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Löwenäffchen ( Leontopithecus).

Neuerdings hat man auch die Familie der Krallenaffen in verschiedene Sippen zerfällt; die Merkmale derselben beschränken sich jedoch auf Aeußerlichkeiten, da Zahnbau, Geripp und die sonstige Anordnung innerer Theile im großen und ganzen wesentlich dieselben sind. Unserem Zwecke dürfte es vollständig genügen, wenn wir drei Gruppen, denen ich den Rang von Sippen nicht zusprechen will, in Betracht ziehen.

Löwenäffchen ( Leontopithecus) nennt man diejenigen Arten, welche nacktes Gesicht und nackte Ohren, einen körperlangen, dünnen, am Ende oft gequasteten Schwanz haben und am Kopfe allein oder am Kopfe, Halse und den Schultern nebst den Vordergliedern eine mehr oder weniger lange Mähne tragen.

 

Als Urbild dieser Gruppe gilt das Löwenäffchen ( Hapale leonina , Simia leonina, Midas, Leontopithecus leoninus, Leontopithecus fuscus), welches Alexander von Humboldt entdeckte. Die Leibeslänge des Thierchens beträgt 20 bis 22 Centim., die Schwanzlänge ebenso viel. Ein schwer zu beschreibendes Olivenbräunlich ist die vorherrschende Färbung des Pelzes, welcher auf dem Rücken weißlichgelb gefleckt und gestrichelt erscheint. Die lange Mähne ist ockergelb, der Schwanz oberseits schwarz, unterseits leberbraun. Alle nackten Theile, also das Gesicht mit Ausnahme der weißlichen Mundränder und Hände und Füße, sehen ebenfalls schwarz aus.

Humboldt erhielt das Löwenäffchen in den Waldungen von Mocoa und erfuhr von den kupferfarbigen Einwohnern, daß es die milderen, kühleren Berggegenden meide und nur die heiße aber fruchtbare Ebene bewohne, welche den östlichen Abfall der Kordilleren begrenzt und von den Flüssen Putumayo und Caqueta durchströmt wird. »Es ist«, sagt Humboldt, »eines der schönsten, feingebildetsten Thiere, welche ich je gesehen habe, lebhaft, fröhlich, spiellustig, aber wie fast alles Kleine in der Thierschöpfung, hämisch und jähzornig. Reizt man es, so schwillt ihm der Hals ersichtlich, die lockeren Haare desselben sträuben sich, und die Aehnlichkeit zwischen ihm und einem afrikanischen Löwen wird dann auffallend. Leider habe ich nur zwei Stück dieser Art selbst beobachten können, die ersten, welche man lebendig über den Rücken der Andeskette in die westlichen Länder gebracht hatte. Man bewahrte sie ihrer Wildheit wegen in einem großen Käfige, und hier waren sie in so ununterbrochener Bewegung, daß ich lange Zeit brauchte, bevor ich ihre bezeichnenden Merkmale auffassen konnte. Ihre bald zwitschernde bald pfeifende Stimme gleicht der anderer Affen dieser Gruppe. Man hat mir versichert, daß in den Hütten der Indianer von Mocoa der zahme Löwenaffe sich fortpflanzt, während dies andere Affenarten in den Tropenländern ebenso selten wie in Europa thun.«

»Am oberen Amazonenstrome«, schildert Bates, Vorstehendes vervollständigend, »sah ich einst ein zahmes Löwenäffchen, welches Jedermann zugethan zu sein schien und sein größtes Vergnügen darin fand, eintretenden Leuten auf den Leib zu springen und an ihnen emporzuklettern. Als ich seine Bekanntschaft machte, rannte es durch den ganzen Raum gerade auf den Stuhl zu, auf welchem ich saß, kletterte zu meiner Schulter empor, drehte sich, hier angekommen, rund herum, sah mir in das Gesicht, dabei die kleinen Zähne zeigend und zwitschernd, als wollte es mich nach meinem Befinden fragen. Gegen seinen Gebieter bekundete es größere Anhänglichkeit als gegen Fremde; wenigstens kletterte es im Laufe einer Stunde wohl ein Dutzend Mal an ihm auf und ab, auf dem Kopfe meist noch eine sorgfältige Umschau nach gewissen Thierchen haltend.« Geoffroy bemerkt, daß auch dieses Aeffchen gemalte Gegenstände zu unterscheiden wisse, vor dem Bilde einer Katze sich fürchte, nach der Abbildung eines Käfers oder einer Heuschrecke aber greife, in der Absicht, sie wegzunehmen. In Europa gehört ein lebendes Löwenäffchen übrigens zu den allergrößten Seltenheiten.

Rötheläffchen ( Hapale Rosalia).

Unter der Bezeichnung »Löwenäffchen« verstehen unsere Händler eine verwandte Art, das Rötheläffchen ( Hapalo Rosalia, Simia, Callithrix, Midas, Jacchus, Marikina Rosalia), welches dem vorher beschriebenen allerdings in mancher Hinsicht ähnelt, sich jedoch sehr wohl von ihm unterscheidet. Es gehört zu den größeren Arten der Gruppe, da seine Gesammtlänge 65 bis 75 Centim. beträgt, wovon 25 bis 30 auf den Leib zu rechnen sind und das Uebrige auf den Schwanz kommt. Das Gesicht ist nackt und bräunlichfleischfarben, das große Ohr längs des Randes mit schwarzbraunen Haaren besetzt, während auf den Backenseiten und der sich in einem spitzen Winkel gegen die Kopfmitte ziehenden Stirne feine, kurze, gelbbräunliche Härchen stehen; Hände und Füße sind außen und innen gelblichbraun, die Haare der letzteren stark mit Gelb gemischt. Das lange Scheitelhaar, welches durch einen längs der Kopfmitte verlaufenden, aus kürzeren, schwarzbraunen Haaren gebildeten Streifen getrennt wird, fällt zu beiden Seiten mähnenartig herab und hat dunkelbraune Färbung, während die Bekleidung des übrigen Kopfes, der Kehle, der Brust und der Arme dunkelorangebraun, der übrige Pelz röthlichgelb aussieht und in lebhaftem Goldglanze schimmert. Der Schwanz ist bei einzelnen Stücken an der Wurzel gefärbt wie der Leib, hierauf schwarz gefleckt, gegen die Spitze hin dunkler werdend und an ihr selbst gelb. Doch kann diese Fleckenzeichnung auch vollständig fehlen. Das Weibchen unterscheidet sich nicht von dem Männchen.

»Dieses niedliche Thier«, sagt der Prinz von Wied, »findet sich in den großen Waldungen der Gegend von Rio-de-Janeiro, Cabo Frio, San Joao etc., geht aber nicht weit nördlich; wenigstens habe ich es am Parahyba schon nicht mehr beobachtet. Dem Gesagten zufolge beschränkt sich sein Verbreitungsgebiet auf die Waldungen der Ostküste zwischen dem 22. und 23. Grade südlicher Breite. Der rothe Sahui, wie er von den Brasilianern genannt wird, ist nirgends zahlreich; wir haben ihn auch nur einzeln oder familienweise angetroffen, besonders in der Sierra de Inua, im Walde von San Joao und in den gebirgigen Waldungen, welche die Gegend von Ponta Negra und Gurapina umgeben. Er scheint ebenso wohl die Büsche der sandigen Ebenen wie die hohen gebirgigen Wälder zu bewohnen und gern in belaubten Baumkronen sich zu verbergen, sobald er einen fremdartigen Gegenstand bemerkt. Seine Nahrung besteht in Früchten und Kerbthieren. Er wirft wahrscheinlich ein oder ein paar Junge, welche das Weibchen auf dem Rücken oder an der Brust umherträgt, bis sie stark genug sind, denselben zu folgen. Im gezähmten Zustande sollen diese Thierchen nicht so zärtlich für den Versand auf dem Meere sein wie die anderen Krallenaffen, mit denen ihre Lebensart übrigens vollständig übereinstimmt. Man liebt sie sehr wegen ihrer Schönheit, da sie einem kleinen Löwen gleichen. Bei jeder Erregung richten sie den das Gesicht umgebenden Haarkreis auf und nehmen sich alsdann höchst niedlich aus.«

Auf unseren Thiermarkt gelangen alljährlich einige Paare dieser ungemein zierlichen Aeffchen und finden stets willige Käufer, obgleich ihr Preis ein verhältnismäßig sehr hoher ist. Unter hundert Thalern unseres Geldes kauft man wohl nur ausnahmsweise ein Pärchen: in der Regel verlangt und bezahlt man noch erheblich mehr. Aber freilich sind die schmucken Geschöpfe in den Augen des wahren Liebhabers solchen Preis auch werth. Unter Ihresgleichen, mindestens denjenigen Arten, welche man lebend nach Europa bringt, darf man sie wohl als die anmuthigsten bezeichnen; auch halten sie in der That besser in der Gefangenschaft aus als andere Krallenaffen, möglicherweise nur deshalb, weil man ihnen eben des Preises halber eine sorgfältige Pflege zu Theil werden läßt. Schon Buffon, welcher die Rötheläffchen » Marikina« nennt, gedenkt eines von ihnen, welches in Paris fünf bis sechs Jahre lebte, ohne daß man besondere Umstände mit ihm gemacht hätte. Gegen Kälte zeigen sich unsere Aeffchen überhaupt viel weniger empfindlich als gegen schnellen Witterungswechsel und unmittelbar einwirkende Sonnenhitze. Dies wird man ganz erklärlich finden, wenn man bedenken will, daß alle Krallenaffen während der Hitze des Mittags in ihrer Heimat keineswegs den Strahlen der Sonne sich auszusetzen, im Gegentheile ängstlich vor diesen in dem dichtesten und schattigsten Gelaube zu verbergen pflegen, und daß sie an verhältnismäßig, nämlich im Vergleiche zur Tageswärme höchst empfindlich kalte Nächte von ihrem Freileben her gewöhnt sind. Reichenbach beobachtete, daß ein unmittelbar der Sonne ausgesetztes Löwenäffchen plötzlich erkrankte und unter allen Anzeichen des Sonnenstiches starb, und ich finde nach meinen Erfahrungen solches Vorkommnis durchaus begreiflich.

In seinem Wesen und Betragen unterscheidet sich das Rötheläffchen wenig oder nicht von seinen Verwandten, deren Neigungen, Arten und Unarten es theilt. Wie diese ist es ängstlich und mistrauisch, leicht erregt und jähzornig; wie diese lernt es zwar seinen Gebieter kennen, zieht ihn auch wohl anderen Personen vor und zeigt ihm ein gewisses Vertrauen, bekundet aber doch niemals dieselbe Anhänglichkeit und Hingebung wie andere, höher entwickelte Affen, vermag überhaupt die ihm eigene Furcht und Mistrauen nicht gänzlich zu überwinden. Sobald ein ihm nicht wohlbekanntes Thier oder ein Fremder in seine Nähe kommt, richtet es die Mähnenhaare empor, fletscht die Zähne, als wolle es sich ein furchterregendes Ansehen geben, und zieht sich nun langsam rückwärts nach einem anderen Schlupfwinkel zurück. Doch habe ich an solchen, welche öffentlich ausgestellt waren, beobachtet, daß sie sich nach und nach an die sie umstehenden Leute gewöhnen, mindestens vor ihnen nicht mehr jene ängstliche Scheu an den Tag legen, wie sie im Anfange es zu thun pflegten. Bei gemüthlicher Stimmung vernimmt man dann und wann ein leises Pfeifen von ihnen; im Zorne geben sie zwitschernde, das Ohr unangenehm berührende Laute von sich. Mit Ihresgleichen leben sie in sehr guter Gemeinschaft; zwischen den Gliedern eines Pärchens wenigstens bemerkt man keinen Unfrieden. Beide Gatten pflegen sich stets zusammenzuhalten, fressen gemeinschaftlich aus einem Napfe, ohne dabei die den Affen sonst eigene Habgier und Selbstsucht an den Tag zu legen, schlafen friedlich in einem und demselben Lagerkästchen etc. Hier und da, beispielsweise neuerdings im Thiergarten von Antwerpen, haben sie sich fortgepflanzt; doch gehören derartige Vorkommnisse immerhin zu den Seltenheiten. Man ernährt sie, wie die übrigen Arten der Familie, mit gekochtem Reis, Früchten und Milchsemmel, darf aber nicht verabsäumen, ihnen auch etwas Fleisch, Maikäfer, Mehlwürmer und dergleichen zu reichen, weil thierische Stoffe, wie bereits bemerkt, zu ihrer Gesundheit unumgänglich nöthig sind.

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