hatte in die Flucht schlagen lassen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehrmals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umstände auf ihn zugekommen und sich neugierig fragend vor ihm hingesetzt habe. Einmal fraßen ihm Eisfüchse sogar die Renthierdecke an, unter welche er sich gelegt hatte. Seine einsam im Gebirge stehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorsichtsmaßregeln ergreifen, um diese zudringlichen Thiere los zu werden. Ich erwähne diese Thatsachen nur flüchtig, hauptsächlich aus dem Grunde, um zu beweisen, daß der Eisfuchs sich überall gleichbleibt.

Die ausführlichste und zugleich anziehendste Schilderung dieses Thieres hat schon im vorigen Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieselbe auch vielfach im Auszuge nacherzählt worden ist, halte ich es doch für angemessen, sie hier vollständig folgen zu lassen.

»Von vierfüßigen Landthieren gibt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchse, welche ohne Zweifel mit dem Treibeise dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, sich unbeschreiblich vermehrt haben. Ich habe die Natur dieser an Frechheit, Verschlagenheit und Schalkhaftigkeit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Thiere nur mehr als zu genau während unseres unglückseligen Aufenthaltes auf diesem Eilande kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die Geschichte der unzähligen Possen, die sie uns gespielt, kann wohl der Affenhistorie des Albertus Julius auf der Insel Sarenburg die Wage halten. Sie drängten sich in unsere Wohnungen sowohl bei Tage als bei Nacht ein, und stahlen alles, was sie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen gar nichts nutzten, als Messer, Stöcke, Säcke, Schuhe, Strümpfe, Mützen etc . Sie wußten so unbegreiflich künstlich eine Last von etlichen Pud von unseren Vorrathsfässern herabzuwälzen und das Fleisch daraus zu stehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuschreiben konnten. Wenn wir einem Thiere das Fell abzogen, so geschah es oft, daß wir zwei bis drei Stück Füchse dabei mit Messern erstachen, weil sie uns das Fleisch aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir etwas noch so gut und beschwerten es mit Steinen, so fanden sie es nicht allein, sondern schoben, wie Menschen, mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denselben liegend, einer dem anderen aus allen Kräften. Verwahrten wir etwas auf einer Säule in der Luft, so untergruben sie dieselbe, daß sie Umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder eine Katze hinaus und warf das darauf Verwahrte mit unglaublicher Geschicklichkeit und List herunter. Sie beobachteten all unser Thun und begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Thier aus, so verzehrten sie es, ehe noch ein Mensch dazu kam, zu unserem größten Nachtheile; und konnten sie nicht alles gleich auffressen, so schleppten sie es stückweise auf die Berge, vergruben es vor uns unter Steinen und liefen ab und zu, solange noch was zu schleppen war. Dabei standen andere auf Posten und beobachteten der Menschen Ankunft. Sahen sie von fern Jemand kommen, so vereinigte sich der ganze Haufe und grub gemeinschaftlich in den Sand, bis sie einen Biber oder Seebären so schön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn wir auf dem Felde schliefen, zogen sie uns die Schlafmützen und Handschuhe von und unter den Köpfen und die Biberdecken und Häute unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die frisch geschlagenen Biber legten, damit sie nicht von ihnen gestohlen würden, so fraßen sie unter dem Menschen ihnen das Fleisch und Eingeweide aus dem Leibe. Wir schliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen, damit wir sie, wenn sie uns weckten, damit abtreiben und schlagen konnten.

»Wo wir uns auf dem Wege niedersetzten, da warteten sie auf uns, und trieben in unserer Gegenwart hunderterlei Possen, wurden immer frecher, und wenn wir still saßen, kamen sie so nahe, daß sie die Riemen von unseren neumodischen, felbstverfertigten Schuhen, ja die Schuhe selbst auffraßen. Legten wir uns, als ob wir schliefen, so berochen sie uns bei der Nase, ob wir todt oder lebendig seien; hielt man den Athem an sich, so zupften sie wohl gar an der Nase und wollten schon anbeißen. Bei unserer ersten Ankunft fraßen sie unseren Todten, während daß Gruben für sie gemacht wurden, die Nase und Finger an Händen und Füßen ab, machten sich auch wohl gar über die Schwachen und Kranken her, daß man sie kaum abhalten konnte. Einen Matrosen, der in der Nacht auf den Knien sitzend zur Thür der Hütte hinausharnen wollte, haschte ein Fuchs an dem entblößten Theile und wollte seines Schreiens ungeachtet nicht bald loslassen. Niemand konnte, ohne einen Stock in der Hand, seine Nothdurft verrichten, und den Koth fraßen sie gleich so begierig wie die Schweine oder hungrigen Hunde weg. Jeden Morgen sah man diese unverschämten Thiere unter den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die schlafenden beriechen, ob nichts todtes darunter sei: fanden sie solches, so ging es gleich an ein Zerfleischen, und man sah sie alle mit Schleppen bemüht. Weil auch besonders die Seelöwen des Nachts im Schlafe ihre Jungen erdrücken, so untersuchten sie, dieses Umstandes gleichsam bewußt, alle Morgen ihre Herden Stück für Stück und schleppten die todten Jungen wie Schinder davon.

»Weil sie uns nun weder Tag noch Nacht ruhen ließen, so wurden wir in der That dergestalt auf sie erbittert, daß wir Jung und Alt todtschlugen, ihnen alles Herzeleid anthaten und, wo wir nur konnten, sie auf die grausamste Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlafe erwachten, lagen immer zwei oder drei Erschlagene vor unseren Füßen, und ich kann wohl während meines Aufenthaltes auf der Insel auf mich allein über zweihundert ermordete Thiere rechnen. Den dritten Tag nach meiner Ankunft erschlug ich binnen drei Stunden über siebenzig mit einem Beile, aus deren Fellen das Dach über unserer Hütte verfertigt ward. Aufs Fressen sind sie so begierig, daß man ihnen mit der einen Hand ein Stück Fleisch vorhalten und mit der anderen die Axt oder den Stock führen konnte, um sie zu erschlagen. Wir legten einen Seehund hin, standen mit einem Stocke nur zwei Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir sie nicht sähen: bald kamen sie angestiegen, fingen an zu fressen und wurden erschlagen, ohne daß sich daran die anderen hätten spiegeln und entlaufen sollen. Wir gruben ein Loch oder Grab und warfen Fleisch oder ihre todten Kameraden hinein; ehe man sichs versah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln alles erschlugen. Obgleich wir ihre schönen Felle, deren es hier wohl über ein Drittheil der bläulichen Art gibt, nicht achteten, auch nicht einmal abzogen, lagen wir doch beständig gegen sie als unsere geschworenen Feinde zu Felde. Alle Morgen schleppten wir unsere lebendig gefangenen Diebe bei den Schwänzen zur Hinrichtung oder Bestrafung vor die Kaserne auf den Richtplatz, wo einige enthauptet, anderen die Beine zerschlagen oder eines nebst dem Schwänze abgehagen wurde. Einigen stach man die Augen aus, andere wurden bei den Füßen paarweise und lebendig aufgehangen, da sie sich einander todtbeißen mußten. Einige wurden gesenget, andere mit Katzen zu Tode gepeitscht. Das allerlächerlichste ist, wenn man sie erst beim Schwänze festhält, daß sie aus allen Kräften ziehen, und dann den Schwanz abhaut; da fahren sie einige Schritte voraus und drehen sich, wenn sie den Schwanz missen, über zwanzigmal im Kreise herum. Dennoch ließen sie sich nicht warnen und von unseren Hütten abhalten, und zuletzt sah man unzählige ohne Schwanz oder mit zwei oder drei Beinen auf der Insel herumlaufen.

»Wenn diese geschäftigen Thiere einer Sache nichts anhaben können, wie z. B. Kleidern, die wir zuweilen ablegten, so losten und harnten sie darauf, und dann geht selten einer vorbei, der dies nicht thun sollte. Aus allem ersah man, daß sie hier nie einen Menschen mußten gesehen haben, und daß die Furcht vor den Menschen den Thieren nicht angeboren, sondern auf lange Erfahrung gegründet sein müsse.«

Diese Ansicht Stellers ist jedenfalls unrichtig; denn wenn die Eisfüchse überhaupt Erfahrung befolgen wollten, müßten sie sich in Norwegen ganz anders zeigen als auf Behringseiland. Sie sind aber hier und da dieselben. Genau an den nämlichen Orten, wo in Skandinavien Eisfüchse leben, kommen auch Rothfüchse vor, und Freund Reineke zeigt sich in Lappland gerade ebenso listig und verschlagen wie bei uns zu Lande.

Die Ranzzeit des Eisfuchses fällt, seinen heimatlichen Verhältnissen entsprechend, etwas später als die des Rothfuchses, nämlich in die Monate April und Mai. Ihre Begattung verrichten die Eisfüchse, wie die Katzen, mit vielem Geschrei. Sie rollen Tag und Nacht und beißen sich wie die Hunde aus Eifersucht grausam. Mitte oder Ende Juni's wölft das Weibchen in Höhlen und Felsenritzen neun bis zehn, ja selbst zwölf Junge. Den Bau pflegen die Füchsinnen am liebsten oben aus den Bergen oder am Rande derselben anzulegen. Sie lieben ihre Jungen außerordentlich, fast zu sehr; denn sie verrathen dieselben, in der Absicht, sie vor Gefahren zu schützen. Sobald sie nämlich einen Menschen auch nur von fern erblicken, beginnen sie zu bellen wie die Hunde, wahrscheinlich, um die Leute von ihren: Baue abzuhalten. Und hiervon mag wohl ihr russischer Name, » Hündchen«, herkommen. Bemerken sie, daß man ihren Bau entdeckt hat, so tragen sie die Jungen im Maule nach einem verborgenen Orte; tödtet man aber die letzteren, so verfolgen einen die Mütter mit großer Begier Tag und Nacht durch viele Meilen und lassen, wie Steller sagt, nicht eher ab, bis sie ihrem Feinde einen Possen gespielt haben oder selbst erschlagen worden sind.

Man jagt die Eisfüchse theils um sie auszurotten, theils um ihren Balg zu verwerthen, obgleich dieser nicht eben sehr geschätzt wird. Die meisten Felle gehen von Rußland nach China, und Ende vorigen Jahrhunderts betrug die durchschnittliche Zahl immer noch Tausende jährlich. Aus Mangasca allein konnten in gewissen Jahren vierzigtausend Stück ausgeführt werden. Je dunkelblauer die Felle sind, um so größeren Werth haben sie im Handel, und man unterscheidet ungefähr zwischen den dunkeln und hellen fünf Abstufungen. Der Fang ist eigenthümlich. Bei hohem Schnee graben sich die Füchse in diesen eine Röhre und wohnen in der Tiefe derselben. Das ist die Zeit, in welcher ihnen die Ostjäken und Samojeden am meisten nachstellen. Wo man sie erlangen kann, graben sie die Leute mit einem breiten Spaten aus Renthierhorn heraus, fassen sie ohne weiteres beim Schwanze und schleudern sie mit dem Kopfe gegen den Boden, um sie hierdurch zu tödten. Der Jäger erfährt sehr bald, ob sich ein Fuchs in einer solchen Röhre befindet oder nicht. Er legt das Ohr an die Mündung, und wenn sich das Thier darin rührt, scharrt er mit dem Spaten den Schnee weg; hierdurch wird der schlafende Fuchs aufgeweckt und verräth durch Gähnen und Niesen seine Gegenwart. Vor Erdröhren stellt man wohl auch Netze und Schlingen. Außer dem Menschen haben die Eisfüchse in den Seeadlern gefährliche Feinde. Steller beobachtete, daß ein Seeadler einen Eisfuchs mit den Klauen erfaßte, ihn emporhob und dann fallen ließ, um ihn auf dem Boden zu zerschmettern.

Jung eingefangene Eisfüchse werden ziemlich zahm und können dahin gebracht werden, ihrem Herrn wie ein Hund nachzufolgen. Sie sind aber immer reizbar, knurren, sobald sie angerührt werden, boshaft wie Hunde, und ihre grünen, glänzenden Augen blitzen dann feurig und tückisch. Mit anderen ihrer Art vertragen sie sich nicht gut in einem Käfige. Zwei Eisfüchse, welche ich pflegte, fielen über den dritten her und bissen ihn todt, wobei der Bruder des Ermordeten eifrig mit half.

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